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1. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 26

1911 - Magdeburg : Creutz
26 2. Das Land zwischen Elbe und Ohre, im Jahre 1675 in die Mark einfielen, da rotteten sich die Bauern der Drömlingsdörfer zusammen und versuchten, den Feind zu vertreiben. Noch heute finden wir in den Kirchen von zwei Dörfern zwei Fahnen aus dieser Zeit. Jede trägt einen roten Adler in grünem Kranze und die Inschrift: „F. W. 1675. Wir Bauern von geringem Gut dienen unserem gnädigen Kurfürsten und Herrn mit unserm Blut." Frömmigkeit, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit und Tapferkeit sind schätzenswerte Eigenschaften unserer Drömlingsbewohner. b) Die Wische. 1. Die Wische zur Zeit der Überschwemmung im Februar und März 1909. a) Wie gelangen wir zur Wische? Trotz der großen Kälte im März besteigen wir den Zug und fahren Tion Magdeburg über Wolmirftedt nach Stendal, einein Kreuzuugs- punkte mehrerer Eisenbahnen. Unser Zug fährt sodann mehrmals über die Uchte, einem Nebenflüßchen der Biese. In Osterburg hält er; wir steigen aus. Der Zug fährt fodann am Aland entlang über See- Hausen, braust über eine große Elbbrücke dahin und niacht in Witten- berge halt. In Osterburg befinden wir uns am Südende einer feuchten Niederung, die den Namen Wische, d. h. Wiese, führt. b) Welche Gestalt hat die Wische? Sie hat die Form eines Dreiecks, das sich in der Richtung von S.o. nach N.w. erstreckt. Die beiden Längsseiten liegen im O. und W. Die Ostfeite wird von dem Elbbogen, die Westseite von dem Aland und dem Unterlause der Biefe gebildet. Die Südseite erhalteu wir, wenn wir uns auf der Karte eine Linie von Osterburg nach Sandau oder Werben gezogen denken. Die Spitze des Dreiecks liegt da, wo der Aland in die Elbe mündet. Von der Grundlinie des Dreiecks bis zur Spitze würden wir 8 Std. (40 km) zu wandern haben. c) Wie sah die Wische zur Zeit der Überschwemmung aus? In den Monaten Februar und März des Jahres 1909 ist die Wische überschwemmt. Der Elbdamm ist an zwei Stellen durch die Wasser- und Eismassen durchbrochen, und die Fluteu des Elbstromes -rauschen bis nach Osterburg und Seebausen. Die Felder und Wiesen, die Höfe, die Häuser, die Ställe der Dörfer fteheu unter Wasser. Die Menschen müssen flüchten; das Bieh wird in den Orten, die höher liegen, untergebracht. Kein Weg, kein Steg ist mehr zu sehen; überall schaut unser Auge nur Wasserflächen und Eisinaffen. Selbst der Kronprinz und unsere Kaiserin lasfen es sich nicht nehmen, das Überschwemmungs- gebiet zu besichtigeu. Sie spenden Geld den Armen, Trost den Hilf-

2. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 35

1911 - Magdeburg : Creutz
Sagen, 35 einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland foll stehen bleiben, wir wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver- meintlichen Künstler arg genasführt waren. Kein Wunder also, daß sich ihr Unmut gegen ihn wandte. Als sie den Schalk griffen, steckten sie ihn zur Strafe in den Wendenturm, Im Nu aber entwich er mit einem Hohngelächter: und jeder wußte nun, daß der vermeintliche Künstler der leibhaftige Teufel gewesen war. Der Rolaud war in der früheren Zeit für die Stadt Stendal das Zeichen der eigenen Gerichtsbarkeit. Die im Jahre 1525 am Rat- hause errichtete Stein- figur gehört zu den größten, die wir besitzen. Der gewaltige Körper ruht auf starken Beinen, dessen Waden stärker sind als der Brustumfang eines kräftigen Mannes, Durch den schweren Pan- zer wird der Körper ge- schützt. Die erhobene rechte Hand hält das 4 m lange Schwert, das Werkzeug des strafenden Rechts; die linke Hand umfaßt den Schild mit dem brandenburgischen Adler, das Sinnbild des Schutzes. So er- innert der Roland an die frühere Größe und Selbst- ständigkeit der Stadt Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal. 2. Der wunderbare Ring im Schlosse zu Calbe a. M. In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken, Als die Edelfrau ein- willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund. Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er- 3*

3. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 39

1911 - Magdeburg : Creutz
Die Höhen. 39 sie in zwei einzelnen Höhen, den Gegensteinen. Die Bode und die Selke durchbrechen die Teufelsmauer. Von den Gegensteinen erzählt die Soge: Ein Bauer fuhr einst sein Getreide zum Verkauf nach Quedlinburg. Während er in der Schoßkelle schlief, kamen die Pferde vom rechten Wege ab; und als er erwachte, hielt der Wagen vor einer großen Höhle im dichten Walde. Nachdem das Bäuerlein sich vom ersten Schreck erholt hatte, ging es in die Höhle, um sich darin umzuschauen. Hier sah es zu seinem Erstaunen einen Kessel von blinkendem Golde und daneben eine Peitsche. Diese nahm der Bauer zuerst, dann wollte er die Taschen voll Gold füllen. Allein ein großer Hund mit glühenden Augen bewachte den Kessel. Als aber der Bauer sah, daß das Tier ruhig blieb, griff er dreist zu. Doch jetzt erwachte in ihm der Geiz. Zum ersten Male, zum zweiten Male füllte er die Taschen und leerte sie draußen auf seinem Gefährt; als er aber zum dritten Male kam, erhob der Hund ein fürchterliches Geheul und fletschte die Zähne. Der Geizhals ließ vor Schreck die Hand voll Gold fallen und stürzte aus der Höhle. Hier sank er ohnmächtig zu Boden. Unterdessen tat sich die Erde aus, Feuer sprühte hervor, und aus der Tiefe wuchsen zwei mächtige Felsen, „die Gegensteine". Als das Bäuerlein erwachte, sah es, wie der große Hund in Teufelsgestalt in den einen Felsen kroch. Hier foll er noch heute sitzeu und die Vorübergeheuden äffen und ver- spotten, indem er ihnen ihre Worte als Echo nachruft. Als das Bäuerlein nach feinem Golde auf dem Wagen sah, fand es nur Kieselsteine; und betrübt fuhr es weiter. 2. Der Regenstein, a) Name. Wer Sinn für Naturschönheiten und Verständnis für geschichtliche Merkwürdigkeiten besitzt, versäumt nicht, aus einer Harzreise den Regenstein zu besuchen. Wir schauen von dem Berge, auf dem das Schloß Blanken- bürg liegt, über die am Abhänge liegende Stadt hinweg. Dort im N. erhebt sich stolz 295 rn über dem Meeresspiegel der Regenstein. Er liegt nördlich vom Harz allein, noch ein Stück von der Teuselsmauer entfernt, wodurch er jedem Harzbesucher gleichsam in die Augen fällt. Sein Name Regenstein kommt her von dem altdeutschen Wort ragin = hochragend; und frei erhebt er sich 100 m (so hoch wie der Magdeburger Dom) über die Ebene. Ein Regenstein ist er mit Recht, denn hoch übereinander- geschichtete Sandsteinblöcke bilden einen 2 km langen Felskamm, der besonders auf der Nordfeite so schroff in die Höhe steigt, „daß nicht eine Katze hinaufklettern kann". Der erste Bewohner soll auch Graf von Regen- stein geheißen haben. b) Was erinnert uns noch an die alte Ritterburg und die Festung? In einer guten halben Stunde wandern wir von Blankenburg hinauf nach dem Regenstein, der nur von dieser Seite allmählich ansteigt. Nachdem wir uns auf dem herrlichen Platze vor dein Gasthaufe aus- geruht und gestärkt haben, folgen wir dem Führer. Wir sehen auf dem Bilde sofort, daß die Burg aus einem tiefer und einem höher gelegenen Teile besteht. Auf dem höheren Teile lagen in früherer Zeit noch die Gebäude des Burgbewohners. Im Vordergrunde sehen wir den Bergfried. Er ist nur uoch 6 m hoch; früher war er höher. Wir lassen unsern

4. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 40

1911 - Magdeburg : Creutz
40 2. Das Land zwischen Elbe und Ohre, im Jahre 1675 in die Mark einfielen, da rotteten sich die Bauern der Drömlingsdörfer zusammen und versuchten, den Feind zu vertreibeu. Noch hente finden wir in den Kirchen von zwei Dörfern zwei Fahnen aus dieser Zeit. Jede trägt einen roten Adler in grünem Kranze und die Inschrift: „F. W. 1675. Wir Bauern von geringem Gut dienen unserem gnädigen Kurfürsten und Herrn mit unserm Blut." Frömmigkeit, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit und Tapferkeit sind schätzenswerte Eigenschaften unserer Dröinliugsbewohner. b) Die Wische. 1. Die Wische zur Zeit der Überschwemmung im Februor nud März 1909. a) Wie gelangen wir zur Wische? Trotz der großen Kälte im März besteigen wir den Zug und fahren von Magdeburg über Wolmirftedt nach Stendal, einein Kreuzungs- punkte mehrerer Eisenbahnen. Unser Zug fährt sodann mehriilals über die Uchte, einem Nebenflüßchen der Biese. In Osterbnrg hält er; wir steigen aus. Der Zug fährt sodann am Aland entlang über See- Hausen, braust über eine große Elbbrücke dahin und macht in Witten- berge halt. In Osterburg befinden wir uns am Südende einer feuchten Niederung, die deu Namen Wische, d. h. Wiese, führt. b) Welche Gestalt hat die Wische? Sie hat die Form eines Dreiecks, das sich in der Richtung von S.o. nach N.w. erstreckt. Die beiden Längsseiten liegen im O. und W. Die Ostseite wird von dem Elbbogen, die Westseite von dem Aland und dem Unterlause der Biese gebildet. Die Südseite erhalten wir, wenn wir uns auf der Karte eine Linie von Osterburg nach Sandau oder Werben gezogen denken. Die Spitze des Dreiecks liegt da, wo der Aland in die Elbe mündet. Bon der Grundlinie des Dreiecks bis zur Spitze würden wir 8 Std. (40 km) zu wandern haben. c) Wie sah die Wische zur Zeit der Überschwemmung aus? In den Monaten Februar und März des Jahres 1909 ist die Wische überschwemmt. Der Elbdamm ist an zwei Stellen durch die Wasser- und Eismasfen durchbrochen, und die Fluten des Elbstromes rauschen bis nach Osterburg und Seehausen. Die Felder und Wiesen, die Höfe, die Hänser, die Ställe der Dörfer stehen unter Waffer. Die Menschen müssen flüchten; das Biel) wird in den Orten, die höher liegen, untergebracht. Kein Weg, kein Steg ist mehr zu sehen; überall schaut unser Auge nur Wasserflächen und Eismassen. Selbst der Kronprinz und unsere Kaiseriu lassen es sich nicht nehmen, das Überschwemmnngs- gebiet zu besichtigen. Sie spenden Geld den Armen, Trost den Hilf-

5. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 49

1911 - Magdeburg : Creutz
Sagen. 49 einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland soll stehen bleiben, wir wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver- meintlichen Künstler arg genasführt waren. Kein Wunder also, daß sich ihr Unmut gegen ihn wandte. Als sie den Schalk griffen, steckten sie ihn zur Strafe in den Wendenturm. Im Nu aber entwich er mit einem Hohngelächter; und jeder wußte nun, daß der vermeintliche Künstler der leibhaftige Teufel gewesen war. Der Roland war in der früheren Zeit für die Stadt Stendal das Zeichen der eigenen Gerichtsbarkeit. Die im Jahre 1525 am Rat- hause errichtete Stein- sigur gehört zu den größten, die wir besitzen. Der gewaltige Körper ruht auf starken Beinen, dessen Waden stärker sind als der Brustumfang eines kräftigen Mannes. Durch den schweren Pan- zer wird der Körper ge- schützt. Die erhobene, rechte Hand hält das 4 m lange Schwert, das Werkzeug des strafenden Rechts; die linke Hand umfaßt den Schild mit dem brandenburgischen Adler, das Sinnbild des Schutzes. So erinnert der Roland an die frühere Größe und Selbstständig- keit der Stadt Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal. 2. Der wunderbare Mug im Schlosse zu Calbe a. M. In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken. Als die Edelfrau ein- willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund. Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er- Henze-Kohlhase, Die Provinz Sachsen. Ausgabe A. 4

6. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 53

1911 - Magdeburg : Creutz
Die Höhen. 53 sie in gtret einzelnen Höhen, den Gegensteinen. Die Bode und die Selke durchbrechen die Teufelsmauer. Von den Gegensteinen erzählt die Sage: Ein Bauer fubr einst sein Getreide znm Verkauf nach Quedlinburg. Während er in der Sckoßkeue schlief, kamen die Pferde vom rechten Wege ab; und als er erwachte, hielt der Wagen vor einer großen Höhle im dichten Walde. Nachdem das Bäuerlein sich vom ersten Schreck erholt hatte, ging es in die Höhle, um sich darin umzuschauen. Hier sah es zu seinem Erstaunen einen Kessel von blinkendem Golde und daneben eine Peitsche. Diese nahm der Bauer zuerst, dann wollte er die Taschen voll Gold sülleu. Allein ein großer Hund mit glühenden Augen bewachte den Kessel. Als aber der Bauer sah, daß das Tier ruhig blieb, griff er dreist zu. Doch jetzt erwachte in ihm der Geiz. Zum ersten Male, zum zweiten Male füllte er die Taschen uut> leerte sie draußeu aus seinem Gefährt; als er aber zum dritteu Male kam, erhob der Hund ein fürchterliches Geheul und fletschte die Zähne. Der Geizhals ließ vor Schreck die Hand voll Gold fallen und stürzte aus der Höhle. Hier sank er ohnmächtig zu Boden. Unterdessen tat sich die Erde auf, Feuer sprühte hervor, und aus der Tiefe wuchsen zwei mächtige Felsen, „die Gegensteiue '■ Als das Bäuerlein erwachte, sah es, wie der grosse Hund in Teuselsgestalt in den (inert Felsen kroch. Hier soll er noch beute sitzeu nud die Vorübergehenden äffen imb ver- spotten, indem er ihnen ihre Worte als Echo nachruft. Als da? Bäuerleiu lmch seinem Golde aus dem Wagen sah, fand es nur Kieselsteine; und betrübt suhr es weiter. 2. Der Negenstein. a) Name. Wer Sinn für Naturschönheiten und Verständnis für geschichtliche Merkwürdigkeiten besitzt, versäumt nicht, auf einer Harzreise den Regen stein zu besuchen. Wir schauen von dem Berge, auf dem das Schloß Blanken- bürg liegt, über die am Abhänge liegende Stadt hinweg. Tort im N. erhebt sich stolz 295 m über dem Meeresspiegel der Negenstein. Er liegt nördlich vom Harz allein, noch ein Stück von der Teufelsmauer entfernt, wodurch er jedem Harzbesucher gleichsam in die Augen fällt. Sein Name Regellstein kommt her von dem altdeutschen Wort ragin — hochragend; und frei erhebt er sich 100 in (so hoch wie der Magdeburger Dom) über die Ebene. Ein Regenstein ist er mit Recht, denn hoch übereinander- geschichtete Sandsteinblöcke bilden einen 2 km langen Felskamm, der besonders auf der Nordseite so schroff in die Höhe steigt, „daß nicht eine Katze hinaufklettern kann". Der erste Bewohner soll auch Gras von Regen- stein geheißen haben. b) Was erinnert uns noch an die alte Ritterburg und die Festung? In einer guten halben Stunde wandern wir von Blankenburg hinauf nach dem Negenstein, der nur von dieser Seite allmählich ansteigt. Nachdem wir uns auf dem herrlichen Platze vor dein Gasthause aus- geruht und gestärkt haben, folgen wir dem Führer. Wir sehen auf dem Bilde sofort, daß die Burg aus einem tiefer und einem höher gelegenen Teile besteht. Auf dem höheren Teile lagen in früherer Zeit noch die Gebäude des Burgbewohners. Im Vordergrunde sehen wir den Bergsried. Er ist nur noch 6 rn hoch; früher war er höher. Wir lassen unsern

7. Bilder aus der Geschichte des Reußischen Landes und Fürstenhauses - S. 19

1900 - Greiz : Henning
leibliche und geistliche Wohl seiner Unterthanen zu fördern. Er stand schon früh um 4 Uhr auf und war ungemein thätig; den Beratungen der Regierungsbehörden wohnte er selbst bei. Seine Unterthanen hatten stets bei ihm Zutritt, und er hörte ihre Anliegen mit großer Freundlichkeit an; wo er konnte, half er schleunig in Güte und Gerechtigkeit. Er sorgte für gute Rechtspflege und hielt mit Ernst darauf, daß die Richter gerecht richteten, und der Arme wie der Reiche sein Recht finden konnte. Bisweilen hielt er selbst Verhöre ab, suchte zwischen den Streitenden zu vermitteln und entschied, wenn kein Vergleich zustande kam. Ein so gütiger Herr er aber war, übte er gegen Verbrechen strenge Gerechtigkeit ohne Ansehn der Person. In Haus und Hoflager hielt er treffliche Ordnung und richtete feine Hofhaltung aufs sparsamste ein, obgleich er bei feierlichen Gelegenheiten Glanz und Pracht liebte. Um die ungeheuren Schulden zu tilgen, welche teils von seinem Vater hinterlassen, teils während der Vormundschaft durch Ankauf mehrerer Landesteile entstanden waren, bestimmte er, daß der Aufwand der Hofhaltung allein von den Einkünften der Herrschaft Gera bestritten, der Ertrag der übrigen Landesteile aber zur Schuldentilgung verwandt werden sollte, und so gelang es ihm, den größten Teil der Schulden nach und nach abzutragen. Bei aller Sparsamkeit aber hatte er immer für Notleidende eine offene Hand und erwies sich zumal gegen seine treuen Diener gütig und wohlthätig. Besonders aber sparte er nicht, wo es galt, die Wohlfahrt des Landes zu fördern. Als ein gottesfürchtiger Herr war er vor allem bestrebt, die reine Lehre des Evangeliums zu schirmen und zu pflegen und Frömmigkeit und gute Sitte zu pflanzen. Die ihm von Gott anvertraute Aussicht über die Kirche betrachtete er als das edelste Kleinod seines Herrscheramtes und wandte ihr alsbald die größte Aufmerksamkeit zu. Da sich die kirchlichen Zustände vielfach in Verwirrung befanden, und Zucht und Sitte verfallen waren, veranlaßte er seine Vettern zu einer gemeinsamen Kirchenvisitativn, die in den Jahren 1600 bis 1602 von den Superintendenten und den tüchtigsten Geistlichen abgehalten wurde. Da wurden Lehre und Wandel der Pfarrer und Schullehrer, der religiöse und sittliche Zustand der Gemeinden, die Einrichtung des Gottesdienstes, die Kirchengüter und kirchlichen Gebäude untersucht und neue gute Ordnungen getroffen, die Mißbrauche aber beseitigt. Die zu geringen Besoldungen der Pfarrer und Schullehrer erhöhte Posthumus aus eigenen Mitteln. Denn er sagte: „Ich bin nach Gottes Willen Herr im Lande und könnte also auch wohl frei ausgehen; aber weil mir Gott durch das Predigtamt viel Gutes erwiesen und noch erweist, so mag und will ich nicht frei fein, sondern das Meinige willig dazu steuern. Daher soll mir auch von der Steuer zur Erhaltung der Kirchen und Schulen in meinen Herrschaften gar niemand frei sein." — So errichtete er auch an 2-

8. Bilder aus der Geschichte des Reußischen Landes und Fürstenhauses - S. 32

1900 - Greiz : Henning
— 32 — Heinrich I. und Heinrich Ii. - In dieser Zeit traf das Vogtland eine furchtbare Heimsuchung. Ein ungeheurer Heuschreckenzug, aus dem Morgenlande kommend, verbreitete sich seit dem 14. August 1693 m zwei Heeren über Deutschland und gelangte den 16. August auch in das Vogtland. 3n verschiedene Haufen verteilt, denen kleinere Schwärme vorangingen, kamen sie in einer Breite von einer halben Meile dahergezogen und verfinsterten den Himmel. Bald flogen sie hoch über die Türme weg, bald flogen sie so niedrig, daß die Menschen sich durch sie hindurchschlagen mußten. Über Plauen hielten sie sich gegen zwei Stunden auf, schwärmten in den Straßen auf und nieder und drangen in die Häuser ein. Wo sie sich niederließen, lagen sie einen halben Fuß dick über einander. In Gärten, Feldern und Wiesen fraßen sie alles rein ab. Wenn ihre Flügel vom Tau des Nachts naß geworden waren, klebten sie so fest an der Erde, daß man sie nicht aufschaufeln konnte; wenn die Sonne sie wieder getrocknet hatte, flogen sie mit großem Getöse auf. In der Mittags-Hitze und bei Regenwetter legten sie sich in die Wälder; die ungeheure Last brach die stärksten Äste ab. Dabei fraßen sie Laub und Nadeln so kahl ab, daß nachher ganze Waldungen eingingen. Man suchte sie durch Feuer zu vertreiben und trieb die Schweine unter sie, die eine große Vorliebe für diese Nahrung zeigten; aber alles half gegen die ungeheuren Massen nichts. Erst wenn alles aufgezehrt war, zogen sie weiter und hinterließen einen gräßlichen Gestank. Hunger und Krankheiten waren in ihrem Gefolge. In Thüringen gingen sie endlich zu Grunde. In den sächsischen Dienst zurückgekehrt, stieg Graf Heinrich rasch zu den höchsten Würden empor. 1694 befehligte er die kursächsischen Truppen am Rhein als General feldzeugmeister und bewies hier solche Klugheit und Tapferkeit, daß man ihm mehrmals die Erhaltung des verbündeten Heeres verdankte. — Als Kurfürst Friedrich August von Sachsen 1695 den Oberbefehl über die kaiserliche Armee gegen die Türken übernahm, befehligte Heinrich Vi. als Generalfeldzeugmeister die sächsischen Truppen und machte 1696 die Schlacht bet Temeswar mit. Von Gicht und Fieber befallen, setzte er sich trotz seiner eigenen großen Mattigkeit und der Abmahnung des Kurfürsten zu Pferde und behauptete den ihm anvertrauten Posten siegreich gegen den Feind. — Als dann 1697 Prinz Eugen von Savoyen den Oberbefehl über das kaiserliche Heer übernahm, wurde Graf Heinrich Oberbefehlshaber der sächsischen und brandenburgischen Truppen. Im Kriegsrat des Prinzen nahm er eine hervorragende Stelle ein, und seine gewichtige Stimme bewirkte es hauptsächlich, daß Eugen sich durch den Widerspruch etlicher älteren Generale nicht beirren ließ, sondern beschloß, am 11. September die Übermacht der Türken, die unter Führung ihres Großsultans Mustapha sich bei Zcuta an der Theiß verschanzt und eine Brücke über diesen Fluß erbaut hatten, unverzagt

9. Bilder aus der Geschichte des Reußischen Landes und Fürstenhauses - S. 34

1900 - Greiz : Henning
gestärkt und erquickt, äußerte er: „Ach, wenn ich doch nach der jetzt vollbrachten Versöhnung mit Gott sterben sollte!" — sprach auch den bekannten Vers: „Wie bin ich doch so herzlich froh, dag mein Schatz ist das A und O u. s. w." Als er mit dem Stabssekretär Nehmiz allein war, sagte er: „Ach, wenn der liebe Gott wollte, daß ich vorletzt sterben sollte, ich stürbe gewiß selig!" und als dieser ihm ein langes Leben wünschte, erwiderte er: „Mein lieber Sekretär! Ihr und andere möget es zwar gut mit mir meinen, ich glaube auch wohl, daß allen den Meinigen mein Tod sehr zu Herzen gehn wird. Da ich aber doch einmal sterben soll und muß, so ist ja keine bessere Zeit dazu als diese, da ich vorerst Zeit und Naurn zur Buße habe und also ganz bereit zu meinem seligen Ende mich anschicken, und was den zeitlichen Ruhm betrifft, auf dem Bette der Ehre sterben kann. Laßt mich demnach gerne sterben und rufet mich nicht von Gott zurück, sondern betet für mich, daß er mein herzliches Verlangen erfüllen wolle." Mehr noch als ein äußerst gnädiges kaiserliches Handschreiben, in welchem seine Verdienste aufs höchste anerkannt wurden, und seine Ernennung zum königlich-polnischen und kurfürstlich-sächsischen Generalfeldmarschall erfreute ihn die Ankunft seiner geliebten Gemahlin, welche auf die Kunde von seiner Verwundung schleunigst von Hause abgereist war und am 7. Oktober bei ihm anlangte. Grade damals war eine scheinbare Besserung eingetreten, aber er ließ sich dadurch nicht täuschen. sondern sprach mit seiner Gemahlin viel von seinem Ende, von seinen Kindern, von der Lage seines Landes und seiner Diener und sah dem Tode ruhig entgegen. Am 18. Oktober verlor sich der Schlaf, heftiges Wundfieber und infolge dessen gesteigerte Schmerzen und stetes Erbrechen stellten sich ein. Der Graf sagte darum am 20. Oktober: „Kinder, nun werde ich sterben!" — und bat, ihm fleißig vorzulesen und für ihn zu beten. Der Generalstabssekretär las einige Sterbegebete, schloß aber mit einer Bitte um Genesung und Verlängerung des Lebens; da verwies ihm Graf Heinrich solches ernstlich und fragte, warum er nicht vielmehr bete, daß Gott ihn bald auflösen und sein herzliches Verlangen nach dem ewigen Leben erfüllen wolle. Als daraus seine Gemahlin Anlaß nahm, von der Freude des ewigen Lebens zu reden, richtete er sich lächelnd empor, indem er sich auf den linken Arm stützte, und brach in die Worte aus: „Ach, meine Amalie, die redet schön, die redet recht! Mein Schatz, du sollst mich ferner trösten und mir vorbeten !" — Den 21. Oktober verbrachte er von 11 Uhr mittags bis 4 Uhr nachmittags in steter Andacht, indem er auf alle Worte feiner Gemahlin genau acht hatte, daß ihm keines entginge. Da stellte sich ein starker Schlucken ein, der sein Herz heftig bewegte, und er seufzte: „Ach, wenn doch mein Gott nicht so lange außen bliebe, mich verlanget so sehr nach dem Himmel!" Da erinnerte ihn seine Gemahlin,

10. Bilder aus der Geschichte des Reußischen Landes und Fürstenhauses - S. 35

1900 - Greiz : Henning
— 38 — indem sie an den jüngst erfochtenen herrlichen Sieg anknüpfte, an das Wort 2. Timoth. 4, 7. 8.: „Ich habe einen guten Kampf gekämpfet, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten; hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit u. s. w." und bezeugte ihm, dajg der jetzige Kampf zwar härter, aber die Belohnung auch desto größer sein würde. Ohne die geringste Ungeduld zu zeigen, hielt er mit Beten und Seufzen an, bis er endlich ganz stille ward, und ihm die Augen zufielen. — Der Chirurg verband ihm auf sein Verlangen noch einmal seine Wunde; die Schmerzen ließen nach, aber die Mattigkeit nahm zu, und die Sprache wurde schwerer. Er sprach die Sterbegebete noch nach; der Feldprediger Cleemann segnete ihn auf seinen Wunsch ein. Nach einiger Zeit fragte ihn dieser, ob er auch seinen Jesum noch im Herzen habe; da öffnete er noch einmal die Augen, wie um solches zu bestätigen, schloß sie dann wieder und gab bei völligem Verstände mit gefalteten Händen den 21. Oktober 1697 nachts zwischen 11 und 12 Uhr unter den Gebeten und Thränen der Seinen seinen Geist in die Hände seines Erlösers. Er war 48 Jahre alt geworden. Sein Leichnam wurde einbalsamiert und unter Kanonendonner in feierlichem Zuge bis an die Brücke geleitet; dann brachte ihn der Stallmeister Kettner nach Greiz. Am 22. Dezember kam er hier an und wurde in einem metallenen Sarge in der Gruft der Kirche beigesetzt. Auch sein Schlachtpferd wurde, von seinen Wunden geheilt, nach Greiz gebracht und hier bis an sein Ende (im 30. Jahre) verpflegt. Sechzehn Jahre lang hatte nach Heinrichs I. Tode dessen zahlreiche Nachkommenschaft auf dem oberen Schlosse zu Greiz einen glücklichen Verein gebildet. Mit Heinrichs Vi. Tode schien das Verhängnis einzuziehen. Binnen Jahresfrist wurden 12 Glieder der älteren Linie hingerafft. Vielleicht hatte Heinrichs Gefolge den schleichenden Tod aus dem verpesteten Ungarn mitgebracht. Die Greizer Schlösser vereinsamten; die Witwe Heinrichs Vi. zog mit ihren Kindern nach Dresden; nur Heinrich Xiii. von Untergreiz und die Witwe Heinrichs V. von Rothenthal blieben übrig. 11. Kraf Heinrich Ii. Die beiden Söhne des Feldmarschalls Heinrich Vi. waren bei dem Tode ihres Vaters noch unmündige Kinder, Der ältere, Heinrich I., im vierten, der jüngere, Heinrich Ii., im zweiten Lebensjahre. Die verwitwete Mutter, die mit ihnen in Dresden lebte, erzog sie unter dem Beistand treuer Vormünder, des Grafen Heinrich Xiii. ä. L. Neuß_ von Untergreiz und des Grafen Heinrich~Xxiv. j. L. Reich zu Köstritz, mit großer Sorgfalt und gab ihnen treffliche Lehrer, die sie in allen nützlichen Wissenschaften unterrichteten und zur Gottesfurcht 3*
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