155. Thierwanderungen.
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saniere Reisen machen verschiedene Nager.
Nur flüchtig zu gedenken des Eichhorns,
das mitunter Wald mit Wald vertauscht
und der Feldmäuse, die sich sogar
durch größere Flüsse nicht am Weiter-
ziehen hindern lassen, wie man denn
weiß, daß sie selbst den Main und
Rhein durchschwammen, müssen wir die
Wurzelmaus, oder wie sie von ihrer
Heimat heißt, die Kamtschatka-Ratte
besonders hervorheben. Im Frühjahre
verlassen Legionen dieser Thiere Kamt-
schatka und ziehen in westlicher Richtung
hunderte von Meilen landseinwärts den
Ufern des Octrals und Jdoma zu, wo
sie gegen Mitte August ankommen. Ihre
Anzahl ist so ungeheuer, daß der Vorüber-
zug einer einzigen Colonne oft mehrere
Stunden währt. Im Oktober kehren die
stark gelichteten Schaaren nach Kamt-
schatka zurück und diese Rückkehr ist ein
Freudenfest für das Land, weil eine
Menge von Raubthieren die Züge be-
gleitet, deren kostbares Pelzwerk eine
willkommene Beute für die Bewohner
dieser winterlich unfruchtbaren Gegenden
ist. Minder regelmäßig, aber eben so
merkwürdig sind die Wanderungen des
Lemmings, der auf Schwedens und
Norwegens Gebirgen in so großer An-
zahl lebt, daß man auf dem Sewoge-
birge oft ein Schlupfloch neben dem
andern sieht. Zu Zeiten steigen diese
gefräßigen Geschöpfe von den Küsten
des Eismeeres nach den Thälern Lapp-
lands herab, rücken in gedrängten Massen
vorwärts und befolgen dabei immer eine
gerade Linie, welche kein Hinderniß zu
unterbrechen vermag. Berge und Felsen
werden überstiegen, Flüsse durchschwom-
men. So geht der Zug, hauptsächlich
zur Nachtzeit unaufhaltsam weiter, eine
Geißel des Landes, ein Schrecken für
seine Bewohner. Denn ob auch Tausende
und aber Tausende unterwegs zu Grunde
gehen, ihre Zahl bleibt noch so erstaunens-
würdig groß, daß sie alle und jede Vege-
tation zerstören, das Gras nicht nur
bis auf die Wurzel abbeißen, sondern
auch noch den Boden aufwühlen und die
darin befindlichen Samenkörner hervor-
suchen. — Glücklicher Weise findet ein sol-
cher Lemmingseinfall in derselben Gegend
alle zehn Jahre höchstens einmal statt.
Das Renthier, dieser höchste
Schatz des Nordländers, verläßt in
Heerden von vielen Tausenden gegen
Ende Mai die Wälder Sibiriens, um
sich gegen die Insekten, namentlich gegen
die Renthierbremse zu schützen und an
den Polarmeeren Nahrung zu suchen
und kehrt erst im Herbste wieder zurück.
Auffallender erscheinen die Wan-
derungen mehrerer Arten der Antilo-
pen. Diese sind bekanntlich Bewohner der
Ebenen und baumlosen Flächen der Tro-
penländer. Europa besitzt nur eine Art,
die Steppen- oder Saiga-Antilope, die
heerdenweise Polens Ebenen bevölkert,
Winters aber südwärts zieht. Afrika
allein zählt über 60 Arten, von
denen der Springbock am interessan-
testen sein dürfte. In Heerden von 20 bis
25,000 Stück lebt er in Südafrika, und
es ist ein eignes Schauspiel, diese Thiere
jagen zu sehen, weil da beständig mehrere
4 bis 6 Fuß hoch über einander weg
springen. In dürren Jahren fallen die
Springböcke verwüstend in die Saat-
felder der Cap-Colonie ein. Doch müssen
sie den angerichteten Schaden mit ihrem
eignen vorzüglichen Fleische wenigstens
theilweise Zahlen. Sie werden nämlich
bei diesen Einfällen in Masse erlegt. —
Selbst das Geschlecht der Robben
und Wale hat seine Wanderer aufzu-
weisen. Heerden von Seehunden lagern
auf den im März und April vom Nord-
pol herabtreibenden Eisfeldern und lassen
sich so wärmeren Meeresstrecken zutreiben.
Das Walroß benutzt dieselben Fahr-
zeuge, doch zu kürzeren Stationen. Der
beutegierige Delphin folgt den Zügen
der Fische, durchkreuzt alle Meere und
steigt selbst die Flußmündungen hinauf.
Gleich verwegen ist der P o t t f i s ch
(Cachelot), der von der Baffinsbai
und Davisstraße aus bis in's atlantische
Meer und selbst in das Mittelmeer hin-
streicht.
Ii.
Aus dem Letztgesagten haben wir
schon ersehen, daß die Wanderungen
der Thiere nicht nur auf dem Festlande,
sondern auch im flüssigen Elemente vor- -
kommen; ja hier sind sie noch leichter
auszuführen, weil sich den Zügen weniger
22*
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Extrahierte Personennamen: August
Extrahierte Ortsnamen: Main Rhein Kamt- Schwedens Norwegens Sibiriens Europa Afrika Südafrika
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Ii. Bilder aus der Länder - und Völkerkunde.
zuweilen, daß man in dieser Lage blei-
den muß, um den Thieren die nöthige
Erholung zu gönnen. Mit dem Morgen
beginnt man die Reise .wieder bei dem
Glanze des Nordlichtes, das entweder
als Raketengarbe über dem Himmel aus-
gebreitet liegt, oder als Regenbogen
aufgeht, oder in leuchtenden Strahlen
aufschießt. Die ganze Reise ist von er-
tödtender Einförmigkeit. Nur ein un-
behaglich krankhaftes Gefühl erinnert den
Menschen, daß er noch lebt; Herz und
Sinne sind erstarrt, und der Geist ist öde
und wüste, wie die Natur rings umher.
80. Afrika.
Afrika, das alte Libyen der Grie-
chen, machte schon ans die Alten den
Eindruck des Räthselhaften und Geheim-
nißvollen. Es war ihnen das Land der
Wunder, aus dem immer etwas Neues
zu erfahren sei. Was Afrika hervor-
bringt, meint ein altes Sprichwort, ist
außerordentlich, im Guten wie im
Schlimmen. Und noch immer, obwohl
seit Herodot und Plinius viele Jahr-
hunderte vorübergerauscht, ist Afrika für
uns das verschlossene Reich der Wun-
der und Geheimnisse, denn noch immer
sind trotz der zahlreichen Erforschungs-
reisen der neuesten Zeit große Gebiete
dieses merkwürdigen Erdtheiles für uns
gänzlich, andere nahezu unbekannt und
unerforscht geblieben.
Das uns kaum dreihundert Jahre
erschlossene Amerika kennen wir längst
schon gründlicher, als das so nahe lie-
gende Afrika.
Kein Erdtheil ist aber auch so ent-
schieden in sich abgeschlossen, als gerade
Afrika. Es streckt keine wichtige Halb-
insel in den Ocean aus, noch läßt es
dessen Wasser in sein Inneres einschnei-
den; die Küstenumsäumung dieses Fest-
landes bemißt sich nur auf 3500 Mei-
len, erreicht also bei weitem nicht ein-
mal die Küstenerstreckung des viel klei-
neren Europa. Dazu sind die Küsten-
striche fast überall mehr geartet, abzu-
stoßen, als anzuziehen. In der Nord-
hälfte sind die Küsten meistens niedrig
und sandig, oder die Wüste hat Sand-
bänke in das Meer vorgeschoben; in
der Südhälfte dagegen fallen dieselben
größtenteils schroff ab. Die sonst dem
Verkehre so förderlichen und gerade an
den afrikanischen Küsten, insbesondere
am Westrande so häufigen Meeresströ-
mungen erschweren durch ihre Heftigkeit
und die dadurch entstehende Brandung
die Anfahrt, und der günstigen Hafen-
buchten sind verhältnißmäßig nur wenige.
Große Ströme weis't das dürre,
wasserarme Afrika auch nur spärlich
auf, und die wenigen bieten für die
Schifffahrt viele Hindernisse und gestat-
ten also kein Vordringen bis in's Herz
des Erdtheiles. Bedenken wir noch, daß
im Norden eine ungeheuere Wüste sich
quer durch den ganzen Erdtheil zieht,
im Süden aber unwegsame Randgebirge
gleich mächtigen Wällen das Hochland
umschließen, dann werden wir es sehr
erklärlich finden, warum das Innere
Afrikas bis jetzt von allem Völkerver-
kehr abgeschlossen geblieben ist. Nur
da, wo Afrika seine Uferstrecken euro-
päischen und asiatischen Binnenmeeren
zuwendet, also ein Gegengestade zu
civilisirten Ländern bildet, vorzüglich in
dem durch ein großartiges Stromsystem
gesegneten Nordosten hat sich ein selbst-
ständiges Kulturleben entfaltet, welches
aber unter der Herrschaft des Islam
im Laufe der Jahrhunderte ebenso einem
unheilbaren Siechthum verfiel, als die
frühere Blüthe und Macht Asiens. Im
Innern Afrikas sind die patriarchalischen
Urzustände der menschlichen Gesellschaft
noch allgemein verbreitet und sie wer-
den sich dort noch lange gegenüber der
fortgeschrittenen Kultur Europas und
Amerikas, ja selbst Asiens erhalten.
Afrikas Völkerleben ist im Großen und
Ganzen auf der Stufe der Kindheit
stehen geblieben, und es ist kaum zu
hoffen, daß es sich über dieselbe in
Jahrhunderten merklich erheben werde,
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Extrahierte Personennamen: Herodot
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Afrika Afrika Afrika Amerika Afrika Afrika Europa Afrika Afrika Asiens Afrikas Europas Amerikas Asiens