I. Fainilie und Elternhaus.
sich vor euren großen Augen." So wurden die Eier geschont und er-
halten.
Als nun die Jungen ausgekrochen waren und darinnen lagen, so
nackt und klein, und so hungrig die gelben Schnäbel aufsperrten, da
standen die Kinder wieder dort und die Mutter mit und sagte: „So
arme, kleine Dinger wäret ihr auch, und so ein Nest haben wir euch
auch gebaut und haben euch zugedeckt in der Wiege und haben euch
warm gehalten in Pfühl und Kissen und haben euch etwas in den
Mund gegeben, und der Vater ist ausgegangen und hat das Brot
heimgebracht; und wenn's regnete, und wenn's finster und kalt draußen
wurde, da haben wir euch mit in unser Bett genommen, husch, husch!
— Kinder, tut mir den kleinen Dingern nichts!" —
Das war die Mutterpredigt am Grasmückenneste, nicht eben lang,
aber etlichemal bei derselben Gelegenheit wiederholt. Und das Nest
ward erhalten, und die fünf Jungen sind gestern ausgeflogen.
Oldenburger Volksbote.
11. Die Schwaköen.
1. Mutter, Mutter! unsre Schwalben
Sieh doch selber, Mutter, sieh!
Junge haben sie bekommen,
Und die Alten füttern sie.
2. Als die lieben kleinen Schwalben
Wundervoll ihr Nest gebaut,
Hab' ich stundenlang am Fenster
Heimlich sinnend zugeschaut;
3. Und nachdem sie eingerichtet
Und bewohnt das kleine Haus,
Schauten sie mit klugen Augen
Gar verständig nach mir aus.
4. Ja, es schien, sie hätten gerne
Manches heimlich mir erzählt,
Und es habe sie betrübet,
Was zur Nede noch gefehlt.
5. Eins ums andre wie ein Kleinod
Hielten sie ihr Haus in Hut;
Sieh' doch, wie die kleinen Köpfchen
Steckt hervor die junge Brut!
6. Und die Alten, eins ums andre,
Bringen ihnen Nahrung dar;
O wie köstlich ist zu schauen
So ein liebes Schwalbeupaar!
7. Mutter, weißt du noch, wie neulich
Krank im Bett ich lag und litt?
Pflegtest mich so süß, und abends
Brachte Vater mir was mit.
Adalb. v. Chamisso.
12. Äm Maimorgerr.
1. Kommt, Kinder, wischt die Augen
aus,
Es gibt hier was zu sehen;
Und ruft den Vater auch heraus:
Die Sonne will aufgehen!
2. Wie ist sie doch in ihrem Lauf
So unverzagt und munter,
Geht alle Morgen richtig auf
Und alle Abend unter!
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TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau]]
8
I. Familie und Elternhaus.
9. Sieht alles, was ihr tut und denkt,
Hält euch in seiner Pflege,
Weiß, was euch freut und was euch kränkt,
Und liebt euch allewege.
10. Das Sternenheer hoch in der Höh',
Die Sonne, die dort glänzet,
Das Morgenrot, der Silbersee,
Mit Busch und Wald umkränzet;
11. Dies Veilchen, dieser Blütenbaum,
Der seine Arm' ausstrecket,
Sind, Kinder, seines Kleides Saum,
Das ihn vor uns bedecket;
12. Ein Herold, der uns weit und breit
Von ihm erzähl' und lehre;
Der Spiegel seiner Herrlichkeit,
Der Tempel seiner Ehre;
13. Ein mannigfaltig groß Gebäu,
Durch Meisterhand vereinet,
Wo seine Lieb' und seine Treu'
Uns durch die Fenster scheinet.
14. Er selbst wohnt unerkannt darin
Und ist schwer zu ergründen.
Seid fromm und sucht von Herzen ihn,
Ob ihr ihn möchtet finden.
Matth. Claudius.
13. Wunderbare Rettung aus Sturmesnot.
An einem eiskalten, stürmischen Januarmorgen des Jahres
1895 wurden die Bewohner eines schleswig-holsteinischen Fischer-
dorfes durch einen Kanonenschuß auf der See geweckt. Alle
wußten, was das zu bedeuten habe, und begaben sich in der
größten Eile an den Strand. Etwa ein Kilometer von der Küste
saß ein Schiff auf dem Riff, rettungslos verloren. Die Besatzung
war in die Masten geklettert und hatte sich an das Tauwerk
festgeklammert, um nicht von den Wellen weggespült zu werden.
„Rettungsboot klarl“ ertönte das Kommando. Das Boot wurde
ausgebracht, aber sein beherzter Führer Harro war nicht da; er
hatte sich frühmorgens in das Nachbardorf begeben. Es war un-
möglich, auf ihn zu warten; denn jede Minute konnte das ge-
fährdete Schiff in Trümmer zerschlagen werden. Acht Mann
ruderten hinaus in die tosende See. Sie erreichten das Wrack
und schafften die armen Schiffbrüchigen in das Boot. Aber einer
3. So scheint sie täglich weit und breit
In Schweden und in Schwaben,
Dann kalt, dann warm, zu seiner Zeit,
Wie wir es nötig haben.
4. Von ungefähr kann das nicht sein,
Das könnt ihr wohl gedenken;
Der Wagen da geht nicht allein,
Ihr müßt ihn ziehn und lenken.
5. So hat die Sonne nicht Verstand,
Weiß nicht, was sich gebühret;
's muß einer sein, der an der Hand
Gleich wie ein Lamm sie führet.
6. Und der hat Gutes nur im Sinn,
Das kann man bald verstehen;
Er schüttet seine Wohltat hin
Und lässet sich nicht sehen;
7. Und hilft und segnet für und für,
Gibt jedem seine Freude,
Gibt uns den Garten vor der Tür
Und unsrer Kuh die Weide;
8. Und hält euch Morgenbrot bereit
Und läßt euch Blumen pflücken
Und stehet, wann und wo ihr seid,
Euch heimlich hinterm Rücken;
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I. Familie und Elternhaus.
15
Trompeten, beibehalten hatte, lernte es auch. Unermüdlich übte er sich,
am liebsten im Stadtwalde, wo es niemand hörte. Dann blies er oft
für seinen Vater, und alle, die ihn hörten, freuten sich. Unterdessen kam
die Zeit, wo er Soldat werden mußte. In demselben Jahre starben
seine beiden Eltern. Sie segneten ihn; denn er hatte ihnen viel Freude
gemacht. Beim Regimente wurde Hans Musiker und zeichnete sich dabei
so aus, daß er nach wenigen Jahren die erste Stelle bei der Regiments-
musik erhielt.
Am Mittage bei der Wachparade sammeln sich immer viele Leute,
um die schöne Musik zu hören. Mitten unter den Musikern steht ein
Mann, der den Takt dazu schlägt. Das ist niemand anders als Hans
Lustig; sein Titel heißt aber jetzt Herr Kapellmeister.
Rob. Reinick.
20. Die köstlichsten Gewürze.
Ein Prinz wurde auf einem Spaziergange von einem Platz-
regen überfallen und flüchtete sich in das nächste Bauernhaus.
Die Kinder saßen eben bei Tische. Vor ihnen stand eine
große Schüssel voll Kartoffeln und eine andere mit Buttermilch.
Alle ließen sich’s gut schmecken und sahen dabei frisch und rot
aus wie die Rosen.
„Aber wie ist es nur möglich,“ sagte der Prinz zur Mutter,
„daß man eine so einfache Nahrung mit so sichtbarer Lust ver-
zehren und dabei so gesund und blühend aussehen kann?“
Die Mutter aber antwortete: „Das kommt von dreierlei Ge-
würzen her, die ich in die Speisen tue. Erstens lasse ich die
Kinder ihr Mittagessen durch Arbeit verdienen. Zweitens gebe
ich ihnen außer der Tischzeit nichts zu essen, damit sie Hunger
mit zu Tische bringen. Drittens gewöhne ich sie zur Genüg-
samkeit, indem ich sie mit Leckerbissen und Näschereien gar
nicht bekannt mache.“ Clir. v. Schmid.
21. Das Mittagessen im Kofe.
Ein Bedienter konnte seinem Herrn manchmal gar nichts recht
machen, und er mußte vieles entgelten, woran er unschuldig war. So
kam einmal der Herr sehr verdrießlich nach Hause und setzte sich zum
Mittagessen. Da war die Suppe zu heiß oder zu kalt oder keins von
beiden; aber genug, der Herr war verdrießlich. Er faßte daher die
Schüssel mit dem was darinnen war, und warf sie durch das offene
Fenster in den Hof hinab.
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Extrahierte Personennamen: Hans Hans
Lustig Schmid
I. Familie und Elternhaus.
17
24. Das fremde Kind.
Durch den Schnee und durch die Tannen des Schwarzwaldes
kommt abends am 5. Dezember 1807 ein achtjähriges Mägdlein halb
barfuß, halb nackt, vor das Häuslein eines armen Taglöhners im Ge-
birge und gesellt sich mir nichts dir nichts zu den Kindern des armen
Mannes, die vor dem Hause waren, und gaukelt mit ihnen, geht mit
ihnen mir nichts dir nichts in die Stube und denkt nimmer ans Fort-
gehen. Nicht anders als ein Schäflein, das sich von der Herde ver-
laufen hat und in der Wildnis umherirrt: wenn es wieder zu seines-
gleichen kommt, so hat es keinen Kummer mehr.
Der Taglöhner fragt das Kind, wo es herkomme. — „Oben
herab vom Gutenberg." — „Wie heißt dein Vater?" — „Ich habe
keinen Vater." — „Wie heißt deine Mutter?" — „Ich habe keine
Mutter." — „Wem gehörst du denn sonst an?" — „Ich gehöre nie-
mand sonst an."
Aus allem, was er fragte, war nur soviel herauszubringen, daß
das Kind von Bettelleuten sei aufgelesen worden, daß es mehrere Jahre
mit Bettlern und Gaunern umhergezogen sei, daß sie es zuletzt in St.
Peter hätten sitzen lassen und daß es allein über St. Märgen gekommen
und jetzt da sei. Als der Tagelöhner mit den Deinigen zu Nacht aß,
setzte sich das fremde Kind auch an den Tisch. Als es Zeit war zu
schlafen, legte es sich auf die Ofenbank und schlief auch; so den andern
Tag, so den dritten. Denn der Mann dachte: Ich kann das arme Kind
nicht wieder in sein Elend hinausjagen, so schwer es mich ankommt,
eins mehr zu ernähren. Aber am dritten Tage sagte er zu seiner Frau:
„Frau, ich will's doch auch dem Herrn Pfarrer anzeigen."
Der Psarrherr lobte die gute Denkungsart des armen Mannes.
„Aber das Mägdlein," sagte er, „soll nicht das Brot mit Euern Kin-
dern teilen, sonst werden die Stücklein zu klein. Ich will ihm einen
Vater und eine Mutter suchen."
Also ging der Psarrherr zu einem wohlhabenden und gutdenkenden
Manne in seinem Kirchspiele, der selber wenig Kinder hatte. „Peter,"
sagte er, „wollt Ihr ein Geschenk annehmen?" — „Nach dem's ist,"
sagte der Mann. — „Es kommt von unserm lieben Herrgott." —
"Wenn's von dem kommt, so ist's kein Fehler." — Also bot chm der
Psarrherr das verlassene Mägdlein an und erzählte ihm die Geschichte
dazu, so und so. Der Mann sagte: „Ich will mit meiner Frau reden.
Es wird nicht fehlen." Der Mann und die Frau nahmen das Kind
mit Freuden auf.. „Wenn's gut tut," sagte der Mann, „so will ich's
erziehen, bis es sein Stücklein Brot selber verdienen kann. Wenn's nicht
N. Gottesleben. Deutsches Lesebuch, l. ~
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TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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I. Familie und Elternhaus.
19
26. Pas Kind am Wrunnen.
1. Frau Amme, Frau Amme, das Kind ist erwacht!
Doch die liegt ruhig im Schlafe.
Die Vögleiu zwitschern, die Sonne lacht,
Am Hügel weiden die Schafe.
2. Frau Amme, Frau Amme, das Kind steht auf,
Es wagt sich weiter und weiter!
Hinab zum Brunnen nimmt es den Lauf,
Da stehen Blumen und Kräuter.
3. Frau Amme, Frail Amme, der Brunnen ist tief!
Sie schläft, als läge sie drinnen.
Das Kind läuft schnell, wie es noch nie lief,
Die Blumen locken's von hinnen.
4. Nun steht es am Brunnen, nun ist es am Ziel,
Nun pflückt es die Blumen sich munter;
Doch bald ermüdet das reizende Spiel,
Da fchaut's in die Tiefe hinunter.
5. Und unten erblickt es ein holdes Gesicht
Mit Augen, so hell und so süße.
Es ist sein eigenes, das weiß es noch nicht,
Winkt stumme, freundliche Grüße.
6. Das Kindlein winkt, der Schatten geschwind
Winkt aus der Tiefe ihm wieder.
Herauf, heraus! so meint's das Kind;
Der Schatten: Hernieder, hernieder!
7. Schon beugt es sich über den Brunnenrand —
Frau Amme, du schläfst noch immer!
Da fallen die Blumen ihm aus der Hand
Und trüben den lockenden Schimmer.
8. Verschwunden ist sie, die süße Gestalt,
Verschluckt von der hüpfenden Welle;
Das Kind durchschauert's fremd und kalt,
Und schnell enteilt es der Stelle.
Friedr. Hebbel.
27. Pie zwei Kunde.
Ein Junker hielt sich ein paar Hunde;
Es war ein Pudel und sein Sohn.
Der junge, namens Pantalon,
Vertrieb dem Herrchen manche Stunde.
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54
Ii. Aus dem Menschenleben.
daß er sich kümmerlich mit seinen Kindern durchbrachte; — aber es kam
doch mancher „lange Tag".
Der Kollheim hatte einen recht guten Freund, namens Volk-
mann. Der war auch Witwer, wie er, und hatte sieben unerzogene Kinder.
„Gleich und gleich gesellt sich gern," heißt's im Sprichworts, und „das
Unglück ist der beste Leim." Der Volkmann und seine Kinder hatten auch
der Fasttage so viele, daß sie schier die schwere Kunst des Hungerleidens
bald gelernt hätten, wenn nicht das Lehrgeld gar zu schwer wäre. Beide
Leidensbrüder waren ein Herz und eine Seele. Da sagte einmal der
Volkmann zu seinem Busenfreunde Kollheim: „Ich ziehe nach Lauter-
berg ins Hannoversche; dort ist mehr Verdienst." Gesagt, getan; — und
der Hausrat kostete nicht viel Fracht. Der Kollheim wünschte ihm alles,
was ihm heilbringend sein könnte; aber der Arme fand's in Lauterberg
nicht; denn er erkrankte und starb, und die von Lauterberg schickten die
hungernden Kindlein hin, wo sie hergekommen. Die Bauern im Dorfe
dachten: „Was mich nicht brennt, das blas' ich nicht!" und ließen die
hungernden Waisen laufen. Der blutarme Kollheim aber nahm die sieben
Waisen seines Freundes in seine kleine Hütte zu seinen Kindern, sah
mit einer heißen Träne gen Himmel und seufzte; „Herr, der du mit
wenigen Broten Tausende gespeist hast, hilf, und verlaß mich nicht!"
Wenn die Not am größten, ist Gott am nächsten! — Das, was
Kollheim getan, wurde der preußischen Negierung in Erfurt bekannt, und
diese sandte ihm 40 Taler zur ersten Hilfe; auch schickte ihm ein frommer
Mann heimlich 10 Taler. Und als der fromme Preußenkönig Friedrich
Wilhelm Iii. es hörte, sandte dieser dem guten Kollheim ein Kapitälchen,
daß er sich konnte ein Feldgütchen kaufen, und eines der Volkmannschen
Kinder kam ins Waisenhaus nach Halle, welches der fromme Franke ge-
stiftet hat, der auch nicht sagte: „Was mich nicht brennt, das blas' ich
nicht!" W. Ürtel von Horn.
71. Fritz Oberlin und die Bäuerin.
In Straßburg hielt eine arme Bäuerin auf dem Markte Eier
feil. Zwei mutwillige Knaben rannten an den Korb, stießen ihn
um und liefen mit Lachen davon. Das sah ein anderer Knabe, und
im Zorne, mit geballten Fäusten, rannte er den beiden nach, und
denen war schon angst. Aber der Knabe blieb auf einmal stehen,
als ob er sich besänne, kehrte dann um und lief nach Hause.
Wie aber die Frau noch über ihre zerbrochenen Eier weinte,
langte auf einmal eine kleine Hand in ihren Schoß und schüttete
eine Sparbüchse in die Schürze der Frau aus; und die kleine
offene Hand war dieselbe, die vorhin im Zorne sich geballt hatte,
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Extrahierte Personennamen: Volkmann Volkmann Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Franke Fritz_Oberlin
Ii. Aus dem Menschenleben.
55
^.der der Knabe, dem die Hand gehörte, und der eben seine
letzten Pfennige hergegeben hatte, war schon wieder fort, ehe die
Bauernfrau sich bedanken konnte.
Wollt ihr wissen, wie der Knabe hieß? — Er hieß Oberlin
und wurde später Pfarrer im Steintal. A(L stöber>
72. Das H>a1cngeschenk.
In Würzburg hat einmal ein reicher und vornehmer Mann den
Fürstbischof Julius gebeten, daß er ihm sein Söhnlein aus der Taufe
heben möchte. Der Bischof, der ein wohlwollender Herr war und dem
vornehmen Manne sehr gewogen, nahm die Patenstelle an und erschien
auch zum Kindtaufschmaus. Da ging es hoch her, die Tische krachten
und bogen sich, so viel Gebratenes und Gebackenes stand darauf in
silbernen Schüsseln, und der köstlichste Frankenwein floß in Strömen. Der
vornehme Vater des Täuflings war aber nicht gleichermaßen vornehm
von Gesinnung; er gedachte vielmehr eine Wurst nach der Speckseite zu
werfen, wie man zu sagen pflegt, wenn einer einem etwas schenkt oder
eine Artigkeit erweist nicht aus Freundschaft, sondern um etwas Wertvolles
dafür wiederzubekommen. Der hochwürdige Herr Gevatter schenkte aber
vorläuflg noch nichts, jedoch sagte er beim Abschied: „Morgen soll auch
der kleine Julius sein Patengeschenk haben!"
So sah bemt der Kindtaufsvater andern Tags fleißig zum Fenster
hinaus und wartete, ob er nicht einen betreßten Diener kommen sähe
mit etwas auf dem Arm oder gar einen wohlbepackten Wagen. Endlich
erschien denn auch ein Bote vom Bischof. Aber er hatte nur ein kleines
Henkelkörbchen am Arme, das stellte er aus den Tisch und sagte: „Eine
Empfehlung von seiner Fürstbischöflichen Gnaden, und hier wäre das
Patengeschenk!" Und damit war der Diener auch schon fort und zur
Tür hinaus.
Wie man aber den Deckel des Körbleins aufhob, da waren lauter
ausgesuchte, köstliche Trauben drin. Da nahm der Gevatter ohne
Umstände alsbald das Körbchen und schickte es wieder in den bischöf-
lichen Palast: „Eine schöne Empfehlung, und der kleine Säugling
könne noch keine Trauben essen; die Eltern des Tauskindes aber hätten
ebensolche in ihrem Weinberg und noch viel schönere. Darum wäre
es besser, wenn seine Fürstbischöflichen Gnaden etwa einem armen
Kranken ein Labsal bereiten wollten mit diesen köstlichen Früchten."
Was tut aber der Fürstbischof? Er packt in Gegenwart des Boten, der
das Körbchen zurückgebracht hatte, in aller Seelenruhe die Trauben aus
und sagt dabei: „Euer Herr mag recht haben; es ist gewiß auch besser,
wenn arme Kranke mein Patengeschenk bekommen!" Und damit war er
auf den Boden des Körbchens gekommen, nahm ein Papier heraus, das
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Extrahierte Personennamen: Oberlin Julius Gevatter
Ii. Aus dem Menschenleben.
59
Mützchen und sprach in wohlgesetzten Worten seinen Dank ans. Sodann
wuchtete es unter großem Schnaufen die Gerstenähre aus seine Schulter
und schleppte seine Last unter ziemlichem Gestöhne von dannen. Den
sperrigen Halm in das Loch hineinzubringen, ward ihm auch nicht leicht;
man sah an dem Zappeln der Ähre, wie das Männlein inwendig zerrte,
und wohl eine halbe Minute dauerte es, bis der letzte Zipfel in der
Öffnung verschwunden war.
Der Bauer ging von nun an alle Mittage in die Scheune und
gab dem Männlein seine Gerstenähre, und von dieser Zeit ab gedieh
sein Vieh auf eine wunderbare Art, obwohl es weniger Pflege und
Futter verlangte als sonst. So blanke Kühe wie auf diesem Hofe fanden
sich bald weit und breit nicht. Sie gaben ohne Ende fette, sahnige Milch
und um die Butter, die die Bäuerin in die Stadt schickte, rissen sich die
Leute; denn sie war frisch wie Morgentau und süß wie Nußkern. Ob-
wohl die Pferde des Bauern nur einige Hände voll Hafer und en-
wenig Heu alltäglich verzehrten, waren sie doch glänzend und schön,
fromm und feurig zugleich, und beschafften vor dem Pfluge oder dem
Wagen doppelt so viel als früher. Auch mit den Hühnern war es ein
seltsames Ding. Sie legten und legten fast das ganze Jahr hindurch,
jegliches alltäglich ein großes, rundes Staatsei, zuweilen gar mit zwei
Dottern, Hub niemals geschah es, wenn eine Glucke gesetzt wurde, daß
auch nur eines von den untergelegten Eiern sich faul erwies.
Dies alles gefiel dem Bauern und der Bäuerin gar wohl, und
da sie recht gut wußten, wem sie diesen Segen zu verdanken hatten,
so priesen sie das kleine Männchen alle Tage, und niemals ward die
herkömmliche Weise versäumt. Eines Tages im Winter aber, als es bei
hellem Sonnenschein so recht Stein und Bein fror und die Eiszapfen
wie gläserne Keulen von den Dächern hingen, saß der Bauer recht be-
haglich in seinem Sorgenstuhl am warmen Ofen und wartete auf sein
Mittagessen. Es gab sein Lieblingsgericht, Schweinsrippenbraten mit
Pflaumen und Äpfeln gefüllt, und süße Düfte dieses köstlichen Gerichtes
wehten jedesmal, wenn die Tür geöffnet wurde, verheißungsvoll aus der
Küche hervor. Da er nun in der Erwartung des Guten so behaglich in
der Wärme saß, empfand er eine Abneigung, hinauszugehen in den eisigen
Wintertag und die kalte Scheune nur um der einen kleinen Gerften-
ähre willen. Er rief deshalb seinen Knecht und sagte ihm, was er tun
sollte. Der Knecht, ein vorwitziger Gesell, hatte schon lange Begehren
getragen, das sonderbare Männlein, darüber man im Dorfe die wunder-
lichsten Dinge erzählte, zu sehen, und ging eilfertig in die Scheune, wo
er das Wichtlein schon wartend antraf. Als er ihm den Halm nun dar-
reichte, konnte er sich nicht enthalten, das kleine Geschöpf wie zufällig mit
den spitzen Grannen der Ähren ins Gesicht zu kitzeln, also daß er sehr
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TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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24
I. Familie und Elternhaus.
6. Gott, bewahr’ dieses Haus
Und alle, die gehen ein und aus.
Gott, steh’ uns bei mit deiner Gnad’,
Daß uns nichts Böses schaden mag;
Erhalte uns zu jederzeit
Gesund in Fried und Einigkeit,
Daß wir die Tage bringen zu
In Freuden und in guter Ruh;
Verleih uns allen hier auf Erden,
Daß wir mögen selig werden 1
Sulzern, Kreis Colmar.
K. Mündel, (Haussprüche und Inschriften im Elsaß.)
32. Jas Vaterhaus.
1. Ob prächtig scheint mit Turm und Bogen
Das Vaterhaus ins weite Land;
Ob es, vom Laubgrün hold umzogen,
Sich lehnet an des Waldes Rand;
Ob in der Straßen langer Reihe,
Ob einsam, in den Fluren drauß,
Ihm mangelt nicht die rechte Weihe —
Es bleibet stets das liebste Haus.
2. Denn holde Bilder drinnen prangen
Aus unsrer lieben Jugendzeit:
Das Mutterherz voll Lust und Bangen,
Das Vateraug' voll Zärtlichkeit,
Das Schwesterlein in seiner Wiege
Mit seinem Köpfchen rund und kraus,
Der Brüder laute, lust'ge Kriege: —
Dies alles zeigt das Vaterhaus.
3. Gar manchen schönen Festesmorgen
Und manchen Abend, lieb und traut,
Und manche Hoffnung, still verborgen,
Die sich das Kinderherz erbaut,
Das Weihnachtsbäumlein voller Schöne,
Den Osterhas, den Nikolaus
Und all' die lauten Freudentöne: —
Dies alles bringt das Vaterhaus.
4. O Vaterhaus voll Glück und Frieden,
Sei uns gegrüßt viel tausendfach!
Ob längst wir sind davon geschieden,
Ob noch uns birgt das liebe Dach! —
Nimm unsern Dank für allen Segen,
Der je von dir uns strömte aus;
Wir denken dein auf allen Wegen,
Geliebtes, teures Vaterhaus!
Jsabella Braun.
33. Ies kleinen Wolkes Kochzeilsfest.
Das kleine Volk auf der Eilenburg in Sachsen wollte einmal
Hochzeit halten und zog daher in der Nacht durch das Schlüsselloch
und die Fensterritzen in den Saal, und sie sprangen hinab aus den
glatten Fußboden, wie Erbsen auf die Tenne geschüttet werden. Davon
erwachte der alte Graf, der im hohen Himmelbette in dem Saale schlief,
und verwunderte sich über die vielen kleinen Gesellen. Da trat einer
von ihnen, geschmückt wie ein Herold, zu ihm heran und lud ihn in
geziemenden Worten gar höflich ein, au ihrem Feste teilzunehmen. „Doch
um eins bitten wir," setzte er hinzu, „Ihr allein sollt zugegen sein;
keiner von Eurem Hofgesinde darf sich unterstehen, das Fest mit an-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast]]
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Ii. Aus dem Menschenleben.
zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben über seinen Kopf,
daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen stärker ward und
endlich so stark, als ob man mit Mulden vom Himmel gösse, schwang
er den Degen immer schneller und blieb so trocken, als säß' er unter
Dach und Fach. Wie der Vater das sah, erstaunte er und sprach: „Du
hast das beste Meisterstück gemacht, das Haus ist dein."
Die beiden andern Brüder waren damit zufrieden, wie sie vorher
gelobt hatten, und weil sie einander so lieb hatten, blieben sie alle
drei zusammen im Haus und trieben ihr Handwerk; und da sie so gut
ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So
lebten sie vergnügt bis in ihr Alter zusammen, und als der eine krank
ward und starb, grämten sich die zwei andern so sehr darüber, daß sie
auch krank wurden und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt
gewesen waren und sich so lieb gehabt hatten, alle drei zusammen in
ein Grab gelegt. Brüder Grimm.
A. Merkehr mit dem Nächsten.
37. Junker Prahlhans.
n König hatte einen jungen Edelknecht, den man Junker Prahl-
hans nannte, weil er immer viel versprach und wenig hielt.
Es lebte aber auch am Hofe des Königs ein Spaßmacher, und
dieser wollte den Prahlhans bessern. Das ging aber auf folgende
Weise zu:
Eines Tages hätte der König gern gebratene Vögel gegessen und
sprach zum Junker: „Hans, gehe hinaus in den Wald und schieße mir
zehn Vögel für meinen Tisch!" Der Junker aber sprach: „Nicht nur
zehn, sondern hundert Vögel will ich dir schießen!" — „Gut!" sprach
der König, „wenn du ein so guter Schütze bist, so bringst du mir
hundert; sollst für jeden einen Taler haben!" Der alte Spaßmacher
hörte das und ging dem Junker voraus in den Wald, wo die meisten
Vögel waren, und rief ihnen zu und sprach:
„Ihr Vöglein, flieget alle fort!
Hans Großmaul kommt an diesen Ort,
Will hundert Vögel schießen."
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh]]