Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Lothringer. 73
iit dem Wort „Pers(ch)on" und in den beliebten Frankfurter „Würs(ch)teu".
Eigenthümlich ist der Frankfurter Mundart der Nasenlaut in den Endungen
an, än und en, sowie die scharfe, fast wie k lautende Aussprache des g im An-
fange des Wortes und der Konsonanten p, t, k mit einem Hauchlaut fast wie
p'h, t'h, ff). In der Pfalz ist die fränkische Mundart mit vielen Resten der
alemannischen vermischt. Die Kölnische Mundart steht bereits der nieder-
deutschen näher und hat manche Ausdrücke aus dem Flämischen und Hollän-
dischen aufgenommen; sie wird auf eine weiche, schalkhaft gemächliche und
etwas gezogene, singende Weise gesprochen, welche den Kölner, auch wenn er
hochdeutsch spricht, bald kenntlich macht.
Trachten aus Hessen-Darmstadt.
In der Pfälzer Mundart hat Franz von Kobell — obgleich selbst kein
geborener Pfälzer, fondern ein Bayer (geb. zu München 1803), — die an-
muthigsten Lieder gedichtet. Wir wählen darunter:
's Lob vuu Binge.
Die herrlichschst' Gegend am ganze Rhei'
Deß ist die Gegend vnn Binge,
Es wachst der allerbeschte Wei',
Der Scharlach wachst bei Binge.
Die gschickt'schte Schifflent, die mer find't,
Deß sin die Schiffer vnn Binge,
Un ficht mer in Meenz e' hübsches Kind,
Wo is es her? — Vnn Binge!
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TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T93: [Bayern Baden Hessen Württemberg Königreich Sachsen Franken Schwaben Land Rhein], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Partenkirchen und Mittenwalde, die Geigenfabrikation. 211
Die Bewohner von Partenkirchen und Garmisch lebten von 1294 bis 1803
unter dem Krummstabe der Freisinger Bischöfe, welche die ganze Grafschaft
Werdenfels käuflich an sich gebracht hatten. Damals hieß die Grafschaft
„das goldene Laudl". Aber die Zeiten haben sich geändert und jetzt sind die
Parteukirchener und Garmischer mit ihrem Verdienste zumeist auf die Fremden
angewiesen, die dort Sommerfrische halten und von dort ihre Ausflüge in das
Gebirge antreten oder auch in den Heilquellen des Kainzenbad es, des
„Bades der bleichen Jungfrauen", Genesnng von Krankheiten suchen, die unter
den Bewohnern der frischen Gebirgsthäler unbekannt sind.
Mittenwald.
Vom bewaldeten Hügel über der Loisach unterhalb Parteukircheu blickeu
die Trümmer der nahen Burg Werdeusels herab, welche uns die Er-
innernng an Hexenprozesse und Verbrennuugeu in die Seele rufen. —
Auch Mittenwald (Inutriurn) soll bereits den Römern bekannt gewesen
sein und war im Mittelalter, wie Partenkirchen, eine belebte Station an der
großen Handelsstraße von Italien nach Augsburg, wie die gewölbten Erd-
geschoßräume der Häuser, eiust Niederlagen für deu reichen Botzeuer Markt,
bekunden. Seitdem die Reisenden auf der Bahn den Inn entlang ziehen, ist
das Schellengeklingel der Lastthiere verklungen, Mittenwald still und verödet
und erhält sich hauptsächlich durch seine ausgedehnte Fabrikation von mnsika-
tischen Instrumenten, unter denen Geigen und Guitarren obenan stehen. Diese
gehen vou hier in die weite Welt, selbst in Gegenden, wo der Name ihrer Ge-
burtsstätte nie gehört wurde, und die Mittenwalder Geige lockt in der
Petersburger Schenke wie im amerikanischen Blockhause znm Tanze, wie die
Mittenwalder Guitarre unter dem Balkon der Schönen Andalusiens zum
14*
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Jachenau und das Jsarthal bei Länggries. 213
gebraten, dann in einem Korbe wieder zusammengestellt, an den Hörnern
vergoldet und am Kopfe mit einem Kranze von Buchs und buntfarbigen
Bändern geschmückt, ganz wie die Opfer des germanischen Heidenthums. So
trug ihn der älteste Sohn oder der Oberknecht des Hauses zur Kirche, wo er
vom Geistlichen eingeweiht wurde, und von da hinüber ins Wirthshaus, wo
der Wirth ihn mit dem Beile theilte und die Stücke an die Hirten der sechs-
unddreißig Höfe vertheilte, während der Rest den Söldnern verblieb. Auch
hier haben die Formen der christlichen Kirche zur Bewahrung der Erinnerung
an deu altgermanischen Gottesdienst dienen müssen.
Das Jachenthal führt hinab in
dasjenige der Isar und nach Läng-
gries, einem stattlichen Dorfe, hin-
ter welchem Schloß Hohenburg
mit zahllosen blinkenden Fenstern
stolz aus grünen Parkanlagen her-
vorschaut. Die Länggrieser sind
weniger sauft und vielleicht auch
weniger tugendhaft als ihre Nach-
barn in der Jachenau, dabei derber,
ja bisweilen herkulisch gebaut. Auf
ihren Flößen die Isar und Donan bis
Wien hinabschwimmend, machen sie
sich durch ihre mächtigen Gestalten
in den Straßen der österreichischen
Kaiserstadt noch mehr auffällig als
iu denen von München, und ehe noch
die Eisenschienen beide Städte ver-
banden, sah man die eisenfesten
Männer oft den weiten Weg von
Wien nach ihrer Heimat zu Fnße zu-
rücklegen, die volle Geldkatze um die
Hüften geschnallt und die scharfe Axt sammt einem mächtigen Bündel Taue über
die Schulter geworfen. Im Uebrigen verstehen sich die Länggrieser nicht minder
gut auf die Führung der Büchse als aus das Steuern des Flosses, und die
alte böse Sitte des „Haberfeldtreibens", auf die wir später zurückkommen
werden, hat sich nirgend länger erhalten als im Jsarthale bei Länggries, wo
sie noch im Jahre 1867 geübt ward.
Tegernsee und Schlicrsee; das Sankt-Lconhardsfest. Zn den lieb-
lichsten Idyllen der Bayerischen Berge gehört der Tegernsee, obgleich er nach
seiner Ausdehnung — l1/^ Stunden Länge und V2 Stuude Breite — und
seinem Flächeninhalt — 0,193 Quadratmeter — hinter den anderen Seen
des Bayerischen Hochlandes zurücksteht. Die Aumuth seiner Ufer hat diese seit
lange zum Liebliugsaufeuhalt für Viele, die in den Bergen Ruhe und Er-
holung suchen, insbesondere zu einer Sommerfrische für die Münchener gemacht.
Es ist wahr, — die Natur ist hier nicht so ernst und wild, wie am Kochel- und
Jachenauer.
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Extrahierte Personennamen: Wirth Schloß_Hohenburg
Extrahierte Ortsnamen: Wirthshaus Läng- Donan Wien Wien Kochel-
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Auflagennummer (WdK): 2
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Geschlecht (WdK): koedukativ
Tegernsee und Schliersee; das Sankt-Leonhardsfest. 217
Vom Schlosse zieht sich das gleichnamige Dorf mit freundlichen Landhäu-
sern und wohlgepflegten Blumengärten und mit seiner heiteren, lebensfrohen
Bevölkerung in nördlicher Richtung am Ufer des Sees hin. Der Pfarrsprengel
dehnt sich um deu ganzen See. Da ist es denn ein lieblicher Anblick, wenn an
Sonn- und Feiertagen nach beendigtem Gottesdienst in der Schloßkirche zu
Tegernsee die Landleute — Männer und Frauen, Burscheu und Dirnen — in
ihren schmücken Trachten, das Gebetbuch in der Hand, die zur Heimfahrt am
Ufer bereit liegenden Kähne besteigen. Wenige Minuten später ist der ganze
See von schlanken Nachen belebt, die sich in den verschiedensten Richtungen
kreuzen. Unter fröhlichem Zuruf der darin Sitzenden gleiten die schwerbeladenen
Nachen an einander vorüber. Die langen Ruder greifen mächtig aus, deun da-
heim wartet das Mittagsmahl und während des Betens ist der Appetit gekommen.
Südlich von Tegernsee führt der Weg durch das immer enger werdende
Weißachthal, zu dessen Seiten rechts Ringspitz, Hirschberg, Hoch-
blatten und Hopssteiu, links der Wallberg, Risserkogl und Grün-
berg sich erheben, nach dem Wildbade Kreut, welches König Max Josef neu
einrichten ließ. Der Marmorbruch zur Rechten der Straße nach Kreut lieferte
manchen Block, manche Säule uach Tegernsee, München und selbst nach Wien.
Wir wenden uns von Tegernsee ostwärts über die Gindelalphöhe nach
Westenhofen zum Schliersee.
Der Schliersee prangt weniger mit kunstvollen Useranlagen und Land-
Häusern, als sein Nachbar, der Tegernsee, ist aber dessenungeachtet anmnthig
und freuudlich. Seine landschaftlichen Reize wurden erst in den zwanziger
Jahren von Münchener Malern entdeckt, übten aber seitdem alljährlich
ihre Anziehungskraft auf die Münchener aus, die auch hier ihre Sommer-
frifchen suchten. Am östlichen Ufer des Sees erheben sich auf hohem Felsen-
vorsprnng die Trümmer von Hohen-Waldeck, des alten Stammsitzes „Derer
von Waldeck", und an seinem nördlichen Gestade liegt das Dorf mit stattlicher
Kirche und hohem Spitzthurm. Der Name der austeinem Hügel dicht daneben
unter Bäumen halb versteckt gelegenen „Weinberg-Kapelle" erinnert an das
Kloster, das ehemals hier gestanden, und an den von seinen Mönchen ge-
Pflegten Wem. Uus gelüstet nicht nach dem Wein vom Schliersee, aber wir freuen
uns des lieblichen Blickes über seine wellige Fläche, seine belebten waldigen
Ufer und auf die im Süden ihn umragenden Berge, unter denen die Brecher-
spitz, die Rothwand und der Jägerkamp sich am höchsten erheben.
Verweilen wir noch am letzten Sonntag des Juli am Schliersee, so bietet
sich uns Gelegenheit, uns der berühmten Le onhards fahrt nach Fisch Hausen
am südlichen User des Sees anzuschließen. Im östlichen Vorgrund des Dorfes
steht eine hübsche Kapelle, das weite Thal beherrschend, dessen malerischen
Hintergrund der mächtige Hagenberg und die kühn ansteigende Brecherspitz
bilden. Das Kirchlein ist dem heiligen Leonhard geweiht, und zu ihm geht die
große Wallfahrt, aber nicht zu Fuße, sondern zu Wagen und zu Rosse, denn
die Thiere sollen mit erscheinen bei dem Feste ihres Schutzheiligen. Kühe und
Rinder sind droben auf der Alpe, aber das Pferd, der stolze Hausgenosse des
Menschen, schreitet mit im festlichen Zuge. Vom frühen Morgen an rasseln
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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Extrahierte Personennamen: Wildbade_Kreut Max_Josef Max Leonhard
Extrahierte Ortsnamen: Burscheu Hirschberg Wien Westenhofen Hagenberg
Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
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218 Die Bayerischen Alpen.
von allen Seiten zweisitzige Wägelchen daher; später kommen viersitzige, mit
Laub bekränzte Leiterwagen. Die hohen Knmmte der Pferde sind mit großen
Tüchern behangen und die großen Messingrosen am Geschirre glänzen noch
blanker als sonst; an den Halftern klingen Schellen und der Hofbesitzer lenkt vom
Sattel aus selbst die Rosse. Hier und da galoppirt anch in luftigen Sprüngen
ein schöngliedriges Füllen nebenher. Kein Gefährt kommt an Schönheit dem-
jenigen des Straßenbauers bei Agathenried gleich. An ihm ist vorn von
dusteuden Tannenreisern eine Nische aufgebaut, darin das geschnitzte und sauber
bemalte Bild des heiligen Abtes mit dem Krummstab in der Linken und einer
Kette sammt darau hängendem Schloß in der Rechten, hinter ihm ein wohlge-
nährtes Rind aufgerichtet steht. Auch eine Musikbande aus Gmund findet sich
ans vierspännigem Wagen ein.
Das Kirchlein ist rasch gefüllt und das Hochamt beginnt. Eiu großer
Theil der Wallfahrer steht noch draußen vor der Kirchthür. Voller Orgelklang,
gemischt mit hellen Kinderstimmen, klingt hinaus bis zum nahen Ufer des blauen
Sees. Nun singt der Pfarrer mit kräftiger Stimme das ,,Ite, missa est!" und
unter den schmetternden Klängen der mitgebrachten Musik beginnt die Umfahrt
um das Kirchlein. Jeder Wagen macht dreimal die Runde in schnellem Trabe
und während derselben beten die Fahrenden mit entblößtem Haupte und lauter
Stimme. Unter der uralten Linde, welche das Kirchlein beschattet, haben
Krämer ihre Buden mit geistlicher und weltlicher Waare aufgeschlagen und
machen mit kleinen Heiligthümern, lebkucheneu Herzen und buntseidenen Tü-
chern gute Geschäfte. Nach dem Imbiß geht's nach dem nahen Neuhaus hin-
über, wo der Wendelstein so stattlich ins stille Anrachthal hineinschaut und wo
im Wirthshanse Geige und Klarinette, vom Brummbaß und der schrillen Trom-
pete übertönt, zum Tanze locken.
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TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser]]
Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
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Geschlecht (WdK): koedukativ
222 Die Salzburger Alpen zwischen Inn und Salzach.
Darüber befinden sich in nun fast unleserlich gewordener Schrift die Worte:
„Willst Du wissen, wie man lebt in diesem Haus? —
So gehst Du herein und so gehst Du heraus!"
Diese heiteren, idyllischen Tage sind vorüber, seitdem die Fraueninsel zur
beliebten Sommerfrische der Münchener geworden.
Schön ist auch der Anblick einer Winterlandschaft am Chiemsee, wenn
der Mond über den Wipfeln der Tannen emporsteigt, die schwarzen Vorberge
geisterhaft ins Thal ragen und die weißen Hochgipfel wie verschleiert zurück-
treten. Wie stumme riesige Wächter stehen am Wege die mächtigen, reifbedeckten
Tannen. Auf den weißen Schneefeldern glänzt das Mondlicht und am
Himmel schimmert der Sterne Gesunkel. Unheimlich seufzt und biegt sich die
eisige Decke des See's, als strebte dieser, sich von dem dumpfen, lastenden
Drucke zu befreien.'
In den verschneiten Häufern am Fuße der Berge herrscht jetzt tiefe Ruhe.
Dort sitzeu stille Menschen beim Spinnrade, die Wanduhr schlägt und im
großen Kachelofen knistert das Feuer. Um die Dämmerzeit kommen die Nach-
barn zusammen. Hinten anf der Ofenbai^ summt Einer ein Lied und ein
Holzknecht schlägt mit knorrigen Fingern die Zither. Des Wirthes Töchterlein
füllt fleißig die mächtigen Steinkrüge, und wenn sie am Tische vorbeigeht, wo
die Burscheu sitzen, dreht sie den Kopf mit den vollen, blonden Zöpfen und
horcht auf, was der Nachbar dem Vater ins Ohr raunt.
Nirgends ist die winterliche Beschäftigung so für sich abgeschlossen, wie in
den Bergen. Die Frauen und Mädchen schaffen iu deu engen Räumen des
Hauses und die Männer bringen ans der tiefsten Wildniß das Holz auf
Schlitten, deren schwere Beschläge wie Silber glänzen. Aber auch andere
Schlitten sieht man im Gebirge. Sie werden des Sonntags zur Kirchfahrt ge-
rüstet und von kräftigen Burschen mittels zweier mannslanger, eisengespitzter
Stäbe geleitet, sodaß sie aus der blanken Eisdecke des Sees pfeilschnell an ein-
ander vorübergleiten. Es ist nicht leicht, sie zu lenken, und die Schlittenfahrt
ist uicht gefahrlos; deuu in der Eisdecke giebt es offene Stellen, da wo in der
Tiefe Quellen liegen. Sie sind im Sonnenglast und Nebel nicht immer zu er-
kennen und führen hinab in den unermeßlichen Abgrund.
Reichenhall und die Salinen. Im wohlgebauten, weiten Thale der
Saalach, von einem Kranze mächtiger Berge — darunter der fagenreiche
Untersberg und das Zwillingspaar der beiden Staufen — malerisch um-
geben, liegt das vielbesuchte Reichenhall (471m. über dem Meere), jetzt
durch die Zweigbahn über Frey lassing mit den großen Schienenadern des
europäischen Weltverkehrs verbunden. Die uralte, uach dem großen Brande
von 1834 größtenteils neu ausgebaute Stadt verdankt ihre Entstehung den
schon von den Römern gekannten Salzquellen. Bereits im siebenten Jahr-
hundert gab es eiu „Hall", wo Salzwasser gesotten wurde. Später erwies
sich der Salzhaudel als so einträglich, daß die bayerischen Landesherren und
die Salzburger Bischöse um den Besitz der Salzstätten lange Zeit hin-
durch iu Streit lagen.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T70: [Stadt Donau München Stuttgart Neckar Nürnberg Ulm Schloß Augsburg Regensburg], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
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Fische und Fischfang in den bayerischen Gewässern. 261
Von der Familie der Lachse bewohnt die beliebte Lachsforelle (Fario
Marsilii), die ein Gewicht von 15 bis 20 Kg. erreicht, den Würm-, Walchen-,
Tegern-, Chiem- und Königssee, auch den Kochel-, Staffel- und Riegsee, und
neben ihr findet sich fast überall der Hnchen (Salmo liucho). Der vielgerühmte
Salbling (Salmo salvelinus) findet sich nur in den eigentlichen Gebirgsseen
und wiegt von 74 bis 5 Kg. Um Berchtesgaden wird der geräucherte Salb-
ling, „Schwarzreiter" genannt, von fremden Gastronomen sehr geschätzt. Im
Würm-, Ammer-, Staffel-, Kochel-, Walchen-, Eib-, Tegern- und Chiemsee
lebt der schmackhafte Renken (Coregonus Wartmanni), und im Würmsee wird
der Sandfelchen (Coregonus fera) „Bodenrenke" genannt, weil er in der
Tiefe von einigen Klaftern auf dem Grunde laicht. Beide erreichen meist nur
ein Gewicht von % Hechte und Welse finden sich in allen Hochlands-
seen, und erreicht der Wels Waller (Lilurus glanis) nicht selten die Länge
eines erwachsenen Mannes.
Fast auf allen Seen gelten bestimmte Vorschriften für den Fischfang, am
ausgedehntesten für den Würmsee. Man bedient sich dazu vorwiegend großer
Netze, aber auch der Reußen und Legangeln, letzterer namentlich für größere
Raubfische. Auf dem Würmsee sieht man außerdem noch „Fischbaizen" und
„Hechtenstangen". Die ersteren sind Bäume, welche man mit allen Aesten an
Stellen, wo der See einen lehmigen Grund hat, so in denselben befestigt, daß
nur der Gipfel über dem Wasserspiegel sichtbar ist. Unter diesen Bäumen nun
lieben es die Fische, sich zu versammeln, und werden dort ohne große Mühe
gefangen. Die „Hechtenstangen" zählen zu deu ältesten Vorrichtungen beim
Fischfang. An einer auf dem Wasser schwimmenden, ziemlich starken Stange
wird eine zu einem leichten Knäuel aufgewickelte Schuur festgebunden, die unten
in einer leicht auszulösenden Schleife endet. Die Schleife ist mit einer oder
mehreren großen Angeln versehen, an denen die Köder befestigt find und die
ziemlich weit unter das Wasser hinabreichen. Hat sich ein Hecht gefangen und
fühlt er die Wunde, so schießt er mit rasender Geschwindigkeit in die Tiefe
hinab, wohin ihm der Faden willig folgt. An den Bewegungen der Stange
erkennt man die letzten Lebensregungen des Gefangenen, der demnächst langsam
nach dem Kahn emporgezogen wird. Zuweilen werden auch zwei Stangen durch
eiue Schnur mit einander verbanden, von der die Angeln hinabhängen.
Das gewöhnliche Fahrzeug des Fischers ist der sogenannte „Einbanm".
Wie das Kauoe der Indianer aus einem ausgehöhlten Baumstamme gebildet,
weist der Einbaum auf eine uralte Kulturstufe zurück. Der Baum, der das
Holz dazu liefert, ist ausschließlich die Eiche. Alle Einbäume haben das gleiche
Maß, 6vz bis 7 m. in der Länge und etwa 1% m. in der Breite. Vorn etwas
aufgebogen und in eine stumpfe Spitze auslaufend, sind sie am hinteren Ende
rechtwinklig abgeschnitten. Trotz ihrer ziemlich starken Wände sind sie sehr leicht
und können durch eine einzige Person gelenkt werden. Der Schiffer fitzt ent-
weder dem Ziele abgekehrt und führt dann zwei Ruder, die er an sich zieht,
oder er bewegt, am hinteren Ende des Schiffes und dem Ziele zugewandt
sitzend, den Kahn mittels eines Ruders fort. Aus den Flüssen und Seen der
Bayerischen Alpen ist die erstbezeichnete Ruderweise die fast allein übliche.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
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Geschlecht (WdK): koedukativ
Tie Natur des Alpenvorlands.
während wir der zweiten auf den Seen der Salzburger Alpen allgemein be-
gegueu. Hier steht auch der Schiffer zuweilen im Hintertheil des Kahns und
stößt denselben mit zwei Rudern vor sich hin, wie die Gondoliere Venedigs.
In einzelnen Fällen zieht auch wol Einer das Ruder, während ein Anderer
steuert. Da der Boden der Einbänme ganz flach ist, so schlagen sie leicht um
und dürfen daher nicht überladen werden, wie dies bei Lustfahrten wol vor-
kommt. Sechs Personen sind genng. Seit die Zahl der städtischen Gäste an
den Ufern der Hochlandsseen sich vermehrt hat, bant man indessen auch Köhlte,
welche zehn und mehr Personen ohne Gefahr auszunehmen im Stande sind.
Segelbooten begegnen wir nur aus dem Starnberger See. Auch diese
sind das Eigenthum von Städtern, welche die Sommermonate am See zu-
bringen. Die meisteu sind in Hamburg gebaut..
Wir wenden uns in den nachfolgenden Bildern zu den Gestaden der beiden
bedeutendsten Seen im Vorlande der Bayerischen Alpen, des Ammersees und
des Starnberger oder Würmsees.
Der Ammersee.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See]]
Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
74 Sprache, Stämme und Mundarten.
Ke Loch is nf der ganze' Welt
So berühmt wie deß vun Binge,
Ke Thorn so keck ins Wasser g'stellt,
Wie der im Rhei' bei Binge.
Die Maus' dum Bischof Hatto, sich!
Sin g'schwnmme bis noch Binge;
Ke G'schicht war je so serchterlich,
Wie selli dort bei Binge.
Un die heilig Hildegard, die war
Halt ach drheem in Binge
Und war Aebtissin dort sogar,
Deß Alles war in Binge.
Es is e' Wahn Herrlichkeit
Deß liebe kleene Binge,
Mei' Vater un Mutter un' all' mei' Leui',
Ja, mir sin all vun Binge!
Wir haben bereits die Mainlinie überschritten, welche vor Kurzem noch
als die politische Grenze zwischen Nord- und Süddeutschland angesehen wurde;
aber so wie ein Stamm an beiden Usern des Flnsses wohnt, so ist es auch ein
Volk von den Alpen bis zum Belt.
Im Donaugebiet zwischen Lech und Leitha bis zu den Alpen treffen wir
den kernhaften Stamm der Bayern oder Bojnvaren, handfest und muskel-
stark, warmblütig und gntmüthig. Ein alter Geograph, Franck, nennt sie „ein
gut Römisch, andächtig Volk, das gern wallet und eher zu Nacht in die Kirche
ginge, als dranßen bliebe", — aber er fügt hinzu, daß sie „nit seer ein höflich
volck, sondern grober sitten und sprach" seien. Mit Letzterem meint er wol ins-
besondere die Hochlandsbayern, die Nachkommen der alten Heruler und Rugier,
die einst den Römern das Gesetz diktirten. Im bayrischen Hochlande ist das
Reich des frohen, ungebundenen Treibens, der zügellosen Lust des Alpeulebens.
Hier ist der klassische Boden für alle die Erzählungen und Sagen, welche
das Volksthnm in den Bergen in unzählbaren Variationen behandeln, mit
seinen Licht- und Schattenseiten. Die natnrsrische Kehle, welche den Jauchzer
hinansschmettert in die weite Alpenwelt, am traulichen Herdfeuer Schnadahüpfl
erklingen läßt, weiß sicherlich auch den verhaßten Nebenbuhler, den Angehörigen
einer Familien- oder Dorfsippe, mit welcher von Eltern und Großeltern ver-
erbte Feindschaft besteht, mit einem Trntzliedchen zu begrüßen, das Blut
fordert; — die Hand, welche gewandt der Zither ihre hellen Töne entlockt,
führt auch den Schlagring mit furchtbarer Wucht; der stattliche blauäugige
Bursche, welcher mit Alpenkraxe oder Holzaxt dem Touristen begegnet und
dessen Blicke mit freudigem Wohlgefallen auf sich lenkt, hat wol irgendwo in
der Nähe die Büchse versteckt, und trifft ihn einmal aus verborgenem Pfade der
Jäger, dann mag's wol des Einen oder des Anderen Leben gelten. Die Bayern
haben sich mit Frakturschrist in die deutsche Geschichte eingeschrieben. Bayern
ist nicht das Land für Philosophen und Träumer, wol aber für gewaltige
Volkshelden, wie der fromme Schweppermann, der tapfere Reiterdegen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
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Extrahierte Personennamen: Hatto Hildegard Franck Schweppermann
Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Bayern
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Pflanzen- und Thierwelt. 161
bis in das wildeste Gefelse hinein. Der Alpensteiger, der einem ihm noch nn-
bekannten Ziele zusteuert, beobachtet die Bahn, welche ein aufgestörtes Rudel
Gemsen durch die Felsenwüsten einschlägt, und vernimmt er von einer als uu-
ersteigbar verrufenen Zinne, daß Gemsen auf ihrem Scheitel erblickt worden,
dann vertraut auch er darauf, — ist anders sein Auge und sein Eisen tüchtig,
— den Weg nach dieser Höhe zu finden.
Leisten aus solche Weise die Gemsen dem Alpenwanderer manchen uu-
schätzbaren Dienst, so bringen sie andererseits zuweilen einige Gefahr über den,
der sich in ihrer Gesellschaft bewegt. Es ist weniger die Gefahr, auf engem
Pfade von dem dahineilenden Rudel überrumpelt zu werden, — dieser ist der
Bergsteiger nicht so leicht ausgesetzt, da die Leichtfüße, die vorausgesprungen,
auf dem schroffsten Gipfel wieder einen anderen Answeg zu finden wissen, als
den „einzig möglichen"; — wol aber senden sie, in der Höhe über vielleicht
zehnfach thurmhohen Wänden dahinjagend, auf den vielleicht in der Tiefe des
Kars befindlichen Verfolger verderbendrohende Geschosse herab, — die Steine
nämlich, welche unter ihren flüchtigen Husen weichen. Da geht plötzlich ein
schwirrendes Pfeifen durch die Luft, ein zweites, drittes folgt, bald ferner,
bald näher dem Ohre, links und rechts schlagen die unsichtbaren Projektile in
den Boden, — der Alpensteiger befindet sich im Gemsenfeuer und muß sein
Schicksal so ruhig abwarten, wie der Soldat in der Schlacht; denn im tiefen
Falle erreichen die Steine nahezu Kugelgeschwindigkeit und würden den Ge-
trossenen wol eben so sicher niederstrecken wie das feindliche Blei.
Noch bedenklicher in dieser Beziehung und zugleich bei weitem lästiger
als die Gemsen sind dem Besucher der Kalkgebirge die Schafe, welche in
Heerden von tausend und mehr Stücken in die höchsten Regionen, die noch
einige Nahrung spenden, hinaufgetrieben werden und den ganzen Sommer
über dort ohne jegliche Aufsicht verbleibeu. Sie e.rblickeit in jedem mensch-
lichen Wesen, das über die Felsenhügel daherwandert, einen Hirten, von dem
sie Salz zu bekommen hoffen; truppweise kommen sie laut blökend herange-
sprengt und nun begleitet die zudringliche und übelduftende Gesellschaft den
Wanderer, bald in unmittelbarer Nähe, bald im Hinblick auf den drohenden
Bergstock in einiger Entfernung, am liebsten in der Höhe des Berggehänges,
wobei sie einen unaufhörlichen Hagel von Steinen auf ihn herabsenden. Ge-
lingt es ihm einmal, seinerseits einen höheren Posten einzunehmen, so kann
er mit einigen Steinwürfen die ungebetenen Begleiter sich schnell vom Halse
schaffen; denn sie kennen die Gefahr derselben für sich selbst recht wohl. Nichts
ist geeigneter, jede Schäferidylle zu zerstören, als eine Hochwanderung in den
nördlichen Kalkalpen, und wer in diesen Bergen nur einigermaßen bekannt
und erfahren ist, wird die überlästigen Wolleträger, welche schon mit ihrem
widerwärtigen Geplärre manche Stunden seiner Wanderung ihm verleiden,
bald als die unleidlichste Begegnung auf den einsamen Höhen des Gebirges
betrachten lernen.
Nächst dergemse ist es noch das Schneehuhn (Lagopus alpinus), welches
die Umgebung des Bergsteigers auf den einsamen Höhen belebt. Die zierlichen,
das gewöhnliche Rebhuhn an Größe bedeutend übertreffenden Vögel, mit
Deutsches Land und Volk. I.