Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Bd. 1 - S. 7

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
I. Fainilie und Elternhaus. sich vor euren großen Augen." So wurden die Eier geschont und er- halten. Als nun die Jungen ausgekrochen waren und darinnen lagen, so nackt und klein, und so hungrig die gelben Schnäbel aufsperrten, da standen die Kinder wieder dort und die Mutter mit und sagte: „So arme, kleine Dinger wäret ihr auch, und so ein Nest haben wir euch auch gebaut und haben euch zugedeckt in der Wiege und haben euch warm gehalten in Pfühl und Kissen und haben euch etwas in den Mund gegeben, und der Vater ist ausgegangen und hat das Brot heimgebracht; und wenn's regnete, und wenn's finster und kalt draußen wurde, da haben wir euch mit in unser Bett genommen, husch, husch! — Kinder, tut mir den kleinen Dingern nichts!" — Das war die Mutterpredigt am Grasmückenneste, nicht eben lang, aber etlichemal bei derselben Gelegenheit wiederholt. Und das Nest ward erhalten, und die fünf Jungen sind gestern ausgeflogen. Oldenburger Volksbote. 11. Die Schwaköen. 1. Mutter, Mutter! unsre Schwalben Sieh doch selber, Mutter, sieh! Junge haben sie bekommen, Und die Alten füttern sie. 2. Als die lieben kleinen Schwalben Wundervoll ihr Nest gebaut, Hab' ich stundenlang am Fenster Heimlich sinnend zugeschaut; 3. Und nachdem sie eingerichtet Und bewohnt das kleine Haus, Schauten sie mit klugen Augen Gar verständig nach mir aus. 4. Ja, es schien, sie hätten gerne Manches heimlich mir erzählt, Und es habe sie betrübet, Was zur Nede noch gefehlt. 5. Eins ums andre wie ein Kleinod Hielten sie ihr Haus in Hut; Sieh' doch, wie die kleinen Köpfchen Steckt hervor die junge Brut! 6. Und die Alten, eins ums andre, Bringen ihnen Nahrung dar; O wie köstlich ist zu schauen So ein liebes Schwalbeupaar! 7. Mutter, weißt du noch, wie neulich Krank im Bett ich lag und litt? Pflegtest mich so süß, und abends Brachte Vater mir was mit. Adalb. v. Chamisso. 12. Äm Maimorgerr. 1. Kommt, Kinder, wischt die Augen aus, Es gibt hier was zu sehen; Und ruft den Vater auch heraus: Die Sonne will aufgehen! 2. Wie ist sie doch in ihrem Lauf So unverzagt und munter, Geht alle Morgen richtig auf Und alle Abend unter!

2. Bd. 1 - S. 8

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
8 I. Familie und Elternhaus. 9. Sieht alles, was ihr tut und denkt, Hält euch in seiner Pflege, Weiß, was euch freut und was euch kränkt, Und liebt euch allewege. 10. Das Sternenheer hoch in der Höh', Die Sonne, die dort glänzet, Das Morgenrot, der Silbersee, Mit Busch und Wald umkränzet; 11. Dies Veilchen, dieser Blütenbaum, Der seine Arm' ausstrecket, Sind, Kinder, seines Kleides Saum, Das ihn vor uns bedecket; 12. Ein Herold, der uns weit und breit Von ihm erzähl' und lehre; Der Spiegel seiner Herrlichkeit, Der Tempel seiner Ehre; 13. Ein mannigfaltig groß Gebäu, Durch Meisterhand vereinet, Wo seine Lieb' und seine Treu' Uns durch die Fenster scheinet. 14. Er selbst wohnt unerkannt darin Und ist schwer zu ergründen. Seid fromm und sucht von Herzen ihn, Ob ihr ihn möchtet finden. Matth. Claudius. 13. Wunderbare Rettung aus Sturmesnot. An einem eiskalten, stürmischen Januarmorgen des Jahres 1895 wurden die Bewohner eines schleswig-holsteinischen Fischer- dorfes durch einen Kanonenschuß auf der See geweckt. Alle wußten, was das zu bedeuten habe, und begaben sich in der größten Eile an den Strand. Etwa ein Kilometer von der Küste saß ein Schiff auf dem Riff, rettungslos verloren. Die Besatzung war in die Masten geklettert und hatte sich an das Tauwerk festgeklammert, um nicht von den Wellen weggespült zu werden. „Rettungsboot klarl“ ertönte das Kommando. Das Boot wurde ausgebracht, aber sein beherzter Führer Harro war nicht da; er hatte sich frühmorgens in das Nachbardorf begeben. Es war un- möglich, auf ihn zu warten; denn jede Minute konnte das ge- fährdete Schiff in Trümmer zerschlagen werden. Acht Mann ruderten hinaus in die tosende See. Sie erreichten das Wrack und schafften die armen Schiffbrüchigen in das Boot. Aber einer 3. So scheint sie täglich weit und breit In Schweden und in Schwaben, Dann kalt, dann warm, zu seiner Zeit, Wie wir es nötig haben. 4. Von ungefähr kann das nicht sein, Das könnt ihr wohl gedenken; Der Wagen da geht nicht allein, Ihr müßt ihn ziehn und lenken. 5. So hat die Sonne nicht Verstand, Weiß nicht, was sich gebühret; 's muß einer sein, der an der Hand Gleich wie ein Lamm sie führet. 6. Und der hat Gutes nur im Sinn, Das kann man bald verstehen; Er schüttet seine Wohltat hin Und lässet sich nicht sehen; 7. Und hilft und segnet für und für, Gibt jedem seine Freude, Gibt uns den Garten vor der Tür Und unsrer Kuh die Weide; 8. Und hält euch Morgenbrot bereit Und läßt euch Blumen pflücken Und stehet, wann und wo ihr seid, Euch heimlich hinterm Rücken;

3. Bd. 1 - S. 15

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
I. Familie und Elternhaus. 15 Trompeten, beibehalten hatte, lernte es auch. Unermüdlich übte er sich, am liebsten im Stadtwalde, wo es niemand hörte. Dann blies er oft für seinen Vater, und alle, die ihn hörten, freuten sich. Unterdessen kam die Zeit, wo er Soldat werden mußte. In demselben Jahre starben seine beiden Eltern. Sie segneten ihn; denn er hatte ihnen viel Freude gemacht. Beim Regimente wurde Hans Musiker und zeichnete sich dabei so aus, daß er nach wenigen Jahren die erste Stelle bei der Regiments- musik erhielt. Am Mittage bei der Wachparade sammeln sich immer viele Leute, um die schöne Musik zu hören. Mitten unter den Musikern steht ein Mann, der den Takt dazu schlägt. Das ist niemand anders als Hans Lustig; sein Titel heißt aber jetzt Herr Kapellmeister. Rob. Reinick. 20. Die köstlichsten Gewürze. Ein Prinz wurde auf einem Spaziergange von einem Platz- regen überfallen und flüchtete sich in das nächste Bauernhaus. Die Kinder saßen eben bei Tische. Vor ihnen stand eine große Schüssel voll Kartoffeln und eine andere mit Buttermilch. Alle ließen sich’s gut schmecken und sahen dabei frisch und rot aus wie die Rosen. „Aber wie ist es nur möglich,“ sagte der Prinz zur Mutter, „daß man eine so einfache Nahrung mit so sichtbarer Lust ver- zehren und dabei so gesund und blühend aussehen kann?“ Die Mutter aber antwortete: „Das kommt von dreierlei Ge- würzen her, die ich in die Speisen tue. Erstens lasse ich die Kinder ihr Mittagessen durch Arbeit verdienen. Zweitens gebe ich ihnen außer der Tischzeit nichts zu essen, damit sie Hunger mit zu Tische bringen. Drittens gewöhne ich sie zur Genüg- samkeit, indem ich sie mit Leckerbissen und Näschereien gar nicht bekannt mache.“ Clir. v. Schmid. 21. Das Mittagessen im Kofe. Ein Bedienter konnte seinem Herrn manchmal gar nichts recht machen, und er mußte vieles entgelten, woran er unschuldig war. So kam einmal der Herr sehr verdrießlich nach Hause und setzte sich zum Mittagessen. Da war die Suppe zu heiß oder zu kalt oder keins von beiden; aber genug, der Herr war verdrießlich. Er faßte daher die Schüssel mit dem was darinnen war, und warf sie durch das offene Fenster in den Hof hinab.

4. Bd. 1 - S. 17

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
I. Familie und Elternhaus. 17 24. Das fremde Kind. Durch den Schnee und durch die Tannen des Schwarzwaldes kommt abends am 5. Dezember 1807 ein achtjähriges Mägdlein halb barfuß, halb nackt, vor das Häuslein eines armen Taglöhners im Ge- birge und gesellt sich mir nichts dir nichts zu den Kindern des armen Mannes, die vor dem Hause waren, und gaukelt mit ihnen, geht mit ihnen mir nichts dir nichts in die Stube und denkt nimmer ans Fort- gehen. Nicht anders als ein Schäflein, das sich von der Herde ver- laufen hat und in der Wildnis umherirrt: wenn es wieder zu seines- gleichen kommt, so hat es keinen Kummer mehr. Der Taglöhner fragt das Kind, wo es herkomme. — „Oben herab vom Gutenberg." — „Wie heißt dein Vater?" — „Ich habe keinen Vater." — „Wie heißt deine Mutter?" — „Ich habe keine Mutter." — „Wem gehörst du denn sonst an?" — „Ich gehöre nie- mand sonst an." Aus allem, was er fragte, war nur soviel herauszubringen, daß das Kind von Bettelleuten sei aufgelesen worden, daß es mehrere Jahre mit Bettlern und Gaunern umhergezogen sei, daß sie es zuletzt in St. Peter hätten sitzen lassen und daß es allein über St. Märgen gekommen und jetzt da sei. Als der Tagelöhner mit den Deinigen zu Nacht aß, setzte sich das fremde Kind auch an den Tisch. Als es Zeit war zu schlafen, legte es sich auf die Ofenbank und schlief auch; so den andern Tag, so den dritten. Denn der Mann dachte: Ich kann das arme Kind nicht wieder in sein Elend hinausjagen, so schwer es mich ankommt, eins mehr zu ernähren. Aber am dritten Tage sagte er zu seiner Frau: „Frau, ich will's doch auch dem Herrn Pfarrer anzeigen." Der Psarrherr lobte die gute Denkungsart des armen Mannes. „Aber das Mägdlein," sagte er, „soll nicht das Brot mit Euern Kin- dern teilen, sonst werden die Stücklein zu klein. Ich will ihm einen Vater und eine Mutter suchen." Also ging der Psarrherr zu einem wohlhabenden und gutdenkenden Manne in seinem Kirchspiele, der selber wenig Kinder hatte. „Peter," sagte er, „wollt Ihr ein Geschenk annehmen?" — „Nach dem's ist," sagte der Mann. — „Es kommt von unserm lieben Herrgott." — "Wenn's von dem kommt, so ist's kein Fehler." — Also bot chm der Psarrherr das verlassene Mägdlein an und erzählte ihm die Geschichte dazu, so und so. Der Mann sagte: „Ich will mit meiner Frau reden. Es wird nicht fehlen." Der Mann und die Frau nahmen das Kind mit Freuden auf.. „Wenn's gut tut," sagte der Mann, „so will ich's erziehen, bis es sein Stücklein Brot selber verdienen kann. Wenn's nicht N. Gottesleben. Deutsches Lesebuch, l. ~

5. Bd. 1 - S. 19

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
I. Familie und Elternhaus. 19 26. Pas Kind am Wrunnen. 1. Frau Amme, Frau Amme, das Kind ist erwacht! Doch die liegt ruhig im Schlafe. Die Vögleiu zwitschern, die Sonne lacht, Am Hügel weiden die Schafe. 2. Frau Amme, Frau Amme, das Kind steht auf, Es wagt sich weiter und weiter! Hinab zum Brunnen nimmt es den Lauf, Da stehen Blumen und Kräuter. 3. Frau Amme, Frail Amme, der Brunnen ist tief! Sie schläft, als läge sie drinnen. Das Kind läuft schnell, wie es noch nie lief, Die Blumen locken's von hinnen. 4. Nun steht es am Brunnen, nun ist es am Ziel, Nun pflückt es die Blumen sich munter; Doch bald ermüdet das reizende Spiel, Da fchaut's in die Tiefe hinunter. 5. Und unten erblickt es ein holdes Gesicht Mit Augen, so hell und so süße. Es ist sein eigenes, das weiß es noch nicht, Winkt stumme, freundliche Grüße. 6. Das Kindlein winkt, der Schatten geschwind Winkt aus der Tiefe ihm wieder. Herauf, heraus! so meint's das Kind; Der Schatten: Hernieder, hernieder! 7. Schon beugt es sich über den Brunnenrand — Frau Amme, du schläfst noch immer! Da fallen die Blumen ihm aus der Hand Und trüben den lockenden Schimmer. 8. Verschwunden ist sie, die süße Gestalt, Verschluckt von der hüpfenden Welle; Das Kind durchschauert's fremd und kalt, Und schnell enteilt es der Stelle. Friedr. Hebbel. 27. Pie zwei Kunde. Ein Junker hielt sich ein paar Hunde; Es war ein Pudel und sein Sohn. Der junge, namens Pantalon, Vertrieb dem Herrchen manche Stunde.

6. Bd. 1 - S. 54

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
54 Ii. Aus dem Menschenleben. daß er sich kümmerlich mit seinen Kindern durchbrachte; — aber es kam doch mancher „lange Tag". Der Kollheim hatte einen recht guten Freund, namens Volk- mann. Der war auch Witwer, wie er, und hatte sieben unerzogene Kinder. „Gleich und gleich gesellt sich gern," heißt's im Sprichworts, und „das Unglück ist der beste Leim." Der Volkmann und seine Kinder hatten auch der Fasttage so viele, daß sie schier die schwere Kunst des Hungerleidens bald gelernt hätten, wenn nicht das Lehrgeld gar zu schwer wäre. Beide Leidensbrüder waren ein Herz und eine Seele. Da sagte einmal der Volkmann zu seinem Busenfreunde Kollheim: „Ich ziehe nach Lauter- berg ins Hannoversche; dort ist mehr Verdienst." Gesagt, getan; — und der Hausrat kostete nicht viel Fracht. Der Kollheim wünschte ihm alles, was ihm heilbringend sein könnte; aber der Arme fand's in Lauterberg nicht; denn er erkrankte und starb, und die von Lauterberg schickten die hungernden Kindlein hin, wo sie hergekommen. Die Bauern im Dorfe dachten: „Was mich nicht brennt, das blas' ich nicht!" und ließen die hungernden Waisen laufen. Der blutarme Kollheim aber nahm die sieben Waisen seines Freundes in seine kleine Hütte zu seinen Kindern, sah mit einer heißen Träne gen Himmel und seufzte; „Herr, der du mit wenigen Broten Tausende gespeist hast, hilf, und verlaß mich nicht!" Wenn die Not am größten, ist Gott am nächsten! — Das, was Kollheim getan, wurde der preußischen Negierung in Erfurt bekannt, und diese sandte ihm 40 Taler zur ersten Hilfe; auch schickte ihm ein frommer Mann heimlich 10 Taler. Und als der fromme Preußenkönig Friedrich Wilhelm Iii. es hörte, sandte dieser dem guten Kollheim ein Kapitälchen, daß er sich konnte ein Feldgütchen kaufen, und eines der Volkmannschen Kinder kam ins Waisenhaus nach Halle, welches der fromme Franke ge- stiftet hat, der auch nicht sagte: „Was mich nicht brennt, das blas' ich nicht!" W. Ürtel von Horn. 71. Fritz Oberlin und die Bäuerin. In Straßburg hielt eine arme Bäuerin auf dem Markte Eier feil. Zwei mutwillige Knaben rannten an den Korb, stießen ihn um und liefen mit Lachen davon. Das sah ein anderer Knabe, und im Zorne, mit geballten Fäusten, rannte er den beiden nach, und denen war schon angst. Aber der Knabe blieb auf einmal stehen, als ob er sich besänne, kehrte dann um und lief nach Hause. Wie aber die Frau noch über ihre zerbrochenen Eier weinte, langte auf einmal eine kleine Hand in ihren Schoß und schüttete eine Sparbüchse in die Schürze der Frau aus; und die kleine offene Hand war dieselbe, die vorhin im Zorne sich geballt hatte,

7. Bd. 1 - S. 55

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
Ii. Aus dem Menschenleben. 55 ^.der der Knabe, dem die Hand gehörte, und der eben seine letzten Pfennige hergegeben hatte, war schon wieder fort, ehe die Bauernfrau sich bedanken konnte. Wollt ihr wissen, wie der Knabe hieß? — Er hieß Oberlin und wurde später Pfarrer im Steintal. A(L stöber> 72. Das H>a1cngeschenk. In Würzburg hat einmal ein reicher und vornehmer Mann den Fürstbischof Julius gebeten, daß er ihm sein Söhnlein aus der Taufe heben möchte. Der Bischof, der ein wohlwollender Herr war und dem vornehmen Manne sehr gewogen, nahm die Patenstelle an und erschien auch zum Kindtaufschmaus. Da ging es hoch her, die Tische krachten und bogen sich, so viel Gebratenes und Gebackenes stand darauf in silbernen Schüsseln, und der köstlichste Frankenwein floß in Strömen. Der vornehme Vater des Täuflings war aber nicht gleichermaßen vornehm von Gesinnung; er gedachte vielmehr eine Wurst nach der Speckseite zu werfen, wie man zu sagen pflegt, wenn einer einem etwas schenkt oder eine Artigkeit erweist nicht aus Freundschaft, sondern um etwas Wertvolles dafür wiederzubekommen. Der hochwürdige Herr Gevatter schenkte aber vorläuflg noch nichts, jedoch sagte er beim Abschied: „Morgen soll auch der kleine Julius sein Patengeschenk haben!" So sah bemt der Kindtaufsvater andern Tags fleißig zum Fenster hinaus und wartete, ob er nicht einen betreßten Diener kommen sähe mit etwas auf dem Arm oder gar einen wohlbepackten Wagen. Endlich erschien denn auch ein Bote vom Bischof. Aber er hatte nur ein kleines Henkelkörbchen am Arme, das stellte er aus den Tisch und sagte: „Eine Empfehlung von seiner Fürstbischöflichen Gnaden, und hier wäre das Patengeschenk!" Und damit war der Diener auch schon fort und zur Tür hinaus. Wie man aber den Deckel des Körbleins aufhob, da waren lauter ausgesuchte, köstliche Trauben drin. Da nahm der Gevatter ohne Umstände alsbald das Körbchen und schickte es wieder in den bischöf- lichen Palast: „Eine schöne Empfehlung, und der kleine Säugling könne noch keine Trauben essen; die Eltern des Tauskindes aber hätten ebensolche in ihrem Weinberg und noch viel schönere. Darum wäre es besser, wenn seine Fürstbischöflichen Gnaden etwa einem armen Kranken ein Labsal bereiten wollten mit diesen köstlichen Früchten." Was tut aber der Fürstbischof? Er packt in Gegenwart des Boten, der das Körbchen zurückgebracht hatte, in aller Seelenruhe die Trauben aus und sagt dabei: „Euer Herr mag recht haben; es ist gewiß auch besser, wenn arme Kranke mein Patengeschenk bekommen!" Und damit war er auf den Boden des Körbchens gekommen, nahm ein Papier heraus, das

8. Bd. 1 - S. 59

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
Ii. Aus dem Menschenleben. 59 Mützchen und sprach in wohlgesetzten Worten seinen Dank ans. Sodann wuchtete es unter großem Schnaufen die Gerstenähre aus seine Schulter und schleppte seine Last unter ziemlichem Gestöhne von dannen. Den sperrigen Halm in das Loch hineinzubringen, ward ihm auch nicht leicht; man sah an dem Zappeln der Ähre, wie das Männlein inwendig zerrte, und wohl eine halbe Minute dauerte es, bis der letzte Zipfel in der Öffnung verschwunden war. Der Bauer ging von nun an alle Mittage in die Scheune und gab dem Männlein seine Gerstenähre, und von dieser Zeit ab gedieh sein Vieh auf eine wunderbare Art, obwohl es weniger Pflege und Futter verlangte als sonst. So blanke Kühe wie auf diesem Hofe fanden sich bald weit und breit nicht. Sie gaben ohne Ende fette, sahnige Milch und um die Butter, die die Bäuerin in die Stadt schickte, rissen sich die Leute; denn sie war frisch wie Morgentau und süß wie Nußkern. Ob- wohl die Pferde des Bauern nur einige Hände voll Hafer und en- wenig Heu alltäglich verzehrten, waren sie doch glänzend und schön, fromm und feurig zugleich, und beschafften vor dem Pfluge oder dem Wagen doppelt so viel als früher. Auch mit den Hühnern war es ein seltsames Ding. Sie legten und legten fast das ganze Jahr hindurch, jegliches alltäglich ein großes, rundes Staatsei, zuweilen gar mit zwei Dottern, Hub niemals geschah es, wenn eine Glucke gesetzt wurde, daß auch nur eines von den untergelegten Eiern sich faul erwies. Dies alles gefiel dem Bauern und der Bäuerin gar wohl, und da sie recht gut wußten, wem sie diesen Segen zu verdanken hatten, so priesen sie das kleine Männchen alle Tage, und niemals ward die herkömmliche Weise versäumt. Eines Tages im Winter aber, als es bei hellem Sonnenschein so recht Stein und Bein fror und die Eiszapfen wie gläserne Keulen von den Dächern hingen, saß der Bauer recht be- haglich in seinem Sorgenstuhl am warmen Ofen und wartete auf sein Mittagessen. Es gab sein Lieblingsgericht, Schweinsrippenbraten mit Pflaumen und Äpfeln gefüllt, und süße Düfte dieses köstlichen Gerichtes wehten jedesmal, wenn die Tür geöffnet wurde, verheißungsvoll aus der Küche hervor. Da er nun in der Erwartung des Guten so behaglich in der Wärme saß, empfand er eine Abneigung, hinauszugehen in den eisigen Wintertag und die kalte Scheune nur um der einen kleinen Gerften- ähre willen. Er rief deshalb seinen Knecht und sagte ihm, was er tun sollte. Der Knecht, ein vorwitziger Gesell, hatte schon lange Begehren getragen, das sonderbare Männlein, darüber man im Dorfe die wunder- lichsten Dinge erzählte, zu sehen, und ging eilfertig in die Scheune, wo er das Wichtlein schon wartend antraf. Als er ihm den Halm nun dar- reichte, konnte er sich nicht enthalten, das kleine Geschöpf wie zufällig mit den spitzen Grannen der Ähren ins Gesicht zu kitzeln, also daß er sehr

9. Bd. 1 - S. 24

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
24 I. Familie und Elternhaus. 6. Gott, bewahr’ dieses Haus Und alle, die gehen ein und aus. Gott, steh’ uns bei mit deiner Gnad’, Daß uns nichts Böses schaden mag; Erhalte uns zu jederzeit Gesund in Fried und Einigkeit, Daß wir die Tage bringen zu In Freuden und in guter Ruh; Verleih uns allen hier auf Erden, Daß wir mögen selig werden 1 Sulzern, Kreis Colmar. K. Mündel, (Haussprüche und Inschriften im Elsaß.) 32. Jas Vaterhaus. 1. Ob prächtig scheint mit Turm und Bogen Das Vaterhaus ins weite Land; Ob es, vom Laubgrün hold umzogen, Sich lehnet an des Waldes Rand; Ob in der Straßen langer Reihe, Ob einsam, in den Fluren drauß, Ihm mangelt nicht die rechte Weihe — Es bleibet stets das liebste Haus. 2. Denn holde Bilder drinnen prangen Aus unsrer lieben Jugendzeit: Das Mutterherz voll Lust und Bangen, Das Vateraug' voll Zärtlichkeit, Das Schwesterlein in seiner Wiege Mit seinem Köpfchen rund und kraus, Der Brüder laute, lust'ge Kriege: — Dies alles zeigt das Vaterhaus. 3. Gar manchen schönen Festesmorgen Und manchen Abend, lieb und traut, Und manche Hoffnung, still verborgen, Die sich das Kinderherz erbaut, Das Weihnachtsbäumlein voller Schöne, Den Osterhas, den Nikolaus Und all' die lauten Freudentöne: — Dies alles bringt das Vaterhaus. 4. O Vaterhaus voll Glück und Frieden, Sei uns gegrüßt viel tausendfach! Ob längst wir sind davon geschieden, Ob noch uns birgt das liebe Dach! — Nimm unsern Dank für allen Segen, Der je von dir uns strömte aus; Wir denken dein auf allen Wegen, Geliebtes, teures Vaterhaus! Jsabella Braun. 33. Ies kleinen Wolkes Kochzeilsfest. Das kleine Volk auf der Eilenburg in Sachsen wollte einmal Hochzeit halten und zog daher in der Nacht durch das Schlüsselloch und die Fensterritzen in den Saal, und sie sprangen hinab aus den glatten Fußboden, wie Erbsen auf die Tenne geschüttet werden. Davon erwachte der alte Graf, der im hohen Himmelbette in dem Saale schlief, und verwunderte sich über die vielen kleinen Gesellen. Da trat einer von ihnen, geschmückt wie ein Herold, zu ihm heran und lud ihn in geziemenden Worten gar höflich ein, au ihrem Feste teilzunehmen. „Doch um eins bitten wir," setzte er hinzu, „Ihr allein sollt zugegen sein; keiner von Eurem Hofgesinde darf sich unterstehen, das Fest mit an-

10. Bd. 1 - S. 30

1911 - Straßburg : Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
30 Ii. Aus dem Menschenleben. zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben über seinen Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen stärker ward und endlich so stark, als ob man mit Mulden vom Himmel gösse, schwang er den Degen immer schneller und blieb so trocken, als säß' er unter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, erstaunte er und sprach: „Du hast das beste Meisterstück gemacht, das Haus ist dein." Die beiden andern Brüder waren damit zufrieden, wie sie vorher gelobt hatten, und weil sie einander so lieb hatten, blieben sie alle drei zusammen im Haus und trieben ihr Handwerk; und da sie so gut ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So lebten sie vergnügt bis in ihr Alter zusammen, und als der eine krank ward und starb, grämten sich die zwei andern so sehr darüber, daß sie auch krank wurden und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt gewesen waren und sich so lieb gehabt hatten, alle drei zusammen in ein Grab gelegt. Brüder Grimm. A. Merkehr mit dem Nächsten. 37. Junker Prahlhans. n König hatte einen jungen Edelknecht, den man Junker Prahl- hans nannte, weil er immer viel versprach und wenig hielt. Es lebte aber auch am Hofe des Königs ein Spaßmacher, und dieser wollte den Prahlhans bessern. Das ging aber auf folgende Weise zu: Eines Tages hätte der König gern gebratene Vögel gegessen und sprach zum Junker: „Hans, gehe hinaus in den Wald und schieße mir zehn Vögel für meinen Tisch!" Der Junker aber sprach: „Nicht nur zehn, sondern hundert Vögel will ich dir schießen!" — „Gut!" sprach der König, „wenn du ein so guter Schütze bist, so bringst du mir hundert; sollst für jeden einen Taler haben!" Der alte Spaßmacher hörte das und ging dem Junker voraus in den Wald, wo die meisten Vögel waren, und rief ihnen zu und sprach: „Ihr Vöglein, flieget alle fort! Hans Großmaul kommt an diesen Ort, Will hundert Vögel schießen."
   bis 10 von 278 weiter»  »»
278 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 278 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 56
1 3
2 1
3 2
4 0
5 143
6 0
7 90
8 0
9 3
10 2
11 0
12 0
13 0
14 1
15 0
16 22
17 0
18 3
19 4
20 0
21 1
22 0
23 0
24 5
25 0
26 0
27 0
28 6
29 2
30 23
31 0
32 3
33 37
34 0
35 0
36 4
37 209
38 29
39 6
40 0
41 0
42 0
43 12
44 0
45 6
46 1
47 0
48 1
49 1

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 1
1 55
2 0
3 1
4 0
5 2
6 2
7 0
8 0
9 0
10 0
11 1
12 8
13 2
14 0
15 0
16 16
17 113
18 0
19 9
20 0
21 48
22 0
23 4
24 23
25 0
26 1
27 0
28 14
29 0
30 0
31 1
32 0
33 1
34 0
35 3
36 5
37 1
38 4
39 61
40 8
41 2
42 11
43 0
44 0
45 6
46 0
47 0
48 2
49 4
50 0
51 1
52 3
53 0
54 30
55 0
56 0
57 0
58 1
59 0
60 0
61 0
62 1
63 0
64 0
65 1
66 4
67 0
68 1
69 1
70 4
71 5
72 3
73 1
74 0
75 25
76 10
77 264
78 0
79 0
80 8
81 9
82 39
83 2
84 24
85 2
86 0
87 34
88 0
89 0
90 2
91 21
92 39
93 1
94 107
95 0
96 0
97 0
98 4
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 25
1 18
2 22
3 12
4 2
5 6
6 57
7 3
8 0
9 0
10 6
11 3
12 57
13 78
14 0
15 0
16 0
17 5
18 2
19 2
20 0
21 2
22 4
23 1
24 12
25 23
26 4
27 2
28 28
29 7
30 1
31 1
32 15
33 126
34 19
35 1
36 17
37 1
38 0
39 30
40 0
41 36
42 72
43 56
44 1
45 0
46 11
47 2
48 5
49 6
50 144
51 278
52 26
53 0
54 2
55 1
56 4
57 0
58 1
59 110
60 2
61 12
62 4
63 0
64 2
65 24
66 1
67 0
68 3
69 1
70 1
71 2
72 10
73 0
74 0
75 10
76 1
77 3
78 5
79 2
80 5
81 449
82 11
83 2
84 25
85 1
86 4
87 2
88 1
89 23
90 2
91 10
92 1
93 1
94 6
95 2
96 16
97 12
98 0
99 6
100 172
101 4
102 142
103 0
104 3
105 7
106 8
107 8
108 0
109 5
110 15
111 66
112 50
113 1
114 28
115 0
116 64
117 1
118 6
119 4
120 1
121 25
122 2
123 33
124 22
125 64
126 2
127 4
128 0
129 30
130 0
131 55
132 3
133 15
134 0
135 0
136 33
137 9
138 0
139 2
140 12
141 3
142 40
143 25
144 9
145 8
146 1
147 0
148 0
149 0
150 2
151 12
152 62
153 0
154 30
155 6
156 12
157 10
158 0
159 1
160 1
161 2
162 1
163 0
164 6
165 2
166 5
167 5
168 18
169 32
170 1
171 3
172 10
173 10
174 0
175 71
176 0
177 16
178 0
179 25
180 0
181 2
182 7
183 65
184 1
185 4
186 1
187 1
188 7
189 2
190 1
191 1
192 1
193 3
194 0
195 19
196 153
197 0
198 4
199 10