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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 1

1913 - Leipzig : Hahn
A. Im beruflichen Leben. Irr bex Fehrre. Ein <Snbe nahm das leichte Spiel; es naht der Ernst des Lebens. Behalt' im Auge fest dein Ziel, geh keinen Schritt vergebens! 1. Zum Tagewerke. Gehe hin in Gottes Namen, greif dein Werk mit Freuden an; frühe säe deinen Samen; was getan ist, ist getan. Sieh nicht aus nach dem Entfernten; was dir nah' liegt, mußt du tun; säen mußt du, willst du ernten; nur die fleiß'ge Hand wird ruhn. Müßigstehen ist gefährlich, heilsam unverdroßner Fleiß, und es steht dir abends ehrlich an der Stirn des Tages Schweiß. Weißt du auch nicht, was geraten oder was mißlingen mag, folgt doch allen guten Taten Gottes Segen für dich nach. Geh denn hin in Gottes Namen, greif dein Werk mit Freuden an; frühe säe deinen Samen; was getan ist, ist getan. 6pitta. Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. 9. Auflage. 1

2. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 25

1913 - Leipzig : Hahn
25 weiter als nach Merkendorf gehen. Du möchtest dir sonst wehe tun.“ Und so geschah es auch. Andreas schnallte sein Wander- bündel, aß sein Leibgericht mit großem Beifall, plauderte noch zwei oder drei Stunden mit seiner Mutter über dieses und jenes und ging dann, von ihr bis vor die Haustüre geleitet. Die Witwe aber sprach bei sich, als sie, die beiden Hände in den Rocktaschen, nach ihrem Stüblein zurückkehrte: »Ich lasse alles liegen und stehen, auch seinen Rappen; denn er wird nicht lange ausbleiben.“ Und als eine Stunde darauf die Nachbarin kam und Schuhe zum Flicken brachte, nahm sie diese an und antwortete: »Morgen abend könnt Ihr wiederkommen und sie holen, da werden sie fertig sein.“ Andreas aber, je weiter er ging, desto länger wurde ihm der Weg nach England und Amerika. Schon auf den Wiesen zwischen den beiden nächsten Ortschaften gelobte er bei sich selber, sich mit der neuen Welt nicht einzulassen. In dem großen Mönchswald gab er auch England auf; in dem tiefen Sande hinter dem Walde fiel der Zeiger bis auf Frankfurt zurück; und als ihm in Merkendorf da und dort aus den Stuben ein heimliches Abendlicht entgegenschimmerte wie vom Himmel dm ersten Sterne, fühlte er ganz, was es heiße, Mutter und Heimat auf Nimmerwiederkommen zu verlassen. So kam er in die Herberge seines Handwerks, nippte ohne großen Appetit von dem Biere, das ihm vorgesetzt wurde, und legte sich dann zwischen die Nürnberger Fuhrleute, die auf dem Stroh in der Stube herumlagen. Sein Wanderbündel machte er zum Kopfkissen. Dann löschte der Wirt die mit Schmalz gefüllte Lampe aus, und das Mondlicht herrschte nun allein in der Stube. Andreas aber hatte einen schlimmen Platz gewählt. Sein Schlafkamerad zur Linken träumte vielleicht von einer Schlägerei. Wenigstens schlug er mit seinen großen und harten Fäusten gewaltig um eich und traf dabei den Schuhmacher so in das Genick, daß dieser erschrocken aufsprang und eine andere Schlafstätte suchte. Eine lange, schmale Tafel, welche an der Wand von dem Fenster bis zur Stubentüre reichte und auf der nichts stand als ein Scheffel, lud ihn ein. Er hob den Scheffel herab und sein Wanderbündel hinauf und legte sich dann selbst nach Bequemlichkeit zurecht. Wenige Minuten darauf schloß ein sanfter Schlaf seine Augen, und die Erinnerung aus seiner frühesten Jugend zog, in einen Traum verwandelt, durch seine Seele. Es träumte ihm, er liege als Knabe von sieben oder acht Jahren zum Baden entkleidet auf einem flachen Ufer der Altmühl und wollte sich in dem schwarzen Schlamme wälzen, um dann seinen Kameraden plötzlich als Mohr zu er-

3. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 3

1913 - Leipzig : Hahn
3 und dem wir alle seine Wohltaten zuweilen mit schnödem Undank gelohnt hatten. Fest und innig umschloß des Lehrers Hand die meine, und tief blickte er in meine von Tränen überströmenden Augen, als wollte er die Gedanken erraten, die auf dem Grunde des jugendlichen Herzens schlummerten. Wie lange wir so Hand in Hand und Auge in Auge einander gegenübergestanden haben, vermag ich nicht zu sagen. Erst die tiefbewegte Stimme des Lehrers befreite mich von dem Banne, der mich gefesselt hielt, und nie werde ich den Segenswunsch vergessen, den er mir zurief: „Gott bewahre dir dein kindlich dankbares Gemüt und deine reine Seele!" Mir war die Kehle in diesem Augenblicke wie zugeschnürt, und nur ein leises, schluchzendes „Behüt' Sie Gott!" dem Lehrer zurufend, stürmte ich leidenschaftlich erregt zur Türe hinaus. In dieser Stimmung war es mir unmöglich, sofort nach Hause zurück- zukehren und alle die neugierigen Fragen meiner kleinen Geschwister zu beantworten. Ich wandte mich daher nach der entgegengesetzten Seite und schlug einen schmalen, schattigen Pfad ein, der mich zu einem kleinen, von grünem Laubholz umkränzten Waldsee führte. Hier am Ufer des Sees warf ich mich auf das dichte, schwellende Moos des Waldbodens und ließ noch einmal alle die schönen, freudvollen Tage meiner Schulzeit vor meinem geistigen Auge vorüberziehen. Aber nicht nur der so sorglos und friedlich verlebten Vergangenheit gedachte ich in diesem Augenblicke, ich richtete meine Blicke auch in die noch dunkel vor mir liegende Auknnft. M. Ebeltng, Maurerbursche in Neustrelitz. 3. Das Handwerk. Lin Handwerk soll der Bub' nicht treiben; denn dazu ist er viel zu gut. Lr kann so wunderniedlich schreiben, ist so ein feines, junges Blut. Nur ja kein Handwerk — Gott be- wahrel Das gilt ja heute nicht für fein: „Und wenn ich mir's am Munde spare, es muß schon etwas Beff'res sein!" Das ist der wunde Punkt der Zeiten: ein jeder will aufs hohe Pferd; ein jeder will sich nobel kleiden, doch niemand seinen Schneider ehrt. Der Hände Arbeit kam zuschanden der Arbeitsbluse schämt man sich; das rächt sich noch in deutschen Landen, das rächt sich einmal bitterlich. Das Handwerk hat noch gold'nrn Boden, hält es nur mit dem Zeitgeist Schritt, folgt es den Künsten und den Moden, und bringt man Liebe zu ihm mit. wenn Bildung sich und Fleiß ver- mählen und tut der Meister feine Pflicht, mögt ihr es zum Beruf erwählen: es ist das Schlechteste noch nicht. Deutsche Töpferzeituuz. 4. Die Berufswahl. „Für einen Bauer ist er zu schwächlich, wird halt ein Pfarrer oder ein Schneider werden müssen!" Das war das Ergebnis der Be- ratung, die eines Abends über mich in der Stube des Waldbauern abgehalten wurde. Meine Mutter ging zu dem Geistlichen, Hilfe i*

4. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 5

1913 - Leipzig : Hahn
5 durch, der erste Stich war mißlungen. Tief erglühend forschte ich der Ursache nach und kam endlich darauf, daß von mir vergessen worden war, an dem Faden einen Knoten zu machen. Ich schlang also mit großer Mühe ein Knötlein und nähte hierauf mit Erfolg, aber auch mit Hindernissen. Es verwandt und verdrehte sich der Zwirn, es staute sich die Nadel am Finger, es verschob sich das Zeug und ließ sich mit jedem Zuge hoch in die Lüfte ziehen, es riß sogar der Faden. Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß mein Meister auch nur, eine Silbe zu mir gesprochen hätte, und als ich endlich mit dem Ärmling fertig zu sein wähnte und mit dem Auge fragte, was nun zu beginnen sei, antwortete er: „Jetzt trenne den Ärmling wieder auf bis auf den letzten Stich und ziehe die Fäden sauber aus. Achtung geben mußt nur, daß du den Stoff nicht an- schneidest." Als ich das mit Angst und Schmerz getan hatte und die Teile des Ärmlings wieder so dalagen, wie sie mir der Meister in die Hand gegeben hatte, ließ er von seiner Arbeit ab und sprach zu mir folgendes: „Ich hab' nur sehen wollen, wie du die Sache angreifst. Just nicht ungeschickt, aber den Loden muß man zwischen Knie und Tischrand einzwängen, sonst liegt er nicht still. Später, wenn du's einmal kannst, wird er auch wohl ohne Einzwängen still liegen, so wie bei mir da. Auf den Finger mußt du einen Fingerhut stecken, sonst kriegt deine Hand gerade so viele Löcher wie der Loden. Den Zwirn mußt du mit Wachs glätten, sonst wird er fransig und reißt. Die Stiche mußt du so machen, daß einer über dem andern reitet, das heißt man Hinterstiche, sonst klafft die Naht. Die Teile mußt du so zusammennähen, daß du sie nicht wieder voneinander zu trennen brauchst, und gibt es doch einmal zu trennen, so mußt kein saures Gesicht dazu machen; empfindsam sein leidet unser Handwerk nicht. Jeder Ochsenknecht wird dich ausspotten und wird dich fragen, ob du das Bügeleisen bei dir hättest, daß dich der Wind nicht fort- trägt, und wird, solange er deiner ansichtig wird, wie ein Ziegenbock meckern. Laß ihm die Freud' und geh still und sittsam deiner Wege. Ein gescheiter Mensch schämt sich nicht seines ehrlichen Handwerks, und ein dummer vermag es nicht zu lernen. Der Schneider studiert nie aus; jede Kundschaft hat einen andern Leib, jedes Jahr hat eine andre Mode; da heißt's nicht bloß zuschneiden und nähen, da heißt's auch denken, mein lieber Bub'; aus einem tüchtigen Schneider ist schon manch ein hoher Herr hervorgewachsen. Der große Feldherr Derff- linger ist ein Schneider gewesen. Deswegen, wenn du in dir wirklich die Neigung empfindest zu diesem Stande, so will ich dich lehren, was ich selber kann." Ich nickte dankend mit dem Kopfe. Beim Weggehen sagte der Alpelhoser zu mir: „Schneider werden? Wie ist dir denn das einge- fallen ? Alleweil in der finstern Stube sitzen; in den meisten Häusern lassen die Leut' nicht einmal Lust zu den Fenstern herein. Wenn du

5. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 7

1913 - Leipzig : Hahn
7 Und dann, als ich nach wechselvollen Jahren am offnen Grabe meiner Kinder stand, da hab' ich, tief erbebend, erst erfahren, was jene Nacht mein Mütterlein empfand. Und Lieb' und Reue, Dank und heißes Sehnen, ich kost' sie täglich, koste sie nicht aus. Wohl bin ich glücklich — aber oft in Tränen denk' ich der letzten Nacht im Vaterhaus. B. Bettmann. 6. Kal des Katers Du wanderst in die Welt hinaus auf dir noch fremden Wegen, doch folgt dir aus dem stillen Haus der treusten Liebe Segen. an seinen Zahn. Nimm auf die Schultern Last und Müh mit frohem Gottvertrauen und lerne, wirkend spät und früh, den eignen Herd dir bauen! Ein Ende nahm das leichte Spiel, es naht der Ernst des Lebens; behalt' im Auge fest dein Ziel, geh keinen Schritt vergebens! Gerader Weg, gerades Wort, so will's dem Mann gebühren: wer sich die Ehre wählt zum Hort, den kann kein Schalk verführen. Und nun ein letzte und eine letzte Bii Hall dich getreu i zu deines Volkes Halt hoch das Haupt, was dir auch droht, und werde nie zum Knechte; brich mit dem Armen gern dein Brot und wahre seine Rechte! Treib nicht mit heil'gen Dingen Spott und ehre fremden Glauben und laß dir deinen Herrn und Gott von keinem Zweifler rauben I Druck der Hand fernen".Land ltte! Julius Sturm. 7. Antritt der Lehre. Wie gern hätte Anton eine lateinische Schule besucht! Prediger wollte er werden, das war sein sehnlichster Wunsch. Aber der mittellose Vater gab ihn zu einem Hutmacher nach Braunschweig in die Lehre. Hier mußte er Holz spalten, Wasser tragen und die Werkstatt auskehren. So unangenehm ihm nun auch im Anfange diese Beschäftigungen waren, so fand er doch schließlich eine Art von Vergnügen daran. Seine Phantasie kam ihm dabei sehr zustatten. Oft war ihm die geräumige Werkstatt mit ihren schwarzen Wänden und dem schauerlichen Dunkel, das des Abends und Morgens nur durch den Schimmer einiger Lampen erhellt wurde, ein Tempel, worin er diente. Des Morgens zündete er unter den großen Kesseln das heilige, be- lebende Feuer an, wodurch nun den Tag über alles in Arbeit und Tätigkeit erhalten und so viele Hände beschäftigt wurden. Er betrachtete dann dieses Geschäft wie eine Art von Amt, dem er in seinen Augen eine gewisse Würde erteilte. Gleich hinter der Werkstatt floß die Oker, auf der ein Vorsprung von

6. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 11

1913 - Leipzig : Hahn
11 Ein einsamer Mann schritt eilig auf dem schmalen, grasbewachsenen Fußpfade vorwärts. Er war noch jung. Ein leichter Flaum sproßte über den frischen Lippen, und die hellgrauen Augen blitzten unternehmend und sorglos in die Welt. Ein lustiges Lied vor sich hinträllernd, achtete er wenig auf seine Umgebung; er sah weder rechts noch links; er bemerkte es auch nicht, daß die zuerst vereinzelt stehenden Sträucher und Bäume einander immer näher rückten. Plötzlich blieb er stehen. Die Pfade kreuzten sich nach verschiedenen Richtungen, und gerade vor ihm erhob sich ein dichter Wald. Überlegend sah er um sich. Weißer Nebel stieg aus den Wiesen hinter ihm; der Mond war aufgegangen und goß sein bleiches Silberlicht über die Berge; schwarz und schweigend stand der Wald da. Sollte er eintreten? Einen Augenblick besann er sich. Dann warf er trotzig seinen Kopf zurück und schritt vorwärts, zuerst vorsichtig, dann rascher. Immer tiefer drang er ein. Gespenstig drohend streckten die hohen Bäume ihre Äste gen Himmel. Der zuerst ziemlich breite Weg wurde immer schmäler. Kaum mehr dem Auge erkennbar, schlängelte er sich zwischen dem Buschwerk dahin. Der Jüngling mochte wohl mehrere Stunden so gegangen sein; Hunger und Müdigkeit drohten, ihn zu übermannen. Immer langsamer wurden seine Schritte, bis er endlich ganz stehen blieb. Er konnte nicht mehr vorwärts. Gerade vor ihm, quer über dem Weg, lag ein vom Sturme entwurzelter Stamm. Erschöpft ließ er sich auf diesen nieder, es war ihm unmöglich, weiter zu marschieren. Nachdem er eine Zeitlang geruht hatte, raffte er sich empor und eilte wieder zurück auf dem Wege, den er hergekommen war. Eine plötzliche, ihm sonst ganz ungewohnte Angst hatte ihn überfallen. „Nur fort, nur heraus aus diesem Walde," dachte er, „ganz gleich, wohin." Trotz seiner Ermattung lief er vorwärts, so schnell ihn die Beine trugen, einmal auf diesem, dann wieder auf jenem Wege. Aber zu seinem größten Schrecken gewahrte er, daß er immer wieder an den Ort zurückkehrte, von dem er ausgegangen war. Ver- zweifelnd warf er sich nieder, vergrub das Gesicht in beide Hände, schluchzte und rief laut um Hilfe. Als er wieder emporsah, schrak er zusammen, denn vor ihm standen drei Männer. Der eine trug ein prächtiges, reich mit Gold gesticktes Gewand, das von einem glänzenden, mit Edelsteinen geschmückten Gürtel zusammen- gehalten war. Der zweite hatte ein schwarzes Kleid mit rotem Gürtel und der dritte ein blaues Hemd und einen einfachen Ledergurt. In der nervigen Faust hielt er eine schwere Axt. „Was tust du hier?" fragten ihn die drei. — „Erbarmt Euch meiner, ich verschmachte. Sagt mir, wo ich eigentlich bin." — „Du bist im Walde des Elends", gaben sie zur Antwort. — „Helft mir, rettet mich, führt mich hinaus aus dieser entsetzlichen Wildnis", flehte er sie au. — „Wähle einen von uns, der dich führen soll."

7. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 35

1913 - Leipzig : Hahn
35 einen Hexenschuß im Kreuz und liegt zu Bette; aber die Herbergsmutter hat auch noch keinem ehrlichen Schusterknecht ein Bein ausgerisien. Kannst fragen, wen du willst, in der Stadt, ob die alte Hambroksche nicht überall einen Stein im Brette hat." „So wollt' ich Euch ganz freundlich angesprochen haben, Frau Mutter," sagte Timmo, indem er sich mit geschlossenen Hacken vor sie hinstellte, den Hut in der Hand und den Ranzen unter dem linken Arm, „von wegen des Handwerks, ob Ihr mich und mein Bündel heute wollet beherbergen, mich auf der Bank und mein Bündel unter der Bank; ich will mich halten nach Handwerks Gebrauch und Gewohnheit, wie es einem ehrlichen Schusterknecht zukommt, mit keuschem Mund und reiner Hand." „Sei willkommen wegen des Handwerks!" sagte die Alte, „lege dein Bündel unter die Bank und deinen Filz auf dem Herrn Vater seinen Tisch; ich will den Altschaffer rufen lassen, daß er dich umschaut." Timmo tat, wie ihm geheißen war, und ruhte sich. Als aber der Altgesell kam, erhob er sich wieder, setzte den Hut auf, ging dem Ein- tretenden entgegen und legte seine linke Hand auf dessen rechte Schulter. Der Altgesell machte es ebenso und fing an: „Hilf Gott, Fremder! — Schuster?" „Stück davon", antwortete Timmo. „Wo streichst du her bei dem staubigen Wetter?" „Immer aus dem Land, das nicht mein ist." „Kommst du geschritten oder geritten?" „Ich komme geritten auf zwei Rappen aus eines guten Meisters Stall. Die Meisterin hat sie mir gesattelt, die Jungfer hat sie mir ge- zäumt, und beschlagen hab' ich sie mir selber." „Worauf bist du ausgesandt?" „Auf ehrbare Beförderung, Zucht und Ehrbarkeit, Handwerks Gebrauch und Gewohnheit." „Wann fängt selbige an?" „Sobald ich meine Lehrjahre ehrlich und treu ausgestanden." „Wann endigt sich selbige?" „Wenn mir der Tod das Herz abbricht." „Was trägst du unter deinem Hut?" „Eine hochlöbliche Weishett." „Was trägst du unter deiner Zunge?" „Eine hochlöbliche Wahrheit." „Was frommt unserem Handwerk?" „Alles, was Gott weiß und ein Schustergeselle." Nun nahmen sie beide den Hut ab, der Altschaffer reichte dem Fremden die Hand und sprach: „Sei willkommen wegen des Handwerks! Wie heißt du? Was ist dein Begehr?" „Ich heiße Timotheus Schneck, bin aus Darmstadt gebürtig und wollte dich gebeten haben, du wollest mir Handwerksgewohnheit wider- fahren lassen und mich umschauen, ist es nicht hier, so ist es anderswo." 3*

8. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 13

1913 - Leipzig : Hahn
13 12. Die Ueujahrsnachl eines Unglücklichen. Ein alter Mensch stand in der Neujahrsnacht am Fenster und schaute verzweiflungsvoll auf zum unbeweglichen, ewig blühenden Himmel und wieder herab auf die stille, reine, weiße Erde, worauf jetzt niemand so freuden- und schlaflos war wie er. Der Kirchhof lag vor ihm, sein nahes Grab war bloß vom Schnee des Alters, nicht vom Grün der Jugend verdeckt, und er brachte nichts mit aus dem ganzen reichen Leben, nichts mit als Irrtümer, die Brust voll Gift und ein Alter voll Reue. Seine schönen Iugendtage wandten sich heute als Gespenster um und zogen ihn wieder vor den Hellen Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst auf den Scheideweg des Lebens gestellt hatte, der rechts auf der Sonnenbahn der Tugend in ein weites, ruhiges Land voll Licht, in die Heimat der Enge! bringt, und welcher links in die Maulwurfsgänge des Lasters hinabzieht, in eine schwarze Höhle voll heruntertropfenden Gifts, voll zischender Schlangen und finsterer, schwüler Dünste. Ach, die Schlangen hingen um seine Brust und die Gifttropfen auf seiner Zunge, und er wußte nun, wo er war. Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel hinauf: „Gib mir meine Jugend wieder! Cd Vater! stelle mich wieder auf den Scheideweg, damit ich anders wähle!" Aber sein Vater und seine Jugend waren längst dahin. Er sah Irrlichter auf Sümpfen tanzen und auf dem Gottesacker er- löschen, und er sagte: „Es sind meine törichten Tage." — Er sah einen Stern aus dem Himmel fliehen und im Falle schimmern und auf der Erde zerrinnen. „Das bin ich", sagte sein blutendes Herz, und die Schlangenzähne der Reue gruben sich tiefer ein in seine Munden. Die Einbildungskraft zeigte ihm schleichende Nachtwandler auf den Dächern, und die Mindmühle hob ihre Arme drohend zum Zer- schlagen auf, und im leeren Totenhause nahm eine zurückgebliebene Larve allmählich seine Züge an. Mitten in seiner Angst floß plötzlich die Musik für das Neujahr vom Turme hernieder wie ferner Kirchengesang. Er wurde sanfter bewegt, er schaute nach dem Himmel und über die weite Erde und dachte an seine Jugendfreunde, die nun, besser und glücklicher als er, Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen waren, und er sagte: „Cd ! ich könnte auch, wie ihr, diese erste Nacht des Jahres mit trockenen Augen verschlummern, wenn ich gewollt hätte; ach, ich hätte glücklich sein können, ihr teuern Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte!" In seinem reuevollen Andenken an seine Iünglingszeit kam es ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf; endlich wurde sie in seiner Einbildung zu einem lebendigen

9. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 14

1913 - Leipzig : Hahn
t — 14 — Jüngling, und seine vorige, blühende Gestalt wurde ihm bitter vor> gegaukelt. Er konnte es nicht mehr sehen, er verhüllte das Auge, tausend heiße Tränen strömten versiegend in den Schnee, er seufzte nur noch leise, trostlos und sinnlos: „Komm nur wieder, Jugend, komm wieder!" Und sie kam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrsnacht so fürchterlich geträumt — er war noch ein Jüngling. Nur seine Verirrungen waren nicht bloß ein Traum gewesen. Aber er dankte Gott, daß er noch jung war und von den schmutzigen Gängen des tasters umkehren und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte, die ins reine Land der ewigen Ernten führt. Aehre mit ihm um, junger Leser, wenn du auf seinen Irrwegen stehst. Dieser schreckende Traum wird künftig dein Richter werden! Aber wenn du einst jammervoll rufen würdest: „Komm wieder, schöne Jugendzeit!" — sie würde nicht wiederkommen. Jean Paul Friedrich Richter. 13. Die deutsche Turnkunst. Wie so viele Dinge in der Welt so hat auch die deutsche Turnkunst einen kleinen, unmerklichen Anfang gehabt. Ich wanderte gegen das Ende des Jahres 1809 nach Berlin, um den Einzug des Königs zu sehen. Bei dieser Feier ging mir ein Hoffnungsstern auf, und nach langen Jrr- jahren und Irrfahrten wurde ich hier heimisch. Liebe zum Vaterlands und eigne Neigung machten mich wieder zum Jugendlehrer, was ich schon so oft gewesen war. Zugleich ließ ich mein „Deutsches Volkstum" drucken. In schöner Frühlingszeit des Jahres 1810 gingen an den schul- freien Nachmittagen der Mittwoche und Sonnabende erst einige Schüler mit mir in Feld und Wald, bald folgten immer mehr und mehr. Die Zahl wuchs, und es wurden Jugendspiele und einfache Übungen vor- genommen. So ging es fort bis zu den Hundstagen, wo eine Unzahl von Knaben zusammenkam, die sich aber bald nachher verlief. Doch sonderte sich ein Kern aus, der auch im Winter als Stamm zusammen- hielt, und mit dem dann im Frühjahr 1811 der erste Turnplatz in der Hasenheide (bei Berlin) eröffnet wurde. Jetzt wurden im Freien öffentlich und vor jedermanns Augen von Knaben und Jünglingen mancherlei Leibesübungen unter dem Namen Turnkunst in Gesellschaft getrieben. Damals kamen die Benennungen Turnkunst, turnen, Turner, Turnplatz und ähnliche miteinander zu- gleich auf. Das gab nun bald ein gewaltig Gelaufe, Geschwätz und Geschreibe. Selbst durch französische Tageblätter mußte die Sache Gaffen laufen. Aber auch hierzulande hieß es anfangs: „Eine neue Narrheit, die alte Deutschheit wieder ausbringen zu wollen." Dabei blieb es nicht. Vorurteile wie Sand am Meer wurden von Zeit zu Zeit ruchbar. Sie

10. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 38

1913 - Leipzig : Hahn
38 24. Trinker-Ausreden. Eine der Hauptursachen der Krankheiten ist die Unkenntnis des Volkes in gesundheitlichen Fragen. Die große Menge, ob gebildet oder ungebildet, lebt nach Grundsätzen und Anschauungen, die die Gesundheit untergraben. Ein Kernpunkt der Lebenskunstist die Ernährung, die richtige Auswahl von Speise und Trank. Über kein Gebiet aber herrschen so viele und so große Irrlehren wie über die Frage: Was soll der Mensch trinken? Wissenschaftliche Tatsachen, die tägliche Erfahrung, das Handgreiflichste wird auf den Kopf gestellt, um dem Genusse von Wein, Bier und Branntwein mit Gewissensruhe frönen zu können. Welche Ausreden sind es denn, womit der Trinker sein Gläschen beschönigt? „Ich habe Durst", sagt der eine. Und doch * hat er schon oft erlebt, wie er nach einem fidelen Abend, an dem er mit so und so viel Glas den Riesendurst bezwungen, nachts vor Durst erwacht und gierig nach der Wasserflasche greift. Der Alkohol, den er im Wein, Vier und Schnaps zu sich genommen, hat im Körper den Wassergehalt vermindert und sein Flüssigkeitsbedürfnis gesteigert. Er will sich mit Wein und Bier den Durst stillen, obwohl er längst erfahren hat, daß Alkohol Durst erzeugt. Wer würde an einem Abend 5 bis 10 Seidel Wasser trinken? Es ist unmöglich; denn der Durst wäre schon nach dem ersten Seidel gefüllt. „Ich friere, mir ist zu kalt — ich muß mich durch ein Gläschen wärmen", sagt ein anderer, und doch belehrt ihn das Thermo- meter, daß bei Genuß von Wein, Bier und Branntwein die Blut- wärme sinkt. Der Alkohol lähmt gewisse Teile des Gehirns, sodaß die Blutgefäße der Haut sich erweitern und eine Blutflut zur Haut entsteht; dies zeigt das rote Gesicht und das scheinbare Gefühl der Erwärmung. Diese Täuschung ist die Ursache des Erfrierens all jener Unglücklichen, die durch ein Schnäpschen sich Wärme zu schaffen versuchten; denn die Blutflut in der Körperoberfläche gibt leicht ihre Wärme an die kalte Umgebung ab, bis das Blut immer mehr und mehr sich abkühlt. Sonderegger sagt in seinem trefflichen Buche „Vorposten der Gesundheitspflege": „Ich wunderte mich über die Fuhrleute in Kasan, die zu Hunderten den Frachtverkehr besorgen, wie sie bei einer Kälte von 30 bis 35* C Tag und Nacht auf den Beinen sein können und, um von Staüon zu Staüon zu gelangen, stets mehrere Stunden unterwegs sein müssen. Meistens sind diese Fuhrleute Tataren, die mit höchst seltenen Ausnahmen genau nach dem Koran leben und keine geistigen Getränke genießen. Diesem Umstande ist meines Erachtens ihre Ausdauer, ihre körperliche Frische und ihre große Willenskraft zuzuschreiben." Es erfroren bekanntlich Karl Xii. auf einem kurzen Zuge nach Gladitsch 3000 bis 4000 Mann, die sich mit Branntwein gegen die Kälte gestärkt hatten. Seit langem ist den russischen Soldaten bei Wintermärsche rr
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