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21. Eine Fahrt auf dem Rheine von Main; bis nach Bonn.
Es ist ein schöner Sommermorgen. Sonntagsstimmung liegt über
der Stadt Mainz, wo wir den Dampfer besteigen. Das dritte Glocken-
signal ertönt. Der Kapitän ruft durchs Sprachrohr in den Maschinen-
raum hinab. Die Dampspfeife antwortet zum Zeichen, daß der Ruf
verstanden worden ist. Und schon setzen sich die Schaufelräder in Be-
wegung. Langsam treiben wir vom Lande. Leb' wohl, goldenes Mainz,
du Stadt Gutenbergs, mit dem stattlichen Dome! Wie ein Doppelposten
stehst du nebst deinem Kastell auf der Wacht am Rhein. Wir lehnen
uns an die Brustwehr des Schiffes und fteuen uns des köstlichen Anblicks.
„So weit wie eure Blicke reichen,
habt ihr von hier aus, Zoll um Zoll,
ein Bild vor Augen ohnegleichen,
hochherrlich, heiter, anmutsvoll.
Weit müßt ihr gehn und lange suchen,
bis wieder ihr des Himmels Blau,
das Grün der Reben und der Buchen,
des Wassers Glanz, der Felsen Grau
noch einmal so beisammen findet,
wie's hier in farbenreicher Pracht
zum vollen Einklang sich verbindet
und lockend euch entgegenlacht."
Doch jetzt die Augen rechts! Dort oben auf luftiger Bergeshöh«
grüßt Schloß Johannisberg hernieder. Vom Strome bis zum
Schloß hinauf stehen auf den Terrassen die edelsten Rebstöcke. Hier bietet
Vater Rhein das kostbarste Rheingold im Pokale, den Johannisberger.
Auch die Pfirsiche, die edle Kastanie reifen unter dem milden Himmel
des Rheingaus, und der Walnußbaum liefert köstliche Ernten.
Bald folgt Rüdesheim auf derselben Seite. Berglehne an Berg-
lehne ist mit Weinlaub bedeckt. Darüber hinaus ragt die hohe Gestalt
der Germania, die das Niederwalddenkmal krönt. Mit der Krone
in der Rechten und dem Schwerte in der Linken steht sie da, den Blick
kühn nach Frankreich gerichtet, als wollte sie Hinüberrufen: „Du Rhein
bleibst deutsch wie meine Brust." Gerade gegenüber trifft das entzückte
Auge auf Bingen, das seinen Rücken ebenfalls an grünes Rebgelände
lehnt. Dort mündet die Nahe ein. Jetzt wird der Lauf des Fluffes
unruhiger, sein Rauschen lauter; denn wir nähern uns dem Binger Loch,
wo ehemals ein Felsenriff den Strom quer durchsetzte. Zwar sind die
gefährlichsten Felsköpfe weggesprengt, aber das Fahrwasser ist noch heute
unruhiger als an anderen Stellen. Auf der einzigen erhaltenen Klippe
steht der berüchtigte Mäuseturm, der aber wohl nur durch Versehen
in so bösen Ruf gekommen ist; denn er ist wahrscheinlich der frühere
Mautturm, wo die Rheinschiffe den Zoll oder die Maut abführten.
Links und rechts treten die Felsen an den Strom, der in enger Tal-
furche dahinschießt; nur Platz für die Straße und die Bahn ist auf
beiden Seiten übrig. Dort braust ein Zug an uns vorüber, der im
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Extrahierte Ortsnamen: Rheine Main Bonn Mainz Mainz Gutenbergs Rhein Johannisberg Rhein Rheingaus Niederwalddenkmal Schwerte Frankreich
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ihr hinauf und trugen sie hinab zum Strome, aus dem sie nicht zurück-
kehrte. — Der Steuermann in meiner Nähe rief ein langgezogenes Höh!
au bestimmter Stelle gegen die Felswand, und 17mal tönte das Hohl zurück.
Die Uferhöhcn zur Linken gehören noch immer dem Hunsrück
an, die zur Rechten dem Taunus. Sanft gewunden wie eine Schlange
gleitet der Rhein zwischen ihnen hin, und das Auge haftet bald an den
kühnen Bergformen, bald an den stattlichen Burgen und Burgruinen, bald
auch an den Ortschaften, deren Häuserchen und Kirchlein wie aus einer
Spielschachtel auf das schmale Gesims zwischen Strom und Fels aufgesetzt
erscheinen. Jetzt mündet zur Rechten die Lahn, welche Ober- und
Niederlahnstein, ebenso Taunus und Westerwald scheidet. Bald steigen
drei Brücken vor uns auf, die zwischen Koblenz und dem auf hohem
Felsen gelegenen Ehrenbreit st ein, dem zweiten Doppelposten der
Rheinwacht, ausgespannt sind. Das stolze Königsschloß, wo Kaiserin
Augnsta so gern weilte, blickt zu uns herüber.
Unmittelbar hinter Koblenz wirft sich eine der Rheintöchter dem
Vater in die Arme: die stattliche Mose l. Die Höhen weiter stromab
zur Linken gehören nun der Eifel an. Das Bild bleibt das alte, es ist
alles so traut. Ja, dieses Stück Erde muß den Anwohnern ans Herz
wachsen, in ihrem Munde vor allem hat das Dichterwort den rechten
Klang:
Sie sollen ihn nicht haben, Sie sollen ihn nicht haben,
den freien, deutschen Rhein, den freien, deutschen Rhein,
ob sie wie gier'ge Raben so lang sich Herzen laben
sich heiser danach schrein, an seinem Feuerwein,
So lang er, ruhig wallend,
sein grünes Kleid noch trägt,
so lang ein Ruder schallend
in seine Wogen schlägt!
So lang in seinem Strome
noch fest die Felsen stehn,
so lang sich hohe Dome
in seinem Spiegel sehn!
Wir nähern uns zwei Inseln. Die größere ist Nonnenwert,
ihr zur Rechten ragt die Burg Drachenfels auf, zwar zerborsten,
aber auch in Trümmern noch schön, und zur Linken Rolandseck. Dort
hat er einst gesessen in tiefer Wehmut, der gewaltige Held Roland, den
Blick auf das stille Kloster der Insel gerichtet, wo seine Verlobte, Hilde-
gunde vom Drachenfels, des Himmels Braut geworden, da sie ihn tot
geglaubt. Er wartete jeden Tag, bis sie am Fenster sich zeigte, bis ihr
schönes Antlitz sich ins Tal neigte; beim Abendgesange glaubte er ihre
Stimme zu hören, und sein Herz sagte ihm auch, daß das frische Grab,
das er im Klostergarten ausgeworfen sah, für sie bestimmt war. Bald
darauf rief ihn sein Herr und Kaiser nach Spanien, wo sein armes Herz
auch zur Ruhe kam. Am Drachenfels haften auch noch andere Er-
innerungen: hier schlug Siegfried einst den Drachen, der die schöne
Kriemhilde geraubt, und am Loreleifelsen hat der Sage nach der grimme
Hagen den Nibelungenschatz versenkt. Wieder taucht eine Brücke vor uns
auf. sie verbindet Bonn mit dem rechten Rheinufer. Und da ragt dein
Bild auf am Gestade, du treuer Eckardt unsers Volks; Ernst Moritz Arndt!
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Extrahierte Personennamen: Augnsta Roland Siegfried Siegfried Hagen Ernst_Moritz_Arndt Ernst