364
Iv. Naturbilder.
gefangen werden, zu Milliarden der Ge-
fräßigkeit der Raubfische und Vögel er-
liegen, und doch immer wieder in der-
selben zahllosen Fülle zum Vorschein
kommen! Der Häring erscheint und ver-
schwindet mit bewundernswürdiger Re-
gelmäßigkeit. Vielleicht lebt er eine Zeit
lang in dem hohen Polarmeer, vielleicht
hat er dort in Tiefen, welche kein Senkblei
ermißt, sein geheimes Reich und zieht
dann gleich den wilden Reitervölkern der
Steppen jährlich aus, die Meere zu
durchschwärmen.
Der Häring erscheint jährlich drei-
mal an der Küste von Norwegen, aber
der Hauptfang geschieht im Februar.
Es ist dies die Frühlingssischerei; sie
liefert die größte Menge, und die fetteste,
größte Art des Fisches, den sogenannten
Frühlingshäring. Der Fang geschieht
vornehmlich an dem Küstenstriche zwischen
Bergen und Stavanger, am Ein-
gänge des großen Bücke-Fjord. Auf
diesem Raume versammeln sich im
Februar wenigstens 2000 Boote, die
mit 12,000 Fischern bemannt sind.
Diese begeben sich Ende Januar auf
die Inseln hinaus, miethen Plätze und
Hütten und vereinigen sich zu Gesell-
schaften. Gewöhnlich bilden 2 Kähne,
jeder mit 5 — 6 Mann besetzt, einen
solchen Verein. Zwanzig bis dreißig
solcher Vereine bilden dann unter der
obersten Leitung eines Kaufherrn eine
Pacht. Dieser schießt dafür den Schif-
fern vor, was sie brauchen: Geräth,
Segelwerk, Netze und Lebensmittel auf
2 — 3 Monate. So gerüstet erwarten
die Fischer die Häringsschwärme, denen
sie ungeduldig bis in's Meer hinaus
entgegenfahren, mit begierigem Auge
den heranleuchtenden, silberblauen Schim-
mer erspähend, welcher das Nahen der
Beute anzeigt. Noch ehe die Stunde
schlägt, melden schnelle und fürchterliche
Wächter den Heranzug der Häringe.
Einzelne Walfische streichen an der Küste
hin und werden mit lautem Jubel be-
grüßt; denn sie sind die sicheren Ver-
kündiger des Heeres. Es ist, als habe
der Walfisch den Auftrag erhalten, den
Menschen die Botschaft zu bringen, sich
zum Angriff bereit zu machen. Sein
Schnauben in der ungeheuern Wasser-
wüste, das Sprudeln seiner Nüstern, der
wunderbaren Springbrunnen, welche in
den Lüften funkeln, sind seine Sprache.
Hat der Walfisch seine Sendung voll-
bracht, so jagt er zurück zu seinen Ge-
fährten und hilft ihnen den geängstig-
ten Häring rascher gegen die Küste trei-
den, wo sich dieser in die Scheeren
zwischen die Inseln und Klippen drängt,
und um dem grimmigen Feind zu ent-
kommen, anderen, noch schrecklicheren in
die Hände fällt. Denn hier halten die
Fischer mit ihren Netzen. Zuerst kom-
men die Fische einzeln, bald aber in so
dichtgedrängter Masse, daß sie Wände
von ungeheurer Höhe bilden, welche
Fischberge heißen, und oft bis auf den
Grund des Meeres reichen und durch
ihren Druck die Boote mehrere Zoll hoch
über das Wasser heben.
2. Die Fischerei selbst geschieht auf
zweierlei Art, mit Netzen und mit An-
geln. Der Fang mit Netzen ist der
üblichste und auch der gewinnreichste.
Jedes Boot hat deren 36, die meisten
2 Faden (1 Faden — 6 Fuß) lang
und einige Faden tief. Mehrere werden
aneinander geknüpft bis zu 20 Klafter
Länge und l1/* Klafter Breite. Diese
werden jeden Abend einige hundert Fuß
tief, je nachdem der Fisch zieht, in Reihen
aufgestellt, unten mit kleinen Steinen
beschwert und oben von Holzklammern
gehalten. Doch stellt man nur die
Hälfte der Netze auf einmal, die dann
des Morgens gezogen werden, da der
Häring bei Tage die Fallen bemerkt
und vermeidet. Ist der Fang gut, so
steckt in jeder Masche des Netzes ein
Häring, deßhalb sind die Netze gewöhn-
lich auch nicht größer, als oben ange-
geben, indem sie sonst zerreißen würden.
Will man mit Angeln fischen, so
gehört dazu eine Leine von 400—500
Klaftern, welche meist aus drei Seilen
zusammengeknüpft ist, an denen 1000
bis 1200 Angeln angebracht sind und
an 6 Fuß langen, starken Schnüren
hängen. An den Haken der Angeln
sitzt der Köder, welcher gewöhnlich aus
Muscheln oder aus Fischfleisch besteht.
Die Leine mit den Angeln wird nun
so in's Meer gelassen, daß ihre beiden
Enden auf der Oberfläche schwimmen.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter]]
5. Edelmuth eines Galeeren - Sträflings.
9
lich in der Nacht, da schon das ganze
Dampfschiff voll des angsterregenden
Dampfes ist, ruft er: „Maxwell, ich
hab's gefunden; die Flammen brechen
bei dem Rade durch!" „Dann wende ich
das Schiff dem Ufer zu", rief dieser
entgegen und schlug sich vor die Stirn,
denn er kannte deutlich die furchtbare
Gefahr. Aber er faßte sich, und als er
sich allein sieht, fällt er auf seine Kniee
und ruft Gott an und betet: „O all-
mächtiger Gott, verleihe mir Stärke,
jetzt treulich meine Pflicht zu erfüllen, und
werde du selbst Tröster meiner Wittwe
und Vater meiner Waislein." Darauf
ergreift er wieder das Steuerruder und
steht unbeweglich, das Angesicht der näch-
sten Landspitze zugekehrt, und das Schiff
fliegt darauf los wie ein Pfeil. Die
Matrosen wenden alle ihre Kräfte an,
das Feuer zu dämpfen, aber die Wuth
der Flammen wächst mit jeder Minute
und treibt die Maschine mit grausen-
erregender Gewalt, und das Schiff schießt
durch die Wellen hin wie ein Sturm-
vogel. Alle Reisenden hatten sich auf
dem Vordertheile zusammengedrängt, denn
der gewaltige Luftzug ließ keinen Rauch
dorthin kommen, sondern trieb denselben
rückwärts. Da stund aber nun der
arme Maxwell an seinem Steuerruder
in dem erstickenden Qualme, wie ein
Märtyrer auf dem rauchenden Scheiter-
haufen. Der Kapitän und die Matrosen
thaten zwar, was sie konnten, um das
Hintertheil mit Wasser zu begießen, aber
das that dem wiithenden Brande keinen
Einhalt. Schon fängt der Boden unter
Maxwells Füßen an, sich zu entzünden;
aber er weicht nicht von seinem Posten,
denn an seiner Hand hängt jetzt das
Leben von achtzig Personen. Immer
geradehin nach dein Lande schaut sein
Blick, immer rasender treibt die Flamme
das Schiff, immer unbeweglicher hält
seine Hand das Ruder.
Die Leute am Ufer sehen das bren-
nende Schiff und richten Feuerzeichen
auf, um den Unglücklichen zu zeigen, wo
sie landen sollen. Maxwell versteht's;
feine Füße fangen an zu braten, aber
er bleibt, so sturmschnell das Schiff da-
hin saust; er möchte ihm noch Flügel
dazu geben, denn er merkt, es kann kaum
einige Minuten mehr dauern, so sinkt
es; und jetzt — jetzt ist's daran — da
rückt sein Steuerruder und rutfch —
rutsch! da sitzt das brennende Schiff auf
dem Sande. Alle werden gerettet, und
Maxwell wird auch an's Land getragen;
aber wie sieht er aus! Seine Kleider
fallen ihm wie Zunder vom Leibe, seine
Füße sind ganz verbrannt. Doch Gott
segnete die Hand des Arztes, und nach
mehreren Wochen kann Maxwell das Bett
wieder verlassen. Aber seine hohe. Ge-
stalt ist gekrümmt, seine Haare find ganz
gebleicht, seine Füße bleiben schwach, und
er hat daran seiner Lebtage zu leiden.
Er ist Krüppel um Gottes willen, und
seine Familie hat ihren Ernährer ver-
loren. Doch hat Gott Herzen erweckt,
die sich seiner und der Seinigen treulich
angenommen haben.
5. Edelmuth eines Galeeren-Sträflings.
Ein schöner, großer und in gleichem
Maße auch starker Mensch hatte schon
viele Jahre in Jammer und Qual im
Bagno zu Toulon zugebracht. Doch endlich
gelingt es ihm, die Wachsamkeit der
hundertäugigen Wächter zu täuschen; er
entwischt. Bald ist er auf freiem, of-
fenem Felde und schwelgt im warmen,
schon so lange entbehrten Sonnenstrahle.
Das Gefängniß liegt nun schon weit
hinter ihm; ja, er ist gerettet. Da steht
er plötzlich vor einem kleinen Pächter-
haufe; er will eintreten, will um ein
Stück Brod bitten, oder falls man ihm
dasselbe verweigert — es stehlen. Er
bleibt aber stehen, als er in der niedern
Stube einen alten Landmann gewahrt,
der, umgeben von Weib und Kindern,
seine heißen Thränen weint. „Was
fehlt Euch?" fragte der Galeerensträfling.
„Ach, man will alles, was ich an Haus-
geräth besitze, mir verkaufen, weil ich
meinen Pachtzins nicht bezahlen kann!
Es fehlen mir noch vierzig Francs!"
„Ihr müßt sie borgen oder sie----------."
Der Sträfling spricht das Wort nicht
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
92. Der Brand der Austria.
199
Schwingen, schon darf das Sturmsegel,
womit der Steuermann noch das Schiff
zu lenken und in seiner Bahn zu halten
im Stande ist, nicht mehr gebraucht wer-
den; denn obwohl es aus dem stärksten
doppelten Hanftuche gemacht ist, so zer-
reißt der wüthende, stoßweise kommende
Wind dasselbe doch spielend, ja die
Segel, welche zusammengebunden an den
Raaen vor den Masten hängen, müssen
ganz herabgenommen werden, weil selbst
an diesen kleinen, geringfügigen Gegen-
ständen der Wind zu viel Macht aus-
übt, weil er das Schiff gewaltsam auf
die Seite neigt und es umzustürzen droht.
So seiner Segel gänzlich beraubt, treibt
es nur noch mit den leeren Masten
und ist nunmehr nicht ferner zu lenken,
ist ein Spiel der Winde, ja im höchsten
Stadium des erzürnten Sturmes muß
man sogar die Masten kappen, d. h.
nahe an dem Verdecke abhauen, und
nun fliegt es auf der öden Meeresfläche
umher, rettungslos verloren, nicht durch
den Sturm, der ihm Nichts mehr an-
haben kann, wenn seine Rippen nur
fest sind und die Planken gut und frisch,
sondern dadurch, daß es nicht gelenkt
werden, also auch, wenn der Sturm
vorüber ist, keinen Hafen erreichen kann.
Entweder wird es dann an einer Klippe
zerschellt, oder es bleibt auf einer Sand-
bank sitzen, bis die Wellen ein Brett
nach dem andern losspülen, oder endlich
es treibt auf dem Meere umher, bis
die Mannschaft von Hunger und Durst
zur Verzweiflung gebracht wird und zu
Grunde geht, wenn nicht vielleicht doch
noch der glückliche Zufall den Noth-
leidenden ein Schiff in den Weg führt,
das sie aufnimmt.
Minder lange dauert die Qual der
so durch den Sturm Verunglückten,
wenn dieser sie in einem Insel- oder
Klippenmeere überrascht; zerschmettert
ist bald auf dem glasharten Felsen das
hölzerne, leichte Gebäu, die Trümmer
schwimmen in den Strömungen umher,
der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne,
sucht seine Beute unter ihnen, eine
brandende Welle entreißt Andern die
rettende Planke, mit der sie die nahen
Ufer zu erreichen hofften, und begräbt
sie in des Meeres dunklen Schooß und
am Morgen preisen die Anwohner Got-
tes Güte und danken ihm für den
gesegneten Strand, denn was
die Wogen von der Ladung herauf-
spülen, das gehört ihnen — von Rechts
wegen.
92. Der Brand der Austria.
Am 1. September 1858 verließ die
„Austria", ein gewaltiger Schrauben-
dampfer, unter dem Befehle des Kapi-
täns Heidtmann den Hafen von Ham-
burg, um nach New-Jork zu fahren.
Nebst der an hundert Köpfe zählenden
Bemannung hatte das Schiff noch sechst-
halbhundert Passagiere an Bord, meist
Auswanderer, darunter siebenundfünfzig
Kinder. Das Schiff hatte mit widrigen
Winden zu kämpfen, und erst als man
am dreizehnten Tage der Fahrt in die
Nähe der Sandbänke von Newfoundland
gelangte, wurde das Wetter heiter und
ruhig. Der freundliche Tag hatte am
13. September Nachmittags die meisten
Reisenden auf das offene Deck gelockt;
nur wenige überließen sich in den Ka-
jüten dem Mittagsschlafe. Zu dieser
Zeit wurde das Zwischendeck ausgeräuchert,
aber nicht, wie man gewöhnlich zu thun
pflegt, mit Essigdämpfen, sondern mit
Theer, in welchen man ein Stück glühend
gemachter Ankerkette tauchte. Durch Un-
vorsichtigkeit des die Räucherung vor-
nehmenden Hochbootsmannes gerieth der
Theer in Brand und die Hellen Flam-
men schlugen auf. Wäre Asche zur Hand
gewesen, so hätte der Brand leicht erstickt
werden können; aber man suchte diesen
durch Wasser zu löschen, gab aber da-
durch der Flamme noch mehr Nahrung,
und dieselbe ergriff rasch das Holzwerk.
Die heitere Menge auf dem Verdeck er-
hielt von dem Unfall nicht eher Kunde,
als bis wenige Schritte vom ersten Mast-
baum ein dicker Rauch emporquoll, dem
alsbald die helle Flamme nachfolgte.
So rasend fraß diese um sich, daß schon
nach fünf Minuten eine brennende Scheide-
wand zwischen dem Vorder- und Hinter-
theil des Schiffes entstand. Das Ent-
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
138. Karl Albrecht und Maximilian Iii. in Bayern.
301
Karl Albrecht kehrte wieder in seine
Hauptstadt zurück, aber nur, um dort
sein müdes Haupt zu Grabe zu legen.
Am 22. Januar 1745 endete das Leben
des schwergeprüften Fürsten.
2. Die Regierung Bayerns ging nun
an Karl Albrechts Sohn, den 18jähri-
gen Maximilian Joseph Hi. über.
Bald mußte auch dieser von den wie-
der siegreich gegen Bayern vordringen-
den Oesterreichern aus seiner Hauptstadt
sich flüchten. Er sah im Fortgang des
Krieges kein Heil für sein Volk und er
suchet diesem den Frieden, wenn auch
mit Opfern, zu erkaufen. Darum ent-
sagte er allen Ansprüchen auf Oester-
reich und versprach sogar, Maria
Theresiens Gemahl, Franz von Loth-
ringen-Toskana, seine Stimme bei der
Kaiserwahl zu geben, wogegen er Bayern
ungeschmälert zurück erhielt. Nach
Kräften war nun der edle Fürst bemüht,
die Wunden zu heilen, die der Krieg
seinem Lande geschlagen. Um dem
Volke die Lasten zu erleichtern, wurde
der Hofstaat und das Militär vermin-
dert und aller Prunk abgeschafft; Max
Joseph selbst lebte so einfach wie ein
Privatmann.
Eine Hauptsorge richtete der eben
so einsichtsvolle als wohlwollende Fürst
auf Hebung der Landwirthschaft und
der Gewerbe, des Handels und Ver-
kehrs, so wie auf Förderung der Wissen-
schaften und der Volksbildung, wie auf
Verbesserung der Gesetzgebung. In Be-
ziehung auf letztere beging man aller-
dings einen großen Mißgriff. Das
Strafgesetzbuch war mit drakonischer
Strenge geschrieben, und grausam waren
die Strafen, welche selbst für geringe
Verbrechen verhängt wurden; doch wäre
es sehr ungerecht, daraus einen Schluß
auf das Herz des Kurfürsten ziehen zu
wollen. Selbst eine durch und durch
rechtliche und makellose Natur, wollte
er auch sein Volk zu einem streng-sitt-
lichen herangebildet wissen, und man
mag es verzeihlich finden, wenn er bei
der damaligen Verwilderung des Volkes
mit seinen Räthen in den Irrthum fiel,
durch möglichst strenge Gesetze diesen
Zweck zu erreichen. Jedwede Härte war
seinem milden, wahrhaft väterlichen
Herzen fremd und seine Absichten waren
die reinsten und wohlwollendsten. Das
bewies er am unzweideutigsten zu den
Zeilen der Theuerung 1770 und 71.
Die Hofleute hatten ihm des Volkes
Noth verheimlicht. Eines Morgens aber,
als er aus der Messe ging, umringte
ihn ein Haufen bleicher, abgezehrter
Menschen. „Brod," riefen sie, „Brod,
Herr, wir müssen verhungern!" indem
sie ihre Hände bittend empor streckten.
Mit Entsetzen vernahm Max Joseph
die Schilderung der Hungersnoth. Er
gab den Bittenden all' das Geld, welches
er bei sich trug und versprach ihnen
fernere Hülfe. Und er löste sein Wort
ein. Nicht nur ließ er das Wild aus den
fürstlichen Jagden schießen und das Fleisch
um billiges Geld auspfünden, sondern
alle Kornspeicher wurden geöffnet, und aus
eignen Mitteln ließ der Kurfürst Getreide
aus Italien bringen, um den hungernden
Unterthanen Brod zu verschaffen.
Wie sehr dieser Fürst von seinem
Volke geliebt war, das gab sich in
rührendster Weise bei seiner Krankheit
und bei seinem Tode kund. Im De-
zember 1777 wurde er plötzlich von
den Kinderpocken befallen. Mit Schrecken
drang diese Nachricht in's Volk. In
Kirchen und Häusern wurden Gebete
für den geliebten Landesvater darge-
hracht; täglich kamen von auswärtigen
Städten Boten nach München, um sich
nach des Fürsten Befinden zu erkundi-
gen. In endlosen Jubel brach das
Volk aus, als Besserung im Zustande
des Kranken eintrat, und in Dankfesten
feierte man schon die Rettung des
theuern Lebens. Wie groß aber war
der Schmerz, als plötzlich die Schreckens-
kunde erscholl: „Vater Max ist todt!"
Unrichtige Behandlung des Kranken
hatte einen Rückfall zur Folge, der
nur zu bald einen tödtlichen Ausgang
nahm. Beim Herannahen des Todes
sprach Max: „Lebt wohl! — Leb' wohl
meine Liebe! (zu der weinenden Gattin),
— und ihr meine Landeskinder, mein
theures Bayerland, lebt wohl! Betet
für mich, auch ich werde für euch bei
Gott um Segen bitten." Dann schloß
er seine Augen zum letzten Schlafe am
30. Dezember 1777.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T150: [Maria König Theresia Kaiser Franz Karl Friedrich Joseph Frankreich Sohn], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Karl_Albrecht Karl Albrecht Maximilian_Iii Maximilian Karl_Albrecht Karl Albrecht Karl_Albrechts Karl Albrechts Maximilian_Joseph_Hi Maximilian Maria
Theresiens Maria Franz_von_Loth-
ringen-Toskana Franz Max
Joseph Max Max_Joseph Max Max Max Max
145. Die letzten Tage des Königs Maximilian Ii.
315
Und wenn die Priester beten den langen Klagchoral,
Glüht da noch der Begeisterung, der Liebe warmer Strahl:
Der war ein großer König, der war der Menschheit Held,
Werth, daß ihm noch die Thräne des fernen Enkels fällt.
Bei hingegangenen bedeutenden Men-
schen drängt sich neben der Frage: wie
haben sie gelebt? unwillkürlich auch die
auf: wie haben sie geendet? Die Ge-
schichte weis't uns gar viele Beispiele
auf, wo ein glanzvolles und viel be-
neidetes Leben mit unsäglichem Jam-
mer abschloß, wobei uns das Wechsel-
volle, Trügerische und Nichtige alles
Irdischen recht klar vor die erschütterte
Seele geführt wird. Ruhig und erhebend
dagegen wird das Gemüth gestimmt,
wenn wir vernehmen, wie dem Leben
eines ausgezeichneten Menschen auch sein
Ende entsprach, wie er den Adel seines
Wesens bis zum letzten Hauche bewahrte
und beim Scheiden alle Schmerzen und
Schauer eines qualvollen Todes mit
Muth und Ergebung überwand.
Ein solches Beispiel gibt uns das
Hinscheiden des Königs Maximilian Ii.
von Bayern, des Herrschers mit dem
besten Herzen.
Auf den Rath seiner Aerzte begab
sich König Maximilian im Oktober 1863
nach Italien, in dessen milder Luft er
Stärkung und Erholung seiner ange-
griffenen Gesundheit zu finden hoffte.
Da brach der Hader um Schleswig-
Holstein auf's Neue aus, und kein Ruhig-
blickender konnte sich die Gefahren ver-
hehlen, welche aus diesem Streite für
Deutschland erwachsen würden. König
Max hatte in der Schleswig-Holstein-
schen Frage stets mit aller Gewissen-
haftigkeit den strengen Standpunkt des
Rechtes festgehalten. Auf ihn richteten
sich daher bei den eingetretenen Ver-
wickelungen die Blicke aller redlichen
Baterlandsfreunde, nicht nur in Bayern,
sondern in ganz Deutschland, und be-
sonders die Blicke der Schleswig-Hol-
steiner selbst. Bei der bedenklichen Lage,
in welche diese Angelegenheit durch das
bundeswidrige Verhalten Preußens und
Oesterreichs gekommen war und bei der
täglich wachsenden Aufregung in Deutsch-
land wurde in Bayern der Wunsch laut,
es möge der Landesvater aus Italien
L. A. Frankl.
zurück kehren. Sofort erklärte Maxi-
milian sich zur Erfüllung dieses Wun-
sches bereit, obgleich er fühlte, die Sorge
für seine Gesundheit fordere noch auf
längere Zeit Ruhe und milderes Klima.
„Mein Volk ahnt nicht, welches Opfer
ich ihm bringe. Dasmilde Klima Italiens
ist mir zur Wiedererlangung meiner Ge-
sundheit unerläßlich; ich fühle es, daß
ich größerer Schonung bedarf, als meine
Aerzte glauben," — so äußerte er zum
Freiherrn v. Wendtland. Dennoch ließ
er gleich nach München telegraphisch be-
richten, daß er unverweilt in seine treue
Hauptstadt zurück kehre, eingedenk seiner
Regentenpflichten, die er stets über Alles
gestellt habe. Schon am 15. Dezember
kam er, vom Jnbel des Volkes empfan-
gen, in München an. Mit aller Ent-
schiedenheit trat er nun für die Rechte
der Herzogthümer ein, und es war sein
und seiner Regierung ernstestes Bestre-
den, bei dem Bunde und durch den
Bund die Lösung der verwickelten Streit-
frage zu erzielen. Leider scheiterten seine
wohlmeinenden Absichten an dem Wider-
streben der beiden „Vormächte Deutsch-
lands", wie sich Preußen und Oester-
reich nannten. Neben der angestreng-
ten und aufregenden Thätigkeit für die
Sache der Herzogthümer, wie sie Maxi-
milian bis zum letzten Tage seines
Lebens entfaltete, mag der Schmerz über
die unerquickliche Wendung derselben
nicht wenig dazu beigetragen haben,
daß des Königs angegriffene Gesund-
heit völlig erschüttert und daß endlich
jener schnelle und unerwartete Ausgang
herbeigeführt wurde, welcher Bayern in
so tiefe Trauer versetzte.
Sonntags den 6. März fühlte der
König beim Reiben der Haut mit einer
Bürste, was er seit einem Jahr zu
thun gewohnt war, auf der linken Seite
der Brust einen oberflächlichen Schmerz
und stand sogleich vom Reiben ab.
Schon am Abende hatte sich an der
schmerzenden Stelle eine Geschwulst ge-
bildet, welche sich immer mehr und zwar
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag]]
Extrahierte Personennamen: Maximilian_Ii Maximilian Muth Maximilian_Ii Maximilian Maximilian Maximilian Max Max
Extrahierte Ortsnamen: Bayern Italien Schleswig-
Holstein Deutschland Bayern Deutschland Oesterreichs Deutsch- Italien
L._A._Frankl Italiens
177. Der Bergbau.
377
schon seit den ältesten historischen Zeiten
jeder heftige Sturm, der den ehemaligen
Waldboden aufwühlt, das werthvolle
Fossil an den Strand wirft, und daß
wahrscheinlich eine späte Zukunft sich noch
in unvermindertem Maße seines Fundes
erfreuen wird. —
In den Seestädten Danzig und
Königsberg, wo der meiste See-
und Erdbernstein zusammenfließt, wird
er je nach seiner Größe und Qualität
sortirt. Die größeren, feinen und reinen
Stücke, etwa bis zum Umfang einer
Haselnuß, sind Sortiments- und
Arb eit s steine; die kleineren heißen
kleine Waare. Den durchscheinen-
den Beruftem schätzt man höher, als
den durchsichtigen und den undurch-
sichtigen; diese beiden stehen daher auch
um ein Drittel im Preise niedriger, als
die ersteren. Von der kleinen Waare,
aus denen sich noch Lohnen- und erbsen-
große Corallen drehen lassen, kostet das
Pfund gewöhnlich 1—2 fl. — Was aber
hierzu nicht mehr taugt, wird zur Fir-
niß-, Oel- und Säurebereitung oder zum
Räuchern verbraucht und von 21¡2 bis
zu 15 Silbergroschen das Pfund verkauft.
Der Bernsteinarbeiter muß an den
vorhandenen Stücken mit Feile, Meißel
und Grabstichel seine Kunst erproben und
je nach der Vollkommenheit und Voll-
endung der dargestellten Gegenstände dem
rohen Stoffe einen höheren Werth er-
theilen. —
Der beste durchscheinende Bern-
stein geht zum Großhandel nach dem
Orient; der durchsichtige und der ganz
undurchsichtige wird von den Morgen-
ländern verachtet. Die sehr geschickten
Arbeiter in Constantinopel fertigen dar-
aus Mundstücke zu türkischen Pfeifen-
röhren an, welche oft mit Perlen und
Edelsteinen aller Art verziert und zu
fast unglaublichen Preisen an die Großen
des Reiches verkauft werden. Eine etwas
geringere Sorte rohen Bernsteins pflegt
über London und Kopenhagen nach China,
Japan, Ost- und Westindien zu gehen.
Auch Rußland bezieht viel Bernstein,
der, sehr zierlich und künstlich verarbeitet,
im ganzen russischen Reiche verbreitet
ist. — Bei uns ist der Handel mit
Bernstein jetzt nicht mehr so bedeutend,
obgleich noch Halsschnüre, Pfeifen- und
Cigarrenspitzen daraus verfertigt werden.
Der verfeinerte Luxus, der den Schmuck
der genügsameren Vorfahren verschmäht,
hat durch die geringere Nachfrage nach
diesen Fabrikaten den Erwerb der damit
Beschäftigten so beschränkt, daß sie sich
nur kärglich ernähren können.
177. Der
1. Ein klarer, frischer Herbstmorgen
tagt. Die ersten Strahlen der auf-
gehenden Sonne beleuchten eine rauhe,
steinige Gebirgsgegend. Rings herrscht
tiefe Stille, nur unterbrochen von dem
Geläute einzelner Glöckchen, das hier
und da aus dem Thale und von den
Berghöhen herüberklingt. Aus dem Dun-
kel des Thales steigen jetzt einzelne Ge-
stalten herauf. Es sind Bergleute in
ihrer eigenthümlichen Tracht, und ihre
ernsten Mienen deuten auf ein ernstes
Thun, zu dem sie sich rüsten. Das
Glöcklein ruft sie zur Fahrt in die Tiefe.
Glück auf! ihr Männer, Glück auf zur
rüstigen Arbeit, deren Mühen und Ge-
fahren die Nacht der Tiefe vor den
Augen der Welt verhüllt. Die dumpfe
Stille wird bald unterbrochen von den
Bergbau.
klirrenden und schrillenden Hammer-
schlägen der Arbeiter, vom Knarren und
Dröhnen der Räder und Maschinen,
oder dann und wann vom Krachen ein-
zelner Schüsse, die mächtig widerhallen
und in fernem Beben sich verlieren,
oder vom Donner einer gesprengten
Mine, der langsam durch die unter-
irdischen Gänge hinrollt.
Warum, fragst du schaudernd, wagt
der Mensch sich in diese unheimlichen
Tiefen, warum wühlt er sich diese Gänge
und Höhlen, die nie der goldene Glanz
des Tages belebt? In diesen Tiefen
ruhen die köstlichsten Schätze der Erde;
mächtig locken dieselben und reichlich
lohnen sie die Mühe der Arbeit. Sie
sind, wie sie es vor Alters waren, noch
heut die Grundlagen aller Industrie und
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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Extrahierte Personennamen: Bernstein Bernstein
Extrahierte Ortsnamen: Danzig Königsberg Constantinopel London Kopenhagen China Japan Westindien
37. Aus dem bayerischen Alpengebirg.
67
so ist; denn der unparteiische Richter wird
immerhin das Halleiner Salzbergwerk dem
Berchtesgadener voran stellen.
Nachdem man mich auf der Schreib-
stube des Bergmeisters in Bergmannshabit
gehüllt, mir ein Grubenlicht in die Linke
und einen dicken bocksledernen Handschuh
in die Rechte gegeben hatte, folgte ich dem
Hutmann, der mich in die Unterwelt führen
sollte, und zwar etwas schüchtern und zag-
haft, denn es war das erstemal in meinem
Leben, daß ich ein Bergwerk befuhr. Der
870 Fuß lange Stollen ist mit dem schön-
sten röthlichen Marmor in eirunder Form
so hoch gewölbt, daß ein nicht allzulanger
Mann aufrecht stehen und bequem darin
gehen kann.
Bald erreichten wir eines von den großen
Senkwerken. So nennt man da eine große,
in Form eines Vierecks in den Salzfelsen
eingehauene Höhlung, in welche viele kreuz-
weis durcheinander laufenden Gänge ein-
münden. In diese Gänge, die anfangs nur
klein von Umfang sind, wird von außen
durch Röhren süßes Wasser geleitet, wodurch
das Steinsalz losgefressen und aufgelös't
wird. Die so gewonnene Soole wird als
gesättigt angesehen, sobald sie 26° erreicht
hat. Alsdann fließt ste wieder zu Tage
und wird durch eiserne Röhren nach dem
etwa vier Stunden entfernten Reichenhall
geleitet und dort zur Salzgewinnung ver-
sotten.
Endlich stand ich am Rande eines schauer-
lichen Abgrundes, dessen Tiefe in undurch-
dringliches Dunkel gehüllt war. In die
Tiefe hinab führten zwei rundliche, parallel
laufende Balken. Auf diese mußte ich mich
setzen, mit der Linken das Licht haltend,
mit der behandschuhten Rechten das Seil
fassend, welches längs des einen Balkens
hinablief. „Halten's nur hübsch das Seil
fest," sprach der Mann zu mir, und mit
einem „Fahr wohl!" fuhr ich darauf, indem
ich das Seil etwas locker hielt, mit Blitzes-
schnelle, wie auf den Fittigen des Stein-
adlers, hinunter in die schwarze Tiefe, daß
mir die Haare pfiffen. Das nennen sie die
Rutschbahn, und ich muß gestehen, sie
verdient meinen ganzen Beifall.
Nachdem ich noch ein anderes Werk,
überhaupt alles von Wichtigkeit in Augen-
schein genommen, bereiteten wir uns zur
Rückfahrt. Wir benützten ein kleines auf
Schienen fahrendes und zum Sitzen bequem
bepolstertes Rollwägelchen und fuhren erst
langsam und dann immer schneller und
schneller der Ausfahrt zu. Wie ein kleines,
funkelndes Sternlein aus blauer Himmels-
serne winkte der Eingang des Stollens ent-
gegen, so klein schien seine Oeffnnng zu
sein. Diese wurde immer größer und größer,
je mehr wir uns ihr näherten. Endlich
war die kurze Täuschung vorbei und ich
stand wieder am Anfang und zugleich am
Ende meiner kurzen, aber anziehenden un-
terirdischen Wanderung.
Recht wohl that mir wieder der erwär-
mende Strahl der Nachmittagssonne, als
ich aus dem kühlen Gewölbe heraustrat.
Ii.
Bald darauf wanderte ich zu dem be-
rühmten Kö ui gssee, wohin es von Berch-
tesgaden aus etwas über eine Stunde ist.
Her Weg dahin ist schattig und angenehm
und führt an einsamen Mühlen und Ka-
pellen vorüber. Die letzte Strecke des Weges
geht durch ein Wäldchen und aus diesem
tretend, steht man mit einemmale an den
Ufern des herrlichen See's, der seinen Na-
men mit vollem Rechte trägt.
Wer beschreibt aber die Pracht des Kö-
nigssee's und das hohe Vergnügen einer
Fahrt auf demselben? Wie ein ungeheurer
Smaragd, ein köstlicher Edelstein in der
Gebirgskrone des lieben Vaterlandes, liegt
der etwa zwei Stunden in der Länge und
1/t Stunde in der Breite messende See vor
den überraschten Augen des Beschauers.
Den Rahmen dieses prächtigen Edelsteines
bilden die himmelhohen, fast senkrechten Fels-
wände der Stahlwand, des Fagsteins und
des Watzmanns, dessen in ewigem Schnee
gehüllter, mit einem Kreuze geschmückter
Gipfel so ernst herunterschaut. Im Süden
liegen die beschneiten Zacken des steiner-
nen M e e r e s und im Osten winkt die
gewaltige Masse des hohen Göll. Ufer
hat der See eigentlich gar keine; er ist eine
gewaltig tiefe, romantisch gestaltete Kluft,
angefüllt mit einem stillen, fast papagei-
grünen Gletscherwasser. Viele tausend Fuß
hoch stürzen die Riesenhäupter ohne Ufer-
rand ab in den See, bis über die Mitte
der Höhe hinauf mit Laub- und Nadel-
waldung bewachsen.
Rechts und links stürzen Waldbäche von
den hohen, marmornen Wänden in die tiefe
Stille herab. Darunter 2400 Fuß hoch
mit lautem Brausen der Königsbach.
Der schönste dieser Wasserstürze ist der so-
genannte K e s s e l f a l l in einer nun zugäng-
lich gemachten Felsenspalte. Unweit davon
überraschte uns ein Donnerwetter ohne
Regen; es rührte jedoch nur vom Abfeuern
einer Pistole her; aber es war ein grau-
senerregender Schlag mit einem nachfolgen-
den, mächtig brüllenden Donner, der sich
von Wand zu Wand forttrug, bis er sich
5 *
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87. Der Mississippi.
189
überfallen wurden; noch furchtbarer war
das der Menge von Unglücklichen, die
verwundet, an ihren Gliedern zerschmet-
tert, die Ihrigen überleben mußten und
dann aus Mangel an Pflege und Nah-
rung dennoch umkamen.
Eine finstere, dicke Staubwolke, die
sich anfangs über die Stadt erhoben
und die Luft gleich einem dicken Nebel
erfüllt und verdunkelt hatte, schlug sich
gegen Abend zur Erde nieder; die Luft
wurde rein, die Erde ruhig und die
Nacht still und schön. Der fast volle
Mond beleuchtete die Schreckensscene,
die mit Trümmern und Leichen bedeckte
Erde und den namenlosen Jammer der
Unglücklichen. Mütter trugen die Leichen
ihrer Kinder im Arme, in der Hoff-
nung, sie wieder in's Leben zu brin-
gen; jammernde Familien durchwühlten
die Schutthaufen, die am Morgen noch
eine reich blühende, belebte Stadt waren,
nur einen Bruder, einen Freund zu
suchen, dessen Schicksal unbekannt war.
Die unter dem Schutte begrabenen Ver-
wundeten riefen die Vorübergehenden
laut flehend um Hülfe an; über 2000
wurden hervorgezogen.
Nie hat wohl das Mitleid sich rühren-
der, erfinderischer gezeigt, als in den An-
strengungen, diesen Unglücklichen, deren
Seufzer man hörte, Hülfe zu verschaffen.
Man mußte sie mit den Händen her-
ausgraben, denn es mangelte an allen
Werkzeugen zur Hinwegräumung des
Schuttes. Betten, Leinwand zum Ver-
87. Der
Die Einfahrt in den „Vater der
Ströme" vom Ohio aus bietet durch-
aus nicht das Majestätische dar, wie
man es erwartet; man blickt auf eine
breite Wasserfläche, umsäumt von nied-
rig scheinendem Walde; aber ungemein
überraschend ist der plötzliche Uebergang
aus den sanften und klaren Fluthen
des Ohio in die trübe, mit grimmiger
Hast dahinschießende Strömung des
Mississippi. Lange kämpfen die hellen
Wasser des Ohio mit den schmutzig gel-
den Fluthen des Mississippi, bis diese
jene endlich verschlingen und mit sich
bände der Wunden, Arzneien, Nahrungs-
mittel, alle Gegenstände der ersten Be-
dürfnisse waren verschiittet, das Wasser
im Innern der Stadt war jogar selten
geworden, da die Erdstöße theils die
Brunnenleitungen zerschlagen, theils die
Quellen verstopft hatten. Es war un-
möglich, so viele tausend Todte zu be-
graben; deßhalb wurde verordnet, für
die Verbrennung zu sorgen. Mitten im
Schutte der Häuser wurden Scheiter-
haufen für die Unglücklichen errichtet, und
dieses Geschäft dauerte mehrere Tage.
Unter diesem allgenreinen Jammer
vollzog das Volk die religiösen Gebräuche,
mit welchen man den Zorn des Him-
mels zu besänftigen hoffte. Einige stell-
ten feierliche Prozessionen an, bei wel-
chen sie Leichengesänge ertönen ließen;
Andere, von Geistesverwirrung befallen,
beichteten laut auf der Straße. Rück-
erstattungen wurden von Leuten ver-
heißen, die man keines Diebstahls schuldig
wußte; Familien, die lange in Feind-
schaft gelebt, versöhnten sich in dem
Gefühle gemeinsamen Unglücks. — Ach!
so ist das Gemüth der schwachen Men-
schen beschaffen! — Jahre lang wan-
deln wir unter den Freuden des Lebens
umher und enrpfangen tausend Wohl-
thaten aus der Hand des Vaters im
Himmel: sie rühren unser Herz nicht
und führen uns weder zur Gottesfurcht,
noch zur Besserung. Nur der Schrecken
der Natur und des Unglücks können
uns erschüttern.
fortreißen. Nicht, daß auch die For-
mation der Ufer eine auffallende Ver-
schiedenheit zeigte, oder daß der Haupt-
strom bedeutend breiter wäre als sein
mächtiger Nebenfluß; aber der Charakter
des ersteren ist ein vollkommen anderer.
Es ist nicht mehr das milde, friedliche
Dahingleiten eines bernsteinhellen Was-
sers, in dem sich anmuthige Hügelketten
und schön gerundete Inseln spiegeln,
sondern es ist das wüste Thalabwärts-
Wüthen eines sinstern, stolzen Wüsten-
dämons zwischen Sandbänken, die er
in seiner Zerstörungslust heute zur Rech-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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294
Iii. Geschichtsbilder.
mit einem kleinen Heere, aber mit
den erprobten, unter ihm geschulten
Genossen seiner Siege, Italien zu, die
Wünsche und Hoffnungen von ganz
Oesterreich mit sich tragend. Gleich den
Helden des Alterthums, kühne Unter-
nehmungen liebend, bewerkstelligte er,
ein zweiter Hannibal, bald nach seiner
Ankunft im kaiserlichen Lager zu Ro-
veredo und nach Erforschung des Ter-
rains, unter unsäglichen Mühen und
Beschwerden jenen ewig denkwürdigen
Uebergang über die unzugänglichen Fel-
sengebirge ' zwischen den trientinischen
und vieentinischen Alpen, über welche
weder Wagen noch Roß noch irgend ein
Wanderer gekommen war. Vor keiner
Schwierigkeit schreckte seine Kühnheit zu-
rück, und die Truppen folgten ihm mit
blindem Vertrauen auf die höchsten Alpen-
gipfel. Ganz Europa erfüllte dieser verwe-
gene Zug mit staunender Bewunderung.
Die Franzosen aber sahen den kühnen
Feldherrn beschämt und erstaunt auf
den Ebenen Italiens anlangen. Ihre
Stellung war verfehlt, alle ihre Pläne
vereitelt, und bestürzt eilten sie aus
ihren Engpässen herbei, ihm den Ueber-
gang über die Etsch zu wehren. Aber
Eugen schlug sie in mehreren Treffen
und nahm 1702 zu Cremona selbst
den französischen Marschall Villeroi ge-
fangen. Mangel an Truppen, sowie Geld-
noth hinderte zwar seinen Siegeslauf,
aber die Furcht seiner glänzenden Thaten
war, England und Holland für Oester-
reichs Sache zu gewinnen.
Die nächste glänzende Waffenthat
in diesem Kriege vollführte Eugen in
Deutschland, wo ihm nunmehr der Ober-
befehl über die am Rhein und an der
Mosel stehenden Truppen übertragen
war. Eugen und der englische Feld-
herr Marlborough, welcher mit den hol-
ländisch-englischen Streitkräften in den
Niederlanden stand, zwei der größten
Feldherren ihres Jahrhunderts, die das
Beispiel einer edlen, uneigennützigen
Freundschaft boten, erkannten, daß an
der Donau ein entscheidender Schlag
geführt werden müsse und vereinigten
daselbst ihre Truppen.
Am 13. August 1704 kam es
zur entscheidungsvollen Schlacht bei
Höchstädt, in welcher das französisch-
bayerische Heer gänzlich geschlagen wurde.
Eugen selbst hatte im dichtesten Gewühl
der Kämpfenden gestanden und einige
Mal in Lebensgefahr geschwebt. Die
Franzosen und ihre Bundesgenossen flohen
gedemüthigt über den Rhein zurück.
Im Jahre 1706, unter Joseph I.,
Kaiser Leopold's Nachfolger, vertrieb
Eugen, wiederum in Italien kämpfend,
die Franzosen gänzlich vom italienischen
Boden und drang sogar in Frankreich
bis Toulon vor. So brachte er ganz
Oberitalien wieder in den Besitz des
Kaisers. Auch auf dem dritten Kriegs-
zuge 1707, als in den Niederlanden
die Kriegsflamme mit furchtbarer Hef-
tigkeit ausgebrochen war, folgte seinen
und Marlborough's Waffen ein Sieg
nach dem andern, von denen wir der
großen Schlacht bei Oudenarde (1708)
und der bei Malplaquet (1709)
ausdrücklich gedenken wollen.
Wenn trotzdem Oesterreich nur ge-
ringe Früchte dieser Siege erntete, so
lag die Schuld an der veränderten
Lage der Verhältnisse, namentlich daran,
daß England sich von seinem Bundes-
genossen zurückzog und mit Frankreich
einseitig Frieden schloß, so daß dem
Kaiser nichts übrig blieb, als sich der
bittern Nothwendigkeit zu fügen.
Durch seine glänzenden Thaten in
dem 1716 unter Kaiser Karl Vi. aus-
gebrochenen abermaligen Kriege mit den
Türken, welche das im Carlowitzer Frie-
den an Venedig als Bundesgenossen
Oesterreichs abgetretene Dalmatien und
Morea wieder an sich zu bringen trach-
teten, setzte Eugen seinem Waffenruhme
die Krone auf. Er brachte den Türken
gleich Anfangs in der blutigen Schlacht
bei Peterwardein (5. August 1716)
einen bedeutenden Verlust bei, und bald
darauf mußten sie das Banat räumen.
Im folgenden Jahre überschritt er die
Donau und nahm die wichtige Festung
Belgrad. Hierauf bezieht sich das
allbekannte deutsche Volkslied:
„Prinz Eugenius, der edle Ritter,
Wollt' dem Kaiser wied'rum kriegen
Stadt und Festung Belgerad u. s. w.
In Serbien und die Walachei ein-
dringend, eroberte er auch die meisten
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T197: [Italien Mailand Stadt Rom Venedig Neapel Republik Kaiser Genua Sardinie], T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T9: [Frieden Napoleon Krieg Kaiser Frankreich Friede Preußen Rußland Jahr Franz]]
Extrahierte Personennamen: Hannibal Eugen Marschall_Villeroi Eugen Eugen Marlborough August Eugen Joseph_I. Eugen Eugen Karl_Vi Karl Eugen Eugen August Eugenius
Extrahierte Ortsnamen: Italien Oesterreich Europa Italiens Cremona England Holland Deutschland Rhein Niederlanden Donau Rhein Italien Frankreich Toulon Oberitalien Niederlanden Oesterreich England Frankreich Frie- Venedig Oesterreichs Dalmatien Donau Belgrad Serbien