377
sobald die schwarzen Männer fertig sind mit ihrer schmutzigen Arbeit
und das Scheuern der Decks begonnen hat. Alle sinden sich wieder zu-
sammen, und alle haben zu erzählen, und die meisten schimpfen.
Nun werden die Taue gelöst, und die Reise geht weiter. Links sieht
man die großen Kohlcnschifse aus England und die mächtigen Bagger,
die fast immer zu tun habe» im Kanal, um den nachdrängenden Wüsten^
fand hinauszuschaffen über die Ufer; rechts im Kriegshafen liegen englische
und italienische Kriegsschiffe, reich beflaggt. Nun sind wir im Kanal, und
langsam fährt das Schiff dahin. Rechts ist gelbbraune Wüste, und links
ist gelbbraune Wüste, so weit das Auge reicht. Der Kanal ist eng, und
wir legen an, wenn uns ein anderes Schiff begegnet. In der Nacht
sieht es prächtig aus. Eine Feuerwolke taucht auf in der Ferne. Immer
Heller wird sie, und immer näher kommt sie. Taghell ist der Kanal
erleuchtet durch die elektrischen Scheinwerfer, die an Bord genommen
sind und am Vorderbug der Schiffe hängen. Jetzt gleiten sie stumm an
uns vorbei mit ihren vielen Laternen und Lichtern, und von neuem setz:
sich unser Schiff in Bewegung. Nach zwauzigstündiger Fahrt verlasse»
wir den Kanal und kommen in den Meerbusen von Suez, an die Stätte,
wo die Kinder Israel das Meer durchschritten haben. Rechts sieh: man
hohe, kahle Berge, vor denen Israel gelagert hat. Links liegt eine Oase
mit Wasser und Palmen, der Mosesbrunnen genannt, weiterhin in der
Ferne erblickt man das Sinaigebirge und das Siuaikloster, und nun sind
wir im weiten Roten Meer.
Da begegnet uns ein Schiff des Österreichischen Lloyds. Das ist eiiu
befreundete Linie; höflich nimmt man gleichsam den Hut ab, indem dir
Flaggen am Hintersteven gesenkt werden. Bald muß uns auch ein
Schwesterschiff unserer Linie begegnen, das aus Ostafrrka Zurückkehrt,
wohin wir steuern. Jetzt taucht es aus, das Fernrohr zeigt deutlich
den silbergrauen Anstrich des Schiffes und die breiten Ringe um den
Schornstein in den deutschen Farben. Dicht fahren wir aneinander vorbei,
die Flaggen werden gesenkt, die Dampfpfeifen erdröhnen dreimal zum
Gruß, alle Passagiere schwenken mit den Tüchern und rufen Hurra! Viele
bestellen in ihrem Herzen Grüße an die Heimat. Dann ist alles wieder
still, und unaufhaltsam geht es weiter nach Aden zu.
Immer heißer brennt die Sonne, schon haben wir den Wendekreis
des Krebses überschritten, ein doppeltes Segeltuch ist über das ganze
Schiff gespannt, alle Passagiere erscheinen in Weiß, liegen auf ihren
Stühlen und schwitzen. Schön ist es nur an den Abenden, wenn die
Schiffskapelle spielt und die Sterne funkeln. Viele Passagiere bringen die
ganze Nacht aus dem Deck zu, weil es nicht auszuhalten ist in den engen
Kabinen. Wie schrecklich muß es den armen Heizern ergehen, die tief
unten im Schiff ihre Arbeit tun! Europäer halten es nicht aus. Des-
halb werden in Aden Araber dafür geworben. Es geht das Gerücht,
daß ein Heizer den Hitzschlag bekommen hat. In der Nacht stoppt die
Maschine einen Augenblick. Alle Eingeweihten wissen, jetzt ist der Leichnam
in die See geworfen. Auch ein Passagier der ersten Kajüte ist schwer
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß]]
Extrahierte Ortsnamen: England Suez Israel Israel Ostafrrka
223
andere machen sich fertig zur Abreise. Unaufhörlich keuchen die Dampfwinden
an Bord der Dampfer, aus drei Luken zugleich werfen sie Baumwolle,
Wolle, Felle, Kleesaat, Getreide, Tabaksfäsfer, Ballen, Kisten usw. her-
vor, und schon sehen wir unten, dicht über der Wasserlinie andere Mann-
schaften beschäftigt, westfälische Kohle einzuladen; denn die Belastung muß
immer möglichst gleichmäßig bleiben.
Hundert Schritte weiter liegt ein anderer Dampfer, der in wenigen
Stunden den Hafen verlassen will. Eben wird die letzte Hand an die
Überladung der Güter aus dem langseits des Schiffes haltenden Eisen-
bahnzuge gelegt; Zuckerkisten, Spritfäsfer, Ballen und Kisten mit Chemnitzer
Strumpfwaren, Lausitzer Tuchen, Berliner Wäscheartikeln, Barmer Litzen,
Krefelder Seidenstoffen, Stuttgarter Trikots, Nürnberger und Sonneberger
Spielwaren fliegen noch an Bord, wo hundert rüstige Hände sie in
Empfang nehmen und verstauen. Schon kommt der Extrazug mit den
Zwischendeckspaffagieren, fünfhundert, ja sechshundert Menschen steigen
heraus und klettern, beladen mit ihren Habseligkeiten, die schwanke
Schiffstreppe hinan, wo alles zu ihrem Empfange vorbereitet ist und
eine militärische Ordnung es ermöglicht, jeden Ankömmling sofort aus
den für ihn geeigneten Platz zu schaffen. In langen Reihen stehen die
Kojen da, Matratze und Wollendecke auf jeder Schlafstätte, Rettungsgürtel
unter jedem Kopfkissen. Endlich ist alles untergebracht, die Seeleute
haben wieder allein das Regiment auf Deck, wo alles zur Abreise klar
gemacht wird. Da kommt noch der letzte Extrazug mit den Kajüts-
paffagieren; ihrer sind nicht so viele, auch sie werden bald übernommen.
Damit ist endlich auch der Augenblick gekommen, wo die Flut hoch genug
gestiegen ist, daß die Hafenschleusen geöffnet werden können. Ein kleiner
kräftiger Schlepper spannt sich vor das im langsamen Tempo so unbehilfliche
Riesenschiff, und unter lautem Hurra derer an Bord und der Zurück-
bleibenden, unter Hüteschwenken und Abschiedstränen geht es aus dem
Hafen auf die Reede, wo die Schraube des Dampfers sich in Bewegung
setzt und dieser bald am Horizonte verschwindet. Manchmal bleibt es nicht
bei einem Dampfer; einer geht nach Neuyork, ein zweiter nach Baltimore
folgt, vielleicht sogar ein dritter nach Galveston, ein vierter nach Süd-
amerika; einer der kleinen Englandfahrer gesellt sich Wohl auch noch
dazu. Auf der Reede liegen schon wieder heimgekommene Schiffe, die den
letzten Schritt in den sicheren Port machen müssen. So bietet sich dem
Auge des Fremden ein buntes und interessantes Bild dar, und auch wer
es oft gesehen, pflegt doch zu verweilen, bis die Ebbe beginnt und
die Schleusen wieder geschlossen werden.
Nach Westermanns Monatsheften.
98. Die Weltpo».
Aus meinen ftühesten Kinderjahren ist mir eine Erinnerung geblieben,
die jedesmal in meiner Seele auftaucht, wenn ich von einem Briefe aus
Amerika sprechen höre. Damals kam nämlich in das Haus meiner Eltern
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
Extrahierte Personennamen: Barmer
Extrahierte Ortsnamen: Neuyork Baltimore Westermanns_Monatsheften Amerika
376
zum Suezkanal. Ein kleines Boot dampft uns entgegen, es bringt den
Lotsen. Die Maschine stoppt, und eine Strickleiter wird über Bord
geworfen. An ihr klettert der wetterfeste Mann in die Höhe; nachdem
er auf die Kommandobrücke gestiegen ist, geht es unter Volldampf vor-
wärts um eine Mole herum, die den Hafen schützt vor den mächtig
andrängenden Wellen. Noch ist das Schiff nicht zum Stehen gebracht,
da umschwärmen uns schon die Boote der Händler; denn Port-Said leb:
von den Fremden, und alle wollen verdienen. Die Stewards haben unz
schon vor ihnen gewarnt und alle Türen und Fenster der Kabinen
verschlossen. Die Falltreppe ist hinuntergelassen, doch auf ihr können sie
nicht herauf; denn ein Matrose steht dort und droht mit dem Tauende.
Was machen sie da? Hier ist eine Kette, und dorr läßt sich ein Strick
befestigen, an ihm klettern sie in die Höhe, und in kurzem wimmelt es
auf dem Deck von braunen und gelben Leuten, und alle preisen ihre
Waren an, zumeist in englischer Sprache, doch hört man auch deutsche
Brocken dazwischen. Da gibt es Seidenstoffe, Schmucksachen, Kleidungs-
stücke, Bernsteinketten, Straußeneier, Olivensachen von Jerusalem, Photo-
graphien, Früchte und alles mögliche andere, das mehr oder weniger
brauchbar ist. Wir bieten die Hälfte vom geforderten Preis, und sofort
wird uns der Gegenstand überreicht, er ist verkauft, und wir sind betrogen.
Bieten wir den vierten Teil, so lachen sie uns verständnisvoll an und
gehen weiter, sie wissen, daß sie es mit einem Alten zu tun haben.
Doch jetzt wird es ungemütlich auf dem Schiffe; denn mächtige
Kohlensähren haben sich an seinen Rumpf gelegt, und Korb/ auf Korb
werden die Kohlen hineingeschüttet in seinen geöffneten Bauch. Ein feiner
schwarzer Staub verbreitet sich über das ganze Schiff und legt sich aus
Gesicht und Kleider der Menschen.
Wer irgend kann, eilt deshalb an Land und besieht sich die Stadt.
Was ist das für ein Gewühl' Man wird fast erdrückt von all den
Eindrücken, die hier zum erstenmal mit ihrer ganzen Frische aus uns ein-
dringen. Alle Völker des Orients sind ja hier zusammengeströmt, alle
Rafsesarben sind vertreten, alle Sprachen werden gesprochen, alle Trachten,
sind zu sehen. Port-Said ist eng gebaut, um Schatten zu gewinnen,
Laden an Laden, Hotels, Konsulate, Banken, Magazine, nur wenige
Privathäuser! Führer drängen sich heran und lassen sich schwer zurück-
weisen , sie zeigen und erklären und verlangen Bezahlung. Man steht
einen Augenblick am Schaufenster, sofort merkt man ein sanftes Reiben
an den Füßen. Ein schwarzer Junge kauert am Boden und putzt die
Stiesel; man geht unwillig fort, doch er folgt nach, immer bereit, den
günstigen Augenblick wieder zu erhaschen und weiter zu putzen. Man
flüchtet sich in ein Cafe und steckt die Füße unter den Tisch. Es dauer;
nicht lange, so werden die Füße wieder durch Bürsten erwärmt. Der
Junge ist unter den Tisch gekrochen und verlangt nun Bezahlung. „Gib
mir 50 Pfennig," wurde einem meiner Freunde gesagt, „dann bist du
mich los."
Unter solchen Umständen kehrt man gern auf das Schiff zurück
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau]]