58 Die Deutschen Landschaften.
Auf den Tüneninseln mit ihrer reinen stärkenden Seeluft sind vielbesuchte
Seebäder entstanden, unter denen Borkum, Norderney (f. S. 54) und
Sylt hervorragen. Helgoland (|. S. 54), gegenüber der Elbemündung, ist
ein Felseneiland und ein gleichfalls stark besuchtes Seebad. Es hat Befestigungs-
anlagen. Zwischen den Düneninseln und der Küste liegt das 1—2 Stunden
breite Wattenmeer (f. S. 50), das bei Ebbe an manchen Stellen zu Fuß über-
schritten werden kann, bei Flut aber vom Wasser bedeckt ist.
Untiefen, Sandbänke und Inseln gefährden die Zufahrt in hohem Maße,
schützen aber auch die deutsche Küste im Kriege, wo alle Seezeichen eingezogen
werden, gegen feindliche Überfälle. Schutz gewähren den Seeschiffen die tief-
eingreifenden Buchten und die Flut trägt die Fahrzeuge tief ins Binnenland
hinein. Die Buchten der Nordsee sind: der Tollart mit der Emsmündung, der
Jadebusen, die Trichtermündungen der Weser und der Elbe. Tie deutsche
Nordseeküste zeigt also erhebliche Gliederung.
An den Buchten entstanden die wichtigsten Stapelplätze des Handels und
Verkehrs x): an der Wesermündung Bremen und an der trichterförmigen Elbe-
mündung Hamburg, Deutschlands größte Seestädte.
Tie Freie und Hansestadt Hamburgs (f. S. 56). Hamburg liegt 120 km vom
Meere entfernt an der Stelle, wo die Elbe sich seeartig zu erweitern beginnt und zahlreiche
Inseln ein Überschreiten des Flusses ermöglichen. Hier bildet zugleich die von Norden
einmündende Alster zwei geräumige Becken, die Binnen-Alster und die Außen-Alster, die
sich zu trefflichen Häfen für die Flußschiffe eiguen. Bis Hamburg hinauf dringt die Flut
und trägt die größten Seeschiffe fast vor die Tore der Stadt. Hamburg ist also e i n F l u ß -
und ein Seehafen zugleich. Von größter Bedeutung für die Entwicklung seines
Handels ist die Elbe; denn diese führt die vielfältigen gewerblichen Erzeugnisse des mitt
leren Flachlandes, Sachsens, ja sogar Böhmens der Seestadt zu und bringt ihnen dafür
die Rohprodukte der überseeischen Länder. Zudem ist Hamburg der Endpunkt zahlreicher
Eisenbahnlinien. So wurde die Stadt der Hauptausfuhrhafen für die Erzeugnisse Deutsch-
lands und Österreichs einerseits und der Haupteinfuhrhasen für Kolonialwaren anderseits.
Als Seehafen nimmt es unter allen Seestädten des Kontinents den e r st e n Rang ein.
Es unterhält regelmäßige Dampserverbindungeu mit allen Seestaaten der Erde, be-
sonders mit Großbritannien, Nord- und Südamerika und den deutschen Kolonien. Tie
Hamburg-Amerika-Linie zählt zu den größten Schiffahrtsgesellschaften der Welt. Die größte
Sehenswürdigkeit Hamburgs ist sein Hafen mit den großen Ozeandampfern und dem Masten-
wald der Segelschiffe, mit den unabsehbaren Kais und den Lagerhäusern der Fabriken,
den verschiedenen Bassins, Brücken und Kranen und dem verwirrenden Getriebe der
Boote, Barken und Tampsschisfe. Sein Verkehr ist nahe daran, den Londons zu überflügeln.
Andere Merkwürdigkeiten der Stadt sind der Jungfernsteg mit seinen Palästen, die alten
Fleets (schmale Kanäle, umrahmt von alten hohen Häusern), die ausgedehnten Anlagen
und die deutsche Seewarte am Hochufer der Elbe, wichtig durch ihre Sturmwarnung und
die Wettervorhersage. Seiner Einwohnerzahl nach (940 000 Einw., mit Altona und Vor-
orten 1*4 Mill.) ist es die zweitgrößte Stadt des Reiches. Ter Vorhafen von Hamburg
ist E u x h a f e n.
Tie Freie Hansestadt Bremen. Bremen an der Weser, 250 000 Einw.,
ist die zweitwichtigste Seehandelsstadt des Deutschen Reiches, der wichtigste Einfuhrhafen
1) Stavel — Warenniederlage zum Zwecke des Verkaufs oder des Versands.
2) Die Hanse (nicht Hansa nach Professor Dietrich Schäfer) war ein mächtiger Städte-
bund im Mittelalter zum Schutze des deutschen Handels. Ihr Vorort war Lübeck.
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Iv. Das Norddeutsche Tiefland. 67
Kgl. Schloß Düsternbrook
Kriegsschiffe, Segelboote Ufer bis 30 m Höhe mit herrlichem Buchenwald Festung Fnednchsort
Aufnahme der Photo»lob>Co,, Zürich.)
Förde. Dock der Kaiserl. Werft bei Ellerbek.
Sie bilden die besten natürlichen Häfen der deutschen Küste und ihre schönste Strecke. Unter allen deutschen
Ihre Länge beträgt 10 km, ihre durchschnittliche Breite 1 km, die größte Tiefe bis 19 m.
Kreideküste von Stubbenkammer bei Saßnitz auf der Insel Rügen. Höhe der Steilküste 8v m.
Shts den grünen Meereswellen und den dunklen Buchenwäldern heben sich die schneeweißen Kreidewände der
Insel malerisch hervor, ein prächtiges Seitenstück zur Insel Helgoland.
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512
Wohnhaus und enthält gleichfalls einen sogenannten Pesel; gegen Osten und
Norden liegen Ställe und gegen Westen die Tenne. — Das ganze Gebäude hat
ein 40 Fuß und darüber hohes Dach, welches in Form einer vierseitigen Pyramide
oben spitz ausläuft und stets mit Stroh bedeckt ist. Nur die stärksten Hommerschen
Balken vermögen die Spannung der ungewöhnlichen Raumverhältnisse zu tragen.
Wegen der Kostbarkeit solcher Bauten ist man in neuerer Zeit mehrfach von dieser
Bauart abgewichen, sodaß die Zahl der alten ehrwürdigen Hauberge von Jahr
zu Jahr immer mehr abnimmt.
27. Die Vogelkojen auf Föhr und Silt (Seeland).
Die Jagd auf Enten und andere Wasservögel ist besonders merkwürdig und
ergiebig auf der Insel Föhr. Der Vogelfang ist für manche Familien auf dieser
Insel ein nicht unwichtiger Erwerbszweig und hat manches Eigene, das auf dem
festen Lande wenig bekannt ist. Er geschieht auf zweierlei Art, theils mit Schlag-
netzen, theils in Vogelkojen.
Die Beschaffenheit der Vogelkojen läßt sich nur unvollkommen und schwer
deutlich genug beschreiben. Zu einer Vogelkoje ist ein Stück Land von 15 bis 1600
Quadratruthen erforderlich. In der Mitte derselben ist ein großer Teich gegraben
von solcher Tiefe, daß er immer Wasser halten kann. An allen vier Seiten ist ein
ziemlich hoher Erdwall aufgeworfen, der aber an den Ecken des Teiches nicht zu-
sammenhängt; denn von jeder derselben geht ein langer, etwas gekrümmter Graben
aus, der die Pfeife genannt wird. Da wo derselbe mit dem Teiche zusammenhängt,
ist er 9 bis 10 Ellen breit und ziemlich tief, wird aber allmählich schmäler. An der
äußeren Seite dieses Grabens ist gleichfalls ein Erdwall aufgeworfen, der gegen
das Ende allmählich niedriger wird und auf dem ganz kurze Pfähle stehen. Gegen-,
über auf der andern Seite ver Pfeife, wo kein Wall ist, stehen lange Pfähle, deren
Ende mit jenen auf dem Walle horizontal ist. Auf diesen Pfählen wird über die
Pfeife ein Netz gespannt und vor das Ende derselben ein Hamen oder eine Reuse
befestigt. Dicht außen vor den langen Pfählen stehen Schirme oder Zäune von
Schilfrohr, schräge gegen den Graben gestellt, ungefähr wie Coulissen auf dem
Theater. Dann folgt ein langer Zaun in gerader Linie längs der Pfeife, welcher
alle Aussicht von dem Graben begrenzt, sodaß außerhalb dieses Zaunes ein Mensch
gehen kann, ohne von den Vögeln in der Pfeife gesehen zu werden. Solcher Pfeifen
sind vier, auch wohl sechs bei einer Koje, damit der Fänger allemal in einer solchen,
die abwärts vom Winde gelegen ist, fangen kann, weil sonst die Vögel von ihm
Witterung bekommen und davon fliegen würden. Die Wälle und der übrige Platz
an der Koje sind mit Schilfrohr, Bäumen und Sträuchern aller Art bewachsen,
so daß sie einem kleinen Walde oder einer Wildniß ähnlich sieht.
In der Koje ist immer eine Anzahl Vögel, welche das ganze Jahr hindurch
täglich zweimal in der Mündung der Pfeife gefüttert werden. In der einen Koje
auf Föhr sind manchmal jährlich über 50 Tonnen Gerste aufgefüttert worden. Es
werden auch einige hundert Vögel halb zahm gemacht. Man beschneidet ihnen die
Flügel, füttert sie an einem eingeschlossenen Ort in der Koje, bis ihnen die Federn
wieder wachsen und läßt sie dann in die weite Welt fliegen. Diese suchen das
folgende Jahr mit ihrer Brut und vielen andern die Koje wieder heim und ver-
größern den Fang.
Der Fang nimmt mit den ersten Tagen des August seinen Anfang und dauert
so lange, bis es so stark friert, daß das Wasser in der Koje mit Eis bedeckt ist. So-
bald dieses geschieht, verlieren sich die Vögel auf einmal. Im September und Ok-
tober ist die beste Fangzeit.
Beim Fange selbst verfährt man auf folgende Weise. Wenn sich wilde Vögel
in dem Teiche einfinden, so folgen diese den zahmen, wenn sie gefüttert werden,
bis in die Pfeife. Sobald der Fänger, den der Zaun vor den Vögeln verbirgt,
merkt, daß Vögel da sind, tritt er hinter dem Zaun hervor und zeigt sich denselben.
Diese wagen nicht mehr in den Teich zurück zu fliehen, weil er demselben näher
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129
mögen auf gescheiterten Schiffen in ihrer Noth die Hände verge-
bens nach Hülfe ausgestreckt — aber in den Wogen des Meeres ihr
Grab gefunden haben!
Wer goß das Wasser reichlich aus
In Quellen, Bachen, Seen?
Wer streut im Winter Flocken aus
Wer heißt die Winde wehen?
Wer führt die Wolken, tröpfelt Thau
Auf Wiesen, Gärten, Felder?
Alle Tropfen in den Bächen
Hör' ich rauschend zu mir sprechen:
Nur von Gott kommt Alles her,
Auch der Tropfen und das Meer! —
1. Das Bächlein.
Du Bächlein silberhell und klar, du eilst vorüber immerdar,
am Ufer steh ich, sinn und sinn: „Wo kommst du her? Wo gehst
du hin?" „Ich komme aus dunkler Felsen Schooß; mein Lauf geht
über Blum' und Moos; auf meinem Spiegel schwebt so mild des
blauen Himmels freundlich Bild. Drum hab ich frohen Kindersinn;
es treibt mich fort, weiß nicht wohin. Der mich gerufen aus den:
Stein, der, denk ich, wird mein Führer sein."
2. Des Wassers Rundreise.
Blumen sprachen zu der Welle: „O du eiliger Geselle, eile doch
nicht von der Stelle!" Doch die Welle sagt dawider: „Ich muß in
die Lande nieder, weithin auf des Stromes Pfaden, mich im Meere
jung zu baden; aber dann will ich vom Blauen wieder auf euch
niederthauen."
3. Der Steg.
Ein Bächlein fließt das Thal entlang, '8 Kind möcht hinüber,
es wird ihm bang. Es möchte sich drüben die Blümchen besehn
und kann doch nicht über das Wasser hingehn. Zum Gehen führt
über das Wasser kein Weg, da kommt gleich der Zimmermann, bauet
den Steg. Von hüben nach drüben 's Kind gehen nun kann,
hab' Dank, du geschickter Zimmermann!
4. Die beiden Ziegenböcke.
Es waren einmal zwei Gctßböcke, die hatten starke Hörner und
lange Bärte, aber wenig Hirn in dem Kopfe. Diese begegneten sich
auf einem Wege mitten über einem tiefen Wasser. Da sprach der
eine: „Geh mir aus dem Wege, oder ich stoße dich." Der andere
aber antwortete: „Wenn du stößest, so stoße ich wieder, und ich gehe
nicht aus dem Wege." Und so geriethen die beiden eigensinnigen
und hartnäckigen Böcke an einander, streckten die Köpfe vorwärts,
und preßten die Hörner so an einander, als wenn es Mauersteine
wären. Ich glaube, sie waren sich gleich an Stärke; denn cs konnte
Huester«' Lesebuch für Mitteln, kaichol. Dslkssch, 9
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127
schwaches Gefälle und daher einen ruhigen Lauf; in bergigen Gegenden
haben sie gewöhnlich ein starkes Gefälle und daher kommt es, daß
sie hier plätschernd, brausend, rauschend und reißend dahin
eilen. Sehr kleine Bäche, welche schnell fließen, lassen einen ange-
nehmen Ton hören, welchen man Nieseln nennt. Fällt aber ein Vach
oder ein Fluß in seinem Bette schäumend und brausend mit Ungestüm
von einer Höhe jäh herab, so nennt man däs einen Wasserfall. —
Die Oberfläche der fließenden Gewässer hat keine w«gerechte, son-
dern eine schiefe Lage.
Woraus erkennst du das?
4.
Über kleine Bäche kann man schreiten oder wenigstens springen,
über die größer» führt gewöhnlich ein Steg von einem Ufer zum
andern, oder es sind Brücken darüber gebaüt. Über große Flüsse sind
nicht viele Brücken gebaut, weil diese sehr viel Geld kosten, und man
muß daher gewöhnlich auf N a ch e n über sie hinüber fahren. Auf den großen
Flüssen fahren aber auch Schiffe, welche nicht bloß Menschen, sondern
auch allerhand Waaren von einem Orte zum andern bringen. Diese .
Schiffe werden entweder von Pferden gezogen oder vom Winde fort-
bewegt, indem dieser in die aufgespannten Segel bläs't. Am schnellsten
aber fahren die Dampfschiffe, welche von Nädern getrieben werden,
die der Dampf eines Wasserkessels umdreht.
Wenn der Wind nicht weht, ist die Oberfläche der Gewässer
ruhig und so glatt wie ein Spiegel. In ihr spiegeln sich die Ufer
mit den Bäumen und andern Dingen ab, und sie heißt darum der
Wasserspiegel. Wenn aber ein starker Wind weht oder stürmt, dann
entstehen auf dem Wasserspiegel Wellen oder Wogen, welche die
Schiffe so furchtbar hin- und herschaukeln, daß sie manchmal an
Felsen zerschmettern oder scheitern und dann zu Grunde gehen
mit all den geladenen Waaren und mit all den Leuten auch, die sich
nicht durch Schwimmen retten können.
Auf dem Grunde der Gewässer sieht man Steine, Kies und
Schlamm; an ihren Ufern wachsen gern Weiden, Erlen, Sträucher,
Gräser und Kräuter; auch Störche und Reiher halten sich an den
Gewässern auf, und in ihnen wohnen Fische, Krebse und Würmer. —
Nach starkem Regen und wenn der Schnee schmilzt, schwellen oft die
Gewässer so hoch an, daß sie aus den Ufern treten, und die ganze
Gegend überschwemmen. Solche Ueber sch w emmungen richten
gewöhnlich großen Schaden an, da sie Felder und Gärten austrciben
und Häuser, Dörfer und Städte unter Wasser setzen. Ja, eine Was-
sersnoth ist schrecklicher, als eine Feuersbrunst. Aber es ist gut,
daß die Überschwemmungen gewöhnlich nicht lange dauern; denn nach
einigen Tagen treten die Bäche, Flüsse und Ströme wieder in ihr Bett
zurück, und fließen ruhig weiter. —
Tröpstein muß zur Erde fallen,
Muß das zarte Blümchen netzen,
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77
18 Ostern
(Matth. 28. Mark. 16. Luk. 24. Joh. 20.)
Als abtz^.der Sabbat vorüber war, kauften Maria Magdalena
und die andere Maria, des Jakobus Mutter, und Salome Specercien,
daß sie hingingen und Jesum salbten. Und sie kamen zum Grabe in
aller Frühe, und sprachen zu einander: „Wer wird uns den Stein
vom Grabe wegwälzen?"
Aber sieh, es entstand ein großes Erdbeben; denn ein Engel des
Herrn stieg vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein
weg und setzte sich darauf. Sein Anblick war wie der Blitz, und
sein Gewand weiß, wie der Schnee. Die Wächter des Grabes aber
bebten aus Furcht vor ihm und waren wie todt. Und der Engel
hob an und sprach zu den Frauen:
Fürchtet euch nicht; ich weiß, ihr suchet Jesum von Na-
zareth, der ist gekreuziget worden. Warum suchet ihr den
Lebenden bei den Todten? Er ist nicht hier; er ist aufer-
standen, wie er gesagt hat. Kommet und sehet den Ort,
wo man den Herrn hingelegt hatte, und gehet eilends hin
und saget seinen Jüngern und dem Petrus, daß er aufer-
standen ist.
Und sie gingen eilendö mit Furcht und großer Freude von dem
Grabe hinweg, und liefen, um es seinen Jüngern zu verkünden.
„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an
mich glaubt, der wird leben, auch wenn er gestorben ist."
(Joh. 11, 25.)
In. Zn Ostern.
Ist denn der liebe Heiland todt? Und ist er gar begraben? O,
hört's, wir dürfen keine Noth um seinetwillen haben! Heut ist das
liebe Osterfest, wo lebend er das Grab verläßt.
Sterb' ich nun auch, wer weiß, wie bald? und nimmt der Tod
mein Leben, mein Heiland hat noch mehr Gewalt, der wird mir's
wiedergeben, der weckt mich aus der Grabesnacht und führt mich in
des Himmels Pracht.
20. Pfingsten.
(Mpostelg. 2.)
Und als der Tag des Pfingstfestes herangekommen, waren seine
Jünger alle beisammen an demselben Orte. Und plötzlich entstand
vom Himmel her ein Brausen wie eines herankommenden gewaltigen
Sturmes und erfüllte das ganze Haus, darin sie saßen. Und es
zeigten sich ihnen vertheilte Zungen wie von Feuer und ließen sich
nieder auf einen jeglichen von ihnen; und sie wurden alle er-
füllet mit dem heiligen Geiste, und begannen zu reden
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Extrahierte Personennamen: Maria_Magdalena Maria Maria Maria
74
deutscher Handwerksbursche in Amsterdam durch den Irrthum zur Wahr-
heit und zu ihrer Erkenntniß. Denn als er in diese große und reiche Han-
delsstadt voll prächtiger Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen
gekommen war, fiel ihm sogleich ein großes und schönes Haus in die Augen,
wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von Tuttlingen bis nach Amsterdam
noch keins erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Verwunderung dieses
kostbare Gebäude, die Kamine auf dem Dache, die schönen Gesimse und die
hohen Fenster, größer als an des Vaters Haus daheim die Thür. Endlich
konnte er sich nicht enthalten, einen Vorübergehenden anzureden. „Guter
Freund," redete er ihn an, „könntihr mir nicht sagen, wie der Herr heißt,
dem dieses wunderschöne Haus gehört mit den Fenstern voll Tulipanen,
Sternenblumen und Levkoyen?" —Der Mann aber, der vermuthlich etwas
Wichtigeres zu thun hatte und zum Unglück gerade so viel von der deutschen
Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nämlich nichts,
sagte kurz und schnauzig : „Kannitverstanund schnurrte vorüber. Dies
war ein holländisches Wort, oder drei, wenn man's recht betrachtet, und
heißt auf deutsch so viel als: „ich kann euch nicht verstehen." Aberder
gute Fremdling glaubte, es sei der Name des Mannes, nach dem er gefragt
hatte. „Das muß ein grundreicher Mann sein, der Herr Kannitverstan,"
dachte er, und ging weiteri Gass' aus Gass' ein kam er endlich an den
Meerbusen , der da heißt: Het Ey, oder aus deutsch: Das Ipsilon. Da
stand nun Schiff an Schiff und Mastbaum an Mastbaum, und er wußte
anfänglich nicht, wie er es mit seinen zwei einzigen Augen durchfechten werde,
alle diese Merkwürdigkeiten genug zu sehen und zu betrachten, bis endlich
ein großes Schiff seine Aufmerksamkeit an sich zog, das vor kurzem aus
Ostindien angelangt war und jetzt eben ausgeladen wurde. Schon standen
ganze Reihen von Kisten und Ballen auf- und nebeneinander am Lande.
Noch immer wurden mehrere herausgewälzt, und Fäffer voll Zuckerund Kaffee,
voll Reis und Pfeffer. Als er aber lange zugesehen hatte, fragte er endlich
einen, der eben eine Kiste auf der Achsel heraustrug, wie der glückliche Mann
heiße, dem das Meer alle diese Waaren an das Land bringe? „Kannit-
verstan," war die Antwort. Da dachte er: „Haha, schaut's da heraus ?
Kein Wunder! Wem das Meer solche Reichthümer an das Land schwemmt,
der hat gut solche Häuser in die Welt stellen und solcherlei Tulipanen vor
die Fenster in vergoldeten Scherben." Jetzt ging er wieder zurück und
stellte eine recht traurige Betrachtung bei sich selbst an, was er für ein armer
Mensch sei unter so viel reichen Leuten in der Welt. Aber als er eben
dachte: „Wenn ich's doch nur auch einmal so gut bekäme, wie dieser Herr
Kannitverstan cs hat," kam er um eine Ecke und erblickte einen großen
Leichenzug. Vier schwarz vermummte Pferde zogen einen ebenfalls schwarz
überzogenen Leichenwagen langsam und traurig, als ob sie wüßten, daß sie
einen Todten in seine Ruhe führten. Ein langer Zug von Freunden und
Bekannten des Verstorbenen folgte nach, Paar an Paar, verhüllt in schwarze
Mäntel und stumm. In der Ferne läutete ein einsames Glöcklein. Jetzt
ergriff unsern Fremdling ein wehmüthiges Gefühl, das an keinem guten
#
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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51
97. Die Witwe von Husum.
Es war im Winter, und das Eis stand. Da beschlossen die
Husumer, ein groszes Fest zu feiern; sie schlugen Zelte auf, und
alt und jung, die ganze Stadt, versammelte sich drauszen. Die
einen liefen Schlittschuhe, die andern fuhren im Schlitten, und in
den Zelten erscholl die Musik, und Tänzer und Tänzerinnen schwenk-
ten sich herum, und die Alten saszen an den Tischen und tranken
eins. So verging der ganze Tag, und der helle Mond stieg auf;
aber der Jubel schien nun erst recht anzufangen.
Nur ein altes Mütterchen war von allen Leuten in der Stadt
zurückgeblieben. Sie war krank und gebrechlich und konnte ihre
Füsze nicht mehr gebrauchen; aber da ihr Häuschen auf dem Deiche
stand, konnte sie von ihrem Bette aus auf’s Eis hinaussehen und
die Freude sich betrachten. Wie es nun gegen den Abend kam,
da gewahrte sie, indem sie so auf die See hinaussah, im Westen ein
kleines weiszes Wölkchen, das eben über dem fernen Horizont auf-
stieg. Gleich befiel sie eine unendliche Angst; sie war mit ihrem
Manne zur See gewesen und verstand sich recht auf Wind und
Wetter. Sie rechnete nach : „In einer kleinen Stunde wird die
Flut da sein, dann ein Sturm losbrechen, und alle sind verloren !"
Da rief und jammerte sie, so laut als sie konnte; aber niemand war
in ihrem Hause, und die Nachbarn waren alle auf dem Eise; nie-
mand hörte sie. Immer gröszer ward unterdessen die Wolke und
allmählich immer schwärzer, noch einige Minuten, und die Flut
muszte da sein, der Sturm losbrechen. Da rafft sie all ihr bischen
Kraft zusammen und kriecht auf Händen und Füszen aus dem Bette
zum Ofen; glücklich findet sie noch einen Brand, schleudert ihn
in s Stroh ihres Bettes und eilt, so schnell sie kann, hinaus, sich in
Sicherheit zu bringen. Das Häuschen stand nun augenblicklich in
hellen Flammen, und wie der Feuerschein vom Eise aus gesehen ward,
stürzte alles in wilder Hast dem Strande zu. Schon sprang der
Wind auf und fegte den Staub auf dem Eise vor ihnen her ; der
Himmel ward dunkel; das Eis fing an zu knarren und zu schwanken,
der Wind wuchs zum Sturm, und als die Letzten den Fusz auf’s
feste Land setzten, brach die Decke, und die Flut wogte an den
Strand. So rettete die arme Frau die ganze Stadt und gab ihr Hab
und Gut daran zu deren Heil und Rettung.
98. Wärterinuhr.
1. Der Mond, der scheint,
das Kindlein weint,
Die Glock’ schlägt z w ö 1 f.
Dasz Gott doch allen Kranken
2. Gott alles weisz.
Das Mäuslein beisz’.
Die Glock’ schlägt ein;
der Traum spielt auf dem Kissen
helft
dein.
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