34 2. Das Land zwischen Elbe und Ohre.
F. Geschichtliches.
Die Vorfahren der jetzigen Bewohner waren Deutsche oder Germanen. Sie
waren zuerst Heiden und wurden durch Karl den Großen zum Christentume bekehrt
(800). Er nannte unser Land die Nordmark. Später erhielt diese den Namen
Altmark.
Zur Zeit Karls des Großen drangen slavische Völker, die Wenden, von O. über
die Elbe vor und setzten sich in der Altmark fest. Zwischen ihnen und unseren Vor-
fahren entbrannten heiße Kämpfe, und Jahrhunderte schien es, als sollten die Heid-
nischen Fremdlinge Sieger bleiben. Allein unter den Kaisern Heinrich I. und
Otto I. (Hermann Billung) und später unter dem Markgrafen Albrecht dem Bären
und seinen Nachfolgern wurde die Macht der Wenden gebrochen. Die zurück-
bleibenden Wenden wurden Christen und vermischten sick mit den Deutschen. Unter
Albrecht dem Bären, aber auch später, wanderten Holländer, Flamländer und
Franken (Pfälzer) ein. Diese trugen viel zur Urbarmachung öder Gegenden (Wische)
bei, hoben den Ackerbau und die Fabriktätigkeit. Im Jahre 1415 kam Friedrich I-,
der erste Kurfürst aus dem Hause Hohenzollern, in den Besitz der Allmark, und den
Hohenzollern gehört sie heute noch. Die Altinark ist das «Ätammland oder die Wiege
Preußens. Salzwedel, Stendal, Gardelegen, Tangermünde waren die Hauptstädte.
Während des schrecklichen 30jährigen Krieges (1618 —48) hatte die Altmark
von den Kaiserlichen und den Schweden arg zu leiden, so daß nach dem Kriege die
meisten Orte verödet dalagen. Unter der segensreichen Regierung der Hohen-
zollernfürsten, besonders Friedrichs des Großen, erholte sich die Altmark wieder.
Aber am Ansänge unseres Jahrhunderts kam ein neues Unglück über die Mark.
Der Franzosenkaiser Napoleon I. hatte unser Vaterland erobert und bildete aus deu
Ländern links von der Elbe, wozu also auch die Altmark gehörle, ein neues fran-
zösisches Reich, das Königreich Westfalen. So waren die Altmärker französische
Untertanen geworden. Allein schon im Jahre 1814 gelang es, die Franzosen zu
vertreiben. Die Altmark war wieder frei und gehört seitdem in alter Liebe und
Treue zum Hohenzollernhause.
(x. Sagen.
1. Der Roland in Stendal.
Am Anfange des 16. Jahrhunderts stellte sich ein Fremdling dem Stendaler
Rate als weitgereister Bildhauer vor. Er lobte die herrlichen Bauten, die aus-
gezeichneten Schnitzwerke und die kostbaren Bilder, wie sie allenthalben die Bürger-
Häuser, die Stadttore, der Dom und das Rathaus zeigen. Die Ratsherren hörten
mit Stolz die Lobsprüche und ehrten den großen Künstler. Als dieser am Fenster
lehnte und über deu weiten Marktplatz blickte und den steinernen Roland betrachtete,
meinte er: „Der ehrwürdige Roland hat zwar eine recht ansehnliche Gestalt; aber
leider ist sie für die große Umgebung noch viel zu klein. Wenn der hochedle Rat
meiner Kunst vertrauen möchte, so wollte ich bald einen viel längeren Roland her-
stellen." Die Ratsherren waren diesem Angebot zwar nicht abhold, entgegneten
dem Künstler aber nach ernstlicher Beratung: „Der Roland war für unsere Väter
lang genug, so ist er's auch für uns; überdies würde die Veränderung viel Geld
kosten; kurz, wir wollen ihn nicht länger haben." Argerlich über diesen Bescheid
entfernte sich der Künstler und beschloß, dem Rate einen Streich zu spielen. Er
erzählte den Bürgern, daß der Rat den ehrwürdigen Roland nicht länger haben
wolle. Die Bürger waren darob nicht wenig erstaunt und mißgestimmt, daß das
schon von ihren Vätern so hoch verehrte Wahrzeichen der Gerichtsbarkeit und Reichs-
freiheit beseitigt werden sollte. Bald versammelte sich viel Volks vor dem Rat-
Hause und wollte Rechenschaft fordern. Der weise Rat wußte schier uicht, wie
ihm geschah. Umsonst war alles gütliche Zureden. Die tobende Menge versteht
nicht die Worte des Rates, „wir wollen ihn nur uicht länger haben". Schon mischt
sich in das wilde Schreien das Klirren der Fensterscheiben, da verwandelt sich mit
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karls Heinrich_I. Heinrich_I. Otto_I. Hermann_Billung Albrecht Albrecht Albrecht Friedrich_I- Friedrich Friedrichs Napoleon_I. Roland Roland Roland Roland Roland Roland
48 2. Das Land zwischen Elbe und Ohre.
F. Geschichtliches.
Die Vorfahren der jetzigen Bewohner waren Deutsche oder Germanen. Sie
waren zuerst Heiden und wurden durch Karl den Großen zum Christentums bekehrt
(tioo). Er nannte unser Land die Nordmark. Später erhielt diese den Namen
Altmark.
Zur Zeit Karls des Großen drangen slavische Völker, die Wenden, von O. über
die Elbe vor und setzten sich in der Altmark sest. Zwischen ihnen und unseren Vor-
fahren entbrannten heiße Kämpfe, und Jahrhunderte schien es, als sollten die Heid-
nischen Fremdlinge Sieger bleiben. Allein unter den Kaisern Heinrich 1. und
Otto I. (Hermann Billuug) und später unter dem Markgrasen Albrecht dem Bären
und seinen Nachfolgern wurde die Macht der Wenden gebrochen. Die zurück-
bleibenden Wenden wurden Christen und vermischten sich mit den Deutschen. Unter
Albrecht dem Bären, aber auch später, wanderten Holländer, Flamländer und
Franken (Pfälzer) ein. Diese trugen viel zur Urbarmachung öder Gegenden (Wuche)
bei, hoben den Ackerbau und die Fabriktätigkeit. Im Jahre J415 kam Friedrich I.,
der erste Kurfürst aus dem Hause Hohenzollern, in den Besitz der Alimark, und den
Hohenzollern gehört sie heute noch. Die Altmark ist das ^tammland oder die Wiege
Preußens. Salzwedel, Stendal, Gardelegeu, Tangermünde waren die Hauptstädte.
Während des schreckliche,? 30 jährigen Krieges (1618 —4hatte die Altmark
von den Kaiserlichen lind den Schweden arg zu leiden, so daß nach dem Kriege die
meisten Orte verödet dalagen. Unter der segensreichen Regierung der Hohen-
zollernfürsten, besonders Friedrichs des Großen, erholte sicb die Altmark wieder.
Aber am Ansänge unseres Jahrhunderts kam ein neues Unglück über die Mark.
Der Franzosenkaiser Napoleon 1- hatte unser Vaterland erobert und bildete aus den
Ländern links von der Elbe, wozu also auch die Altmark gehörle, ein neues sran-
zösisches Reich, das Königreich Westfalen. So waren die Altmärker französische
Untertanen geworden. Allein schon im Jahre 1814 gelang es, die Franzosen zu
vertreiben. Die Altmark war wieder frei und gehört seitdem in alter Liebe und
Treue zum Hohenzollernhause.
G. Sagen.
1. per Roland in Stendal.
Am Anfange des 16. Jahrhunderts stellte sich ein Fremdling dem Stendaler
Rate als weitgereister Bildhaner vor. Er lobte die herrlichen Bauten, die aus-
gezeichneten Schnitzwerke und die kostbaren Bilder, ivie sie allenthalben die Bürger-
Häuser, die Stadttore, der Dam und das Rathaus zeigen. Die Ratsherren hörten
mit Stolz die Lobsprüche und ehrten den großen Künstler. Als dieser am Fenster
lehnte und über den weiten Marktplatz blickte und den steinernen Roland betrachtete,
meinte er: „Der ehrwürdige Roland hat zwar eine recht ansehnliche Gestalt; aber
leider ist sie für die große Umgebung noch viel zu klein. Wenn der hochedle Rat
meiner Kunst vertrauen möchte, so wollte ich bald einen viel längeren Roland her-
stellen." Die Ratsherren waren diesem Angebot zwar nicht abhold, entgegneten
dein Künstler aber nach ernstlicher Beratung: „Der Roland war für unsere Väter
lang genug, so ist er's auch für uns; überdies würde die Veränderung viel Geld
kosten; kurz, wir wollen ihn nicht länger haben." Argerlich über diesen Bescheid
entfernte sich der Künstler und beschloß, dem Rate einen Streich zu spielen. Er
erzählte den Bürgern, daß der Rat den ehrwürdigen Roland nicht länger haben
wolle. Die Bürger waren darob nicht wenig erstannt und mißgestimmt, daß das
schon von ihren Vätern so hoch verehrte Wahrzeichen der Gerichtsbarkeit und Reicks-
freiheit beseitigt werden sollte. Bald versammelte sich viel Volks vor dem Rat-
Hause und wollte Rechenschaft fordern. Der weise Rat wußte schier nicht, wie
ihm geschah. Umsonst war alles gütliche Zureden. Die tobende Menge versteht
nicht die Worte des Rates, „wir wollen ihn mir nicht länger haben". Schon mischt
sich in das wilde Schreien das Klirren der Fensterscheiben, da verwandelt sich mit
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— 65 —
welches ihm die Großstadt bot, erweiterten sich die Kennt-
nisse des talentvollen Prinzen in jeder Beziehung. Nach der im
April 1837 erfolgten Abreise von Brüssel bezog er mit seinem
Bruder Albert die Universität Bonn. Unter Leitung geistreicher
Lehrer wurden die für Kunst und Wissenschaft begeisterten
Prinzen ihrer weiteren Ausbildung entgegengeführt.
Nach beendeter Univerfitätszeit trat der Erbprinz Ernst in
die Königlich Sächsische Armee zu Dresden ein. Am 3. Mai
1842 vermählte er sich mit der badischen Prinzessin Alexan-
drine. Nach dem im Jahre 1844 erfolgten Tode seines Vaters
trat Herzog Ernst die Regierung an.
Vier Jahre nach seinem Regierungsantritte (1848) wurde
ihm wegen seines hervorragenden Feldherrntalents das selb-
ständige Kommando über eine Trnppenmacht in Schleswig-
Holstein übertragen. Und daß man sich in der Wahl dieses
Führers nicht getäuscht hatte, zeigte sich gar bald, denn am
5. April 1849 schlug er die Däueu und sprengte ihr größtes
Kriegsschiff „Christian Viii." in die Luft.
Unablässig für das Wohl feiner Unterthanen bemüht, gab
er ihnen im Jahre 1852 das Staatsgrundgesetz.
Mit Scharfblick erkennend, daß nur unter Preußens Ober-
Hoheit Deutschland groß und mächtig werden könne, schloß er
mit diesem Staate am 18. Juli 1862 eine Militärkonvention
ab, nach welcher das Coburg-Gothaische Militär unter Preußens
Verwaltung kam.
Nach dem Vorbilde Ernsts des Frommen, unter dessen Re-
gierung schou jeder Bauer leseu und schreiben lernte, sorgte
er anch für allseitige Hebung des Schulwesens und erließ, allen
deutschen Staaten vorangehend, in: Jahre 1863 das Volks-
schulgesetz, das später mehreren anderen Staaten als Grnudlage
diente. Stets für die Kunst begeistert, ließ er in den Jahren
1864—1878 das Museum südlich vom Friedenstein in Gotha
erbauen. Für ein einiges Deutschland beseelt, war er 1866
einer der ersteu Fürsten, der bei Ausbruch des Krieges sich
Wettig, Heimatkmlde, Z
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Extrahierte Personennamen: Brüssel Ernst Ernst Ernst Ernsts Ernsts Wettig
Extrahierte Ortsnamen: Dresden Schleswig-
Holstein Deutschland Gotha Deutschland
— 67 —
Ausbau des Theaters, die Verschönerung des Kallenbergs,
des neuen Hofgartens, der Beste, die Einrichtung des Natura-
lieukabiuetts im Augustenstift, die Erbauung einer neuen Reit-
bahn it. ct. nt. geben, abgesehen von allen anderen ruhmvollen
Regentenhandlnngen, auch dem fremden Beschauer Zeugnis,
wie sich das Land der liebevollen Pflege und schaffenden Für-
sorge seines Fürsten zu erfreuen hat.
So ist unter dem Zepter dieses edlen und weisen Fürsten
sehr viel Ersprießliches für unser Land geschaffen worden.
Das Herzogtum ist rasch aufgeblüht und erfreut sich eines
glücklichen Wohlstandes. Daher wünschen wir von Herzen:
Gott segne und erhalte nns noch lange nnsern geliebten
Landessnrsten, Teine Hoheit den Herzog Ernst Ii. von
Eachsen-Cobnrg und Gotha! Gott segne Sein Hans, Sein
Land und Seine Unterthanen!
---
5 *
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— 66 —
Preußen anschloß. Als Anerkennung schenkte ihm der damalige
König von Preußen die bei Schmalkalden gelegenen Staats-
forsten.
Die innige Liebe seines Volkes zu ihm zeigte sich so recht 1869
und 1888, als er unter den heißesten Segenswüuscheu feiner
Unterthaueu sein 25 jähriges Regierungsjubiläum und seinen
70jährigen Geburtstag feierte.
Als der Erbfeind jenseits des Rheins im Jahre 1870
drohend seiue Hand gegeu Deutschland erhob, mar auch unser
Herzog wieder einer der ersten Fürsten, welche voller Begaster-
nng an der Seite des Königs von Preußen die Strapazen
des Feldzugs vom Ausaug bis zum Ende ertrugen.
Aber nicht allein das Schwert versteht unser Fürst zu
führen, fouderu auch die Saiteu der Leier zu rühren. Als
Früchte seines tiefen Musikstudiums sind eine Anzahl Lieder
und Kautaten (Herzogshymne) und folgende Opern erschienen:
„Zayre", „Toni", „Casilda", „Santa Chiara" und „Diana
von Solauge". Diese köstlichen Musikwerke fanden an samt-
lichen größeren Bühnen, wo sie aufgeführt wurde«, wohl-
verdienten Beifall.
Der Herzog pflegt aber nicht nur die edle Musika, sondern
ist auch Schöpfer einer größeren Anzahl vorzüglicher Gedichte,
die leider nur einem engeren Kreis zugänglich gemacht find.
In neuester Zeit erschienen seine Memoiren, welche seine Er
lebuiffe in offenster Weise darlegen. Ebenso ist unter den
Meistern der belgischen Schule sein angezeichnetes Talent
für Ölmalerei ausgebildet worden.
Der Landwirtschaft ist der edle Fürst ein eifriger Förderer.
(Musterfarmen.)
Unter der Regierung des Herzogs wurden auch die Eisen-
bahnen des Landes erbaut.
In Coburg errichtete Herzog Ernst Ii. 1849 das Stand-
bild seines Vaters und vollendete die zur Zierde der Stadt
und des Landes begonnenen Bauwerke und Anlagen. Der
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Extrahierte Personennamen: Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Schmalkalden Rheins Deutschland Coburg
— 51 —
Spottnamen „Reißausarmee" mit Recht verdient. Am besten war es um die Heere Sachsens, Hannovers, Österreichs bestellt. Allen voran stand schon damals das preußische Heer. Aber auch dieses war nicht ganz frei von den angeführten Mängeln. Daher faßte Fürst Leopold nach seiner Rückkehr aus dem Spanischen Erbfolgekriege den Entschluß, um jeden Preis die preußischen Truppen zu glänzenden Mustertruppen umzuschaffen.
2. In Preußen war 1713 ein Herrscher zur Regierung gelangt, der die Pläne des Fürsten zu würdigen verstand und seine Ansichten durchaus teilte: Friedrich Wilhelm I., der Vater Friedrichs des Großen. Man hat ihn und Leopold mit Recht „geistige Zwillingsbrüder" genannt, so ähnlich waren sie einander im Denken und Fühlen: beide kernige Soldaten durch und durch, beide begeistert für Preußens Heer, auf dem die Zukunft und die Ehre Deutschlands schon damals ruhte, beide jedem Prunke, aller übertriebenen Höflichkeit abgeneigt, sparsam und einfach, eifrige Jäger, tüchtige -andwirte und Verwaltungsvorsteher, fürsorgliche Väter der Untertanen, beide geradezu und derb in ihren Ausdrücken, zu jähzorniger Heftigkeit geneigt, aber doch im Grunde gutherzig, treu und bieder nach rechter deutscher Art. B-as Wunder, wenn sie ihr ganzes Leben lang durch innige Freundschaft verbunden blieben! König Friedrich Wilhelm hatte keinen zuverlässigeren Ratgeber als den Dessauer Fürsten. Gar oft war dieser in Berlin und Potsdam bei großen Paraden, bei wichtigen Staats- und ^amilienberatungen, aber auch in fröhlichen Stunden bei den Hofjagden und vor allem bei dem bekannten Tabakskollegium.
s 17i° ^solge des Fluchtversuches der preußische Kronprinz Friedrich nach
dem Willen des Vaters zum Tode verurteilt werden sollte, war Fürst Leopold der einzige, der es wagen konnte, den schwer erzürnten König durch Fürbitten zu beruhigen Semen Bemühungen ist es zunächst zu verdanken, daß es Friedrich Wilhelm noch einmal mit dem unglücklichen Sohne versuchte. Er schrieb in jener Zeit an den Fürsten: „Er (der Kronprinz^ muß den ganzen Tag auf die Kriegs- und Domänenkammern in Küstrin gehen da )te ihn von allem unterrichten sollen. Will er es nicht von selber lernen, so wirds ihm tausendmal vorgebetet werden und muß es behalten. Wenn er ein ehrenhafter Mann wird, woran ich sehr zweifle, ist es für ihn ein Glück. Wenn Krieg wird, ^bruiit dem ersten Grenadierunteroffizier aus dem Laufgraben springen. So er's Ä^^°^^sallen tut, alsdann völlig Pardon." Als nach Jahresfrist Kronprinz Friedrich bei der Hochzeit seiner Schwester in bürgerlicher Kleidung zum ersten Male schienen war, bat Fürst Leopold am nächsten Tage an der Spitze sämtlicher Stabsoffiziere der Berliner Garnison den König, seinen Sohn wieder ins "Zunehmen. Die Bitte hatte Erfolg. Zum Heile Deutschlands ward der große Friedrich ,einem Staate und Heere wiedergegeben.
~ wahrhaft rührend ist der Abschied, den der sterbende König von seinem lieben #1™ Äv®Lnen« Tag vor seinem Tode ließ er ihn zu sich kommen und bat ihn,
1 ?■elne§ Ö”n Paradepferden auszuwählen, die drunten im
^"Igefuh^ wurden. Der Fürst, vom Schmerze überwältigt, zeigte auf das S gerade das schlechteste," meinte der König. „Nehmen Sie
r?1 stehe ich ein " Da konnte der alte, eiserne Leopold die Tränen Ä S /Äaitetvnb König suchte den Schluchzenden zu trösten: „Es ist - Men'chen Geschick. Wir müssen alle der Natur unsere Schuld bezahlen."
u de*. He er es Verbesserungen wurde so in Gang
gebracht, daß Fürst Leopold die neuen Einrichtungen ausdachte, ausprobierte und einübte, der König dann alles Bewährte in die gesamte preußische Armee einführte. Als wichtige Versuchstruppe diente das Regiment Anhalt-dessau, dessen ^hes der Fürst war. Man hatte es von Halberstadt nach
4*
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Extrahierte Personennamen: Leopold Leopold Friedrich_Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I. Friedrichs Leopold Leopold Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich Friedrich Leopold Leopold Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich Friedrich Leopold Leopold Friedrich_,einem Friedrich Leopold Leopold Leopold Leopold
Extrahierte Ortsnamen: Sachsens Hannovers Deutschlands Berlin Potsdam Küstrin Deutschlands Halberstadt
— 52 —
Halle verlegt, wo es Leopold von seiner Residenzstadt Dessau aus leicht erreichen konnte. Aus diesem berühmten Regiments ist bei der Errichtung des heutigen preußischen Heeres das 1. Magdeburgische Jnsanterie-Regiment Nr. 26 hervorgegangen. Am 3. Juli 1866 hat es den 190. Geburtstag des Fürsten Leopold bei Königgrätz unter furchtbaren Verlusten glorreich begangen. Auf Verordnung Kaiser Wilhelms Ii. führt es heute den Ehrennamen „Regiment Fürst Leopold von Anhalt-Dessau." — Die Verbesserungen Fürst Leopolds betrafen hauptsächlich die Infanterie. Seine obersten Grundsätze dabei waren: Gehorsam, Ordnung und vor allem auch Gleichmäßigkeit. Im Gegensatze zu den bunt zusammengewürfelten Scharen der Reichsarmee führte er Gleichmäßigkeit ein in der Uniform, in der Bewaffnung, in den Handgriffen, im Exerzieren, in den Kommandos und im Tritt. Der stramme, dröhnende Gleichschritt, der uns heute als etwas ganz Selbstverständliches beim Heere erscheint, war vor Leopolds Zeit noch nicht vorhanden. Auf die Gewehre ließ er das Bajonett pflanzen, führte, um ein schnelleres Laden zu ermöglichen, statt des hölzernen den eisernen Ladestock ein und stellte das Fußvolk, statt wie früher in vier, nur in drei Gliedern auf.
So wurden die Bataillone beweglicher und lernten wie auf einen Schlag die furchtbar wirkenden Salven abgeben. Auch sollten die Truppen weder im Frieden noch im Kriege ihren Herrgott vergessen.
Die Kirchenparaden und die Feldgottesdienste wurden eingeführt.
Fürst Leopold sagte: „Ein Soldat ohne Gottesfurcht ist nur ein Matz." Die gute Haltung der Truppen wurde auch dadurch gefördert, daß wenigstens die Hälfte
des Heeres aus Landeskindern bestand. Jedes Regiment bekam
Aushebungsbezirk zugewiesen. Die allgemeine Wehrpflicht begann.
5. Sogleich im Anfange dieser verdienstvollen Tätigkeit hatte der Fürst Gelegenheit, das preußische Heer ins Feld zu führen. 1715 eroberte er im Kriege gegen Schweden Stralsund und die Insel Rügen. Aber erst nach 25 jähriger Friedenszeit sollte das große Werk der Armeeverbesserung in den beiden Schlesischen und im Siebenjährigen Kriege die eigentliche Feuerprobe bestehen. Fürst Leopold hat das Verdienst, in den Jahren von 1735—1740 der militärische Lehrmeister Friedrichs gewesen zu sein. Dieser lieh den Ratschlägen des alten, erfahrenen Feldmarschalls gern sein Ohr. Sie waren der Grund und Boden, auf dem später der Feldherrnruhm des großen Königs erwuchs. Im zweiten Schlesischen Kriege führte der greise Fürst, während Friedrich in Böhmen stand, ein Heer gegen die Sachsen in die Umgegend von Dresden. Westlich dieser Stadt hatte sich
Fig. 29. Der Alte Dessauer.
seinen
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Extrahierte Personennamen: Leopold Leopold Leopold Leopold Wilhelms Wilhelms Leopold_von_Anhalt-Dessau Leopold Leopolds Leopolds Leopold Leopold Leopold Leopold Friedrichs Friedrich Friedrich
- 64 —
hatten sie angesteckt, um die Franzosen in ihrem Siegeszuge aufzuhalten. 22 Jahre zuvor hatte sie Fürst Franz erst neu erbaut. Am 19. Oktober ritten die ersten Franzosen in die anhaltische Hauptstadt ein. Dumpfe Schwüle lastete auf der Bevölkerung. Mit banger Erwartung schaute man dem Eintreffen des gefürchteten Franzosenkaisers und damit schweren Bedrückungen entgegen. Von nun ab begann der Durchzug der „großen Armee" (über 100000 Mann) nach Osten zu.
180t) 2. Am 21. Oktober 1806 nachmittags 3 Uhr traf Napoleon in Dessau
ein. Fürst Franz empfing ihn an der Schloßtreppe. Ein denkwürdiger Augenblick! Hier der korsische Welteroberer, klein und bleich mit stolzer, abstoßender Miene — dort der schlichte, milde Landesvater, ein hochgewachsener, schöner Mann in ungebeugter, würdevoller Haltung, geschmückt mit dem höchsten preußischen Orden vom Schwarzen Adler. Kurz und kalt die Fragen des übermütigen Siegers — mutig und besonnen die Antwort des edlen Fürsten. „Sie sind der Fürst dieses Landes?" — „Ja, Sire, seit 48 Jahren." — „Haben Sie ein Kontingent zur preußischen Armee gestellt?" — „Nein." — „Und warum nicht?" — „Weil keins von mir verlangt worden ist." — „Wenn man es aber verlangt hätte?" — „Dann würde ich es gestellt haben. Eure Majestät kennen ja das Recht des Stärkeren." Die letzteren Worte waren eine feine freimütige Anspielung auf die Rücksichtslosigkeit, mit der Napoleon Unterworfene behandelte. Dies offene, wahrhaft hoheitsvolle Wesen machte Eindruck auf den sonst so übermütigen Sieger. Er lud den Fürsten höflich ein, ihn nach der zerstörten Elbbrücke zu begleiten, verlangte, daß sie sofort wiederhergestellt würde, sicherte aber dem Lande Anhalt volle Neutralität zu. Als er am andern Morgen Dessau verließ, nahm er freundlichen Abschied und fragte sogar, ob er mit irgend etwas nützlich fein könne. Da antwortete der gute Fürst: „Ich für meine Person bedarf nichts. Aber um Schonung meiner armen Untertanen bitte ich, denn sie sind alle meine Kinder." Dieser von Herzen kommenden Fürbitte verschloß sich selbst ein Napoleon nicht. Alle bereits gestellten Forderungen wurden zurückgenommen und jede Gewalttat verboten. Die Schlösser, z. B. zu Dessau und Wörlitz, erhielten kaiserliche Schutzwachen.
3. Napoleon lud den Fürsten sogar ein, ihn in Paris zu besuchen. Dieser erklärte sich dazu bereit, wenn ihn der Kaiser als einen Privatmann empfangen wollte. Denn als deutscher Fürst zu kommen, verbiete ihm bei der unglücklichen Lage Deutschlands sein Gefühl. Fürwahr, nur ein so würdiger Herr wie Vater Franz durfte sich gegen den überaus empfindlichen Sieger eine solche freimütige Sprache erlauben. Als der Fürst 1807, um sich die mannigfach beherzigenswerten Einrichtungen des neuen Frankreich anzusehen, in Paris weilte, bereitete ihm Napoleon einen ausgezeichneten Empfang. War er doch eine der wenigen deutschen Fürstengestalten, die der Gewaltherrscher wahrhaft achtete. — Welcher Gegensatz zu dem verblendeten August Christian Friedrich von Anhalt-Eöthen! Für den war Napoleon gleichsam der Abgott. Er ahmte Einrichtungen des kaiserlichen Frankreich im Eöthenschen sklavisch nach, führte das napoleonische Rechtsbuch ein, teilte das Land in „Departements" mit „Maires" und „Präfekten" usw. Als der Fürst bei der Anwesenheit des Kaisers in Dessau „Napoleon dem Großen, dem heilbringenden Gesetzgeber der Welt" in
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Extrahierte Ortsnamen: Dessau Dessau Paris Deutschlands Frankreich Paris Frankreich Eöthenschen Dessau
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auch im jetzigen Kriege erneute Beweise ihrer alten, berühmten Tapferkeit gegeben. In dem Augenblicke, wo der Rückmarsch beginnt, erteile ich ihnen das Zeugnis des ehrenvollsten Benehmens. Ich werde ein Vergnügen darin finden, es gegen ihre Fürsten vor dem gemeinsamen Vaterlande auszusprechen." — Über eine Million Kriegsvolk hatte während der napoleo-nischen Zeit, angezogen vom Roßlauer Elbübergange und der nahen Festung Wittenberg, das Land Anhalt bedrückt. Die schweren Verluste durch Einquartierungslasten, an Menschen, Feldsrüchten und Vieh lassen sich gar nicht abschätzen. Etwa 3 Millionen Taler wurden auf Kriegsrüstungen verwendet, an 3000 Mann Truppen gestellt. Auf 40 Einwohner kam ein Soldat. Mindestens ein Drittel der wackeren Krieger sah die Heimat nicht wieder. Nächst Preußen hat ohne Zweifel Anhalt unter allen deutschen Staaten verhältnismäßig die größten Opfer bringen müssen.
§ 35. Die letzten Reqierungsjahre des Baters Franz.
1. Jene Kriegsjahre brachten dem Herzoge Franz auch schweres Familienleid. 1811 starben seine beiden Brüder und seine edle Gemahlin Luise. Noch mehr erschütterte ihn der Tod seines einzigen Sohnes. Im Jahre 1794 war Erbprinz Friedrich kurz nach seiner Vermählung als kampfesfreudiger Reiteroberst dem befreundeten Preußenkönige in den Krieg gegen die französische Revolutionsarmee gefolgt. Auf dringendes Bitten aller Untertanen hatte ihn sein Vater nach der Heimat zurückberufen, damit das teure Leben des Thronfolgers nicht gefährdet sei. Nun raffte ihn 1814 eine Krankheit fern vom Feinde vorzeitig dahin. Innig bemitleidet vom ganzen Lande, klagte sein schwergeprüfter Vater: „Ich habe einen schweren Verlust erlitten, und ihr alle habt ihn erlitten. Friedrich würde meinen Platz wohl ausgefüllt haben. Er verstand, Land und Leute zu regieren. Er war sparsam, was uns jetzt so not tut. Nun stehe ich in meinen alten Tagen ganz allein." Ein Trost war für den alten Herrn der glorreiche Aus gang der Befreiungskriege. „Gott allein gebührt unser Dank. Er hat geholfen," sprach er beim Eintreffen der Friedensbotschaft. Sogleich ging er daran, die Kriegsschulden zu tilgen. 1816 waren bereits 80000 Taler abgetragen. Auf eigene Kosten unterstützte er die Bedürftigen, hob Handel rote Gewerbe und stellte die niedergebrannten Brücken und Gebäude wieder her. Mit hingebender Liebe widmete er sich der Erziehung seiner Enkel.
2. Bald aber nahte dem Hochbetagten der Tod. Mitte Juli 1817 warf ihn ein Sturz vom Pferde aufs Krankenbett. Im Luisiumschlößchen, den Blick oft nach der fast vollendeten Kirche von Jonitz gerichtet, die er für sich und seine Gemahlin zur letzten Ruhestätte ausersehen hatte, erwartete er gefaßt fein Ende. Bis zuletzt bewegten ihn Gedanken landesväterlicher Liebe. „Wie geht es den Armen?" fragte er. „Sie liegen mir schwer am Herzen. Ich möchte noch gern etwas für sie tun, ehe ich
1817 fort muß. Für mich brauche ich nichts mehr." Am 9. August 1817 abends verschied der teure Fürst, tief betrauert von allen Untertanen, hochgeachtet in ganz Deutschland, gerade 77 Jahre alt, im 59. Jahre feiner Regierung. Die sterbliche Hülle wurde zunächst nach dem neuen Dessauer Friedhofe
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Franz Franz Luise Friedrich Friedrich Friedrich Jonitz August
4.Untertanen aus allen Kreisen der Bevölkerung werden vom Herzoae m Audienz empfangen, der auch diese Gelegenheit gern benutzt, sich über Vorgänge, Wunsche, Bestrebungen im Lande zu unterrichten. Alle patriotischen und gemeinnützigen Unternehmungen erfahren durch ihn tatkräftige Forderung. Er ist der Schutzherr des Anhaltischen Kriegerverbandes. Aller ^rten in Anhalt schlossen sich diejenigen Männer, welche waffenfähig im deuychen Heere dienten, zu Kriegervereinen zusammen. Die anhaltischen Kriegervereine bilden zusammen den Anhaltischen Kriegerverband und gehören sämtlich dem Deutschen Kriegerbunde an. Die Mitglieder pflegen Vaterlandsliebe und treue Kameradschaft. Sie wissen, daß es nicht nur gilt, die Segnungen des Friedens zu fördern und zu genießen, sondern sie auch in der Stunde der Gefahr gegen äußere und innere Feinde mit Gut und Blut zu jchutzen. ^hre Losung lautet: „Allzeit treu zu Herzog und Vaterland, treu zu Kaiser und Reich!" Unter der Schutzherrschaft Herzog Friedrichs Ii. e 4enxöusf ^er 2lrihaltische Verband des Deutschen Flottenvereins, der An-haltiiche Landesverein vom Roten Kreuz, der Anhaltische Feuerwehrverband.
. °- ?er treusten Pflege erfreut sich seit alters unter dem Schutze unseres Herrscherhauses die Kunst. Herzog Friedrich Ii. selbst ist ein eifriger jünger der Kunst. Mit feinem Verständnisse stand er schon seinem erlauchten Vater bei dessen Kunstbestrebungen zur Seite. Sein ganz besonderes Interesse widmet er den Opernausführungen im Hoftheater zu Deffau und den Konzerten der Herzoglichen Hofkapelle. Ost wohnt er den Proben von Anfang bis zu Ende bei und trägt Sorge für ein gutes Gelingen. Kein Lpfer erscheint ihm zu groß. In München und in Bayreuth entzündet ^et&en Üon neuem die Flamme der Begeisterung für
die göttliche Kunst. Wieviele Tausend seiner Landeskinder erheben sich jahr-Qui' Ärein Jjvem herrlichen Musentempel zu Dessau an den Werken unsterblicher Meister! Auch der anhaltischen Schuljugend bereitete seine fürstliche Huld schon manchen hohen Kunstgenuß. Allen musikalischen Unternehmungen im Lande, z. B. den Anhaltischen Musikfesten, läßt er seine Forderung m hochherziger Weise angedeihen. Für die Malerei, die Bildhauerei betätigt er ein nicht minder reges Interesse. Er ist ein Pfleger alles Schönen und Edlen.
6. Wann liegt ihm die Bildung der Jugend am Herzen. Neue Schulgebäude werden errichtet. Die Fortbildungsschule findet auch auf den Dörfern allmählich Eingang. Das Höhere Technische Institut zu Cöthen wurde zum Friedrichs-Polytechnikum erhoben. Aus die mannigfachste Weise bekunden die Mitglieder unseres Herzogshaufes ihre Teilnahme für die Lache der Jugenderziehung. Sie wohnen der Einweihung neuer Schulgebäude und sonstigen Schulfeierlichkeiten bei, besuchen in Deffau die öffentlichen Schulprüfungen und besichtigen die ausgestellten Schülerarbeiten. Lie hören dem Unterrichte in einzelnen Schulklassen zu und spornen durch ihr Erscheinen die Kinder zu eifrigem Lernen an.
7. Noch sei des stillen Liebeswaltens der Frauen in unserem Fürsten fjause gedacht. In der Fürsorge für die Armen und Kranken geben die Herzogin Mutter und die regierende Herzogin Marie ein leuchtendes Vorbild. Eine lange Reihe von Wohltätigkeitsanstalten, milden Stiftungen und Vereinigungen genießen ihre fürstliche Gunst und namhafte Unterstützung. Seit der Zeit des Vaters Franz hat sich eine vielseitige christliche
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich_Ii Friedrich Marie Franz Franz
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