1. Aus der Vorgeschichte der Landschaft.
(Nachdruck verboten.)
Vor 100 Jahren! In einer Eiusenkuug des Landrückens,
der wellenförmig von Rußland her über die Grenze nach Schlesien
streicht, liegt das Dörfchen Siemianowitz. Kleine, strohgedeckte
Häuschen, denen das dicke Strohdach tief wie eine zu weite
Pudelmütze aufsitzt. Am östlichen Ende erhebt sich ein hölzernes
Kirchlein, im Nordwesten lagert der ausgedehnte gräfliche Park,
in dessen Baumwipfeln das unscheinbare Schloß versteckt liegt.
Im Südeu und Westen steigt das Land hügelförmig auf, über
und über mit hochstämmigen, knorrigen Kiefern bedeckt, die in
dem lehmig-sandigen Boden ein vorzügliches Fortkommen finden.
Ländliche Stille lagert auf Wald und Flur. Hund und Hahn
sind die einzigen Verkünder dörfischen Lebens. Im Walde
hämmert der Specht, und in den Banmwipfeln lärmen Scharen
von Krähen. Wer zum Hügelrücken hinansteigt, wandelt über
trockene Moospolster oder über Felder von Heidekraut. Da und
dort quillt es feucht aus der Erde, und dann haben sich hohe
Farne und üppige Grasstauden an der wasserreichen Stelle an-
gesiedelt. Es ist der oberschlesische Kieferwald mit seinem stillen,
verträumten Charakter.
Wenn man auf dem Hügelrücken freien Ausblick gewinnt,
dann sieht man den Wald nach allen Seiten sich wellenförmig
fortsetzen. Rein und klar liegt die Luft über den Baumwipfeln.
Nur das scharfe Auge bemerkt in der östlichen und südwestlichen
Gegend Rauchsäulen aussteigen. Man erzählt, daß hinter
Chorzow auf Zabrze zu schwarze Steine aus der Erde gegrabeu
werden, die wie Holz brennen und eine große Hitze erzengen.
Bergleute bohren sich dort in die Erde ein und brechen die
schwarzen Steine aus, die früher Pflanzen gewesen sein sollen.
Nach Osten zu ist der Rauch weißlich. Dort schmilzt man aus
den gelben Steinen, die in der Beutheuer Gegend gesunden
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werden, ein Metall, das wie Silber aussieht und wie Eisen zu
gebrauchen ist. Von den Betrieben in den Gruben und Hütten
erzählt man seltsame Dinge. Da soll schon vor mehreren Iahren
in Tarnowitz ein „eisernes Pferd" angekommen sein, das stärker
als hundert lebendige Pferde sei und die schwersten Arbeiten
verrichte. Diese eisernen Pserde sollen jetzt auch in andern
Gruben und Hütten angekommen sein, mächtige Räder drehen,
Wasser pumpen, dabei lärmen und pusten und soviel Holz ver-
schlingen wie alle Öfen eines Dörfchens zusammen.
Über dem Siemianowitzer Revier lagert noch der Friede.
Der Bauer pflügt sein Feld und ahnt nicht, über welchen Schätzen
er dahingeht. An der Grenze schlüpft der Schmuggler durch
die dichten Schlupfwinkel des Brinnitzatales. Am Waldrand
sonnt sich die Otter, an den Stämmen klettern Eichhörnchen,
und Hirsch und Reh sind noch Bewohner der Gegend. Drei
Jahrzehnte vergehen, ehe sich in dem stillen Bilde etwas ändert.
Dann aber tritt der Wechsel rasch und unvermittelt eiu.
Da drinnen im Schlosse, das so weltabgeschieden liegt,
residiert der Graf Henckel von Donnersmarck, ein Mann voller
Leben und Tatkraft, dessen scharfes Auge längst hinter dem
ländlichen Schleier die ungeheuren Reichtümer der Gegend ent-
deckt hat. Den Schreibtisch bedecken Karten, Pläne und Ent-
würfe, und die Männer, die da mit dem Grafeu beraten, sind
die Berliner Gebrüder Oppenseld. Nach längereu Verhandlungen
erhalten sie die Erlaubnis, auf dem Gebiete des Grafen eine
Eisenhütte anzulegen. Der Winter von 1836 bringt schon
manche Unruhe ins Dorf, aber der Kieferwald ahnt noch nicht,
daß es auf seinen Untergang abgesehen ist, und der Frühling,
der sonst der Verkünder ueueu Lebens war, bringt dem Walde
die Todesbotschaft. 1837 wird das bedeutungsvolle Werk in
Angriff genommen. Scharen von fremden Arbeitern haben sich
bereits eingefunden, und eines Morgens beginnen Axt und Säge
die Vernichtung. Die Bäume stürzen krachend zusammen, das
Waldgetier flieht entsetzt den Ort, und bald liegt ein weiter
Teil des Waldgrundes entblößt da. Erdarbeiter schachten den
Boden aus, und an Stelle der Bäume wachsen dicke Maueru
und hohe Schornsteine aus dem Boden heraus. Wagen kommen und
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65 534 t Roheisen, 46 480 t Walzeisen,
1411 „ Gußwaren, 9 280 „ Rohre.
Der ausgedehnten Hüttenanlage ist eine Kohlengrube vor-
gelagert, die nach einem früheren Generaldirektor der Gewerk-
schast Fizinnsschacht genannt wird. Einförmig, aber imponierend
steht die ausgedehnte Separation mit dem gezackten Lichtdache
da. Die äußere Hülle verrät nichts von dem inneren Leben.
Da klappern die Kohlenwagen, die Sortieranlagen rasseln, und
leere und gefüllte Eisenbahnwagen wechseln ohne Aufhören in
der ausgedehnten Halle. Über dem Hauptschacht erhebt sich der
eiserne Förderturm, der die beiden mit Rillen versehenen Räder
trägt. In den Rillen laufen die Förderseile von der Trommel
der Fördermaschine in den Schacht hinein, in dem die „Schalen"
auf- und absteigen und den Segen des Bergbaus zutage
fördern. Der Fiziuusfchacht gehört zu der Lanrahüttegrnbe,
die insgesamt 4466 Arbeiter beschäftigt und täglich 5300 t
Kohle fördert.
Hütte und Grnbe sind von Halden eingeschlossen. Diese
grauen, langgestreckten Hügel bauen sich aus Schlacke und
Asche auf. Sie siud der eindringlichste Beweis dafür, welches
Heizmaterial im Laufe der Zeit die Feueranlagen der Werke ver-
zehren und welche gewaltige Dampfkraft zum Betriebe der An-
lagen jahraus, jahrein notwendig ist. Die Halden liegen Vör-
den Werken anf breiter Grundfläche mit abgeschrägten Seiten
und wachsen stetig in das Feld hinein. Ihr Charakter ist das
Starre, das Tote. Nur am Abend scheinen sie zum Leben zu
erwachen. Die kohlehaltigen Teile entzünden sich im Hauche
des Windes selbst, und die glühenden Stellen gleichen im
Dunkel oft erleuchteten Fenstern, hinter denen eine fremde Welt
liegt. Die Halden haben wie die Dünen ihre Tücken. Mancher
arbeitsscheue Landstreicher, der in der kalten Jahreszeit ein
warmes Bett zu finden hoffte, ist hier erstickt, mancher Knabe,
der unvorsichtig in einen glimmenden Teil geriet, hat sich schreck-
liche Brandwunden zugezogeu.
Auf der linken Seite ist eine mächtige Schlackenhalde vor-
*) Jahresbericht der Bereinigten Königs- und Laurahütte vvm
Jahre 1906.
Georg-Ei
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Schribi,-
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2. Das Wild.
(Die Laurahütte mit ihrer Umgebung.)!
Das Bild gibt einen Ausschnitt der oberschlesischeu Industrie-
landschast wieder mit ihren charakteristischen Merkmalen in der
Gegenwart. Wir sehen kein liebliches Tal, keine waldbedeckten
Berggipfel, nicht die satten Farben, in die die Natur des Südens
getaucht ist. Der Charakter des Bildes ist ein ernster, ent-
sprechend dem Charakter der industriellen Arbeit, die fein be-
schauliches Sinnen, sondern nur ein Ringen und Kämpfen kennt.
Der graue Wolkenhimmel, der im Sommer 1907 eine ständige
Erscheinung war, liegt über der Gegend wie ein düsterer Vorhang.
Die Rauchmassen, die den zahlreichen Schloten entsteigen, schaffen
in der Ferne eine besondere Wolke, die dicht über der Erde
lagert und jede Aussicht in das benachbarte Russische Reich ver-
hüllt. Wenn man die gewaltigen Anlagen ins Ange saßt und
sich die Riesenarbeit vorstellt, die seit sieben Jahrzehnten über
und unter Tage hier geleistet worden ist, dann drängt sich nn-
willkürlich der Gedanke ans: Nichts ist gewaltiger als der
Mensch!
Den breitesten Raum des Bildes nimmt das Hüttenwerk
ein. Wie in einem Hafen die Schiffsmasten emporsteigen, so in
einer Hütte die vielen großen und kleineu Essen. Sie gehören
den einzelnen Betrieben an, ans denen jedes Hüttenwerk besteht.
In der Mitte liegt die Hochofenanlage mit den winkelig ge-
bogenen Rohren, welche die Hochofengase ableiten. Um diese
Anlage gruppieren sich die Pnddelei, das Walzwerk, die Fein-
strecke, das Blechwalzwerk, die Martinöfen, das Rohrwalzwerk,
die Schlackenziegelei. Die Verkünder der Arbeit in diesen Be-
trieben sind die massigen Dampf- und Rauchwolken,, die der
Westwind dahiufegt. Innerhalb des Werkes, das eine Fläche
von 10,83 da bedeckt, schafft ein Heer von 2190 Arbeitern.
Im Dienste des Menschen stehen 101 Dampfkessel; die dazn
gehörigen Feueranlagen verschlingen jährlich 216 000 Tonnen
Kohle und 80 000 Tonnen Koks, d. i. ungefähr der dritte Teil
des Heizmaterials, das die Stadt Breslau in einem Jahre
verbraucht. Das Resultat der Arbeit betrug i. I. 1906
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für Tag in die Grube steigen und mit Hammer und Schlägel
arbeiten. Welches Schicksal ist ihm wohl beschieden? In allen
Winkeln der Betriebe über und unter Tage lauert die Gefahr,
die sich der industriellen Arbeit trotz aller Abwehr an die Fersen heftet.
Die zahlreichsten und grausigsten Gefahren drohen dem
Menschen unter Tage. Auf dem Bilde sehen wir vor der Halde
ein pyramidenartiges Gerüst. Dieses schützt ein eisernes Rohr,
dem ein weißlicher Rauch entsteigt. Wenn dem Wanderer diese
Wölkchen, die aus der Tiefe emporsteigen, vom Winde entgegen-
getragen werden, dann merkt er schon an dem Gerüche den ver-
derblichen Gesellen. Da unten kämpft noch immer der Berg-
mann mit seinem gefährlichsten Gegner, und beinahe Jahr für
Jahr hält da das Unglück seinen Einzng. Nicht weit von
diesem Gerüst liegt ein alter Holzhängeschacht verschüttet, in dem
einst zwei Bergleute auf eine grause Weise in den brennenden
Kohlengasen ums Leben gekommen sind.
Der Hintergrund des Bildes zeigt eiueu Hügelzug, der die
großen, langgestreckten Arbeiterhäuser trägt. Welche Zahl von
Menschen diese Häuser beherbergen, das kann man bei einem
Kirchgang oder Schulgang bemerken, das kann man beim Schicht-
Wechsel sehen, wo sich Arbeiter und Arbeiterinnen auf Wegen
und Stegen drängen und eiligen Schrittes ihrem Heim zu-
streben.
3. Aür den Unterricht.
Der oberschlesische Jndnstriebezirk gehört zu jenen Gegenden
des Deutschen Reiches, die wegen ihrer politischen und Wirtschaft-
licheu Bedeutung im Vordergrund des öffentlichen Interesses
stehen. Die unterrichtliche Betrachtung dieses Bezirkes in der
Volksschule steht zu dieser Bedeutung noch lange nicht in dem
richtigen Verhältnis. Das eingeführte Lesebuch bringt darüber
eine Seite trockenen Stoff, die Realienbücher finden sich mit
einigen Notizen ab, die geologischen Verhältnisse werden im natnr-
geschichtlichen Unterricht in einigen Stunden abgetan. Der Heimat-
kundliche Unterricht hat hier noch ein weites Feld zum Bebauen
vor sich. Er hat dem Kinde — mit Rücksicht auf seinen geistigen
Standpunkt — die Augen zu öffnen für das reiche und viel-
gestaltige Leben, das den Bezirk durchflutet, er soll es mit
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möglichst leicht gemacht werden. Beides ist mit dem modernen
Bahnhofbau erreicht.
Tritt man nun heraus auf den großen Bahnhofplatz, so
lernen wir einen moderneu, iu riesigen Maßen gehaltenen Platz
kennen, der auf das Auge einen durchaus wohltuenden Eindruck
macht. Mau übersieht den ganzen Platz vom Bahnhof aus und
kann nun einer der Straßen, in die er ausmündet, zustreben, um
in das Innere der Stadt zu gelangen.
Nach drei Richtungen verkehren elektrische Straßenbahn-
wagen, und alle sind sie gefüllt. Wenden wir uns der Garten-
straße oder der Taschenstraße zu: mitten hinein ins Großstadt-
leben trägt uns der elektrische Funke, der deu Wagen beflügelt.
Oder wir können mit einem Taxameter erster oder zweiter Klasse
fahren. Die Welt der Großstadt wirkt beim erstenmal wie ein
Theater auf uns. Gewaltige Kulissen bilden die fünf- und
sechsstöckigen Bürgerhäuser mit deu glitzerudeu Spiegelscheiben
und den schreienden Reklameschristen. Die Darsteller sind des
modernen Stadtlebens wechselnde Gestalten, Gruppen von hastigen
Passanten aller Bernse und gesellschaftlicher Stellung, die Massen
der Angestellten aus den Hunderten von Geschäften Breslaus,
die Straßenverkäufer, die Leute, deren Beruf es ist, die Straßeu
zu bewachen und zu reinigen, die Fremden und Gäste, denen
Breslau etwas Neues ist. Uud die Musik zu dem Spiel und
Kampf ums Dasein machen Glocke und Klingel der „Elektrischen"
und Omnibusse, die Hupeu der Automobile, die Klingelzeichen
der Radfahrer, das Peitschengeknalle der Wagenlenker und das
Rollen und Dröhnen der tausend Fahrzeuge aller Art, die einander
treiben und solgen.
Wir aber sind Zuschauer, und wir werden inne, daß in
diesem nervenverbrauchenden Verkehr das eigentliche Wesen der
Großstadt liegt und daß hier das Menschenleben seine hoch-
gespannte Tätigkeit entfaltet im Dienste des Geschäfts, des
Unternehmens, des Gelderwerbs, des Zusammenschlusses der
vielen Einzelnen zu einem Ganzen mit bewundernswürdiger
Arbeitsteilung.
Die Bevölkerung einer so großen Stadt lebt vor-
wiegend von Industrie, Handel und Gewerbe, im Staats- oder
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H. Ortskunde. 21
eine Abfindungssumme den Zoll zu erlassen. In seinem Übermute forderte der
Graf so viel Goldstucke, als man ans dem Wege vom Heidetore bis zum Markte
dicht neben einander legen könnte. Er hoffte, niemand würde die Summe bezahlen.
Aber die wohltätige Jungfer willigte ein. Sie opferte alle ihre Schätze und brachte
die Summe wirklich zusammen. - Aus Dankbarkeit setzte man der Jungfran ein
Standbild. Es ist eine vergoldete weibliche Figur, die auf einer 7 m hohen Säule
steht. Der Volksmnnd nennt sie knrz die Bntterjnngser.
2. Die floiiuc zu Loburg.
Eine arme Witwe war in der nahen Wassermühle gewesen, um Mehl zu
kaufen zum Hochzeitsfeste ihrer Höchte?. Aber der Müller hatte nichts vorrätig.
Betrübt trat deshalb die Witwe den Heimweg an. Sie ging gleich über die Bruch-
wiese und durch die Übersteige des Zaunes. Allein hier saß eine Fran im Kloster-
kleide und versperrte ihr den Weg. Da sich die Fremde nicht erhob, drängte sich
die Witwe an ihr vorüber. Zu Hause erzählte sie ihrer Tochter den Vorgang,
„Ei", sagte diese, „das ist die Nonne vom Schlosse! Die hättest Dn anreden sollen,
vielleicht hätte sie Dir eine Gabe zu meiner Hochzeit geschenkt!" Da sprach die
Mutter: „Die Fremde halte keine Eile, ich werde sie wohl noch am Zanne treffen."
Sie kehrte also um und sah auch die Nonne noch am Wege sitzen. Als sie aber
heran kam, war die Nonne verschwunden. Zwar lies die Witwe ihr,nach, konnte
sie aber nicht mehr finden. Sie kehrte traurig um. Doch an der Übersteige sab
sie an einem Pfahle einen Bentel hängen, dnrch deffen Maschen Gold glänzte. Die
Witwe steckte den Fund schnell ein und eilte voll Freude heim. Hier besah sie den
Inhalt des Beutels. Es waren 50 Goldstücke und zwei Kreuze mit Edelsteinen
besetzr. „O, Mutter, mm sind wir reich, nun können wir Hochzeit feiern," sagte
die Tochter. „Ei wie wird sich Knnz freuen!" — Kunz, der Witwe zukünftiger
Schwiegersohn, hörte mit Kopfschütteln die beiden Frauen von dem glücklichen
Fnnde erzählen. „Mutter," sagte er, beschwert Euer Herz nicht, tragt den Beutel
wieder an den Pfahl. Die Frau wird ihn aus Unachtsamkeit vergessen haben und
ihn nun suchen. Holt sie ihn nicht, so tragt ihn auf das Rathaus. Kommt Mutter,
ich gehe mit Euch zur Schloßwiese." Nur ungern folgte die Witwe. Als sie nahe
an den Zaun kamen, sahen sie auch die Frauengestalt gebückt am Boden umher-
blicken. Da nahm Kunz den Beutel und reichte ihn der Nonne. Diese nahm ihn
auch und gab Kunz dafür eine Rose. Kunz war zwar sehr verwundert über den
Tausch, aber doch anch recht froh, daß er den Beutel los war. Weil ihm die Rose
sehr gesiel, setzte er sie zu Hause in ein Wasserglas. Als er am Abend an der
Rose roch, fiel ein Blatt von der Blüte ab. Ünbeachtet blieb es bis zum Morgen
liegen. Als es aber die Brant wegnehmen wollte, war es ein Goldstück. Die
Rose selbst war ganz unverändert. Der nächste Morgen brachte wieder ein Gold-
stuck, und so löste sich Blatt aus Blatt.und verwandelte sich in ein Goldstück.
Dadurch ward der arme Knnz, der ein Maurer ivar, ein reicher Mann und konnte
sich bald darauf ein neues Haus bauen. Als Kunz fchon ein Greis war, erschien
ihm die Nonne noch einmal. Sie schenkte ihm wieder eine Rose, aber mit der
Weisung, diese in den Betraum einzumauern. Seit dieser Zeit hat niemand die
Nonne wieder gesehen.
H. Ortskunde.
ii. An der Chllc. Mühlberg. Schiffahrt, Holz- und Getreidehandel, Fisch-
fang, Korbflechterei. (Schlacht, Kaifer Karl V. siegt über Jobann Friedrich den
Großmütigen 1547.)
Wittenberg, d. h. weißer Berg? Umgebung fruchtbar: Gemüsebau. Fabriken:
A-iich. Brauereien: Bier. Brennereien: Branntwein. Fischerei.
Die Reformation hat Wittenberg zu einer berühmten Stadt gemacht. Durch
Dr. Martin Luther nahm sie hier ihren Anfang am 31. 10. 1517. Die 95 Glaubens-
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Extrahierte Personennamen: Mühlberg Karl_V. Karl_V. Friedrich Friedrich Martin_Luther
Gr. Sagen. 31
und seinen Nachfolgern wurde die Macht der Wenden gebrochen. Die zurück-
bleibenden Wenden wurden Christen und vermischten sich mit den Deutsche!:. Unter
Albrecht dem Bären, aber auch später, wanderten Holländer, Flamländer und
Franken (Pfälzer) ein. Diese trugen viel zur Urbarmachung öder Gegenden (Wische)
bei, hoben den Ackerbau und die Fabriktätigkeit. Im Jahre 1415 kam Friedrich I-,
der erste Kurfürst aus dem Hause Hohenzollern, in den Besitz der Altmark, und
den Hohenzolleru gehört sie heute noch. Die Altmark ist das Stammland oder die
Wiege Preußens." Salzwedel, Stendal, Gardelegen, Tangermünde waren die
Hauptstädte.
Während des schrecklichen 30 jährigen Krieges (1618—48) hatte die Altmark
von den Kaiserlichen und den Schweden arg zu leiden, so daß nach dem Kriege die
meisten Orte verödet dalagen. Unter der segensreichen Regierung der Hohenzollern-
sürsten, besonders Friedrichs des Großen, erholte sich die Altmark wieder. Aber
am Anfange unseres Jahrhunderts kam ein neues Unglück über die Mark. Der
Franzosenkaiser Napoleon I. hatte unser Vaterland erobert und bildete aus den
Ländern links vou der Elbe, wozu also auch J>ie Altmark gehörte, ein neues fran-
zösisches Reich, das Königreich Westfalen. So waren die Altmärker französische
Untertanen geworden. Allein schon im Jahre J 814 gelang es, die Franzosen zu
vertreiben. Die Altmark war wieder srei und gehört seitdem in alter Liebe und
Treue zum Hohenzollernhause.
G. Sagen.
1. Der Kobold }\\ Mterfelde.
Vor kaum einem Menschenalter lebte in Lichterfelde (Wische) der steinalte
Schäfer Hindenburg. Der wußte gar lustige und grausige Geschichten zu erzählen
von Hexen, Kobolden und Zwergen, die hier und dort ihr Wesen trieben- „Einst",
so Hub er au, „fand ein Wischebauer einen Kober, wie ihn die Knechte und Bauern
zur Aufbewahrung ihres Mundvorrates haben, fein säuberlich zugeschnürt und
versiegelt auf der Straße. Flugs hob das Bäuerlein den Kober auf und nahm
ihn mit nach Hanfe. Hier öffnete er das Behältnis sogleich, obwohl es schon stark
dämmerte; denn er hoffte einen guten Fund gemacht zu haben. Doch vergeblich
war alles Suchen, das Behältnis schien leer und doch hörte er darin ein merk-
würdiges Rasseln. Als er noch ganz enttäuscht dastand, sah er zu seinem Schrecken
ein Geisterwesen aus dein Kober schlüpfen. „Es ist ein Kobold," dacbte er, „aber
was für einer?" Nun, das sollte er bald erfahren. Als der Bauer ein Licht an-
zündete, warf es der Kobold sogleich um, kehrte'tische, Stühle und Bänke um und
machte ein Höllenlärm. So trieb er es Abend für Abend. Einmal warf er
sogar die Fischgabel so heftig gegen die Thür, daß die Knechte des Bailern sie mit
knapper Not herausziehen konnten. Der Bauer versuchte alle Mittel, den Kobold
wieder einzusaugen und los werden, es wollte nichts helfen. Selbst die List,
den Geist durch feine Näschereien in den Kober zu locken, mißlang. Auch durch
Zaubermittel war er uicht zu vertreiben. Unterdeß hatte sich das Gerücht von dem
bösen Kobolde über die ganze Wische verbreitet. Da kam eines Tages zu unserem
geplagten Bäuerlein ein anderer Bauer zu Besuch. Schon an' der Hofpforte
rief er dem Bauer zit: „Gevatter, was macht dein Teufel?" Der Kobold hatte
diese Worte gehört, denn er saß gerade vor der Tür, und wie besessen sprang er
auf den ohnehin wilden Hengst des Besuchers und ueckte und zwickte ihn, daß er
sich bäumte und wild davonlief. Das Bäuerleiu mußte bald die Erde küssen. Als
das Pferd dahin raste, lief es unter einem fchiefstehenden Weidenbaume durch, daß
es sich fast den Rücken abschund. Dabei streifte es den Kobold ab, der nun hier
sein Wefeu bis zum heutigen Tage treibt und am Abend den Vorübergehenden arg
mitspielt-"
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Friedrich_I- Friedrich Friedrichs Napoleon_I.
H. Ortskunde. 81
Toben des Bauern half nichts, und fremde Hilfe mar nicht zu erlangen. Da warf
sich der Bauer anf das Knie und betete ein Vaterunser. Plötzlich bemerkte er ein
Licht vom Kiffhäufer her auf sich zukommen. „Ei," dachte er, „da kommt Hilfe
vom Kaiser Friedrich." Bald war das Licht bei ihm, aber ein häßlicher Zwerg
trug es. Der sagte: „Kann ich dir helfen?" „Ja," erwiderte der Bauer, „wenn
du nur nicht so schwach wärest!" „Nun, dann will ich es wenigstens versuchen,"
entgegnete das Männlein, und im Nu saß es aus dem Wagen und schwang die
Peitsche. Ein Ruck, und fort rollte der schwere Wagen. Als sie nach Kelbra
kamen, sprach der Zwerg: „Warum willst du Nach Nordhauseu fahren, möchtest du
das Getreide nicht auf dem Kifshäuser verkaufen?" „Gern," sagte der Bauer,
und ehe er es dachte, hielten sie am Eingange zum Berge. Hier hieß der Zwerg
den Bauern die Säcke abladen und in den Berg tragen. Als er den letzten Sack
an seinen Ort gesetzt hatte, sprach das Männlein: „Nun kannst dn dir aus deu
Kästen soviel Gold und Silber nehmen, als du für dein Getreide auf dem Markte
bekommen haben würdest. Nimm aber nicht mehr, hörst du! Ich werde solange
bei deinen Pferden bleiben und ihnen Hafer geben." Das Bäuerlein ließ sich das
nicht zweimal sagen. Hier wählte es Oold und dort Silber. Alle Taschen wurden
gefüllt; denn es dachte, „was weiß der Zwerg, was das Getreide in Nordhansen
kostet." Endlich kehrte es zu seinen Pferden zurück- Hier traf der Bauer deu
Zwerg und wollte sich eilig vou ihm verabschieden. Doch der Zwerg sprach: „Hast
du auch nicht mehr Gold und Silber genommen, als der Kaufpreis beträgt?"
„Behüte Gott, keinen Pfennig mehr," entgegnete der Bauer. „Aber nun gnte
Nacht, ich will meine armen Pferde in den ^tall bringen," und fort fuhr er. Der
Bauer konnte kaum erwarten, bis er auf der Herberge war. Aber groß war sein
Erstauueu, als der in der Kammer seinen Erlös zählte, und statt des Goldes nur
bleiernes Geld fand. „Da muß ich mich geirrt haben," dachte der Bauer, „morgen
früh will ich gleich wieder zu dem guten Männlein gehen. Es wird mir das
Geld schon umtauschen, dann habe ich immer noch doppelt soviel, als das Getreide
wert ist." Mit dieser Hoffnung schlief das Bänerlein. Doch kaum graute der
Tag, so war es schon wider am Kisshänserberge. Allein hier war ein so dichter
Nebel, daß es den Eingang nicht wiederfand. Auch fem Rufen half nichts. Da
lehrte der Bauer voll Ingrimm um und sprach einen schlimmen Fluch aus- Doch
kaum war dies geschehen, so that sich die Erde auf und begrnb ihn.
H. Ortslnmde
a) Siimid) vom ?1jürlnger!vl!lde. Schleusungen. Fabriken: Holzspielwaren,
Glas-, Porzellansachen, Pappe, Holzstiste, Weberei. '
Suhl. Fabriken: Eisenwaren, Gewehre, Holzwaren, Porzellan.
Schmalkalden, d. h. an der Schmalkalde gelegen. In der Nähe wird Schwer-
spat gebrochen. Mittelpunkt einer bedeutenden Schlosserindustrie. (Hella-Mehlis,
Steinbach-Hallenberg.)
J)) An der Werra. Treffurt. Obstbau, Eigarrensabriken.
c) An der Dorsel. Eisenach. Fabriken: Leder, Farben, Kammgarn. In
der Nähe tft_ die Wartbnrg. Best erhaltene Burg. Berühmte Wassensammlnng.
Hier lebten ernst die heilige Elisabeth und später Dr. Martin Luther.
(1) All der Gera. Erfurt, d. h. Furt, an der Erpo wohnte. Weil der
Acker außerordentlich^ fruchtbar ist und geschützt liegt, durum Acker- und Gemüse-
bau, Blumen- und Samenzucht. Fabriken: Woll-, Bamnwoll-, Strumpfwaren,
Maschinen, Tapeten, Lampen. Bedeutende Spinnereien. Erfurt ist die Hauptstadt
des gleichnamigen Regierungsbezirks. Baudenkmäler: Dom (große Glocke), das
Walsenhaus „Martinsstist" mit Luthers Zelle, das Kaufhaus Rathaus, Luther-
deukmal, Lehrerseminar. Geschichtliches: Erfurt war schon im 8. Jahrhundert
Henze, Provinz Sachsen. a
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich H._Ortslnmde Martin_Luther Baudenkmäler
36 Das Land zwischen Ohre, Elbe, Saale und Harz.
Golde und daneben eine Peitsche. Diese nahm der Bauer zuerst, dann wollte er
die Taschen voll Gold füllen. Allein ein großer Hund mit glühenden Augen
bewachte deu Kessel. Als aber der Bauer sah, daß das Tier ruhig blieb, griff er
dreist zu. Doch jetzt erwachte in ihm der Geiz. Zum erstenmale, zum zweitenmale
stillte er die Taschen und leerte sie draußen -ans seinem Gefährt; als er aber zum
drittenmale kam, erhob der Hund ein füchterliches Geheul und fletschte die Zähne.
Der Geizhals ließ vor Schreck die Hand voll Gold fallen und stürzte aus der
Höhle. Hier sank er ohnmächtig zu Boden. Unterdessen tat sich die Erde aus,
Feuer sprühte hervor, und aus der Tiefe wuchsen zwei mächtige Felsen, „die
Gegensteine". Als das Bänerlein erwachte, sah es, wie der große Hund in
Tenfelsgeftalt iu den einen Felsen kroch. Hier soll er noch beute sitzen und die
Vorübergehenden äffen und verspotten, indem er ihnen ihre Worte als Echo nach-
ruft- Als das Bäuerlein nach seinem Golde ans dem Wagen sah, fand es nur
Kieselsteine, und betriibt snhr es weiter.
2. Der Regenstei n.
Der Regenstein ist ein schroffer Sandsteinfelsen. Auf ihm hausten
einst in einer Felsenburg die Raubgrasen von Regenstein. — Wahrschein-
lich haben hier unsere heidnischen Vorsahren eine Opferstätte gehabt.
3. Spiegelsberge und Hoppelberg.
Nahe bei der Stadt Halberstadt erheben sich die Spiegelsberge.
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts lagen sie noch als kahle Felsen
da. Jetzt sind sie mit herrlichen Wald- und Garteuanlagen geschmückt.
Den Grund dazu legte der Domherr Werner von Spiegel, nach dem die
Höhen auch benannt wurden. Die Spiegelsberge sind ein viel besuchter
Aufenthaltsort der Halberstädter, aber auch von Fremden werden sie gern
bestiegen. Unter den Gebäuden sind sehenswert: das Jagdschloß, in dessen
Felsenkeller ein riesiges Weinfaß (1610001.) liegt, das Mausoleum und
der sechseckige Aussichtsturm. Aus seinen Fugen und Nischen gucken Tier-
siguren, z. B. Füchse, Schlangen, Hasen, Hunde, Eulen hervor.
An die Spiegelsberge reihen sich im 80. die Klusberge mit dem
sreistehenden Sandsteinfelsen „Teufelsstnh l" und weiter im 8. die
Thekenberge mit dem „Gläsernen Mönch". Fast genau im 8. vou
Halberstadt liegt der Hoppel- oder Sargberg; denn von der Westseite
gesehen, gleicht er einem großen Sarge Der Hoppelberg hat eine
bedeutende Höhe (300 in) und gewährt einen wundervollen Überblick über
die gesegnete Landschaft und den Harz.
4. Der Hui- und der Hakelwald.
Der Huiwald, d. h. Hochwald, ist ein schön bewaldeter (Buchen)
Höhenzug. Er reicht im 0. fast bis an die Bode. Auf der höchsten
Stelle liegt das alte Kloster Hupseburg. Am nördlichen Rande des Kloster-
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