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leget aus unserem Nachbarland Württemberg. Der größte unter ihnen
ist der Hohenstaufen, der einst Kaiser Rotbarts Stammburg trug. Süd-
lich des Hesselberges dehnt sich eine viele Stunden breite Ebene
aus, bewässert von der Wörnitz und bedeckt mit zahlreichen Orten. Es
ist das Ries. Juraberge schließen es rings ein. Bei ganz hellem
Wetter grüßen aus fernem Süden die Bergspitzen der Alpen herauf zu
uns. Rings um den Berg liegen in buntestem Wechsel Wald und Feld,
Mühle und Dorf und Stadt, Hügel und Thal. Mehr denn hundert
Ortschaften könnte man von der Höhe aus zahlen.
Zusammenfassung: Aussicht vom Hesselberg. Der Hessel-
berg erhebt sich frei aus dem hügeligen Lande. Man sieht von
seinem Rücken die Frankenhöhe, den Jura, das Altmühlthal, die
Nürnberger Burg und viele Ortschaften. Im Süden ist eine große
Ebene, das Ries. Da fließt die Wörnitz.
d. Wegen der reizenden Fernsicht wird der Hesselberg oft von
Fremden bestiegen. Sogar Fürsten verschmähten nicht, von seiner
Höhe einen Blick ins Franken- und Schwabenland zu werfen, wie ein
Gedenkstein auf der Mitte des Berges erzählt:
„Hier hat i. I. 1632 Gustav Adolph, König von Schweden, ge-
ruht, sowie i. I. 1803 Fr. Wilhelm Iii., König von Preußen.
Errichtet 1856."
M e i st ist es ganz still und einsam auf dem Hesselberge; ein
paar Schäfer, die ihre Schafherde droben weiden, sehen oft Wochen-
lang keinen Menschen. Selbst im Sommer tragen sie ihren langen fal-
tigen Mantel und Fausthandschuhe bei sich. Warum wohl? Kalte Winde.
— Hier oben ist's viel kälter wie im Thal, und wenn im Frühling
drunten an den Berghängen die Kinder Veilchen, Schlüsselblumen und
Schneeglöckchen zupfen, trägt die Höhe des Hesselberges noch lange eine
mächtige Schneekappe.
Einmal im Jahre aber geht es droben auf dem Berge so lebhaft
zu wie aus einem Marktplatze. Es ist um Johanni. Da treiben die
Bauern aus der Umgegend ihr verkäufliches Vieh zur Hesselberg-Messe
(Markt). Vier Tage lang dauert die Bergmesse. Aus dem Berg
stehen seit langer Zeit zwei lustige Berghütten, in denen an den Markt-
tagen tüchtig gezecht wird.
Zusammenfaffnng: Der Hesselberg und seine Gäste.
Den größten Teil des Jahres sind ein paar Schäfer mit ihren
Herden droben auf dem Berg. Wegen der herrlichen Aussicht wird
er aber auch von Fremden gerne bestiegen. Sogar Könige waren
aus seinem Rücken. Um Johanni wird dort eine Bergmesse ab-
gehalten. Da erhält der Hesselberg seine meisten Gäste.
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T139: [Donau Rhein Main Tiefebene Teil Jura Alpen Tiefland Gebiet Fluß], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Personennamen: Rotbarts_Stammburg Gustav_Adolph Gustav Wilhelm Johanni Zusammenfaffnng Johanni
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Seiten der kahlen Felsen rinnt's herab, in allen Furchen sammelt sich's
zu Bächeu. Bald braust durch die Schlucht ein wilder Berg ström, der
Erde und Geröll mit sich sührt und manchen Felszacken untergräbt und
mit fortreißt. Nur mit größter Anstrenguug vermögen sich die Berg-
steiger vor seiner zerstörenden Gewalt zu retten. Wenn das Wetter aus-
getobt, setzen sie die Wanderung sort. Ein kalter Wind erhebt sich. Da
ist's nicht angenehm, mit durchnäßten Kleidern in den Bergen herumzn-
klettern. Alles zittert vor Kälte, und man ist herzlich froh, wenn man end-
lich eine Unterkuustshütte erreicht. Da ist gut für die Unterkunst
der Bergsteiger gesorgt. Bald brennt ein wärmendes Feuer im Ofen. In
Decken gehüllt und bereitstehende Filzsocken an den Füßen, sitzt die Gesell-
schast herum und trocknet die nassen Kleider und Schuhe. Ein warmes
Abendessen wird auch schon gerichtet; sogar gutes Bier kauu man haben.
Eine Anzahl Matrazen mit wollenen Decken bietet den müden Wanderern
eine erwünschte Ruhestätte für die Nacht.
Z u f a m m e n s a s s u n g: Vorbereitungen zu einer Hochtonr — Gewitter
— Bergstrom — Kälte — Einkehr in der Unterkunstshütte.
Am nächsten Tag wird wieder zeitig ausgebrochen. Bald gelangen
die Wanderer an ein großes Eisfeld, das sich aus dm im Winter ge-
fallenen ungeheuren Schneemassen nach und nach gebildet hat. Diese
Eisfelder heißen Gletscher; sie sind zuweilen mehrere Stunden lang und
breit und bis zu 300 m dick. Das Gletschereis hat oft Spalten und
Klüfte. Diese müssen die Bergsteiger mit Hilfe des Bergstocks über-
springen. Gefährlicher noch ist eine Gletfcherwandernng, wenn frischer
Schnee gefallen ist und dadurch die Spalten verschneit sind. Dann wird
die ganze Gesellschaft in gleichmäßigen Abständen an dem mitgebrachten
langen Seil angeknüpft. Ein Führer geht voraus und prüft mit dem
Bergstock vorsichtig den Weg; die andern treten genau in seine Fuß-
stapfen. Bricht ja eine Person in eine Spalte ein, so wird sie durch
die übrigen gehalten. Manchmal geht's auch eine steile Eiswand hinan;
da müssen erst mit dem mitgebrachten Eispickel Stuseu gehauen werden.
Nachdem der Gletscher überschritten ist, kommt die Gesellschaft an
einen steilen, felsigen Hang. Da könnte man nicht hinaufkommen, wenn
nicht Eisen klammern sür die Füße in den Felsen geschlagen wären,
und wenn nicht außerdem zum Anhalten ein Drahtseil angebracht
wäre. Dieses Seil ist mit Eiskrystalleu besetzt und so kalt, daß es die
Hände nicht lang halten könnten. Da leisten nun die mitgebrachten
Fausthandschuhe gute Dienste.
Nun geht es eine Stunde lang auf einem fchmalen Rückeu, einem
Grat dahin, der nach der einen Seite besonders steil abfällt. Da sieht
das Auge iu schauerliche Abgründe hinunter. Den Weg kann nur ein
Schwindelfreier gehen.
Schon lange hat sich wieder die Kälte den Bergsteigern nnange-
j
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TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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— 111 —
nehm fühlbar gemacht; ein eisiger Wind jagt ihnen scharfe Eisnadeln
ins Gesicht und läßt ihre Glieder erstarren. Mancher möchte mutlos
werden; die Führer vertrösten sie aus die nahe Schutz Hütte, die sie
auch bald erreichen. Sie ist leer und kann nicht Speise und Trank
bieten, aber doch Schutz gegeu den eisigen Wind. So gut es gehen will,
suchen sich die Frierenden zu erwärmen; sie hüllen sich in die mitge-
brachten Decken, trinken Rotwein oder Schnaps, machen Arm- und Fuß-
beweguugen u. s. f.
Zusammenfassung: Wanderung über den Gletscher — Eisen-
klammern — Drahtseil — Kälte — Schutzhütte. —
Die Hütte liegt unmittelbar an einem der 2 Berggipfel, den die
Bergsteiger, nachdem sie sich erwärmt und gestärkt, betreten, um uach den
Mühfalen der Wanderung nun die herrliche Aussicht zu genießen. Zum
auderu Gipfel führt ein zackiger Kamm, den auch geübte Bergsteiger nicht
zu überschreiten vermöchten, wenn nicht ein doppeltes Drahtseil an-
gebracht wäre.
Auch der Abstieg bietet feine Schwierigkeiten, fast noch mehr als
der Aufstieg. Das Hiuabklettern an einer steilen Wand mit Hilfe von
Eisenklammern ist z. B. anstrengender und gefährlicher als das Hinauf-
klettern. Der Abstieg ermüdet überhaupt mehr als der Aufstieg. So
ist wohl jedermauu aus der Reisegesellschaft froh, wenn man ohne Un-
glücksfall wieder un sichern Thal angelangt ist."
Zusammenfassung: Zackiger Kamm mit doppeltem Drahtseil —-
Abstieg. —
Wir srageu unsern freundlichen Gewährsmann noch, ob man auch
die höchsten Alpengipfel besteigen könne. Er antwortet uns:
„Gar manchen Berg hat bis jetzt noch kein Mensch bestiegen; aber
den höchsten Alpengipsel, der noch 2000 m höher ist, als die Zugspitze,
kann man besteigen. Freilich ist das eine sehr anstrengende, gefährliche
und auch teuere Geschichte. Diese Bergbesteigung kommt aus 7—800 Jb.
Wer sie ausführen will, muß 4 Führer mitnehmen; das ist Vorschrift.
Dann braucht er uoch 5 Träger für die Lebensmittel und andere Sachen.
Man muß ja auf dem Schnee über Nacht bleiben, hat also viele Decken
nötig. Auch Leitern und Seile muß man mitnehmen zum Hinausziehen
und Hinablassen. Ost ist ein so schmaler Grat zu überschreiteu, daß
man reitend darüber rutschen muß. Kommen Nebel oder Unwetter, so
muß die Gesellschaft umkehren, oft nicht weit vom Ziel.
Da ist es doch weislich eingerichtet, daß man auch vou uiedrigeru
und bequem zu ersteigenden Bergen aus die Schönheiten der Alpenwelt
schauen und genießen kann." —
Zusammenfassung: Besteigung des höchsten Alpengipsels.
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TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
den Bewohnern des Altmühlthales das Christentum. Das Siegel des
Klosters ist noch unversehrt vorhanden und gibt uns ein Rätsel ans:
Es zeigt einen Esel und eiueu vou ihm geschlagenen und zu Tode
gebisseneu Wolf. — Seht, einmal soll dem Sola, als er auf einem Esel
ritt, ein erschrecklicher Wols begegnet sein. Der Esel war darüber, wie
man sich denken kann, sehr erschrocken, und wollte nicht mehr von der
Stelle. Da befahl ihm Sola, den Wols anzugreifen. Mutig ging nun
der Esel vor, schlug den Wolf mit den Füßen und erwürgte ihn.
Zusammenfassung: Der hl. Sola in Soluhofeu. An der
Altmühl liegt Solnhofen. Dieser Ort wurde vou dem Glaubens-
boten Sola gegründet. Sola war eiu Schüler des heiligeu
Bouisazius.
c. Soluhosen ist die Heimat der weißen Dachplatten, die wir aus
unserer Fahrt gesehen, der viereckigen Steine, womit der Boden unserer
Kirche und unsere Hausflur belegt ist, der feinen Platten, die man in
der hiesigen lithographischen Anstalt zum Steindrucken nötig hat. Um
Zu den Brüchen zu gelangen, aus denen diese Steine genommen werden,
müssen wir eiueu ziemlich steileu Berg erklimmen. Doch in ganz kurzer
Zeit ist die Höhe genommen. Oben angelangt, glauben wir, plötzlich
in eine unübersehbare Winterlandschaft gekommen zu sein, so blendend
weiß sind die Steine. Dieselben lagern teils in mächtigen Vertiefungen,
teils erheben sie sich in ansehnlichen Hausen. Ein kleines Dorf von
niederen, aber freundlichen Hütten dehnt sich an einer breiten Gasse aus.
Und da obeu wimmelt und schafft es, wie in einem Ameisen- oder
Bienenstaat, und siuubetäubendes Klirren, Klopfen und Klappern fchlägt
an unser Ohr.
Zusammensassuug: Was sieht der Wanderer zuerst in
den Steinbrüchen von Solnhosen? In der Nähe von
Solnhosen liegen auf der Höhe des Jura die Solnhofer Stein-
brüche. Diese sehen ganz weiß ans. Dort arbeiten viele Menschen.
Treten wir näher hinzu, um die Arbeiten genauer zu beobachten.
An verschiedenen Stellen sind Männer mit Pickel und Schaufel damit
beschäftigt, Rafeu, Erde und Schutt abzuheben und in bereitstehenden
Karren wegzuschaffen. Lange Schuttwülle, die sich am Raud des Berges
hinziehen, find Zeugen dieser Thätigkeit. Dazwischen stehen Arbeiter in
tiefen Gruben, deren Wände aus mehreren verschieden starken Schichten
von Kalkschiefer aufgebaut sind. (Zeichnung!) Mit dem starken Hebel-
eisen uehmen sie Schicht um Schicht ab und schaffen sie in Schieb-
karren zu den Hütten, wo sie weiter verarbeitet werden sollen. Dort
wählt ein Arbeiter die stärksten und schönsten Steine aus und schleift sie
mit seinem Sand und Wasser glatt. (Experiment!) Das gibt Steine
für den Steindrucker. Was nicht Lithographiestein ist, wird
zu Tischplatten, Fenstersimsen, Ofen ste inen, Grabsteinen,
Briefbeschwerern und manchen andern Gegenständen zurecht gemacht.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— m —
Frühlingskleide prangende Landschaft fort, passierten das bierberühmte Oberfarnbach, das hopfenreiche Langenzenn, das freundliche Neustadt im gesegneten Aischgrund und weilten bald auf dem fruchtbarsten Teil des glücklichen Frankens, zu welchem der schöne Landstrich von Dossenheim nach Iphofen, Einersheim, Mainbernheim, Kitzingexi gezählt werden muß. Am 3. Iurii gegen 5 Uhr morgens trafen wir in Würzburg ein. Die Sonne stieg mit entzückender Pracht aus ihrem Schattenschleier hervor und vergoldete mit ihren Strahlen die malerische Gegend, die im reizenden Frühlingskleide ausgebreitet vor uns lag, als wir unter Post* Hornklang den Galgenberg hinunterfuhren. Ich will nicht eine Beschreibung der Schönheiten Würzburgs liefern und bemerke nur nebenher, daß der Fremde ja nicht versäumen soll, das überaus prächtige Residenzschloß Sr. Kgl. Roheit unseres Kronprinzen, die Bergfeste, die Domkirche, die öffentlichen Denkmäler, das Iuliusspital mit botanischem Garten usw. genau zu betrachten. Wertvolle Zeit raubte mir die paßvisitation im Begierungsgebäude. Gegen \ \ Uhr mittags kehrte ich in den Gasthof zum Kronprinzen von Bayern zurück, aß mit mehreren Reisegefährten zu Zttittag und zahlte die Zeche, die ich billig fand. Am 3. Juni, mittags um \2 Uhr, setzten wir uns auf die Diligence und fuhren über Roßbrunn, Esselbach, Aschaffenburg und Seligenstadt nach Frankfurt ab. Ein eleganter £?crr war in Nürnberg einige Stunden vor uns mit Extrapost abgefahren und hatte für seine drei Reisewagen \2 Pferde und ein Pferd für den aus jeder Station vorauseilenden Kurier nötig, weshalb wir auf allen Unter-wegsstationen keine ausgeruhten, sondern nur immer dieselben ermüdeten Pferde fanden. Infolgedessen kam er immer rasch voran und konnte übernachten, während wir die ganze Nacht fahren mußten. So langten wir auch erst am nächsten Morgen um 7 Uhr nach \9 stiindigem Unterwegsein in Frankfurt an.
Don Würzburg bis Esselbach war die Straße zwar sehr gut, um so schlimmer aber war man mit den vielen Bergen daran, da man immer Schritt fahren mußte und daher von der lieben Langeweile wahrhaft gepeinigt wurde.
Bei Lengfurt wird der Postwagen über den Main geschifft. Die am jenseitigen Ufer auf einem hohen Berge liegende säkularisierte propstei Triefenstein ist eine Zierde der ganzen Gegend.
hinter Esselbach passierten wir den einst wegen seiner Unsicherheit so gefürchteten Spessart, der eine Breite von 3—- Meilen hat. Eine gute Straßen- und öffentliche Sicherheitspolizei und eine tätige Forstverwaltung sind die Ursache, daß sich kein schlechtes Gesindel mehr darin ansiedeln kann. Der Postwagen, der gerade um Mitternacht diesen Wald passieren muß, wird nur von einem einzigen Gendarmen zu Pferde bis Aschaffenburg begleitet, wie jeder Postwagen in Bayern zur Nachtzeit.
Durch Aschaffenburg fuhren wir während dernacht und erreichten nach mehreren Stunden über (Dffenbach und Sachsenhausen die Stadt Frankfurt-
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— —
kleinen Erbprinzen auf dem Arme auf dem Balkon und dankte nach allen Seiten. Das war am 8. März.
Am 9. März war es sehr lebhaft in den Straßen der Stadt. Einigen verdienten Personen wurden Hochs ausgebracht, gegen andere fielen mißliebige Äußerungen. Die Bürgerschaft und die Studierenden wachten darüber, daß es zu keinerlei Tätlichkeiten kam.
Am \o. März, mittags 1/2\\, fand auf dem Hofplatze die feierliche Vereidigung der Garnison auf die Verfassung statt. Der erhebende Akt wurde unter dem Zulauf einer großen Menge vollzogen. Ein vieltausendfaches Hoch ertönte, als der Schwur geleistet wurde: „Ich schwöre Treue dem König, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Verfassung." Der Jubel wiederholte sich auf der Domstraße und besonders vor dem Hathaufe, wo die Landwehrmusik aufgestellt war.
Die Studenten und die Bürgerschaft hielten während der Nacht die Ordnung aufrecht. —
Aschaffenburg, ^0. März. 3n unserer Stadt herrscht vollkommene Ruhe. Dagegen haben in unserer Umgegend mehrere sehr beklagenswerte Unruhen stattgefunden. )n Rothenbuch drang Mittwoch abend eine tobende und schreiende Menge ein, größtenteils aus Wildschützen bestehend, wußte sich eine Flinte und Pulver zu verschaffen und durchtobte dann die ganze Nacht mit Schießen und Schreien bis q. Uhr früh, worauf sich die Ruhestörer entfernten, ohne an Person oder Eigentum Schaden anzurichten.
In Großwallstadt haben widerstände gegen die Behörden stattgefunden. Heute find dahin j(00 Mann Militär entsandt worden. Auch in Miltenberg hat es unruhige Auftritte gegeben. Dahin kamen 90 Mann, nach Rothenbuch 60 Mann ins Quartier. In Miltenberg zündeten aus dem Badischen gekommene Haufen die vor der Stadt liegende Wohnung des Revierförsters an, welche ganz niederbrannte. Auch in Amorbach befürchtet man Unruhen der Odenwälder, die sehr erregt sind. —
Würzburg, März. Über Ho verhaftete aus dem Odenwald und einigen Bezirken des Spessarts wurden nach Afchaffenburg gebracht. Auch in der Rhön entstanden Unruhen.
In Miltenberg kam es zwischen den Brandstiftern und der Landwehr und der übrigen Bürgerschaft zu einem Kampfe, als die Brandstifter das Herrschaftsgericht stürmen wollten. Dabei gab es mehrere Verwundungen durch Bajonettstiche. )n Mömlingen wurden sechs )udenhäufer demoliert. Am ^z. März wurde eine Kompagnie Jäger dorthin gesandt und die Auf-ruhrakte verlesen. Zehn Tumultanten wurden am gleichen Abend nach Afchaffenburg eingeliefert.
Der Herrschaftsrichter von Amorbach bildete vier Kolonnen, eine aus der Landwehr, eine mit Senfen, eine dritte mit Äxten bewaffnet. Der herankommende meuterische Haufen wurde dadurch zerstreut. —
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 75 —
Am Dienstag ließ der oberste ßauptmann des Frauenberges allen feinen Leuten danken, weil sie sich so wohl und redlich gehalten, und gab ihnen hundert Gulden zu ihrer Ergötzung.
Die Bauern fingen in dieser Nacht an an der Teil unten an den Weingärten gegen die Stadt zu und an dem N)ege von der Tell zu den Weinbergen Schanzen zu graben und zwei Reihen von Schanzkörben aufzurichten. Daneben wurde noch ein hoher Schirm aufgestellt und ein starkes Geflecht zwischen hohen Pflöcken gemacht und mit Erde ausgefüllt. Dom Donnerstag an beschossen sie von diesen Schanzen aus das Schloß. Die Besatzung des Frauenbergs brachte noch eine Kartaune, eine große Steinbüchse und eine Notschlange zu dem andern Geschütz auf dem Z^aberboden und erwiderte das Feuer auf das heftigste, tat auch den Bauern in den Schanzen großen Schaden.
Auf den Hat einiger (Eibelstadter Männer hatten die Bürger von tpiirzburg einige Bergknappen in ihre Dienste genommen und ließen von ihnen oberhalb St. Burkhard ein Loch in den Berg graben. Sie wollten die (Öffnung mit Pulver füllen und dann das Schloß in die Luft sprengen. Allein die Arbeit ging wenig von statten und wurde daher nach etlichen Tagen wieder eingestellt.
Dann wurde ein neuer Sturm im Bauernrat beschlossen, aber nicht ausgeführt.
Bei dem Sturme waren drei Itc an n von der Schloßbesatzurig gefallen, später wurden noch zwei Leute getötet, so daß im Schlosse während der Belagerung sechs Mann den Tod fanden.
h) Der Überfall des Schlosses Sommerau (\525.)
Am V Mai \525 abends zogen die Bauern aus Miltenberg nach Eschau um das Fechenbachsche Schloß Sommerau zu nehmen. Sie kamen in aller Stille bis in das £?olz nächst dem See und richteten die Leitern her. Im Schlosse aber wurde rechtzeitig Alarm geblasen und plötzlich erschienen alle Reisige und Ausschüsser auf der Mauer und fingen an zu schießen mit der Feldschlange. — (Einige Bauern machten sich mit Leitern über den See hinüber um an die Mauern zu kommen, andere machten sich an die Zugbrücke, legten Bohlen hinüber und wollten das Tor mit Äxten einschlagen; es war aber alles umsonst; denn die Fechenbachischen Reisigen warfen die Leitern um, etliche, die schon auf den Leitern waren, wurden niedergeschlagen und in den See geworfen; an der Brücke aber, wo des Berrn von Fechenbachs Armbrustschützen postiert waren, sind sechs Bauern geschossen worden und in den See gerollt. Etwa 20 Blessierte wurden nach Eschau in das fjirtenhaus gebracht. Um \2 Uhr mittags hob das Schießen wieder an. Die Bauern liefen Sturm unter grausamem Geschrei „Drauf! Drauf!" Es waren ihrer gegen \800 mit den ihnen aus der Gegend zugelaufenen. Sie schwärmten um das Schloß wie die Bienen und war alles schwarz von denselben, so daß man die Mauern nicht sehen
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11
Ein einsamer Mann schritt eilig auf dem schmalen, grasbewachsenen
Fußpfade vorwärts. Er war noch jung. Ein leichter Flaum sproßte
über den frischen Lippen, und die hellgrauen Augen blitzten unternehmend
und sorglos in die Welt.
Ein lustiges Lied vor sich hinträllernd, achtete er wenig auf seine
Umgebung; er sah weder rechts noch links; er bemerkte es auch nicht,
daß die zuerst vereinzelt stehenden Sträucher und Bäume einander immer
näher rückten.
Plötzlich blieb er stehen. Die Pfade kreuzten sich nach verschiedenen
Richtungen, und gerade vor ihm erhob sich ein dichter Wald. Überlegend
sah er um sich. Weißer Nebel stieg aus den Wiesen hinter ihm; der
Mond war aufgegangen und goß sein bleiches Silberlicht über die Berge;
schwarz und schweigend stand der Wald da.
Sollte er eintreten? Einen Augenblick besann er sich. Dann warf
er trotzig seinen Kopf zurück und schritt vorwärts, zuerst vorsichtig, dann
rascher. Immer tiefer drang er ein. Gespenstig drohend streckten die
hohen Bäume ihre Äste gen Himmel. Der zuerst ziemlich breite Weg
wurde immer schmäler. Kaum mehr dem Auge erkennbar, schlängelte er
sich zwischen dem Buschwerk dahin.
Der Jüngling mochte wohl mehrere Stunden so gegangen sein;
Hunger und Müdigkeit drohten, ihn zu übermannen. Immer langsamer
wurden seine Schritte, bis er endlich ganz stehen blieb. Er konnte nicht
mehr vorwärts. Gerade vor ihm, quer über dem Weg, lag ein vom
Sturme entwurzelter Stamm. Erschöpft ließ er sich auf diesen nieder,
es war ihm unmöglich, weiter zu marschieren. Nachdem er eine Zeitlang
geruht hatte, raffte er sich empor und eilte wieder zurück auf dem Wege,
den er hergekommen war. Eine plötzliche, ihm sonst ganz ungewohnte
Angst hatte ihn überfallen. „Nur fort, nur heraus aus diesem Walde,"
dachte er, „ganz gleich, wohin." Trotz seiner Ermattung lief er vorwärts,
so schnell ihn die Beine trugen, einmal auf diesem, dann wieder auf jenem
Wege. Aber zu seinem größten Schrecken gewahrte er, daß er immer
wieder an den Ort zurückkehrte, von dem er ausgegangen war. Ver-
zweifelnd warf er sich nieder, vergrub das Gesicht in beide Hände, schluchzte
und rief laut um Hilfe. Als er wieder emporsah, schrak er zusammen,
denn vor ihm standen drei Männer.
Der eine trug ein prächtiges, reich mit Gold gesticktes Gewand, das
von einem glänzenden, mit Edelsteinen geschmückten Gürtel zusammen-
gehalten war. Der zweite hatte ein schwarzes Kleid mit rotem Gürtel
und der dritte ein blaues Hemd und einen einfachen Ledergurt. In der
nervigen Faust hielt er eine schwere Axt.
„Was tust du hier?" fragten ihn die drei. — „Erbarmt Euch meiner,
ich verschmachte. Sagt mir, wo ich eigentlich bin." — „Du bist im Walde
des Elends", gaben sie zur Antwort. — „Helft mir, rettet mich, führt
mich hinaus aus dieser entsetzlichen Wildnis", flehte er sie au. — „Wähle
einen von uns, der dich führen soll."
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
13
12. Die Ueujahrsnachl eines Unglücklichen.
Ein alter Mensch stand in der Neujahrsnacht am Fenster und
schaute verzweiflungsvoll auf zum unbeweglichen, ewig blühenden
Himmel und wieder herab auf die stille, reine, weiße Erde, worauf
jetzt niemand so freuden- und schlaflos war wie er. Der Kirchhof
lag vor ihm, sein nahes Grab war bloß vom Schnee des Alters,
nicht vom Grün der Jugend verdeckt, und er brachte nichts mit aus
dem ganzen reichen Leben, nichts mit als Irrtümer, die Brust voll
Gift und ein Alter voll Reue. Seine schönen Iugendtage wandten
sich heute als Gespenster um und zogen ihn wieder vor den Hellen
Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst auf den Scheideweg des Lebens
gestellt hatte, der rechts auf der Sonnenbahn der Tugend in ein
weites, ruhiges Land voll Licht, in die Heimat der Enge! bringt, und
welcher links in die Maulwurfsgänge des Lasters hinabzieht, in eine
schwarze Höhle voll heruntertropfenden Gifts, voll zischender Schlangen
und finsterer, schwüler Dünste.
Ach, die Schlangen hingen um seine Brust und die Gifttropfen
auf seiner Zunge, und er wußte nun, wo er war.
Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel
hinauf: „Gib mir meine Jugend wieder! Cd Vater! stelle mich
wieder auf den Scheideweg, damit ich anders wähle!"
Aber sein Vater und seine Jugend waren längst dahin. Er
sah Irrlichter auf Sümpfen tanzen und auf dem Gottesacker er-
löschen, und er sagte: „Es sind meine törichten Tage." — Er sah
einen Stern aus dem Himmel fliehen und im Falle schimmern und
auf der Erde zerrinnen. „Das bin ich", sagte sein blutendes Herz,
und die Schlangenzähne der Reue gruben sich tiefer ein in seine
Munden.
Die Einbildungskraft zeigte ihm schleichende Nachtwandler auf
den Dächern, und die Mindmühle hob ihre Arme drohend zum Zer-
schlagen auf, und im leeren Totenhause nahm eine zurückgebliebene
Larve allmählich seine Züge an.
Mitten in seiner Angst floß plötzlich die Musik für das Neujahr
vom Turme hernieder wie ferner Kirchengesang. Er wurde sanfter
bewegt, er schaute nach dem Himmel und über die weite Erde und
dachte an seine Jugendfreunde, die nun, besser und glücklicher als er,
Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen
waren, und er sagte: „Cd ! ich könnte auch, wie ihr, diese erste Nacht
des Jahres mit trockenen Augen verschlummern, wenn ich gewollt
hätte; ach, ich hätte glücklich sein können, ihr teuern Eltern, wenn
ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte!"
In seinem reuevollen Andenken an seine Iünglingszeit kam es
ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause
auf; endlich wurde sie in seiner Einbildung zu einem lebendigen
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24. Trinker-Ausreden.
Eine der Hauptursachen der Krankheiten ist die Unkenntnis des
Volkes in gesundheitlichen Fragen. Die große Menge, ob gebildet
oder ungebildet, lebt nach Grundsätzen und Anschauungen, die die
Gesundheit untergraben.
Ein Kernpunkt der Lebenskunstist die Ernährung, die richtige
Auswahl von Speise und Trank. Über kein Gebiet aber herrschen
so viele und so große Irrlehren wie über die Frage: Was soll der
Mensch trinken? Wissenschaftliche Tatsachen, die tägliche Erfahrung,
das Handgreiflichste wird auf den Kopf gestellt, um dem Genusse von
Wein, Bier und Branntwein mit Gewissensruhe frönen zu können.
Welche Ausreden sind es denn, womit der Trinker sein
Gläschen beschönigt? „Ich habe Durst", sagt der eine. Und doch
* hat er schon oft erlebt, wie er nach einem fidelen Abend, an dem er
mit so und so viel Glas den Riesendurst bezwungen, nachts vor
Durst erwacht und gierig nach der Wasserflasche greift. Der Alkohol,
den er im Wein, Vier und Schnaps zu sich genommen, hat im
Körper den Wassergehalt vermindert und sein Flüssigkeitsbedürfnis
gesteigert. Er will sich mit Wein und Bier den Durst stillen,
obwohl er längst erfahren hat, daß Alkohol Durst erzeugt. Wer
würde an einem Abend 5 bis 10 Seidel Wasser trinken? Es ist
unmöglich; denn der Durst wäre schon nach dem ersten Seidel gefüllt.
„Ich friere, mir ist zu kalt — ich muß mich durch ein
Gläschen wärmen", sagt ein anderer, und doch belehrt ihn das Thermo-
meter, daß bei Genuß von Wein, Bier und Branntwein die Blut-
wärme sinkt. Der Alkohol lähmt gewisse Teile des Gehirns, sodaß
die Blutgefäße der Haut sich erweitern und eine Blutflut zur Haut
entsteht; dies zeigt das rote Gesicht und das scheinbare Gefühl der
Erwärmung. Diese Täuschung ist die Ursache des Erfrierens all
jener Unglücklichen, die durch ein Schnäpschen sich Wärme zu schaffen
versuchten; denn die Blutflut in der Körperoberfläche gibt leicht ihre
Wärme an die kalte Umgebung ab, bis das Blut immer mehr und
mehr sich abkühlt. Sonderegger sagt in seinem trefflichen Buche
„Vorposten der Gesundheitspflege": „Ich wunderte mich über die
Fuhrleute in Kasan, die zu Hunderten den Frachtverkehr besorgen,
wie sie bei einer Kälte von 30 bis 35* C Tag und Nacht auf den
Beinen sein können und, um von Staüon zu Staüon zu gelangen,
stets mehrere Stunden unterwegs sein müssen. Meistens sind diese
Fuhrleute Tataren, die mit höchst seltenen Ausnahmen genau nach
dem Koran leben und keine geistigen Getränke genießen. Diesem
Umstande ist meines Erachtens ihre Ausdauer, ihre körperliche
Frische und ihre große Willenskraft zuzuschreiben." Es erfroren
bekanntlich Karl Xii. auf einem kurzen Zuge nach Gladitsch 3000
bis 4000 Mann, die sich mit Branntwein gegen die Kälte gestärkt
hatten. Seit langem ist den russischen Soldaten bei Wintermärsche rr
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Extrahierte Personennamen: Sonderegger Karl_Xii Karl