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1. Bilder aus Frankens Vergangenheit - S. 67

1914 - München : Oldenbourg
— 67 — 3. Der Pauker von Mklashausen. 3trt 3al?re ^76 zog ein junger Mann an der Tauber umher und spielte zu seinem Lebensunterhalte in den Wirtshäusern auf der kleinen pauke. 3n der Fastenzeit kam ihm der Einfall, Buße zu tun und seine pauke zu verbrennen. Dieses vorhaben führte er im Dorfe Niklashausen auch wirklich aus. Dann predigte er dem Landvolke, es sei ihm die heilige 3ungfrau Maria erschienen und habe ihm den Befehl gegeben, Buße zu predigen. 3edermann solle allen eiteln Schmuck, seidene Gewänder und spitzige Schuhe ablegen und nach Niklashausen wallfahren gehen. £)ier würden alle Sünden verziehen. Auch habe ihm die Hl. 3ungfrau befohlen zu verkünden, es werde in Zukunft weder Papst, Kaiser, König, Fürst noch geistliche oder weltliche ©Irrigkeiten mehr geben. 3e^cr solle des andern Bruder sein, keiner mehr vermögen besitzen als der andere und jeder sich durch seine Landarbeit ernähren. Zehnten, Besthaupt, ßandlohn, Zölle, sonstige Steuern und Abgaben würden aufhören und die Wälder, Gewässer und Weiden stünden jedem frei zur Benutzung. Zahlreiche Menschen strömten von nah und fern an Sonn- und Feiertagen nach Niklashausen. Die Handwerker verließen ihre Werkstätte, die Bauern ihren Pflug, die Grasmädchen kamen mit der Sichel gelaufen ohne Erlaubnis der Herrschaft und ohne alle Wegzehrung, wo sie auf dem Wege einkehrten, gab man ihnen unentgeltlich Speise und Trank. Alle nannten sich Brüder und Schwestern. 3edes Mädchen ließ als Gpfergabe einen Teil seines Zopfes zurück, von allen Städten und Ortschaften liefen große Wachskerzen und reiche Opfer an Geld, Kleidungsstücken und Lebensrnitteln ein. Der junge Pauker trug eine zottige Kappe, von welcher das Volk allmählich alle Zotten abriß und solche als kostbare Andenken an den 3üngling in hohen Ehren hielt. Der Pauker predigte gewöhnlich auf einer umgestürzten Rufe stehend. Es sollen sich oft bei 40 000 Menschen zu diesen predigten eingefunden haben, auch traf man da Wirte, Köche und Krämer wie in einem großen Feldlager. Am Sonntage vor Kilianus ersuchte der Pauker seine männlichen Zuhörer, am nächsten Samstag, dem Margaretentag, zu Abend sich recht zahlreich und bewaffnet einzufinden. Weiber und Frauen sollten aber daheim bleiben. Da beschloß Bischof Rudolf, der Versammlung von Bewaffneten zuvorzukommen. Er schickte daher insgeheim 34 Heiter nach Niklashausen, die den Pauker aus dem Bett holten und auf ein Pferd banden. (Lrotzdem viele von den Hooo bereits Versammelten Gegenwehr versuchten, entkamen die würzburgischen Reiter unversehrt mit ihrem Gefangenen. czrvei clage später erschienen an \6 000 Wallfahrer mit ^00 brennenden Kerzen vor dem Schlosse Frauenberg um den Hl. Jüngling, allenfalls sogar mit Gewalt, zu befreien. Ein großer Teil zog wieder ab, als der 5*

2. Bilder aus Frankens Vergangenheit - S. 38

1914 - München : Oldenbourg
— 38 — sammelten sich die älteren Ritter, die nicht mehr an den Spielen teilnahmen, die edlen Frauen, die hohen Herren des fürstlichen Hofes und der Stadt. Die Zulassung zum Stechen war nach einer Turnierordnung geregelt, die von der fränkischen Rittergesellschaft der Fürspanger entworfen worden war. Aus derselben seien einige Bestimmungen auszugsweise wiedergegeben. V Don der Kleidung. (£5 sollen Ritter und Knechte keine güldene Decke und der Gemeine vom Adel keine Decke und keinen wappenrock von Samt, Damast oder Atlas führen. Eine jegliche Frau oder Jungfrau habe nicht über vier Röcke, mit denen sie sich schmücken will, von diesen seien nicht mehr als zwei von Samt. wer diese Vorschrift nicht einhält, soll des Dankes und der Dortänze beraubt sein. 2. Von der Rüstung. Das Schwert soll drei bis vier Finger breit und vornen an der Spitze in derselben Breite stumpf abgeschliffen sein, daß es weder steche noch schneide. Dieses Schwert soll jeder mit seinem Kleinod zur Prüfung tragen lassen. Die Klinge sei drei Spannen lang. An Zaum, Zügel, Sattel oder Steigleder darf kein (Eisen angebracht sein, das im Turnier gefährlich werden könnte, wenn man zum Turnierbeginn bläst, mag jeder sein Schwert ziehen und gegen das Kleinod seines Turniergenossen hauen, sonst soll er es aber nicht gebrauchen. Andere Waffen habe keiner dabei. Der Kolben sei an der Spitze daumendick, hänge an einer Kette und dürfe keinen Nagel haben. Niemand darf im Sattel befestigt sein. Schild und Krone muß jeder unverdeckt führen. Ein Fürst soll vier, ein Graf oder Herr drei, ein Ritter zwei Knechte haben, ein (Edelmann einen Knecht. 3. wer nicht ins Turnier gehöret. Nicht zum Turnier darf zugelassen werden, wer einen falschen Eid geschworen hat, wer im Feldgefängnis meineidig worden war, wer sein Handgelübde auf Brief und Siegel nicht hielt, wer vom Heerhaufen des Herrn oder Freundes flüchtete, wer Frauenehre nicht achtete, wer als Wucherer bekannt war, wer Straßenraub, Mord oder i)errat verübte, wer Kirchen zerstörte, wer Ketzerei trieb, wer des Ehebruchs überführt war,

3. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 5

1913 - Leipzig : Hahn
5 durch, der erste Stich war mißlungen. Tief erglühend forschte ich der Ursache nach und kam endlich darauf, daß von mir vergessen worden war, an dem Faden einen Knoten zu machen. Ich schlang also mit großer Mühe ein Knötlein und nähte hierauf mit Erfolg, aber auch mit Hindernissen. Es verwandt und verdrehte sich der Zwirn, es staute sich die Nadel am Finger, es verschob sich das Zeug und ließ sich mit jedem Zuge hoch in die Lüfte ziehen, es riß sogar der Faden. Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß mein Meister auch nur, eine Silbe zu mir gesprochen hätte, und als ich endlich mit dem Ärmling fertig zu sein wähnte und mit dem Auge fragte, was nun zu beginnen sei, antwortete er: „Jetzt trenne den Ärmling wieder auf bis auf den letzten Stich und ziehe die Fäden sauber aus. Achtung geben mußt nur, daß du den Stoff nicht an- schneidest." Als ich das mit Angst und Schmerz getan hatte und die Teile des Ärmlings wieder so dalagen, wie sie mir der Meister in die Hand gegeben hatte, ließ er von seiner Arbeit ab und sprach zu mir folgendes: „Ich hab' nur sehen wollen, wie du die Sache angreifst. Just nicht ungeschickt, aber den Loden muß man zwischen Knie und Tischrand einzwängen, sonst liegt er nicht still. Später, wenn du's einmal kannst, wird er auch wohl ohne Einzwängen still liegen, so wie bei mir da. Auf den Finger mußt du einen Fingerhut stecken, sonst kriegt deine Hand gerade so viele Löcher wie der Loden. Den Zwirn mußt du mit Wachs glätten, sonst wird er fransig und reißt. Die Stiche mußt du so machen, daß einer über dem andern reitet, das heißt man Hinterstiche, sonst klafft die Naht. Die Teile mußt du so zusammennähen, daß du sie nicht wieder voneinander zu trennen brauchst, und gibt es doch einmal zu trennen, so mußt kein saures Gesicht dazu machen; empfindsam sein leidet unser Handwerk nicht. Jeder Ochsenknecht wird dich ausspotten und wird dich fragen, ob du das Bügeleisen bei dir hättest, daß dich der Wind nicht fort- trägt, und wird, solange er deiner ansichtig wird, wie ein Ziegenbock meckern. Laß ihm die Freud' und geh still und sittsam deiner Wege. Ein gescheiter Mensch schämt sich nicht seines ehrlichen Handwerks, und ein dummer vermag es nicht zu lernen. Der Schneider studiert nie aus; jede Kundschaft hat einen andern Leib, jedes Jahr hat eine andre Mode; da heißt's nicht bloß zuschneiden und nähen, da heißt's auch denken, mein lieber Bub'; aus einem tüchtigen Schneider ist schon manch ein hoher Herr hervorgewachsen. Der große Feldherr Derff- linger ist ein Schneider gewesen. Deswegen, wenn du in dir wirklich die Neigung empfindest zu diesem Stande, so will ich dich lehren, was ich selber kann." Ich nickte dankend mit dem Kopfe. Beim Weggehen sagte der Alpelhoser zu mir: „Schneider werden? Wie ist dir denn das einge- fallen ? Alleweil in der finstern Stube sitzen; in den meisten Häusern lassen die Leut' nicht einmal Lust zu den Fenstern herein. Wenn du

4. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 11

1913 - Leipzig : Hahn
11 Ein einsamer Mann schritt eilig auf dem schmalen, grasbewachsenen Fußpfade vorwärts. Er war noch jung. Ein leichter Flaum sproßte über den frischen Lippen, und die hellgrauen Augen blitzten unternehmend und sorglos in die Welt. Ein lustiges Lied vor sich hinträllernd, achtete er wenig auf seine Umgebung; er sah weder rechts noch links; er bemerkte es auch nicht, daß die zuerst vereinzelt stehenden Sträucher und Bäume einander immer näher rückten. Plötzlich blieb er stehen. Die Pfade kreuzten sich nach verschiedenen Richtungen, und gerade vor ihm erhob sich ein dichter Wald. Überlegend sah er um sich. Weißer Nebel stieg aus den Wiesen hinter ihm; der Mond war aufgegangen und goß sein bleiches Silberlicht über die Berge; schwarz und schweigend stand der Wald da. Sollte er eintreten? Einen Augenblick besann er sich. Dann warf er trotzig seinen Kopf zurück und schritt vorwärts, zuerst vorsichtig, dann rascher. Immer tiefer drang er ein. Gespenstig drohend streckten die hohen Bäume ihre Äste gen Himmel. Der zuerst ziemlich breite Weg wurde immer schmäler. Kaum mehr dem Auge erkennbar, schlängelte er sich zwischen dem Buschwerk dahin. Der Jüngling mochte wohl mehrere Stunden so gegangen sein; Hunger und Müdigkeit drohten, ihn zu übermannen. Immer langsamer wurden seine Schritte, bis er endlich ganz stehen blieb. Er konnte nicht mehr vorwärts. Gerade vor ihm, quer über dem Weg, lag ein vom Sturme entwurzelter Stamm. Erschöpft ließ er sich auf diesen nieder, es war ihm unmöglich, weiter zu marschieren. Nachdem er eine Zeitlang geruht hatte, raffte er sich empor und eilte wieder zurück auf dem Wege, den er hergekommen war. Eine plötzliche, ihm sonst ganz ungewohnte Angst hatte ihn überfallen. „Nur fort, nur heraus aus diesem Walde," dachte er, „ganz gleich, wohin." Trotz seiner Ermattung lief er vorwärts, so schnell ihn die Beine trugen, einmal auf diesem, dann wieder auf jenem Wege. Aber zu seinem größten Schrecken gewahrte er, daß er immer wieder an den Ort zurückkehrte, von dem er ausgegangen war. Ver- zweifelnd warf er sich nieder, vergrub das Gesicht in beide Hände, schluchzte und rief laut um Hilfe. Als er wieder emporsah, schrak er zusammen, denn vor ihm standen drei Männer. Der eine trug ein prächtiges, reich mit Gold gesticktes Gewand, das von einem glänzenden, mit Edelsteinen geschmückten Gürtel zusammen- gehalten war. Der zweite hatte ein schwarzes Kleid mit rotem Gürtel und der dritte ein blaues Hemd und einen einfachen Ledergurt. In der nervigen Faust hielt er eine schwere Axt. „Was tust du hier?" fragten ihn die drei. — „Erbarmt Euch meiner, ich verschmachte. Sagt mir, wo ich eigentlich bin." — „Du bist im Walde des Elends", gaben sie zur Antwort. — „Helft mir, rettet mich, führt mich hinaus aus dieser entsetzlichen Wildnis", flehte er sie au. — „Wähle einen von uns, der dich führen soll."

5. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 13

1913 - Leipzig : Hahn
13 12. Die Ueujahrsnachl eines Unglücklichen. Ein alter Mensch stand in der Neujahrsnacht am Fenster und schaute verzweiflungsvoll auf zum unbeweglichen, ewig blühenden Himmel und wieder herab auf die stille, reine, weiße Erde, worauf jetzt niemand so freuden- und schlaflos war wie er. Der Kirchhof lag vor ihm, sein nahes Grab war bloß vom Schnee des Alters, nicht vom Grün der Jugend verdeckt, und er brachte nichts mit aus dem ganzen reichen Leben, nichts mit als Irrtümer, die Brust voll Gift und ein Alter voll Reue. Seine schönen Iugendtage wandten sich heute als Gespenster um und zogen ihn wieder vor den Hellen Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst auf den Scheideweg des Lebens gestellt hatte, der rechts auf der Sonnenbahn der Tugend in ein weites, ruhiges Land voll Licht, in die Heimat der Enge! bringt, und welcher links in die Maulwurfsgänge des Lasters hinabzieht, in eine schwarze Höhle voll heruntertropfenden Gifts, voll zischender Schlangen und finsterer, schwüler Dünste. Ach, die Schlangen hingen um seine Brust und die Gifttropfen auf seiner Zunge, und er wußte nun, wo er war. Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel hinauf: „Gib mir meine Jugend wieder! Cd Vater! stelle mich wieder auf den Scheideweg, damit ich anders wähle!" Aber sein Vater und seine Jugend waren längst dahin. Er sah Irrlichter auf Sümpfen tanzen und auf dem Gottesacker er- löschen, und er sagte: „Es sind meine törichten Tage." — Er sah einen Stern aus dem Himmel fliehen und im Falle schimmern und auf der Erde zerrinnen. „Das bin ich", sagte sein blutendes Herz, und die Schlangenzähne der Reue gruben sich tiefer ein in seine Munden. Die Einbildungskraft zeigte ihm schleichende Nachtwandler auf den Dächern, und die Mindmühle hob ihre Arme drohend zum Zer- schlagen auf, und im leeren Totenhause nahm eine zurückgebliebene Larve allmählich seine Züge an. Mitten in seiner Angst floß plötzlich die Musik für das Neujahr vom Turme hernieder wie ferner Kirchengesang. Er wurde sanfter bewegt, er schaute nach dem Himmel und über die weite Erde und dachte an seine Jugendfreunde, die nun, besser und glücklicher als er, Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen waren, und er sagte: „Cd ! ich könnte auch, wie ihr, diese erste Nacht des Jahres mit trockenen Augen verschlummern, wenn ich gewollt hätte; ach, ich hätte glücklich sein können, ihr teuern Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte!" In seinem reuevollen Andenken an seine Iünglingszeit kam es ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf; endlich wurde sie in seiner Einbildung zu einem lebendigen

6. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 59

1913 - Leipzig : Hahn
59 In Meister Wernthals Werkstatt pfiffen die Hobel von Meister und Gesellen lustig um die Wette: hüuh—hitt, hüuh—hitt! Die Sonne sandte durch das sanfte Weingerank, welche die Werkstattfenster so schön verschleierte, ihr liebliches Lächeln auf die fleißigen Leutchen da drinnen hin, und Meister Wernthal begleitete ihren Blick zuweilen mit ganz eigenen Augen, wenn er auf den jungen Gesellen fiel, der dort an seiner Seite so emsig hantierte, daß es geradezu eine Freude war, ihm zuzusehen. Friedrich Breitkopf war ein schmucker Bursch. Schlank und kräfüg gewachsen, bot er mit seinem jugendfrischen, von dunkelm, dichtem Haargelock umrahmten und mit leichtem Bartflaum gezierten Gesichte das köstliche Bild eines echten deutschen Handwerksgesellen. Er ver- stand auch sein Handwerk, das sah man an der Art, wie er das Werk- zeug führte, und der Meister Wernthal mußte wohl zufrieden mit dem jungen Burschen sein ; denn die Blicke, die er ihm zuweilen zuwarf, zeugten von Wohlwollen und Güte. Indessen, wer den schmucken Gesellen näher betrachtete, bemerkte bald, daß es heute nicht die Lust zum Handwerke war, die ihn so emsig den Hobel führen ließ, sondern daß eine Art Aufregung sich seiner bemächtigt hatte, ein Etwas, das sich als Unzufriedenheit mit sich und seinem Geschick auf seinem hübschen Antlitze wider- spiegelte. Und so war es auch. Der schmucke, fleißige Friedrich Breitkopf, der tüchtigste und geschickteste Geselle, den Meister Wernthal je in seiner Werkstatt beschäftigt hatte, war unzufrieden mit seinem Berufe. Der gute Junge haderte mit seinem Geschicke, das ihn zum Tischler gemacht und für die Zeit seines Lebens an die Hobelbank gestellt hatte, während andere, die kaum halb so hübsch und gewandt waren wie er (z. B. sein Schulkamerad Heinrich Hacker), in Frack und weißer Weste auf dem Bahnhöfe herumstolzieren konnten, statt mit rauhen, ungehobelten Brettern mit arttgen, gebildeten Reisenden zu tun hatten und statt eines kärglichen Wochenlohnes reichliche Trink- gelder einsttichen, für die sie sich endlich selbst eine Restauration oder ein Gasthaus kaufen oder pachten konnten, um dann als große Herren zu leben, während er es höchstens bis zu einer bescheidenen eigenen Werkstatt bringen konnte, in der er zeitlebens hobeln und bohren, sägen und nageln mußte, um sein tägliches Brot zu verdienen. Nein ! Was Heinrich Hacker konnte, konnte er auch, hüuh—hitt —hitt—-hitt! Friedrich Breitkopf ließ noch einmal den Hobel kräfüg über sein Brett hingleiten, blies sodann die Späne aus demselben fort, warf ihn auf die Hobelbank und rief: „Meister, ich mache Schicht!" Meister Wernthal glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu sollen; er blickte verwundert auf den Gesellen und fragte langsam: „Du willst fremd machen?" „Jawohl, Meister," erwiderte Friedrich ttotzig, „ich habe das

7. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 104

1913 - Leipzig : Hahn
104 nommen haben, und dennoch hingen seine Blicke wie geistesverloren an den drei elfenbeinernen Kugeln, die auf dem nächsten Billardtisch inmitten des grünen Tuches lagen. Und da kam es ihm vor, als wären die beiden weißen Kugeln die zarten, lieben Gesichter seiner zwei kleinen Mädchen, und die rote Kugel erschien ihm wie das gesunde, pausbäckige Gesicht seines herzliebsten Buben. Und diese drei Gesichter schauten ihn an mit großen, ängstlichen Augen, und diese Augen schienen zu sprechen: „Vaterl, um Gotteswillen, Vaterl, laß dir nur ja nichts einreden von dem schlechten Kerl. Schau, was hättest denn davon, wenn du einen Haufen Geld im Kasten liegen hättest und könntest deinen Kindern und der Mutter nimmer gerad' in die Augen schauen? Laß dir nichts einreden, Vaterl!" Mit einem jähen Ruck sprang der junge Mann von seinem Stuhl empor, streckte das zorngerötete Gesicht mit den blitzenden Augen weit über den Tisch und stammelte mit heiserer Stimme: „Und das Weitere, meinen Sie, das wird sich dann schon finden? Wenn Sie mich erst einmal auf zehn Jahre in Ihren Händen hätten, dann könnten Sie mich schon so lange kneten und bearbeiten, daß mir schließlich nichts andres übrig bliebe, als ein Schuft zu werden und Ihnen das Fabrikationsgeheimnis meines jetzigen Herrn zu verraten." Zornig packte er seinen Hut, stülpte ihn über bi« gesträubten Haare, stapfte mit langen Schritten davon und schoß zur Türe hinaus. Bald erreichte er sein Heim, weit draußen in einer stillen Vorstadt- gasse. Mit hurtigen Sprüngen eilte er die vier engen, steilen Treppen hinauf. Seine schmucke, blonde Frau empfing ihn. „Grüß dich Gott, Robert!" sagte sie und schaute ihn von der Seite an, denn sie las es ihm gleich vom Gesicht, daß irgend etwas nicht in der Ordnung war. Diese Wahrnehmung aber verschwieg sie ihm. Sie faßte seinen Arm und zog ihn in die Stube. „Komm nur, kannst mir gleich die Kerzen aufstecken helfen. Die Kinder wollen schier nimmer warten. Sie schreien wie die Wilden, und der armen Großmutter haben sie schon alle Falten vom Rock heruntergerissen." Sie traten in das Zimmer, welches, von einer Hängelampe erhellt, trotz seiner dürftigen Ausstattung einen behaglichen, fteundlichen Eindruck machte. Der Tisch war schon zum Abendessen gedeckt, und seitwärts, auf einem niedern Kasten, stand der kleine, nicht allzuschwer behängte Christ- baum, unter welchem die kärglichen Weihnachtsgaben für die Großmutter und die Kinder ausgebreitet waren. Sie redeten eine Weile über diese Sachen und Sächelchen hin und her, dann begannen sie die Kerzen aufzustecken, während aus dem an- stoßenden Zimmer der übermütige Jubel der drei „Wilden" sich hören ließ. „Robert? Mir kommt es vor, als hättest du heut' einen Verdruß gehabt?" ftagte nach einer Weile die junge Frau. „Gott bewahre!" brummte er und schüttelte den Kopf. Sie ftagte nicht weiter, denn sie kannte ihn — und da kam's nach kurzen Minuten von selbst aus ihm heraus, diese Kaffeehausgeschichte. „Heute nachmittag, gerad' wie ich aus der Fabrik hab' fort wollen, hat mir einer einen Brief geschickt, ich soll

8. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 71

1913 - Leipzig : Hahn
71 Qus dem Körper wieder heraus sei; dann aber müßte man es so lange reiben, bis die Wärme wiederkehre, und wenn dadurch das Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens. Da trat eine junge Dame, welche erst seit wenigen Wochen als Erzieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschule teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen an scheinbar Ertrunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer vorgeschlagen, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr gestatten wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und Zuversicht, mit welcher das junge Mädchen gesprochen, flößte der ver- zweifelten Mutter neue Hoffnung ein. Sie bat die Erzieherin, alles zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen Eilboten nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen, der zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie sofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen auf- forderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scherenschnitten trennte sie Jacke und Hemd und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig ab; mit einem Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im Munde befand, zog die Zunge hervor und band die Spitze derselben mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest; dann begann sie mit dem Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie es in der Samariterschule gelernt hatte. In stets gleichem Tempo wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brust- kasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt. Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luftstrom ein und aus, aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen er- mattet von der Anstrengung aus Augenblicke ihre Bemühungen aus- setzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich, nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren, schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die blassen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und setzten, obwohl aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis die Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Augen ausschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die ge- wärmten Decken herbeigebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung der übrigen Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchüg gerieben wurde. Der Kleine sing an zu sprechen und verlangte etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Thee ein und trug ihn

9. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 257

1913 - Leipzig : Hahn
Bräutigam, daß er ein dienstfertiges Gemüt allen anderen Rück- sichten vorgezogen hatte. Nun werdet ihr wohl nicht mehr fragen, ob auch Frau Kämmerlein mit ihres Mannes gemeinnützigem Sinne zufrieden war. Ü)o etwas Gemeinnütziges geschah, und wo einem Menschen unver- hofft und im stillen geholfen wurde, da hieß es: Das hat gewiß Meister Kämmerlein oder seine Räthe getan. Meister Kämmerlein starb kurz nach seiner treuen Gattin in einem Alter von etlichen 80 Jahren, von allen Einwohnern herzlich beweint, und in vielen derselben, besonders in seinen Rindern, lebt sein gemeinnütziger Sinn bis heute noch fort. Seiner wird nicht vergessen, und sein Andenken bleibt in Segen. Slnz. 112. Meister Pfriem. Meister Pfriem war ein kleiner, hagerer, aber lebhafter Mann, der keinen Augenblick Ruhe hatte. Sein Gesicht, aus dem nur die aufge- stülpte Nase vorragte, war pockennarbig und leichenblaß, sein Haar grau und struppig, seine Augen klein; aber sie blitzten unaufhörlich rechts und links hin. Er bemerkte alles, tadelte alles, wußte alles besser und hatte in allem recht. Ging er auf der Straße, so ruderte er heftig mit beiden Armen, und einmal schlug er einem Mädchen, das Wasser trug, den Eimer so hoch in die Lust, daß er selbst davon begossen ward. „Schafskopf," rief er ihr zu, indem er sich schüttelte, „konntest du nicht sehen, daß ich hinter dir herkam?" Seines Handwerks war er ein Schuster, und wenn er arbeitete, so fuhr er mit dem Drahte so gewalttg aus, daß er jedem, der sich nicht weit genug in der Ferne hiett, die Faust in den Leib stieß. Kein Geselle blieb länger als einen Monat bei ihm; denn er hatte an der besten Arbeit immer etwas auszusetzen. Bald waren die Stiche nicht gleich, bald war ein Schuh länger, bald ein Absatz höher als der andere, bald war das Leder nicht hinlänglich geschlagen. „Warte," sagte er zu dem Lehrjungen, „ich will dir schon zeigen, wie man die Haut weich schlägt!" hotte den Riemen und gab ihm ein paar Hiebe über den Rücken. Faulenzer nannte er sie alle. Er selber brachte aber doch nicht viel vor sich, weil er keine Viertelstunde ruhig sitzeu blieb. War seine Frau früh- morgens aufgestanden und hatte Feuer angezündet, so sprang er aus dem Bette und lief mit bloßen Füßen in die Küche. „Wollt ihr mir das Haus anzünden?" schrie er; „das ist ja ein Feuer, daß man einen Ochsen dabei braten könnte! Oder kostet das Holz etwa kein Geld?" — Richtete man ein neues Haus auf, so lief er ans Fenster und sah zu. „Da ver- mauern sie wieder den roten Sandstein," rief er, „der niemals austrocknet; in dem Hause bleibt kein Mensch gesund, lind seht einmal, wie schlecht die Gesellen die Steine aufsetzen. Der Mörtel taugt auch nichts; Kies muß hinein, nicht Sand. Ich erlebe noch, daß den Leuten das Haus über dem Kopfe zusammenfällt." Er setzte sich und tat ein paar Stiche; Lesebuch s. Fortbildungsschulen rc. Mg. Teil. 17

10. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 236

1913 - Leipzig : Hahn
B. Im gesellschaftlichen Leben. Irr der g?anxxzxe. Der ist glücklich, er sei ein König oder ein Geringer, dem in seinem kaufe Wohl bereitet ist. Goethe, 103. Das Lied von der Glocke. ii. weiße Blasen seh' ich springen; wohl! die Massen find in Fluß. Laßt's mit Aschensalz dnrchdringen, das befördert schnell den Guß. Auch vom Schaume rein muß die Mischung sein, daß vom reinlichen Metalle rein und voll die Stimme schalle. Denn mit der Freude Feiecklange begrüßt sie das geliebte Kind auf seines Lebens erstem Gange, -sn es in Schlafes Arm beginnt. Ihm ruhen noch im Zeitenschoße die schwarzen und die heitern Lose; der Mutterliebe zarte Sorgen bewachen seinen goldnen Morgen. — Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. Dom Mädchen reißt sich stolz der Knabe; rr stürmt ins Leben wild hinaus, durchmißt die Welt am Wanderstabe, fremd kehrt er heim ins Vaterhaus. Und herrlich, in der Jugend prangen, wie ein Gebild aus bsimmelshöh'n, mit züchtigen, verschämten Wangen sieht er die Jungfrau vor sich stehn. Da faßt ein namenloses Sehnen des Jünglings perz; er irrt allein; aüs seinen Augen brechen Tränen; sr flieht der Brüder wilden Reih'n. Errötend folgt er ihren Spuren »nd ist von ihrem Gruß beglückt; das Schönste sucht er auf den Fluren, Womit er seine Liebe schmückt. G zarte Sehnsucht, süßes hoffen, der ersten Liebe goldne Zeit! Das Auge sieht den Kimme! offen, es schwelgt das k^erz in Seligkeit. G, daß sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe ! wie sich schon die Pfeifen bräune«! Dieses Stäbchen tauch' ich ein; sehn wir's überglast erscheinen, wird's zum Gusse zeitig sein. Jetzt, Gesellen, frisch! prüft mir das Gemisch, ob das Spröde mit dem Weichen sich vereint zürn guten Zeichen. Denn wo das Strenge mit dem Zarten, wo Starkes sich und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das perz zum Kerzen findet! Der Wahn ist kurz, dir Ren' ist lang, Lieblich in der Bräute Locken spielt der jungfräuliche Kranz, wenn die Hellen Kirchenglocken laden zu des Festes Glanz. Ach! des Lebens schönste Feier endigt auch den Lebensmai; mit dem Gürtel, mit dem Schleier reißt der schöne Wahn entzwei. Die Leidenschaft flieht, die Liebe muß bleiben; die Blume verblüht, die Frucht muß treiben. —
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