Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Partenkirchen und Mittenwalde, die Geigenfabrikation. 211
Die Bewohner von Partenkirchen und Garmisch lebten von 1294 bis 1803
unter dem Krummstabe der Freisinger Bischöfe, welche die ganze Grafschaft
Werdenfels käuflich an sich gebracht hatten. Damals hieß die Grafschaft
„das goldene Laudl". Aber die Zeiten haben sich geändert und jetzt sind die
Parteukirchener und Garmischer mit ihrem Verdienste zumeist auf die Fremden
angewiesen, die dort Sommerfrische halten und von dort ihre Ausflüge in das
Gebirge antreten oder auch in den Heilquellen des Kainzenbad es, des
„Bades der bleichen Jungfrauen", Genesnng von Krankheiten suchen, die unter
den Bewohnern der frischen Gebirgsthäler unbekannt sind.
Mittenwald.
Vom bewaldeten Hügel über der Loisach unterhalb Parteukircheu blickeu
die Trümmer der nahen Burg Werdeusels herab, welche uns die Er-
innernng an Hexenprozesse und Verbrennuugeu in die Seele rufen. —
Auch Mittenwald (Inutriurn) soll bereits den Römern bekannt gewesen
sein und war im Mittelalter, wie Partenkirchen, eine belebte Station an der
großen Handelsstraße von Italien nach Augsburg, wie die gewölbten Erd-
geschoßräume der Häuser, eiust Niederlagen für deu reichen Botzeuer Markt,
bekunden. Seitdem die Reisenden auf der Bahn den Inn entlang ziehen, ist
das Schellengeklingel der Lastthiere verklungen, Mittenwald still und verödet
und erhält sich hauptsächlich durch seine ausgedehnte Fabrikation von mnsika-
tischen Instrumenten, unter denen Geigen und Guitarren obenan stehen. Diese
gehen vou hier in die weite Welt, selbst in Gegenden, wo der Name ihrer Ge-
burtsstätte nie gehört wurde, und die Mittenwalder Geige lockt in der
Petersburger Schenke wie im amerikanischen Blockhause znm Tanze, wie die
Mittenwalder Guitarre unter dem Balkon der Schönen Andalusiens zum
14*
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Jachenau und das Jsarthal bei Länggries. 213
gebraten, dann in einem Korbe wieder zusammengestellt, an den Hörnern
vergoldet und am Kopfe mit einem Kranze von Buchs und buntfarbigen
Bändern geschmückt, ganz wie die Opfer des germanischen Heidenthums. So
trug ihn der älteste Sohn oder der Oberknecht des Hauses zur Kirche, wo er
vom Geistlichen eingeweiht wurde, und von da hinüber ins Wirthshaus, wo
der Wirth ihn mit dem Beile theilte und die Stücke an die Hirten der sechs-
unddreißig Höfe vertheilte, während der Rest den Söldnern verblieb. Auch
hier haben die Formen der christlichen Kirche zur Bewahrung der Erinnerung
an deu altgermanischen Gottesdienst dienen müssen.
Das Jachenthal führt hinab in
dasjenige der Isar und nach Läng-
gries, einem stattlichen Dorfe, hin-
ter welchem Schloß Hohenburg
mit zahllosen blinkenden Fenstern
stolz aus grünen Parkanlagen her-
vorschaut. Die Länggrieser sind
weniger sauft und vielleicht auch
weniger tugendhaft als ihre Nach-
barn in der Jachenau, dabei derber,
ja bisweilen herkulisch gebaut. Auf
ihren Flößen die Isar und Donan bis
Wien hinabschwimmend, machen sie
sich durch ihre mächtigen Gestalten
in den Straßen der österreichischen
Kaiserstadt noch mehr auffällig als
iu denen von München, und ehe noch
die Eisenschienen beide Städte ver-
banden, sah man die eisenfesten
Männer oft den weiten Weg von
Wien nach ihrer Heimat zu Fnße zu-
rücklegen, die volle Geldkatze um die
Hüften geschnallt und die scharfe Axt sammt einem mächtigen Bündel Taue über
die Schulter geworfen. Im Uebrigen verstehen sich die Länggrieser nicht minder
gut auf die Führung der Büchse als aus das Steuern des Flosses, und die
alte böse Sitte des „Haberfeldtreibens", auf die wir später zurückkommen
werden, hat sich nirgend länger erhalten als im Jsarthale bei Länggries, wo
sie noch im Jahre 1867 geübt ward.
Tegernsee und Schlicrsee; das Sankt-Lconhardsfest. Zn den lieb-
lichsten Idyllen der Bayerischen Berge gehört der Tegernsee, obgleich er nach
seiner Ausdehnung — l1/^ Stunden Länge und V2 Stuude Breite — und
seinem Flächeninhalt — 0,193 Quadratmeter — hinter den anderen Seen
des Bayerischen Hochlandes zurücksteht. Die Aumuth seiner Ufer hat diese seit
lange zum Liebliugsaufeuhalt für Viele, die in den Bergen Ruhe und Er-
holung suchen, insbesondere zu einer Sommerfrische für die Münchener gemacht.
Es ist wahr, — die Natur ist hier nicht so ernst und wild, wie am Kochel- und
Jachenauer.
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Extrahierte Personennamen: Wirth Schloß_Hohenburg
Extrahierte Ortsnamen: Wirthshaus Läng- Donan Wien Wien Kochel-
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
238 Volksleben in den Bayerischen Bergen.
Das Volk. Wir haben den Charakter des Altbayern im Vergleiche mit
seinen Nachbarn, dem Franken und Schwaben, schon in der allgemeinen Ein-
leitnng zu schildern versucht. Treuherzig und gutmüthig, fest beharrend am
Alten, der Priesterschaft ergeben, fromm bis zum Abergläubischen, handfest
und derb im Handel und Wandel, — dies ist in großen Zügen das Bild des
bayerischen Gebirgsbewohners, welches anch dnrch den großen Zustrom von
Fremden in manchen Orten — Partenkirchen, Garmisch, Tegernsee, Schliersee,
Miesbach, Reichenhall und Berchtesgaden — nicht viel von seinen Eigen-
thümlichkeiten verloren hat.
Knochenfest, muskelstark und kräftig, mit hoher Brust und breitem Rücken,
entwickelt sich der Oberländer oft zu einer herkulischen Gestalt mit nicht selten
schönen und edlen, immer aber mit kräftig ausgeprägten Zügen und Formen.
Als notwendige, ja unerläßliche Zier — nicht nur der jungen Burschen, son-
dern auch der bejahrten Männer — gilt ein tüchtiger Schnurrbart, durch den
ihr mannhaftes Aussehen noch mehr gehoben wird. Auch die Frauensleute ver-
leugnen deu kraftvollen Schlag nicht. Ihre Gesichtszüge und Formen sind im
Allgemeinen zu stark, um schön gefunden werden zu können; aber die gesunden,
breiten Gestalten können wol dem Städter Respekt einflößen. Sie verstehen
es eben so gnt, auf einen wohlgemeinten Scherz mit schelmischer Naivetät ein-
zugehen, als den Zudringlichen mit derbem Worte „abzuschnalzen"; und wer
ihnen mit Ungebühr zu nahe treten wollte, der möge auch die derben Hände in
Betracht ziehen, die sie wohl zu gebraucheu wissen, so zur Arbeit als im Roth-
fall auch zur Selbstwehr.
Daß der Bayer sein — wirkliches oder vermeintes — Recht gern selbst
mit der Faust vertritt, liegt im Bewußtsein seiner Kraft begründet. Ja, viele
Gemeinden haben einen besonderen, tüchtigen Ranser aufzuweisen, der „Hagen-
der" genannt wird und die bedenkliche Aufgabe hat, die Bursche seines
Dorfes in allen einschlägigen Angelegenheiten zu vertreten, und dessen Ruf
weit über die Flur seiner Heimatsgemeinde hinausreicht. An Uebnng fehlt es
ihm nicht; die vielen Sonn- und Festtage, Kirchweihen, Hochzeiten n. s. w.
bieten Gelegenheit genug dazu. Aber mau muß deu Oberländern zu ihrer
Ehre nachsagen, daß sie nur höchst selteu zum Messer greifen. Der schwere
eiserne Schlagring am kleinen Finger der rechten Hand, hie und da in stumpfe
Ansätze auslaufend, der steinerne Maßkrug und das Stuhlbein am Schänk-
tisch wetteru so wuchtig auf die harteu Köpfe herab, daß man wohl andere
Waffen entbehren kann.
Zum Raufeu bedarf es keiner Herausforderung; schon ein Trutzlied bleibt
selten ohne Wirkung. Nur das „Fingerhakeln" ist ein unblutiger Zweikampf,
dem uothwendig eine unmittelbare Herausforderung vorangehen muß. So
verlaugt es Sitte und Brauch in den Bergen. Die Kampfregeln sind einfach:
die Gegner haken sich gegenseitig mit dem Zeige- oder Mittelfinger zusammen
und beginnen nun aus Leibeskräften zu ziehen, um Einer den Andern zum
Waukeu zu bringen oder zu Bodeu zu reißeu. Da kommt es wol vor, daß der
zwischen Beiden stehende schwere Ahorntisch mit Allem, was darauf steht und
liegt, mit in den Sturz gerissen wird. Auch giebt es stämmige Burschen, die es
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Tegernsee und Schliersee; das Sankt-Leonhardsfest. 217
Vom Schlosse zieht sich das gleichnamige Dorf mit freundlichen Landhäu-
sern und wohlgepflegten Blumengärten und mit seiner heiteren, lebensfrohen
Bevölkerung in nördlicher Richtung am Ufer des Sees hin. Der Pfarrsprengel
dehnt sich um deu ganzen See. Da ist es denn ein lieblicher Anblick, wenn an
Sonn- und Feiertagen nach beendigtem Gottesdienst in der Schloßkirche zu
Tegernsee die Landleute — Männer und Frauen, Burscheu und Dirnen — in
ihren schmücken Trachten, das Gebetbuch in der Hand, die zur Heimfahrt am
Ufer bereit liegenden Kähne besteigen. Wenige Minuten später ist der ganze
See von schlanken Nachen belebt, die sich in den verschiedensten Richtungen
kreuzen. Unter fröhlichem Zuruf der darin Sitzenden gleiten die schwerbeladenen
Nachen an einander vorüber. Die langen Ruder greifen mächtig aus, deun da-
heim wartet das Mittagsmahl und während des Betens ist der Appetit gekommen.
Südlich von Tegernsee führt der Weg durch das immer enger werdende
Weißachthal, zu dessen Seiten rechts Ringspitz, Hirschberg, Hoch-
blatten und Hopssteiu, links der Wallberg, Risserkogl und Grün-
berg sich erheben, nach dem Wildbade Kreut, welches König Max Josef neu
einrichten ließ. Der Marmorbruch zur Rechten der Straße nach Kreut lieferte
manchen Block, manche Säule uach Tegernsee, München und selbst nach Wien.
Wir wenden uns von Tegernsee ostwärts über die Gindelalphöhe nach
Westenhofen zum Schliersee.
Der Schliersee prangt weniger mit kunstvollen Useranlagen und Land-
Häusern, als sein Nachbar, der Tegernsee, ist aber dessenungeachtet anmnthig
und freuudlich. Seine landschaftlichen Reize wurden erst in den zwanziger
Jahren von Münchener Malern entdeckt, übten aber seitdem alljährlich
ihre Anziehungskraft auf die Münchener aus, die auch hier ihre Sommer-
frifchen suchten. Am östlichen Ufer des Sees erheben sich auf hohem Felsen-
vorsprnng die Trümmer von Hohen-Waldeck, des alten Stammsitzes „Derer
von Waldeck", und an seinem nördlichen Gestade liegt das Dorf mit stattlicher
Kirche und hohem Spitzthurm. Der Name der austeinem Hügel dicht daneben
unter Bäumen halb versteckt gelegenen „Weinberg-Kapelle" erinnert an das
Kloster, das ehemals hier gestanden, und an den von seinen Mönchen ge-
Pflegten Wem. Uus gelüstet nicht nach dem Wein vom Schliersee, aber wir freuen
uns des lieblichen Blickes über seine wellige Fläche, seine belebten waldigen
Ufer und auf die im Süden ihn umragenden Berge, unter denen die Brecher-
spitz, die Rothwand und der Jägerkamp sich am höchsten erheben.
Verweilen wir noch am letzten Sonntag des Juli am Schliersee, so bietet
sich uns Gelegenheit, uns der berühmten Le onhards fahrt nach Fisch Hausen
am südlichen User des Sees anzuschließen. Im östlichen Vorgrund des Dorfes
steht eine hübsche Kapelle, das weite Thal beherrschend, dessen malerischen
Hintergrund der mächtige Hagenberg und die kühn ansteigende Brecherspitz
bilden. Das Kirchlein ist dem heiligen Leonhard geweiht, und zu ihm geht die
große Wallfahrt, aber nicht zu Fuße, sondern zu Wagen und zu Rosse, denn
die Thiere sollen mit erscheinen bei dem Feste ihres Schutzheiligen. Kühe und
Rinder sind droben auf der Alpe, aber das Pferd, der stolze Hausgenosse des
Menschen, schreitet mit im festlichen Zuge. Vom frühen Morgen an rasseln
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Extrahierte Personennamen: Wildbade_Kreut Max_Josef Max Leonhard
Extrahierte Ortsnamen: Burscheu Hirschberg Wien Westenhofen Hagenberg
Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
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Geschlecht (WdK): koedukativ
222 Die Salzburger Alpen zwischen Inn und Salzach.
Darüber befinden sich in nun fast unleserlich gewordener Schrift die Worte:
„Willst Du wissen, wie man lebt in diesem Haus? —
So gehst Du herein und so gehst Du heraus!"
Diese heiteren, idyllischen Tage sind vorüber, seitdem die Fraueninsel zur
beliebten Sommerfrische der Münchener geworden.
Schön ist auch der Anblick einer Winterlandschaft am Chiemsee, wenn
der Mond über den Wipfeln der Tannen emporsteigt, die schwarzen Vorberge
geisterhaft ins Thal ragen und die weißen Hochgipfel wie verschleiert zurück-
treten. Wie stumme riesige Wächter stehen am Wege die mächtigen, reifbedeckten
Tannen. Auf den weißen Schneefeldern glänzt das Mondlicht und am
Himmel schimmert der Sterne Gesunkel. Unheimlich seufzt und biegt sich die
eisige Decke des See's, als strebte dieser, sich von dem dumpfen, lastenden
Drucke zu befreien.'
In den verschneiten Häufern am Fuße der Berge herrscht jetzt tiefe Ruhe.
Dort sitzeu stille Menschen beim Spinnrade, die Wanduhr schlägt und im
großen Kachelofen knistert das Feuer. Um die Dämmerzeit kommen die Nach-
barn zusammen. Hinten anf der Ofenbai^ summt Einer ein Lied und ein
Holzknecht schlägt mit knorrigen Fingern die Zither. Des Wirthes Töchterlein
füllt fleißig die mächtigen Steinkrüge, und wenn sie am Tische vorbeigeht, wo
die Burscheu sitzen, dreht sie den Kopf mit den vollen, blonden Zöpfen und
horcht auf, was der Nachbar dem Vater ins Ohr raunt.
Nirgends ist die winterliche Beschäftigung so für sich abgeschlossen, wie in
den Bergen. Die Frauen und Mädchen schaffen iu deu engen Räumen des
Hauses und die Männer bringen ans der tiefsten Wildniß das Holz auf
Schlitten, deren schwere Beschläge wie Silber glänzen. Aber auch andere
Schlitten sieht man im Gebirge. Sie werden des Sonntags zur Kirchfahrt ge-
rüstet und von kräftigen Burschen mittels zweier mannslanger, eisengespitzter
Stäbe geleitet, sodaß sie aus der blanken Eisdecke des Sees pfeilschnell an ein-
ander vorübergleiten. Es ist nicht leicht, sie zu lenken, und die Schlittenfahrt
ist uicht gefahrlos; deuu in der Eisdecke giebt es offene Stellen, da wo in der
Tiefe Quellen liegen. Sie sind im Sonnenglast und Nebel nicht immer zu er-
kennen und führen hinab in den unermeßlichen Abgrund.
Reichenhall und die Salinen. Im wohlgebauten, weiten Thale der
Saalach, von einem Kranze mächtiger Berge — darunter der fagenreiche
Untersberg und das Zwillingspaar der beiden Staufen — malerisch um-
geben, liegt das vielbesuchte Reichenhall (471m. über dem Meere), jetzt
durch die Zweigbahn über Frey lassing mit den großen Schienenadern des
europäischen Weltverkehrs verbunden. Die uralte, uach dem großen Brande
von 1834 größtenteils neu ausgebaute Stadt verdankt ihre Entstehung den
schon von den Römern gekannten Salzquellen. Bereits im siebenten Jahr-
hundert gab es eiu „Hall", wo Salzwasser gesotten wurde. Später erwies
sich der Salzhaudel als so einträglich, daß die bayerischen Landesherren und
die Salzburger Bischöse um den Besitz der Salzstätten lange Zeit hin-
durch iu Streit lagen.
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Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
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234 Die Salzburger Alpen zwischen Inn und Salzach.
Wie Zangen greifen die scharfkantigen Nägel der Bergschuhe in den Fels
und der hohe Bergstock biegt sich unter der Last des wnchtigen Mannes. End-
lich ist die Hütte erreicht, und mit trutzigem Stolze wirft der Heimgekehrte
die Jagdbeute am Herde nieder. Das Fleisch kommt an einem der nächsten
Tage in der Mittagsschüssel vor; das Fell wird thener verkauft, um zu Hosen-
und Handschuhleder verarbeitet zu werden, und aus dem Krickel (Horn) werden
Stockgriffe gedrechselt.
Trifft aber der heimkehrende Wildschütz auf einsamem Pfade mit dem
Förster zusammen, dann kommt es nicht selten zu einem Kampf anf Leben und
Tod. Heftig ringen die beiden gewaltigen Gestalten; Jeder sticht den Anderen
zu überlisten, im äußersten Falle auch dem unerbittlichen Gegner ins Herz zu
stoßen. Der Ueberlebeude mit der blutigen Hand zieht still seines Weges.
Einige Tage darauf findet ein Holzhacker die Leiche, — den Thäter wird
man schwerlich entdecken. *
Inneres einer Sennhütte.
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Geschlecht (WdK): koedukativ
Fische und Fischfang in den bayerischen Gewässern. 261
Von der Familie der Lachse bewohnt die beliebte Lachsforelle (Fario
Marsilii), die ein Gewicht von 15 bis 20 Kg. erreicht, den Würm-, Walchen-,
Tegern-, Chiem- und Königssee, auch den Kochel-, Staffel- und Riegsee, und
neben ihr findet sich fast überall der Hnchen (Salmo liucho). Der vielgerühmte
Salbling (Salmo salvelinus) findet sich nur in den eigentlichen Gebirgsseen
und wiegt von 74 bis 5 Kg. Um Berchtesgaden wird der geräucherte Salb-
ling, „Schwarzreiter" genannt, von fremden Gastronomen sehr geschätzt. Im
Würm-, Ammer-, Staffel-, Kochel-, Walchen-, Eib-, Tegern- und Chiemsee
lebt der schmackhafte Renken (Coregonus Wartmanni), und im Würmsee wird
der Sandfelchen (Coregonus fera) „Bodenrenke" genannt, weil er in der
Tiefe von einigen Klaftern auf dem Grunde laicht. Beide erreichen meist nur
ein Gewicht von % Hechte und Welse finden sich in allen Hochlands-
seen, und erreicht der Wels Waller (Lilurus glanis) nicht selten die Länge
eines erwachsenen Mannes.
Fast auf allen Seen gelten bestimmte Vorschriften für den Fischfang, am
ausgedehntesten für den Würmsee. Man bedient sich dazu vorwiegend großer
Netze, aber auch der Reußen und Legangeln, letzterer namentlich für größere
Raubfische. Auf dem Würmsee sieht man außerdem noch „Fischbaizen" und
„Hechtenstangen". Die ersteren sind Bäume, welche man mit allen Aesten an
Stellen, wo der See einen lehmigen Grund hat, so in denselben befestigt, daß
nur der Gipfel über dem Wasserspiegel sichtbar ist. Unter diesen Bäumen nun
lieben es die Fische, sich zu versammeln, und werden dort ohne große Mühe
gefangen. Die „Hechtenstangen" zählen zu deu ältesten Vorrichtungen beim
Fischfang. An einer auf dem Wasser schwimmenden, ziemlich starken Stange
wird eine zu einem leichten Knäuel aufgewickelte Schuur festgebunden, die unten
in einer leicht auszulösenden Schleife endet. Die Schleife ist mit einer oder
mehreren großen Angeln versehen, an denen die Köder befestigt find und die
ziemlich weit unter das Wasser hinabreichen. Hat sich ein Hecht gefangen und
fühlt er die Wunde, so schießt er mit rasender Geschwindigkeit in die Tiefe
hinab, wohin ihm der Faden willig folgt. An den Bewegungen der Stange
erkennt man die letzten Lebensregungen des Gefangenen, der demnächst langsam
nach dem Kahn emporgezogen wird. Zuweilen werden auch zwei Stangen durch
eiue Schnur mit einander verbanden, von der die Angeln hinabhängen.
Das gewöhnliche Fahrzeug des Fischers ist der sogenannte „Einbanm".
Wie das Kauoe der Indianer aus einem ausgehöhlten Baumstamme gebildet,
weist der Einbaum auf eine uralte Kulturstufe zurück. Der Baum, der das
Holz dazu liefert, ist ausschließlich die Eiche. Alle Einbäume haben das gleiche
Maß, 6vz bis 7 m. in der Länge und etwa 1% m. in der Breite. Vorn etwas
aufgebogen und in eine stumpfe Spitze auslaufend, sind sie am hinteren Ende
rechtwinklig abgeschnitten. Trotz ihrer ziemlich starken Wände sind sie sehr leicht
und können durch eine einzige Person gelenkt werden. Der Schiffer fitzt ent-
weder dem Ziele abgekehrt und führt dann zwei Ruder, die er an sich zieht,
oder er bewegt, am hinteren Ende des Schiffes und dem Ziele zugewandt
sitzend, den Kahn mittels eines Ruders fort. Aus den Flüssen und Seen der
Bayerischen Alpen ist die erstbezeichnete Ruderweise die fast allein übliche.
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Geschlecht (WdK): koedukativ
Tie Natur des Alpenvorlands.
während wir der zweiten auf den Seen der Salzburger Alpen allgemein be-
gegueu. Hier steht auch der Schiffer zuweilen im Hintertheil des Kahns und
stößt denselben mit zwei Rudern vor sich hin, wie die Gondoliere Venedigs.
In einzelnen Fällen zieht auch wol Einer das Ruder, während ein Anderer
steuert. Da der Boden der Einbänme ganz flach ist, so schlagen sie leicht um
und dürfen daher nicht überladen werden, wie dies bei Lustfahrten wol vor-
kommt. Sechs Personen sind genng. Seit die Zahl der städtischen Gäste an
den Ufern der Hochlandsseen sich vermehrt hat, bant man indessen auch Köhlte,
welche zehn und mehr Personen ohne Gefahr auszunehmen im Stande sind.
Segelbooten begegnen wir nur aus dem Starnberger See. Auch diese
sind das Eigenthum von Städtern, welche die Sommermonate am See zu-
bringen. Die meisteu sind in Hamburg gebaut..
Wir wenden uns in den nachfolgenden Bildern zu den Gestaden der beiden
bedeutendsten Seen im Vorlande der Bayerischen Alpen, des Ammersees und
des Starnberger oder Würmsees.
Der Ammersee.
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Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Schloß Berg.
Der Mmberger See utiii seine Mgcbmgen.
Der See.— Aus Starnbergs glänzendster Zeit; der „Buceutaur". — Schloß Berg und
die Roseuiusel. — Pfahlbauten im Starnberger See. — Possenhofen und Tutzing. —
Künstlerfest auf der Rottmauushöhe. — Die Reismühle und die Sage von der Geburt
Karl's des Großen; Spuren des germanischen Mythus.
Der See. Unter allen Seen, welche das Vorland der bayerischen Ge-
birge zieren, ist wol der Starnberger oder Würmsee der lieblichste und
reizvollste. Zwischen Hügelgeländen hingebettet, von deren Höhen freundliche
Dörfer in seinen Spiegel hinabschauen, breit genug, um durch die Ausdehnung
der wogeudeu Fläche eiudrucksvoll auf das Auge zu wirken, und doch nicht so
breit, daß die landschaftlichen Züge seiner Ufer, ihr Schmuck an Ortschaften
und zierlichen Landhäusern völlig sich verwischte, an seinem oberen Ende dann
in eine weite Ebene auslaufend, welche die mächtigsten der bayerisch-tirolischen
Kalkalpenkümme —Karwendel und Wettersteingebirge — wie unmittelbar aus
seinen Fluten aussteigeud erscheinen läßt: vereinigt er alle Vorzüge eines har-
monisch in Vorder-, Mittel- und Hintergrund getheilten, wahrhaft schönen
Landschastsbildes. Seine Reize haben schon manche Dichter und Maler be-
geistert und seine Ufer sind der vielgepriesene Lieblingsaufenthalt der Mün-
chener Sommerfrischler. Sein Charakter trügt nicht den Zug des Großartigen
aber an Lieblichkeit und Anmuth übertrifft er alle seine Brüder an den Ab-
hängen der nördlichen Kalkalpen.
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Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Bewohner. 185
angehörig — sich zwar durch manche Eigenthümlichkeiten von ihren Nachbarn,
den Bayern und Tirolern, unterscheiden, in anderen Richtuugeu aber auch
große Aehulichkeit mit ihnen erkennen lassen. Ein mehr als tausendjähriges
Nebeneinanderleben hat in vielen Beziehungen eineausgleichuug der Stammes-
unterschiede zur Folge gehabt, und der Alemanne fühlt sich dem Bayern näher
verwandt, als dem Franken oder Thüringer. Die alte Grenze zwischen dem
Alemannen und Schwaben ist im Algän immer noch da zu erkennen, wo das
langgedehnte „ja" in das kurze „jo" und das „gwea" (gewesen) in das „gsi"
übergeht. Die Bevölkeruug vou Southoseu aufwärts zeigt deu hoheu Wuchs
und starken Körperbau, die runden Knochen, breiten Schultern und die kräftig
gewölbte Brust des alten alemannischen Stammes, sowie die meistens schwarzen
Haare und die kleinen Augen desselben. Dagegen sind die Bewohner des
unteren Algän größtenteils kleiner und schwächer, und mit Ausnahme der
Sprache ist dort kaum noch eine charakteristische Unterscheidung zwischen
Schwaben und Alemannen zu erkennen.
Ist der Algäuer auch im Allgemeinen weniger beweglich, als sein Stamm-
verwandter, der Oberschwabe vor den Bergen draußen, so steht er demselben
doch in Bezug auf Intelligenz nicht nach. Im Gefühl seiner Unabhängigkeit
zeigt sich der Algäuer im Umgang mit Fremden zuerst verschlossen, doch darf
dies.e Verschlossenheit nicht als Ausdruck unfreundlichergesiunnng aufgenommen
werden. Ein gntes Theil natürlicher Schlauheit giebt ihm im geschäftlichen
Verkehr mit Anderen eine Ueberlegeuheit, vou der er ausgiebigen Gebrauch zu
machen versteht. Trotz der hohen Burgen, die von den Bergen ringsum auf
das Algän herabschauen, an Ritterzeit und Ritterwesen erinnernd, hat der
Algäuer herzlich wenigen Sinn für Romantik; aber er ist klug, berechnend und
durch und durch praktisch. Diese Eigenschaften schließen nicht aus, daß er auch
über einen fast unerschöpflichen Schatz von Witz und Spott gebietet, den er
mit Vorliebe über die Bewohner gewisser Thäler ausgießt, ohne zu grollen,
wenn ihm Gleiches mit Gleichem vergolten wird.
So müssen sich die „Wälder", d. h. die Bewohner des Bregenzer Waldes,
von denalgänern nachsagen lassen, sie seien so falsch und verschlagen, daß, wenn
Judas ein richtiger Wälder gewesen wäre, der Heiland niemals erfahren haben
würde, wer ihn verrathen habe. Das Thal der Balderschwanger wird im Algän
„Bayrisch-Sibirien" genannt, weil dort — so sagt man — drei Viertel des
Jahres Winter und die übrige Jahreszeit kalt sei. Wir wissen indessen aus
dem Vorhergegangenen (vergl. die Naturbilder aus deu Deutschen Alpen), daß
dies doch etwas übertrieben ist. Der lange Winter hat einen raschen, energi-
schen Frühliug im Gefolge. Sobald der Schnee geschmolzen, stehen schon die
Wiesen in schönster Flor, gleichsam als hätte das Gras schon unter dem Schnee
zu sprießen begonnen. Die Alpenrose blüht am Kirchwege, und nebenan duftet
die Bergprimel, die man sonst nur auf deu höchsten Bergen findet, wo ein
Bergquell die selsigen Ufer benetzt. Bei Balderschwang zeigt sie dieselbe Frische.
Ein winterlicher Schneeschauer, über blühende Gefilde geschüttet, kommt aller-
dings hier auch im Junimonat nicht selten vor und zeigt uns die Sommer - und
Winterlandschaft zugleich in komisch wirkungsvollem Gegensatze.
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