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dieses Wenige bezog er zum Teil im Tauschhandel von fremden
Handelsleuten, die Hoffnung auf Gewinn in das noch unwirtliche
Land führte, von Römern, Kelten, Juden u. a. m. Das Geld spielte
bei diesem Güteraustausch noch keine Rolle. Ware wurde um Ware
eingetauscht. Der Fremde brachte Erz und Eisen, Silber und Gold,
also vor allem Rohstoffe, die man dem deutschen Boden noch nicht
abzugewinnen wußte oder die er überhaupt nicht gab, aber auch
Erzeugnisse ausländischen Gewerbfleißes: Schmuck und Kleidung und
mancherlei Tand, woran der kindliche Sinn des Barbaren seine Lust
hatte. Der römische Kaufmann erwarb von den Barbaren Bernstein,
Pelze und Tierhäute, aber auch Sklaven, die dieser auf seinen Heer-
fahrten erbeutet hatte.
Dem Mangel an germanischen Kaufleuten enffprach der Mangel
eines germanischen Gewerbestandes. Die Anfänge gewerblicher Arbeit
und gewerblichen Lebens freilich waren vorhanden; allein Leute, die
um des Erwerbs willen ein bestimmtes Handwerk als Lebensberuf
geübt hätten, fehlten in dieser Frühzeit unseres Volkstums fast gänzlich.
Was man an gewerblichen Dingen für die Bestellung der Ackerflur,
für Wohnung und Kleidung, für Ausrüstung zur Jagd und zum
Kriege brauchte, lieferte im allgemeinen der eigene Haushalt. Aus
den Stämmen des reichen heimatlichen Waldes zimmert der germanische
Bauer mit seinen Knechten unter freundnachbarlicher Beihilfe seiner
Sippe:; und nächsten Volksgenossen sein rohes Blockhaus, das er mit
Stroh deckt und dessen Gebälkspalten er mit Moos verstopft oder mit
Strohlehm ausklebt. Die Wände versteht er mit Kalk und anderen
erdigen Farbstoffen weiß zu tünchen und bunt zu färben. Er höhlt
einen starken Eichenstamm und fertigt so den „Einbaum", mit dem
er den Strom befährt. Die hauptsächlichsten Ackergeräte, Waffen und
Geschosse weiß er aus verschiedenen Stoffen mit eigner Hand her-
zustellen. Der Löwenanteil der Arbeit indes entfällt noch lange Zeit
auf die Frauen, die minderjährigen Söhne, Töchter, die Knechte und
Mägde. Die Hausfrau spinnt und webt, sie bereitet aus ihren wollenen
und leinenen Geweben, aus felbstzugerichteten Tierfellen die einfache Klei-
dung. Töchter und Mägde gehen ihr dabei an die Hand. Die Spindel
ist das Sinnbild des Weibes, wie das Schwert das Wahrzeichen des
Mannes ist. Auch für des Leibes Nahrung sorgen die Weiber: sie
brauen das Gerstenbier und den süßen Met, sie mahlen mit der Hand-
mühle das Getreide, bereiten die Hauptspeise, den Haferbrei, und backen
das Brot. Schwerere handwerksmäßige Arbeiten verrichten die männ-
lichen Hörigen oder Knechte. Aber auch sie sind keine Handwerker,
sondern Landarbeiter. Das Handwerk ist ihnen eben nichts als ein
von der Landwirtschaft untrennbarer Nebenberuf. Man braucht noch
keinen Zimmermann und keinen Dachdecker, keinen Maurer und keinen
Tüncher, keinen Stellmacher, keinen Weber und keinen Schneider,
keinen Kürschner, keinen Gerber und keinen Schuster, keinen Müller,
keinen Bäcker und keinen Brauer. Die gewerbliche Nebenarbeit der
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Regionen (OPAC): Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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Schwaben und Böhmen niedergelassen. Die Nachkommen der
wenigen Ausländer (besonders Polen und Russen, welche in
den napoleonischen Kriegen hierher verschlagen wurden,) sind auch
ganz mit den Deutschen verschmolzen.
Fast alle Bewohner bekennen sich zur lntherisch-evange-
tischen Kirche; gegen 200 Katholiken leben größtenteils in den
Städten, ca. 300 Juden zum größten Teile in der U. H.
Unter allen Thüringern zeichnen sich unsere Schwarzburger
in Städten und Dörfern durch einen großen Reichtum von Mund-
arten aus. Die Waldortschaften, besonders die bei Breitenbach
gelegenen, stehen darin oben an. Der Dialekt eines jeden Dorfes
hat da sein Eigentümliches, das trotz des Verkehrs mit Nähe und
Ferne, trotz des ausschließlichen Gebrauchs des Hochdeutschen in
Kirche und Schule mit großer Zähigkeit gewahrt wird. Bei dieser
babylonischen Sprachverwirrung ist es ein Glück, daß jedermann
das Hochdeutsche versteht, wenn auch uicht rein spricht. Alle
Dialekte gruppieren sich unter 3 Hauptmundarten: I) die vogt-
ländische, herrschend im Amte Leutenberg; 2) die sränkische,
die sich auf wenige Orte am Rennsteige beschränkt; 3) die thü-
ringische, welche die O. H. zum größten Teile und die ganze
U. H. umsaßt und am reichsten an Nebenformen ist.
A. Sommer, Garnisonprediger zu Rudolstadt, geboren daselbst
den 11. Dezember 1816, hat feilte vortrefflichen „Bilder und
Klänge"*) in dem Dialekte Rudolstadts verfaßt. Der noch
fruchtbare Dichter hat sich durch feine Schöpfungen, meist launigen
und scherzhaften Inhalts, Verehrer in weitester Ferne bei hoch und
niedrig erworben.
Daß die Schwarzburger ein körperlich kräftiges, fleißiges, aus-
dauerndes Völklein sind, wie alle Thüringer, dafür zeugen die
wohlangebauten Fluren der Bauern, die Rührigkeit in Werkstätten
und Fabriken. Selbst steilen Thalwänden und hohen Berggipfeln
wußte die thätige Hand des „Gebirglers" Ackerland abzuringen;
wo Pflug und Egge den Dienst versagen, müssen Hacke und Karst
das Ihre thnn. Im oberen Schwarzathale und in einigen seiner
Nebenthäler weiß das Fraueugeschlecht, dem der gewerbthätige
Mann die Besorgung des edlen Ackerbaues allem überläßt, so recht,
was es heißt: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot
essen!" Auf die hochgelegeueu Äcker, die sich oft wie Bänder die
steilen Gehänge hinan ziehen, muß der Dünger in Körben geschafft
werden, und beim Hinaufklimmen müssen die armen Frauen oft die
Hände als Stütze gebrauchen.
Mit den Thüringern teilen unsere Schwarzburger dieselben
Eigentümlichkeiten des Charakters; sie sind bieder, offen, heiter,
gemütlich, gutmütig, wenn auch zuweilen etwas derb.
*) 9 Hefte im Verlage der Fürstlich priv. Hofbuchdruckerei in Rudolstadt.
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