Gr. Sagen. 31
und seinen Nachfolgern wurde die Macht der Wenden gebrochen. Die zurück-
bleibenden Wenden wurden Christen und vermischten sich mit den Deutsche!:. Unter
Albrecht dem Bären, aber auch später, wanderten Holländer, Flamländer und
Franken (Pfälzer) ein. Diese trugen viel zur Urbarmachung öder Gegenden (Wische)
bei, hoben den Ackerbau und die Fabriktätigkeit. Im Jahre 1415 kam Friedrich I-,
der erste Kurfürst aus dem Hause Hohenzollern, in den Besitz der Altmark, und
den Hohenzolleru gehört sie heute noch. Die Altmark ist das Stammland oder die
Wiege Preußens." Salzwedel, Stendal, Gardelegen, Tangermünde waren die
Hauptstädte.
Während des schrecklichen 30 jährigen Krieges (1618—48) hatte die Altmark
von den Kaiserlichen und den Schweden arg zu leiden, so daß nach dem Kriege die
meisten Orte verödet dalagen. Unter der segensreichen Regierung der Hohenzollern-
sürsten, besonders Friedrichs des Großen, erholte sich die Altmark wieder. Aber
am Anfange unseres Jahrhunderts kam ein neues Unglück über die Mark. Der
Franzosenkaiser Napoleon I. hatte unser Vaterland erobert und bildete aus den
Ländern links vou der Elbe, wozu also auch J>ie Altmark gehörte, ein neues fran-
zösisches Reich, das Königreich Westfalen. So waren die Altmärker französische
Untertanen geworden. Allein schon im Jahre J 814 gelang es, die Franzosen zu
vertreiben. Die Altmark war wieder srei und gehört seitdem in alter Liebe und
Treue zum Hohenzollernhause.
G. Sagen.
1. Der Kobold }\\ Mterfelde.
Vor kaum einem Menschenalter lebte in Lichterfelde (Wische) der steinalte
Schäfer Hindenburg. Der wußte gar lustige und grausige Geschichten zu erzählen
von Hexen, Kobolden und Zwergen, die hier und dort ihr Wesen trieben- „Einst",
so Hub er au, „fand ein Wischebauer einen Kober, wie ihn die Knechte und Bauern
zur Aufbewahrung ihres Mundvorrates haben, fein säuberlich zugeschnürt und
versiegelt auf der Straße. Flugs hob das Bäuerlein den Kober auf und nahm
ihn mit nach Hanfe. Hier öffnete er das Behältnis sogleich, obwohl es schon stark
dämmerte; denn er hoffte einen guten Fund gemacht zu haben. Doch vergeblich
war alles Suchen, das Behältnis schien leer und doch hörte er darin ein merk-
würdiges Rasseln. Als er noch ganz enttäuscht dastand, sah er zu seinem Schrecken
ein Geisterwesen aus dein Kober schlüpfen. „Es ist ein Kobold," dacbte er, „aber
was für einer?" Nun, das sollte er bald erfahren. Als der Bauer ein Licht an-
zündete, warf es der Kobold sogleich um, kehrte'tische, Stühle und Bänke um und
machte ein Höllenlärm. So trieb er es Abend für Abend. Einmal warf er
sogar die Fischgabel so heftig gegen die Thür, daß die Knechte des Bailern sie mit
knapper Not herausziehen konnten. Der Bauer versuchte alle Mittel, den Kobold
wieder einzusaugen und los werden, es wollte nichts helfen. Selbst die List,
den Geist durch feine Näschereien in den Kober zu locken, mißlang. Auch durch
Zaubermittel war er uicht zu vertreiben. Unterdeß hatte sich das Gerücht von dem
bösen Kobolde über die ganze Wische verbreitet. Da kam eines Tages zu unserem
geplagten Bäuerlein ein anderer Bauer zu Besuch. Schon an' der Hofpforte
rief er dem Bauer zit: „Gevatter, was macht dein Teufel?" Der Kobold hatte
diese Worte gehört, denn er saß gerade vor der Tür, und wie besessen sprang er
auf den ohnehin wilden Hengst des Besuchers und ueckte und zwickte ihn, daß er
sich bäumte und wild davonlief. Das Bäuerleiu mußte bald die Erde küssen. Als
das Pferd dahin raste, lief es unter einem fchiefstehenden Weidenbaume durch, daß
es sich fast den Rücken abschund. Dabei streifte es den Kobold ab, der nun hier
sein Wefeu bis zum heutigen Tage treibt und am Abend den Vorübergehenden arg
mitspielt-"
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Friedrich_I- Friedrich Friedrichs Napoleon_I.
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-2-In demselben Frühjahre rückten Fürst Wolfgang und Kurfürst Johann Friedrich im Heere des Schmalkaldischen Bundes gegen den Kaiser in das katholische Süddeutschland hinein. Sie wurden aber durch den hinterlistigen Einfall des Herzogs Moritz von Sachsen gezwungen, in die Heimat zurückzukehren. Während der Kurfürst Moritzens Land eroberte zwang Fürst Wolfgang Aschersleben, das um 1325 widerrechtlich an das Bistum Halberstadt gekommen war (S. 23), zur Huldigung, leider aber nur auf wenige Monate. Denn mit starker Heeresmacht zog nun der Kaiser heran In der Schlacht bei Mühlberg ward Kurfürst Johann Friedrich am 24r. April 1547 geschlagen und gefangen genommen. Sein Kurfürstentum fiel an den Herzog Moritz. Nach tapferer Gegenwehr war Fürst Wolfgang aus der Schlacht entkommen.
Er hatte früher einmal gesagt, „wenn es darauf ankäme, wolle er lieber einem die Stiefel putzen
und auf Land und Leute verzichten, als daß er
sollte eine andere Lehre anerkennen." Hierin wollte
ihn der Herrgott nunmehr beim Worte nehmen .
3. Das Cöthener Fürstentum hatte der Kaiser seinem Oberstallmeister Grasen Ladron überwiesen. Dieser verbrannte Coswig, besetzte Göthen und zog nun ge-
gen Bernburg, wohin sich Fürst Wolfgang zunächst geflüchtet hatte. Es war in der Nacht vor dem Einmärsche der Spanier,
da standen die wackeren
Bürger von Bernburg auf ihrem Marktplatze. Si0-18‘ Wolfgang, Fürst zu Anhalt.
Obgleich sie alle bereit waren, für ihren Fürsten Gut und Blut zu opfern, hatte sich Derselbe doch entschlossen, zur Schonung seiner Untertanen die Stadt zu verlassen. Man erwartete, von einem schmerzgebeugten Manne Abschied nehmen zu müssen. Aber hochaufgerichtet ritt Wolfgang vom Schlosse herab. Als er über den Marktplatz kam, stimmte er, so wird erzählt, das Lutherlied an: „Ein' feste Burg ist unser Gott." Die Bürger vergaßen ihre Abschieds-
tränen und fielen in die herrliche Weise ein, daß hundertstimmig der Marktplatz widerhallte. Als die mächtigen Klänge verrauschten, war es ihnen, als hätten sie nicht einen Abschied, sondern ein Siegesfest erlebt. Der geflüchtete Fürst verbarg sich der Sage nach zunächst, als Müller verkleidet, in der Mühle von Chörau bei Aken. Danach wurde er von seiner Schwestertochter, der Äbtissin von Gernrode, aufgenommen. Auch in einem Gartenhause bei Aschersleben und in der Mühle von Warmsdorf soll er
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Extrahierte Personennamen: Johann_Friedrich Johann Friedrich Moritz_von_Sachsen Johann_Friedrich Johann Friedrich Moritz Das_Cöthener_Fürstentum Wolfgang Wolfgang
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Schulen noch heute über 50000 Mark jährlich gezahlt. Mit Recht rühmt daher seine Grabrede, „er sei der Kirchen und Schulen oberster Schutzherr und der lieben Armut oberster Epittelmeister gewesen." Seit 1544 residierte er in seiner Lieblingsstadt Bernburg. Als er 1562 sein ganzes Fürstentum den Dessauer Vettern Übermacht hatte, zog er sich zunächst nach Coswig und zwei Jahre später „als ein einfacher Bürger" mit einem mäßigen Jahreseinkommen nach Zerbst zurück. Hier erwartete er als hochbetagter Greis den Tod, las fleißig in der Schrift, nahm alle drei bis vier Wochen das heilige Abendmahl und ließ über seinem Bette das Bild eines Sarges aufhängen mit seinem Wahlspruche: „Hilf, heilige Dreifaltigkeit!" Am 1566 23. März 1566 entschlief er sanft. Die zugegen waren, bezeugten: Wer so stirbt, der stirbt wohl. — Er hat in der größten Zeit unseres Volkes
Fig. 20. Das Schloß zu Bernburg.
gelebt als ein Freund des Mannes, dessen gewaltige Worte jene Zeit ins Leben riesen. An säst allen den großen Tagen wirkte er als treuer Helfer mit. Kein anderer Fürst kann sich solcher Gottesgnade rühmen. Schön sagte Philipp Melanchthon über ihn: ..Es wird keiner wiederkommen, der ihm gleich sei in Ansehen bei den Fürsten, in Liebe gegen Kirchen und Schulen, in Bemühung, Einigkeit zu erhalten und Leib und Leben für den Glauben daran zu setzen." Das eherne Standbild des Fürsten ziert den Marktplatz seiner Stadt Bernburg.
5. Während der Regierungszeit der vier Reformationsfürsten wurde der Bergbau auf dem anhaltischen Harze eröffnet und neben Eisen auch Silber und Gold zu Tage gefördert. Fürst Wolfgang gestand den Bergleuten im Harze mancherlei Vorrechte und Freiheiten zu. Sie durften an den gelegensten Orten vor Harzgerode Häuser bauen, in diesen Häusern
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Melanchthon Philipp Wolfgang