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Unterdes war das Wasser ins Sieden geraten, und Hühnchen
brachte aus der größeren Tüte fünf Eier zum Vorschein, die zu kochen
er nun mit großem Geschick unter Beihilfe seiner Taschenuhr unternahm.
Nachdem er sodann frisches Wasser für den Tee aufgesetzt und ein
mächtiges Brot herbeigeholt hatte, setzte er sich mit dem Ausdruck der
höchsten Befriedigung zu mir in ein benachbartes Tal des Sofas, und
die Abendmahlzeit begann.
Als mein Freund das erste Ei verzehrt hatte, nahm er ein zweites
und betrachtete es nachdenklich. „Sieh mal, so ein Ei," sagte er, „es
enthält ein ganzes Huhn, es braucht nur ausgebrütet zu werden. Und
wenn dies groß ist, da legt es wieder Eier, aus denen nochmals Hühner
werden, und so fort, Generationen über Generationen. Ich sehe sie ver
mir, zahllose Scharen, die den Erdball bevölkern. Nun nehme ich dies
Ei, und mit einem Schluck sind sie vernichtet! Sieh mal, das nenne ich
schlampampen!"
Und so schlampampten wir und tranken Tee dazu. Ein kleines,
sonderbares, gelbes Ei blieb übrig, denn zwei in fünf geht nicht aus,
und wir beschlossen, es zu teilen. „Es kommt vor," sagte mein Freund,
indem er das Ei geschickt mit der Messerschneide ringsum anklopfte, um
es durchzuschneiden, „es kommt vor, daß zuweilen ganz seltene Exemplare
unter die gewöhnlichen Eier geraten. Die Fasanen legen so kleine, gelbe;
ich glaube wahrhaftig, dies ist ein Fasanenei, ich hatte früher eins in
meiner Sammlung, das sah gerade so aus."
Er löste seine Hälfte sorgfältig aus der Schale und schlürfte sie
bedächtig hinunter. Dann lehnte er sich zurück, und mit halbgeschlossenen
Augen flüsterte er unter dem Schmunzeln eines Feinschmeckers: „Lukullisch!"
Nach dem Essen stellte sich eine Fatalität heraus. Es war zwar
Tabak vorhanden, denn die spitze, blaue Tüte, die Hühnchen vorhin ein-
gekauft hatte, enthielt für zehn Pfennig dieses köstlichen Krautes, aber
mein guter Freund besaß nur eine einzige invalide Pfeife, deren Mundstück
bereits bis auf den letzten Knopf weggebraucht war, und deren Kops,
weil er sich viel zu klein für die Schwammdose erwies, die unverbesser-
liche Unart besaß, plötzlich herumzuschießen und die Beinkleider mit einem
Funkenregen zu bestteuen.
„Diese Schwierigkeit ist leicht zu lösen," sagte Hühnchen, „hier habe
ich den Don Quijote; der eine raucht, der andere liest vor, ein Kapitel
ums andere. Du als Gast bekommst die Pfeife zuerst, so ist alles in
Ordnung."
Dann, während ich die Pfeife stopfte und er nachdenklich den Rest
seines Tees schlürfte, kam ihm ein neuer Gedanke.
„Es ist etwas Großes," sagte er, „wenn man bedenkt, daß, damit
ich hier in aller Ruhe meinen Tee schlürfen und du deine Pfeife rauchen
kannst, der fleißige Chinese in jenem fernen Lande für uns pflanzt und
der Neger für uns unter der Tropensonne arbeitet. Ja, das nicht allein,
die großen Dampfer durchbrausen für uns in Sturm und Wogenschwäü
den mächtigen Ozean, und die Karawanen ziehen durch die brennende
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Mit Recht darf deshalb das Deutsche Reich stolz auf diese sozialen
Arbeitergesetze sein. Mag auch daran im einzelnen manches auszusetzen sein
und verbesserungsbedürftig erscheinen, als Ganzes betrachtet, sind sie eine
großartige Einrichtung. Die Anregung zu diesen Gesetzen ist dem edeln
Herzen, der landesväterlichen Fürsorge Kaiser Wilhelms I. entsprungen. Den
weiteren Ausbau erfuhren sie unter unserem jetzigen Kaiser Wilhelm Ii.,
der nicht minder eifrig wie seine Vorfahren bemüht ist, den Schwachen
und Bedrängten seines Volkes Schutz und Fürsorge angedeihen zu lassen.
Nach Wolff u. n.
166. Die Legion.
Knapp nach Mitternacht schon schrillte der Alarm und gellte durch
die Kasernenmauern bis ins vornehme Viertel von Sidi-bel-Abbes; die
elfte Kompanie der Fremdenlegion stob auf, wie die Ameisen eines
Ameisenstaates, in den ein Kaguar tappt; die Leute wälzten sich aus den
Betten, sprangen mit vor Schlaf verklebten Augen heraus, schrieen ein-
ander an, stritten, fragten . . . Kommandos befahlen, und Hauptmann
Doniface de Maillard, der sonst nie um diese Stunde da war, drängte
die Legionäre zur Eile und trieb die Korporäle und Feldwebel: „Wird
es! Wird es denn nicht? Na, wird es endlich!" Ununterbrochen keifte
seine parfümierte Boulevardschreierstimme: „Ja, wann wird es denn?
Zum Teufel ..." und das Gebrüll vermischte sich mit dem Lärmen der
hundert trappenden Beine, die in die Schnürstiefel fuhren und fest nieder-
stampften, mit dem raschelnden Gemengsel der hundert Arme, die Tornister
über die Rücken schnallten, mit dem hastigen Wirrwarr der Menschen,
die ihre Köpfe Pustend in die Wasserbottiche steckten.
„Marschausrüstung!"
„Ä Krieg gibt's, Krieg!" lamentierte der Allcrängstlichste der
Fremdenlegionäre, der Moritz Wachsmann aus Frankfurt, und trippelte
ziellos zwischen Fenster und Tür hin und her.
„Endlich, du Jammerhahn!" fuhr von Grimpitz den Juden an.
„Wärst du in deinem Getto geblieben."
Glucksend tranken die Menschen den trübbraunen Kaffee aus den
gebauchten, beuligen Blechschalen, warfen die Gewehre über und drängten
durch die riesige Gitterpforte der Kaserne ins Freie.
Sidi-bel-Abbes schlief noch. Kaum, daß der Osten in einem fahlen
Schauer auflohte im zauberhaften Morgengrauen des Orients.
Die Unteroffiziere verteilten die Patronenrollen, leere, verpuffende
Platzpatronen.
„Der Kuckuck hol' den Krempel! Wieder nur eine Manöverkomödie!"
Grimpitz fluchte laut.
Dafür wurde es dem Wachsmann recht leicht zumute: „Versündigen
Se sich nicht, Herr Leitenant; was hat ma davon, wenn se einem ä
Kugel, ä echte Bleikugel in den Bauch bohren — und das is so Sitte
im Krieg!"
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms_I. Wilhelm Wolff Doniface_de_Maillard Moritz_Wachsmann Grimpitz Grimpitz