Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 35

1911 - Magdeburg : Creutz
Sagen, 35 einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland foll stehen bleiben, wir wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver- meintlichen Künstler arg genasführt waren. Kein Wunder also, daß sich ihr Unmut gegen ihn wandte. Als sie den Schalk griffen, steckten sie ihn zur Strafe in den Wendenturm, Im Nu aber entwich er mit einem Hohngelächter: und jeder wußte nun, daß der vermeintliche Künstler der leibhaftige Teufel gewesen war. Der Rolaud war in der früheren Zeit für die Stadt Stendal das Zeichen der eigenen Gerichtsbarkeit. Die im Jahre 1525 am Rat- hause errichtete Stein- figur gehört zu den größten, die wir besitzen. Der gewaltige Körper ruht auf starken Beinen, dessen Waden stärker sind als der Brustumfang eines kräftigen Mannes, Durch den schweren Pan- zer wird der Körper ge- schützt. Die erhobene rechte Hand hält das 4 m lange Schwert, das Werkzeug des strafenden Rechts; die linke Hand umfaßt den Schild mit dem brandenburgischen Adler, das Sinnbild des Schutzes. So er- innert der Roland an die frühere Größe und Selbst- ständigkeit der Stadt Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal. 2. Der wunderbare Ring im Schlosse zu Calbe a. M. In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken, Als die Edelfrau ein- willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund. Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er- 3*

2. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 49

1911 - Magdeburg : Creutz
Sagen. 49 einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland soll stehen bleiben, wir wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver- meintlichen Künstler arg genasführt waren. Kein Wunder also, daß sich ihr Unmut gegen ihn wandte. Als sie den Schalk griffen, steckten sie ihn zur Strafe in den Wendenturm. Im Nu aber entwich er mit einem Hohngelächter; und jeder wußte nun, daß der vermeintliche Künstler der leibhaftige Teufel gewesen war. Der Roland war in der früheren Zeit für die Stadt Stendal das Zeichen der eigenen Gerichtsbarkeit. Die im Jahre 1525 am Rat- hause errichtete Stein- sigur gehört zu den größten, die wir besitzen. Der gewaltige Körper ruht auf starken Beinen, dessen Waden stärker sind als der Brustumfang eines kräftigen Mannes. Durch den schweren Pan- zer wird der Körper ge- schützt. Die erhobene, rechte Hand hält das 4 m lange Schwert, das Werkzeug des strafenden Rechts; die linke Hand umfaßt den Schild mit dem brandenburgischen Adler, das Sinnbild des Schutzes. So erinnert der Roland an die frühere Größe und Selbstständig- keit der Stadt Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal. 2. Der wunderbare Mug im Schlosse zu Calbe a. M. In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken. Als die Edelfrau ein- willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund. Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er- Henze-Kohlhase, Die Provinz Sachsen. Ausgabe A. 4

3. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 129

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 129 — Genossen und schlich oft träumend am Hause des Bruders vorüber, um die Holde erspähen zu können. Sein Groll gegen Hans wuchs jedoch täglich, er beneidete ihn, daß er die Geliebte sprechen konnte, und Rachepläne gegen den Bruder füllten sein Inneres. Endlich wollte er Gewißheit haben, und eines Tages in Abwesenheit seines Bruders harrte er auf sie, bis sie in den Garten trat; hier beschwur er Margaretha aufs neue und beteuerte ihr seine aufrichtige Liebe, aber vergebens; ängstlich stieß sie ihn von sich, floh in das Haus und vor dem Kruzifixe des Herrn betete sie um Erlösung von der Zudringlichkeit des wilden Jürgens. Als am Abend Hans heimkehrte, fand er die Geliebte in Thränen. Sie erzählte ihm alles und bat um seinen Schutz. Nun beichtete Hans, wie er sie seit ihrem Eintritt in das elterliche Haus geliebt habe, aber nicht gewagt, ihr seine Liebe zu gestehen, jetzt wolle er sie zu seiner Gattin nehmen und vor allem behüten. Ein Blick reiner Freude strahlte bei diesen Worten aus ihren Augen und fest umschlungen hielten sich die so Gefundenen. Doch inmitten dieses Glücks klirrte das Fenster, Wut in dem Antlitz schrie Jürge: „Ha, Schändliche, um des Milchbarts willen hast du mich ab- gewiesen?! Verderben über euch, und sollte es meine Seligkeit kosten!" — Hans verrichtete seine Arbeit jetzt mit einem Fleiß und einer Fröhlichkeit, die Gretchen lange nicht an ihm bemerkt hatte. Jürge suchte wieder die wilde Gesellschaft seiner Zechgenossen auf und ergab sich ganz der wilden Gier. Beide Brüder vermieden sich sorgfältig, denn anch Hans fürchtete den Jähzorn seines Bruders. So rückte der Hochzeitsmorgeu für Hans und Grete heran, Stattlich geschmückt standen die Leiterwagen vor der Thür, um das Brautpaar zur Kirche zu geleiten, die Burschen und Mädchen des Dorfes folgten als Brautjungfern und Brautknechte unter fröhlichem Lachen, und jeder freute sich über das hübsche Paar, dem das ganze Dorf viel Liebe schenkte. Kurz vor dem Eingang des Klosters er- schallte eine Stimme aus dem Gebüsch: „Die Rache ist reif, zwei Fliegen auf einen Schlag!" Die Burschen wollten den Frechen packen; doch sahen sie niemand, nur das Brautpaar ahnte den Schulze, Heimatskunde. 9

4. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 130

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 130 — Störer. In der Kirche ging die Traufeierlichkeit ohne Störung vor sich. Nach der Rückkehr war Tanz und Schmaus in Hansens Hause und bis zum frühen Morgen ertönten die frohen Stimmen der Hochzeitsgäste, deren Scherze bald die Wolken von der Stirn der Neuvermählten scheuchten. In ungetrübtem Glück verflogen die ersten Wochen dem jungen Paare, in fröhlicher Arbeit und aufrichtiger Liebe genossen sie ihr Leben. Tie bösen Worte des Bruders waren fast vergessen. Dieser jedoch, wenn er nicht mit seinen Zechgenossen beisammen war, brütete dumpfe Rachepläne. So beaufsichtigte er eiues Tages die Feldarbeit seiner Untergebenen, und wie er so die Straße lang sah, erblickte er plötzlich den Gegenstand seiner Rache, den ihm tötlich verhaßten Bruder. Schnell schickte er seine Arbeiter heim, und auf die Pflug- schaar gestützt, erwartete er die Aukunft des Bruders, der ein sröh- liches Liedchen trällernd, mit dem Pfluge über der Schulter heim zu seinem Weib eilte. Da ergriff der wilde Bruder seine Pflugschaar und holte mit den Worten: „Stirb, Räuber meines Glückes!" zu einem tötlichen Schlage aus. Erschreckt sprang Hans zur Seite und benutzte sein Pflugschaar ebenfalls als Wehr. Nnn folgte Schlag auf Schlag, bis beide tötlich getroffen zur Erde sanken. Ein leises „Ich vergebe dir! — — Leb wohl, Gretchen!" aus dem Munde des einen, ein dumpfes „Zwei Fliegen auf einen Schlag!" aus dem Munde des andern. Vergebens erwartete am Abend Margaretha ihren Gatten, Stunde auf Stunde verrann, noch kehrte er nicht heim. Nichts Gutes ahnend läuft sie hinaus in die finstere Nacht, bis sie ihren Mann und daneben den wilden Jürge — beide in ihrem Blute liegend — findet. Verzweifelt wirft sie sich aus den Geliebten und suchte vergeblich, ihn mit Küssen zu erwecken. Ihr Glück war für immer dahin, Wahnsinn nahm ihre Sinne gefangen. Täglich saß sie auf dem Grabe ihres Mannes, den Hügel mit Waldblumen bestreuend. Nach Verlauf eines Jahres ward sie eines Morgens von den Nachbarn tot dort ausgefunden. Zum Andenken an dieses gransig-romantische Ereignis erhebt sich an der Chaussee, die von Minden nach Bückeburg führt, links

5. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 100

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 100 — Büchern auf, sondern strebte auch darnach, das Lebeu selbst kennen zu lernen. Wo ihm deshalb die Gelegenheit geboten ward, eine Fabrik, ein Bergwerk, eine Saline oder eine tüchtige Ackerwirtschaft mit eigenen Augen kennen zu lernen, da ließ er sie nicht vorüber- gehen, ohne Einblick bis in das Kleinste der Einrichtungen genommen zu habeu. In den Ferien machte er gern Reisen, aber nicht, wie es heutzutage geschieht, wo man an dem Orte nur so vorbeifährt, ohne ihu kennen gelernt zu haben, sondern Fußreisen, da er nur auf diesen die Schönheit der Gegenden, die er besuchte, kernten lernen, nur so Einblick in manche nützliche Einrichtung und in das Leben des Volkes nehmen konnte. Einerlei war es ihm dabei, ob er nachts im weichen Bette ruhte, ob er an einer reich- besetzten Tafel sich erquickte, oder ob er in einem Bauernhause mit frischer Milch und schwarzem Brote vorlieb nehmen mußte. Alles, was er auf deu Wanderungen antraf, hatte Interesse für ihn: Wiesen und Ackerbau, Viehzucht, Waldwirtschaft, Berg- und Landstraßenbau, Fabriken. Aus allem zog er eine Belehrung, einen Nutzeu heraus. Die Erfahrungen, die er in dieser Weise ans seinen Reisen sammelte, kamen ihm in seiner späteren Stellung als oberstem Beamten der Provinz sehr zu statten. Kaum einundzwanzig Jahre alt, trat Vincke nach glänzenden Prüfungen in den preußischen Staatsdienst. Auf diesem Gebiete sollte sich seine treffliche Natur bewähren. Hier gelangte er von den Vorstufen des öffentlichen Beamtentums bis in die höchsten Stellungen hinein. Seine erste Anstellung erhielt er an der Kurmärkischen Kammer in Berlin. Mit treuem Fleiße verrichtete er die untergeordneten Dienstleistungen, die ihm hier zuerst oblagen — mußte er doch wie jeder, der später Tüchtiges leisten will, von der Pike auf dienen. Wie Vincke sich mit allem Eiser seinem Berufe hingab, davon folgendes Beispiel: Einst hatte er die Sache zweier Bauern zu be- arbeiten. Diese stand aber infolge eigentümlich verwickelter Umstände so schlimm, daß die Bauern nahe daran waren, Hab und Gut ein- zubüßen. Vincke vertiefte sich in die Akten, die über die Angelegen- heit vorhanden waren, und bald hatte er erkannt, daß man im

6. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 302

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 302 — Wevelsburg zurück. Da bemerkte er einen armen „Leyendecker" an dem Turmdache der Wevelsburg hängen, der, da er den vornehmen Jagdzug herannahen sieht, demütig nach seinem Hütchen greift und heruntergrüßt. Kurt von Spiegel schießt, um doch etwas zu treffen, den armen Menschen in frevler Verwegenheit vom Dache. Ent- setzen ergreift die Begleitung, und leichenblaß und vor Erregung zitternd befiehlt der Bischof, den Verbrecher zu ergreifen. Doch dieser wendet rasch sein Roß und entkommt. Nachdem Kurt von Spiegel mehrere Jahre das Land gemieden hatte, giebt ihm eine neue Bischofswahl, welche seinem nahen Verwandten die Insul ver- lieh, den Mut, nach der Wevelsburg, wo jener grade im Kreise seiner Vasallen und verwandten Flauen das Festmahl hielt, zurück- zukehren. Keck tritt Kurt von Spiegel in den Saal. Entsetzt schaut die Gesellschaft auf den Verbrecher, der so unerwartet und zu ungelegener Zeit zurückkehrt. Eine Totenstille herrscht in dem eben noch so lauten Kreise. Tief aufseufzend erhebt sich der Bischof und mit hohler Stimme befiehlt er den Kurt zu ergreifen. An den Mauern der Wevelsburg zeigt man noch die Spuren von den Kugeln, die bei Kurts Hinrichtung diesen getroffen haben. O frommer Prälat, was ließest so hoch Des Marschalls frevlen Mut du steigen! War's seine Gestalt, deren Adel dich trog, Sein flatternder Witz unter Becher und Reigen? O frommer Bischof, wie war dir zu Mut, Als rauchend am Anger unschuldiges Blut Verklagte, verklagte dein zögerndes Schweigen? Am Wevelsberge schallt Wald-Hurrah, Des Rosses Flanke schäumt über den Bügel, Es keucht der Hirsch, und dem Edelwild nah, Ein flüchtiger Dogge, keucht Kurt von Spiegel; Von Turmes Fahne begierig horcht Ter arme Tüncher, und unbesorgt Hält in der Hand er den bröckelnden Ziegel.

7. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 457

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 457 — Wappen gezierten Steine zusammen. Dort steht auch der heilige Apostel Petrus und sieht still auf den stillen Markt des früher herrlichern Brilon hinab. Ein besonderer und uralter Brauch ist der Schnadezug. Schnade — Schneide = Grenze. Alle zwei Jahre umzieht man die weite Grenze, aber immer nur wegen des Um- sangs den fünften Teil, wie zur Bestätigung und Sicherung des Stadtgebiets, mit viel Eifer, Freude und Festlichkeit. Das Gesamt- gebiet umfaßt 20 000 Morgen Hochwald und die gleiche Morgen- zahl das andere Gelände. Brilon heißt Breitewald. Bri verkürzt aus Brede — breit, Lohn — Wald. Die Sage freilich erzählt anders. Einmal befand sich der Kaiser Karl im Sauerlande auf der Jagd. Es war aber damals in der Gegend noch nicht so licht und hell wie jetzt. Wer nicht gut Bescheid wußte, der konnte sich in den Wäldern leicht verirren. So ging es denn auch dem Kaiser. Er kam seinen Leuten ganz aus dem Gesichte und irrte lange umher, bis es so dunkel wurde, daß er keine Hand mehr vor den Augen sehen konnte. Schon meinte er, daß er im Walde über Nacht bleiben müsse; da sah er aus der Ferne ein Licht durch die Zweige schimmern. Voll Freude eilte er darauf zu. Er traf einen Bauersmann, der einsam mitten in den Wäldern wohnte, und fragte ihn, ob er ihn beherbergen wolle. „Von Herzen gerne," erwiderte der Bauer; „doch müßt Ihr vorlieb nehmen mit dem, was ich habe." Und er bereitete dem Fremden einen guten, dicken Roggenbrei. Der Kaiser ließ sich die Kost wohl- schmecken; denn er war hungrig geworden, und legte sich darauf zu Bette. Als er am Morgen aufwachte, hörte er, daß seine Ritter vor der Thür schon nach ihm suchten. Bald trat auch der Bauer in das Gemach und fragte bestürzt: „Seid Ihr der Herr Kaiser, oder seid Jhr's nicht?" Lächelnd nahm ihn Karl bei der Hand und sagte vor allen seinen Leuten: „Ich schulde dir Dank für die gute Aufnahme, die du mir gewährt hast. Zum Lohne für den Brei, der mich so trefflich erquickt hat, will ich dir so viel Land schenken, als du in einem Tage umreiten kannst." Der

8. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 106

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 106 — und dann muß es ein Glück sein, wenn er nicht übel gelaunt ist; sonst jagt er Euch zur Thür hinaus." Der Oberpräsident setzte sich auf die Bauk und wartete geduldig; aber es war Herbst und daher sehr kühl da draußen. Deswegen war er froh, daß es endlich Leben im Hause gab. Er klopfte und wurde von einem Bedienten eingelassen. „Mich friert so," redete er diesen an; „muß ich wohl auf den gnädigen Herrn noch lange warten?" — Der Bediente lachte. „Ihr müßt viele Geduld haben, guter Freuud, wenn Ihr bis zur Sprechstunde warten wollt. Die ist um elf Uhr. Ihr seid wohl weit her?" — „Ja," war die Ant- wort. — „Jetzt ist es sieben," sagte der Bediente. „Um neun steht der gnädige Herr auf. Nun, fetzt Euch so lauge in die Küche!" Auf dem Herde brannte ein lustiges Feuer. Der Freiherr wählte die Holzecke neben dem Herde, wo ein Schemel stand. Hier ließ er sich nieder, rauchte seine Pfeife und sah und hörte dem Treiben zu. Da vernahm er denn Geschichten, die nicht sehr vorteil- hast für die Herrschaft lauteten, sah eiue Haushaltung, die auch die größte Einnahme erschöpfen mußte, — kurz, er kam weiter in der Kenntnis dieser Wirtschaft, als er sich gedacht hatte. Endlich trat das Gefinde zusammen und trank Kaffee. „Gebt auch dem Alten dort eine Tasse," sagte der Bediente; „dem ist's schon kalt genug geworden!" Der Oberpräsident schlug's nicht aus. Da es ihm wirklich kalt geworden war, that ihm der Kaffee recht wohl. Es schlug neun, es wurde zehn. Da stand er auf und sagte dem Be- dienten, er folle ihn bei seinem Herrn melden. „Das werde ich bleiben lassen! Soll ich mir Scheltworte holen oder gar meinen Abschied?" Jetzt war alle Geduld zu Ende. Mit seinem nachdrücklichen Wesen sagte er: „Auf der Stelle wecke deinen Herrn und sage ihm, der Oberpräsident von Vincke aus Münster warte nun schon seit vielen Stunden auf sein Erwachen!" Wie versteinert stand die Dienerschaft. Der Bediente flog die Treppe hinauf, und Herr von Vincke folgte ihm auf dem Fuße. Da die Thür offen blieb, so vernahm er die Flut von Schimpfreden, die sich über den Bedienten ergoß, als er den gnädigen Herrn aus

9. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 107

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 107 — dem Morgenschlafe weckte. Als aber der gefürchtete Name „Vincke" erklang, da wurde es still, und man konnte deutlich vernehmen, wie der Herr in die Kleider fuhr. Als der Oberpräsident dachte, er könne angekleidet sein, trat er in das Gemach zum Schrecken des gnädigen Herrn. Die Büß- predigt, die er jetzt über die Pflicht, dem Berufe treu zu sein, und über eine gute Hauswirtschaft hielt, muß recht wirksam gewesen! sein. Man sagt, der Herr Rat habe sich an das Frühansstehen! gewöhnt und an manches andre, was ihm ans Herz gelegt wor- den war. Einst wanderte Vincke nach einigen regnerischen Tagen, die die schlechten Wege grundlos gemacht hatten, von Ahlen nach Münster. An einer etwas tiefliegenden Stelle des Weges, wo das Wasser sich gesammelt und den Boden zu einem dicken Schlamme aufgeweicht hatte, fand er einen Bauern, der mit seinem Karren festsaß. Das Pferd war trotz aller Anstrengungen nicht imstande, den Karren flott zu machen. Ter Bauer äußerte sich unwillig über die schlechten Wege, als Vincke zur Stelle kam. Kaum sah ihn der bedrängte Bauer, als er ihm zurief, er möge einmal mit anfassen. Ohne sich einen Augen- blick zu bedenken, faßte Vincke mit an und hob an dem einen Rade, der Bauer an dem andern. So gelang es vereinter Kraft, dem Manne aus der Verlegenheit zu helfen. Freilich hatte Vincke so gut wie der Bauer in den tiefen Schlamm getreten, und nicht bloß Schuhe und Gamaschen, sondern Kittel und Hände waren beschmutzt. So kehrte er heim, und als seine Frau sich über sein Aussehen ver- wunderte, sagte er lachend: „Liebe Frau, die Wege haben den Oberpräsidenten einmal nachdrücklich erinnern wollen, wie notwendig es sei, daß er an ihre Verbesserung mit größerm Nachdrucke gehe," und dann erzählte er zu ihrer nicht geringen Belustigung das Abenteuer. Eines Tages kam er in ein Städtchen des Sauerlandes, wo er mit dem Bürgermeister etwas zu besprechen hatte. Es war schon nahezu Abend, und er ging ohne weiteres zu dem Hause, traf ihn jedoch dort nicht, wohl aber die Frau, die am Herde die Abendmahl-

10. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 338

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 338 — that es und versah dasselbe mit unermüdlichem Eifer, mit himm- lischer Geduld, mit der gewinnendsten Freundlichkeit; und daher hatte sein Wirken durch Gottes Segen den reichlichsten Erfolg. In seiner Lebensgeschichte steht: „Die hohe Würde, welche bei der kindlichsten Einfalt und herzlichsten Freundlichkeit sein ganzes Wesen verklärte, flößte allen Ehrfurcht und Liebe ein. Wenn man ihn zwischen den Lehrern sitzen sah, so ineinte man, sich vorstellen zu können, wie Christus zwischen seinen Aposteln gesessen haben möchte." Das Amt als Normallehrer behielt Overberg aus heiligem Eifer bis an fein Ende, obgleich ihm die vielen anderen Ge- fchäfte, die er als Konfistorialrat bei der Regierung und später als Regens am Priester-Seminar hatte, kaum Zeit übrig ließen. Dabei predigte er häufig, katechefierte, besuchte Kranke, erhielt selbst un- zählig viele Besuche von nah und sern, schrieb unglaublich viele Briefe an alle, die sich in allerlei Angelegenheiten an ihn wendeten, besonders an Geistliche und Lehrer. Häufige Kränklichkeit in fpäte- ren Jahren erschwerte ihm noch dazu seine vielen Geschäfte. Aber keiner benutzte auch, so sorgfältig die Zeit wie er. Er schlief nie mehr als 5 Stunden. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend war er unermüdlich thätig. Und nur so ist es auch erklärlich, wie er so vieles hat thun können. Über seine Einwirkung auf die Menschen sagt seine Lebensgeschichte: „Durch sein Wort und besonders durch sein Beispiel verbreitete er Frömmigkeit und Tugend in allen Ständen, nicht bloß in Münster, sondern auch in weiter Um- gebung. Von 10 bis 15 Stunden weit kamen Menschen, welche Gewissensangst drückte, von dem Rufe seiner Gottseligkeit angezogen, um in den Angelegenheiten ihres Heiles seines Rates und feines Zuspruches teilhaftig zu werden. Nicht leicht ging jemand un- gebessert von ihm." Zu seinen besonderen Freunden gehörten der als Dichter und frommer Christ gleich ausgezeichnete Graf Friedrich Leopold v. Stol- berg und die ebenfalls durch ihre Frömmigkeit ausgezeichnete Fürstin von Gallitzin. Am 9. November 1826 entschlief Overberg sanft und selig im Herrn, nachdem er noch zwei Tage vorher den Normalunterricht
   bis 10 von 28 weiter»  »»
28 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 28 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 1
1 0
2 0
3 1
4 0
5 39
6 0
7 6
8 4
9 0
10 7
11 0
12 0
13 0
14 0
15 2
16 12
17 0
18 0
19 3
20 0
21 0
22 0
23 0
24 0
25 0
26 2
27 1
28 3
29 1
30 0
31 0
32 0
33 10
34 1
35 0
36 6
37 22
38 1
39 5
40 0
41 0
42 0
43 2
44 0
45 6
46 0
47 0
48 0
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 3
1 33
2 0
3 10
4 3
5 3
6 2
7 0
8 0
9 3
10 3
11 0
12 7
13 8
14 0
15 0
16 28
17 110
18 0
19 8
20 0
21 18
22 0
23 9
24 4
25 1
26 8
27 0
28 3
29 2
30 1
31 0
32 3
33 0
34 0
35 4
36 4
37 6
38 7
39 35
40 3
41 2
42 29
43 5
44 5
45 44
46 4
47 0
48 2
49 4
50 3
51 1
52 8
53 0
54 34
55 0
56 0
57 29
58 4
59 1
60 0
61 0
62 1
63 0
64 0
65 6
66 0
67 0
68 8
69 8
70 5
71 7
72 6
73 7
74 1
75 13
76 9
77 66
78 0
79 1
80 0
81 6
82 23
83 6
84 3
85 2
86 2
87 28
88 2
89 0
90 1
91 9
92 39
93 1
94 71
95 2
96 0
97 0
98 7
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 2
1 0
2 0
3 1
4 0
5 0
6 1
7 1
8 0
9 0
10 3
11 0
12 1
13 0
14 2
15 0
16 0
17 2
18 0
19 0
20 0
21 0
22 0
23 0
24 1
25 4
26 2
27 0
28 0
29 0
30 1
31 0
32 2
33 14
34 0
35 1
36 0
37 0
38 0
39 1
40 1
41 1
42 2
43 8
44 0
45 0
46 1
47 0
48 0
49 0
50 15
51 13
52 1
53 0
54 0
55 0
56 0
57 0
58 0
59 11
60 0
61 2
62 1
63 0
64 2
65 6
66 4
67 0
68 0
69 0
70 2
71 0
72 10
73 0
74 0
75 3
76 0
77 0
78 0
79 0
80 2
81 33
82 3
83 0
84 0
85 0
86 0
87 0
88 0
89 0
90 0
91 2
92 0
93 1
94 1
95 0
96 0
97 0
98 0
99 4
100 14
101 0
102 18
103 0
104 0
105 0
106 4
107 0
108 0
109 0
110 2
111 6
112 3
113 0
114 2
115 0
116 5
117 0
118 0
119 0
120 0
121 1
122 0
123 4
124 1
125 5
126 0
127 0
128 0
129 0
130 0
131 8
132 0
133 0
134 0
135 0
136 2
137 0
138 0
139 0
140 0
141 0
142 3
143 1
144 2
145 1
146 0
147 1
148 0
149 0
150 0
151 1
152 6
153 0
154 2
155 1
156 0
157 0
158 0
159 0
160 0
161 0
162 0
163 0
164 0
165 0
166 1
167 3
168 3
169 4
170 0
171 0
172 1
173 1
174 0
175 11
176 0
177 1
178 0
179 1
180 0
181 0
182 0
183 9
184 0
185 0
186 0
187 1
188 0
189 0
190 0
191 0
192 0
193 0
194 0
195 0
196 38
197 0
198 0
199 1