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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 214

1911 - Erfurt : Keyser
— 214 — Leitern wurden ausgerichtet und mit Eimern, die von Hand zu Hand gingen, der Dachstuhl begossen. Aber die Flammen sprangen bum einem Sparren zum anderen über und einten sich schließlich zu einer mächtigen Brandfackel. Es war, als ob ihr Schein den Geschützen ein neues Ziel verraten hätte. Ein wahrer Regen von Granaten fiel auf die Ebene der Festung nieder. Da flog im feurigen Bogen ein Geschoß in einen Heuschober, der für die französische Reiterei bestimmt war. Eine ungeheure Feuergarbe schoß sprühend zum schwarzen Nachthimmel empor. Die brennenden Heubündel fielen auf das Dach der Hauptwache. Wenige Minuten später züngelten auch dort die ersten Flammenspitzen hervor und leckten gierig am ausgetrockneten Gebälk. Gegen 10 Uhr abends schwiegen endlich die Kanonen; mit einer kurzen Unterbrechung am Mittag hatten sie ihr Zerstörungswerk vom frühen Morgen bis zum späten Abend fortgesetzt. Ueber-all herrschte Stille wie in einem Totenhause. Sie wurde nur durch die unaufhörlichen Sturmschläge von den Türmen unterbrochen. Ueber dem Flammenmeer, das den „Graden" bedeckte, lagerte eine schwarze Rauchwolke, und über diese hinaus erhoben sich, gegen den dunkeln Himmel abgezeichnet, die brennenden Gebäude des Petersberges. Die Höhlen der Chorfenster leuchteten im Glanze verglimmender Glut. Die Stadt selbst glich einem glühenden See mitten in einem finsteren Talbecken. Nur die grauen Steinmauern des Domes ragten in einsamer Hoheit unversehrt aus den feurigen Wogen hervor. Nach der Beschießung: In banger Spannung verging die Nacht. Die meisten Augen blieben schlummerlos. Jeder erwartete mit Schrecken den abermaligen Beginn der Kanonade. Zur allgemeinen Beruhigung aber traf schon früh am andern Morgen die Nachricht ein, daß zwischen den Feinden friedliche Unterhandlungen abgehalten würden. Nun wagte man sich wieder auf die Straße, um das Bild des Jammers und der Verwüstung zu schauen. Den traurigsten Anblick gewährte der Platz vor den Graden. Ueber die rauchende Brandstätte der Gebäude ragte nach dem Berge zu die Festungsruine hervor. Sie schien wie durch ein Wunder auf den Marktplatz vorgerückt zu fein. Bis hinunter zur Andreaskirche war jetzt ein offner, öder Raum; hier waren 121 Häuser ein Raub der Flammen geworden. Der Marktplatz war mit gerettetem Hausrat besetzt. Die Häuser aber auf den beiden vom Feuer verschonten Seiten sahen Ruinen ähnlich. Die Fenster waren teils ausgehoben, teils zersplittert und die Läden feft verschlossen. Auch die Predigerkirche war mit geretteten Sachen gefüllt. Sie bot ein schwaches Bild des Tempels zu Jerusalem, ehe der Herr die Käufer und Verkäufer ausgetrieben hatte. Sogar ein Kasten mit einem Eichhörnchen stand auf dem Altar zur großen Freude der

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 213

1911 - Erfurt : Keyser
213 — nach dem Steiger und den umliegenden Dörfern; verschiedene aber, die nicht bei Zeiten zurückkehrten, wurden ausgeschlossen^ Durch die Zurückkommenden verbreitete sich die Nachricht, daß das Land noch mehr gelitten habe als die Stadt, daß aus den benachbarten Dörfern auch alles ausgezehrt und einige ganz verödet wären. (Nach Coust. Beyer.) 77. Die Beschießung Erfurts durch die Verbündeten, b. riovember 1813. Beschießung der Stadt: Der 6. November 1813, ein Sonnabend, zog trübe heraus. Ein Schleier undurchsichtigen Herbst-nebels lagerte über dem Tal der Gera. Da rollten gegen 6 Uhr morgens 3 Kanonenschüsse vom Steigerwald zur Stadt herüber. Da seither soviel Schüsse von den Wällen aus die Verbündeten gesenert worden waren, so waren die Bürger daran gewöhnt und befürchteten auch diesmal keine Gefahr. Gleich daraus aber setzte von allen Höhen rings um die Stadt eine fürchterliche Kanonade ein. Sie wurde von der Festung lebhaft beantwortet, doch ohne großen Erfolg, da der Nebel die Stellungen der Artillerie der Verbündeten verdeckte. Die Wirkung der Bomben war schrecklich. Bald lohten an den verschiedensten Enden der Stadt die Flammen empor, und, von deu grauen Nebelmassen niedergedrückt, lagerte sich ein dichter Qualm über den Plätzen und iu den Straßen. Nun war's um die Ruhe der Bürger geschehen; laut hallte ihr Angstgeschrei durch die Straßen. Alles eilte, sich zu retten. Viele Familien suchten ihre Wertsachen aus den ranchersüllten Häusern in Sicherheit zu bringen, und hatten sie endlich ein sicheres Versteck gesunden, so sielen auch da die Feuergarbeu nieder und zwangen zum Weitereilen. Zwar wurde anfangs der Versuch gemacht, die Brände zu löschen, als aber gegen Mittag das Flugfeuer immer mehr neue Stadtteile eroberte, gab man jede weitere Bemühung auf. Am schlimmsten wütete der Brand in den Gassen, die den Raum von den Graden nach dem Rnbenmarkte und der Andreasstraße hin deckten. Hier hatte eine Brandgranate in dem Hause eines Krämers gezündet. Ein starker Vorrat von brennbaren Stössen gab dem Feuer Nahrung, und da die dicht sollenden Kugeln jede Annäherung unmöglich machten, so standen bald alle die engen Häuserreihen in Flammen. Brand der Peterskirche: Gegen Abend tras eine Granate das Dach der Klosterkirche. Ihr solgte eine zweite und dritte. Ein Geschütz schien auf die Kirche gerichtet zu fein, die von den Franzosen in ein Vorratshaus verwandelt war. Auf dem Festnngs-hof erscholl der Ruf: Feuer! Schnell wurden Anordnungen zur Rettung der Vorräte getroffen. Zunächst galt es, den Schießbe-dars zu bergeu, dann ging es an die Ballen und Säcke. Hohe

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 216

1911 - Erfurt : Keyser
— 216 — lassen und den Prinzen von Weimar, der nach dem Gasthof „zum römischen Kaiser" reiten wollte, selbst mit dem Degen in den Schenkel gestochen. Außerdem hatte er noch versucht, mit einer Flinte, welche er einem französischen Soldaten aus der Hand gerissen, den Prinzen zu erschießen. Nun stürzten sich die Bürger auf den Offizier. In ihrer Wut warfen sie ihn nieder, traten ihn mit Füßen, und ein Kaufmannsdiener erstach ihn. Auch die Wache, welche gefeuert hatte, wurde mißhandelt. Man zerbrach den Soldaten die Gewehre und zertrat dem Tambour die Trommel. Nur mit großer Mühe gelang es den preußischen Offizieren, die Wut und Erregung der Bürger zu beschwichtigen und weiteres Blutvergießen zu verhindern. Zerstörung der Napoleonssäule: Unterdessen hatten einige Bürger und Postillone die vor dem „römischen Kaiser" errichtete Napoleonssäule in Brand gesetzt. Ohne sich um die Wache zu kümmern, hatten sie den Gipsüberzug mit Beilen zertrümmert und brennendes Stroh in das Innere geworfen. Ta dieses aber nicht gleich zünden wollte, waren dinige flinke Jungen innen an den Balken der Säule bis zur Spitze emporgeklettert und hatten den schützenden Blechdeckel abgestoßen. Dadurch hatte das Feuer Luft bekommen, und lustig flackerten jetzt die Flammen empor, zumal sie durch die hineingeworfenen Schmiereimer der in der Nähe haltenden Wagen der Fuhrleute reiche Nahrung erhielten. Bald darauf stürzte der Bau unter dem lauten Jubel der Volksmenge krachend zusammen (Bild im Rathaussaal). Begrüßung der Einziehenden: Nun konnte endlich eine Anzahl junger Mädchen an den General v. Kleist herankommen und ihm ein Gedicht überreichen. Damit hatte der Einzug fein Ende gefunden. Die preußischen Truppen verteilten sich in der Stadt und hielten die Wachen besetzt. Die Franzosen aber blieben vorläufig noch in den beiden Festen eingeschlossen; der Kommandant d'alton hatte nur die Stadt übergeben. Schon in den nächsten Tagen herrschte in ihr neues, reges Leben. Auf allen Straßen sah man frohe Gesichter, und die frei einwandernden Landleute begrüßten wieder ihre städtischen Bekannten und brachten ihre Vorräte mit. Abmarsch der Franzosen: Am Abeud des 5. Mai don- nerten plötzlich die Kanonen auf dem Petersberge und der Eyriaks-burg. Da man die Veranlassung nicht kannte, rannte alles nach dem „Graden". Hier erblickte man auf der Feste die weiße Fahne, das Zeichen der Nebergabe, lustig im Winde flattern. Am Nachmittage war ein Eilbote des Prinzregenten von Frankreich hier eingetroffen. Er hatte die Nachricht von der Wiederaufrichtung des Königreiches überbracht, und jetzt stand die Besatzung auf den Mauern der Festung und rief ein „Vive le roi!“ nach dem andern. Nun war der Abmarsch der französischen Truppen bald zu erwarten.

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 78

1911 - Erfurt : Keyser
— 78 - Uebergabe der Burg: Es währte nicht lange, so wurden die bis auf das Gerippe zerschmetterten Torflügel ausgetan, und die Besatzung zog langsam über die Brücke. Ein trauriger Abzug! Kaum zwanzig Mann noch und alle verwundet; sie grüßten den Rat und das wallende Banner der Erfurter. Diese hatten sich natürlich recht nahe an die Brücke herangedrängt, damit ihnen nichts von dem Schauspiel entgehe. Tie Gefangenen schritten einzeln am Rat vorüber, und, nachdem sie das Schwert abgegeben hatten, wurde jeder von zwei Zuustleuteu in die Mitte genommen und abseits geführt. — Für die Erfurter war es noch ein heißer Tag. In der Burg sah es gar übel aus, und Tote und Verwundete lagen überall umher. Die wurden hinausgeschafft und, soweit es gehen mochte, versorgt. Inzwischen schleppte man aus der brennenden Burg, was sich noch erreichen ließ und des Mitnehmens wert schien, und solange ein Dach noch hielt, solange wurde auch jeder Raum durchsucht. Bald aber brach ein Dach nach dem anderen ein, und da es nichts mehr zu erbeuten gab, ging man zu Hunderten hinter dem Feuer her, um einzureihen, was etwa dem Feuer noch widerstanden hatte. Die sinkende Nacht sah nur noch einen von geborstenen Mauern umhegten, schwelenden Trümmerhaufen an der Stelle, wo vordem die stolze Bnrg Andisleben gestanden hatte. Ringsumher aber streuten volle Hände winzigen Samen in die Lust.1) „Heia! Es wachse der Waid, und er künde es allen Zeiten: Das hat Erfurt getan!" L. Rohmann. 24. Schlacht bei Egifedf im ühüringer Grafenkriege. 1344. Johannes Rothe, der Chronist, weiß über die Veranlassung zu der verheerenden Fehde und über ein Gesecht, das bei Arnstadt und Egstedt am Steiger stattfand, allerlei zu berichten. Nach ihm hatte Graf Hermann von Weimar und Orlamünde im großen Saale des Erfurter Rathauses einen Tanz mit den vornehmen Bürgerfrauen veranstaltet, als der Landgraf Friedrich Ii. zufällig vorbeiritt und nach Fürstenart Pfeifen und Posannen vor seinem Zuge ertönen ließ. Alles eilte an die Fenster, und voll Uebermuts rief ihm der Graf entgegen: „Woher, Fritz? Wohin- aus, Fritz?" Der Landgraf aber warf den Kopf in den Nacken und erwiderte: „Ich will nicht ruhig sterben, ich bringe es denn dahin, daß du mich einen Herren heißest!" — Alsosort nahm der Krieg seinen Anfang. — Gras Günther von Schwarzburg, der Verbündete Hermanns, tat den Erfurtern und dem Landgrafen vielen Schaden. Da be- i) Das Ausstreuen des Waidsamens auf erobertem Grund und Boden war damals ein von den Erfurtern gern geübter Brauch.

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 5

1911 - Erfurt : Keyser
1. Erfurt in der Steinzeit. Heitere Jugend: Zum Ufer der Gera fällt ein weitausge- behnter Abhang ziemlich steil hinab. Ueppiger Graswuchs bebeckt ihn. Knaben und Mäbchcn, bunkel von Luft und Sonne gebräunt, das blonbe Haar wirr um den Kopf, tummeln sich hier. Hurtig klettern sie die Höhe hinan und legen sich am Ranbe des Abhanges platt hin. Ein Ruck, und sie kollern in fteigenber Schnelligkeit den hohen Abhang hinunter, kreifchenb und lachenb, um hochroten Gesichtes, boch ohne Spur von Schwinbel trotz des raschen Umsichfelbst-wälzens, das Spiel von neuem zu beginnen. Ist die Gewalt des Vorwärtsschießens so groß, daß der Rollenbe, unten angelangt, sich nicht einzuhalten vermag und in das Wasser stürzt, so lachen alle laut auf, auch der Knabe ober das Mäbchen, dem der Zufall begegnet. Ihre Kleibung leibet ja keinen Schaben, ba sie aus Fell hergestellt und karg im Maß ist. Bestänbiges Leben im Freien, beim nur zur Winterzeit fchlafen sie am Herbfeuer in der Hütte, haben sie so abgehärtet, daß sie die Nässe nicht störenb empfmben. Die rückkehrenden Jäger: Da ertönt ein gellenber Pfiff. Der Spitz, der das übermütige Spiel der Kinder fläffenb geteilt hat, hebt bic Ohren hoch und stürzt dann mit lautem, freubigem Gebell die Höhe hinan. Auch die Kinder unterbrechen ihr wilbes Tummeln, und als jetzt abermals ein Pfiff ertönt, noch näher als vorher, ba springen sie fchreienb und jnbelnb dem vorausgeeilten vierbeinigen Gefährten nach. Doch schon teilt sich das Gebüsch. Eine kleine Gruppe von Männern wirb sichtbar. Unter ihnen einer in der Vollkraft der Jahre, über fünfzig wirb er zählen, und mehrere jüngere Genossen von einigen zwanzig bis breißig. Ihre Kleidung: Ihre Kleibung ist die gleiche. Um Schul- ter, Brust und Leuben schmiegt sich ein ärmelloser Ixeberwuxf von Tierfell, die Beine frei lassenb bis zu den muskulösen Schenkeln. Die Füße stecken nackt in Fell, das mit Riemen über den Fuß um den Knöchel geschnürt ist. Ein breiter Gurt von ungegerbter Tierhaut hält den Leibrock um die Hüften zusammen. Ihre Waffen: Und wie fonberbar die Waffen biefer Leute! Rechts im Gurt steckt das Wurfbeil. Aber im oberen Ende des Schaftes glänzt kein blinkenbes Metall, fonbern ein fcharf Angeschliffenes Steinbeil. Links am Gurt baumelt ein kurzes Messer, ebenfalls aus Stein, und zwar aus gelbgrauem, hartem Feuerstein, so scharf zugefchliffen, daß sich die allzuhastig zugreifenben Kinder schon oft bamit verwunbeten. In den Hänben tragen die Männer einen langen Stab aus Efcheuholz, am Feuer gehärtet, an besten Spitze ein mit boppelter Schneibe zugeschliffener Feuerstein steckt, also ein Wurfspeer. Um den Hals haben sie den Bogen geworfen, bessen Sehne aus getrocknetem Tierbarm gewun-ben ist, und ein plump geschnitzter Köcher trägt die Pfeile, bereu

6. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 25

1911 - Erfurt : Keyser
— 25 — Käufer1) wurde eine Bewegung sichtbar; nach kurzer Zeit eilte ein Reiter der Höhe zu, ein stattlicher Jüngling, dem Wächter ähnlich an Antlitz und Gebäroe. Als er angekommen, schwang er sich vom Pserde und sprach leise mit seinem Gefährten. Der Wächier übergab ihm das Horn, wars die Ledertasche über die Schulter und bot das Pferd dem Fremden. Doch dieser lehnte es ab und wandte sich mit seinem Führer dem Tale zu. Auf dem Wege zum Dorfe: Steilab führte der schmale Psad zu dem gewundenen Laufe des Gießbaches. Mit beflügeltem Schritt eilten die Männer talab, sie sprangen von Baum zu Baum, von Stein zu Stein. Als der Psad wegsamer wurde, schwang sich der Fremde wuchtig aufs Pferd, das den Reiter in großen Sätzen talab trug; dann wählte sich auch der Wächter eins von den Rossen, welche in besonderen Gehegen sprangen. Die Sonne ging zur Rüste, und die Bäume warsen lange Schatten aus den Weg, als sie das Ende des Talgrundes erreichten. Vor ihnen lag bald das Dors, von Graben und baumbesetztem Wall umschlossen, durch die Lücken der Bäume sah man hier und da die weißen Giebel unter braunem Strohdach und kleine Rauchwölkchen, die aus den Dächern aufstiegen. Seilwärts vom Dorfe erhob sich auf kleiner Anhöhe der Herrenhof, mit besonderem Psahlwerk und Graben umgeben, über die zahlreichen Häuser und Ställe des Hofes ragte hoch das Dach des Saales, der First mit fchön geschnitzten Hörnern. Im Torfe: Auf dem Wiesengrund vor ihnen übte sich eine Schar Knaben im Kampfspiel, sie hatten ein Gerüst gestellt und schwangen sich der Reihe nach hinauf und jauchzend wieder herab. Der Wächter rief einen Knaben und sprach leise zu ihm; der Knabe flog wie ein junger Hirsch in großen Sprüngen dem Herren-bofe zu, während die Reiter mit Mühe den Schritt ihrer unruhigen Pserde bändigten. Auf der Dorfstraße tanzten im Staube die kleinen Kinder den Ringelreigen, die Knaben nackt bis aus die Wolljacke, die kleinen Mädchen im weißen Hemde, sie stapften bar-beinig im Staube und fangen. An den Lücken der Dorfhäuser wurden Frauenköpfe sichtbar, auch Männer traten an die Tür und musterten mit Falkenaugen das Aussehen des Fremden, und der Wächter verfehlte nicht, seinen Begleiter zu ermahnen, daß er hierhin und dorthin schaue und die Hausbewohner grüße, „denn", sagte er, „freundlicher Gruß öffnet die Herzen und du magst die Gunst der Nachbarn bald gebrauchen." Fürst und Herrenhof: Unterdes war der Knabe in den Herrenhof gelaufen und kündete leise seine Botschaft an. Fürst Ansgar saß in der Holztaube, dem schattigen Vorbau des Hauses. Er selbst war ein hoher Mann, breitschultrig mit offenem Antlitz unter seinem grauen Haar. Er trug die wollene Hausjacke über *) Im Eichwald der Haardt bei Schnepfenthal (Waltershausen); von Gustav Freytag als Schauplatz gewählt.

7. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 39

1911 - Erfurt : Keyser
39 — „Dies war der Wirt des Hofes", sprach der Führer mit zuckendem Munde. „Er war von Geschlecht ein Franke, aber ein gast-sreier Mann. Gestern, bevor der Tag warm wurde, haben die Wenden den Hof überfallen." Der Tote war am Arm mit einem Kreuz aus blauem Waid gezeichnet. Darum höhlten die Reisenden ein Grab, legten den Toten hinein, knieten zum Gebet, deckten das Grab mit Erde und steckten ein Holzkreuz daraus. Hierauf winkte der Fremde den Jüngling hinweg und blieb allein vor dem Erdhausen liegen. Dann zogen die Wauderer weiter nach Norden. Bubbo, der Landfahrer: Als die Sonne sank, betraten sie endlich die finstern Wälder des Gebirges, welches die Thüringe von den Franken scheidet und blieben im Haufe Bubbos, des Landfahrers, übernacht. — Als die Männer auf deu gestampften Lehmboden der Hausflur traten, hielt der Wirt eine Kienfackel an die züngelnden Kohlen des Holzklotzes, der auf dem Herde lag, und leuchtete mit der rußigen Flamme seinen Gästen in das Gesicht. Als er aber das Antlitz des Fremden erkannte, trat er zurück; die Fackel entglitt seiner Hand und sprühte auf dem Boden, bis der Führer sie faßte und in den Eisenring am Herde steckte. „Nimmer hätte ich geglaubt dein Angesicht in meiner Hütte zu finden", versetzte der Wirt scheu. „Längst ist das Taushemd zerrissen, das du mir gabst. Es war weniger wert, als sonst wohl in früheren Jahren, als icki mich in euer Waffer tauchen ließ. Ungern nur gedenkt der Mann der Stunden der Not, in denen er sein Haupt vor sremdem Zauber gebeugt hat. Dennoch meine ich, du bist ein Mann, großer Geheimnisse kundig. Und wenn ich dir Frieden gebe unter meinem Dach, so magst du zum Dank mich wohl noch manch Geheimnis lehren." „Ich will dich lehren", sagte der Fremde, „wenn du Ohren hast zu hören." „Wohlan, ich will dich halten als meinen Gast, dich und deine Begleiter mit Abendkost und Herberge, und ich grüße dich an meinem Herde, dich, Herr Winfried, vor dem die Leute knieen und den sie Bonisacius und einen Bischof nennen." Am Reiseziel: Als die Reisenden am Abend des nächsten Tages aus dem dunklen Fichtenwald ritten, schauten sie von der Berghöhe niedrige Hügel, in der Ferne offenes Land. Vor ihnen lag am Fuße des Berges ein Dorf, grau die Dächer, grau die Balken, rund herum ein Zairn aus Pfahlwerk und ein breiter Graben. Der Führer hielt inne und sagte kurz: „In das Land der Thüringe habe ich euch geleitet, dies ist das Dorf, dort ist der Hof des Franken, den sie einen Meier des Grafen nennen und dort steht er selbst. Vollbracht ist, was ich gelobt, fahret dahin." Gustav Freitag.

8. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 77

1911 - Erfurt : Keyser
— 77 — Jubelgeschrei die Luft: der Palas brannte wirklich — brannte hellauf! Und nun ließ der Stadthauptmann das Zeichen zum Sturm geben, und die Trommeln rasselten durch das Lager. Auch in der Burg wußten sie genau, daß es jetzt eine letzte Anstrengung und eine letzte, verzweifelte Abwehr galt. Die Mauern füllten sich, und die Belagerten achteten nicht auf die Pfeilgeschosse, die manch einen aus ihren Reihen niederstreckten. Jetzt ging’s auf Leben und Tod. Während die Blyden und die Radarmbrüste mit Balken und Steinen gegen das geborstene Tor, gegen Türme und Mauern arbeiteten, drängten die Erfurter ungestüm und von allen Seiten gegen die Gräben vor. Sturmleitern wurden herangeschleppt und das vorbereitete Brückenmaterial ins Wasser des Grabens geschoben; hinter Schutzwehren drangen ein paar Dutzend Leute gegen das Tor vor, und sie brachten glücklich ein Balkengerüst in die Lücke, die sonst von der Zugbrücke geschlossen wurde. Wenige Minuten später donnerten die Stoßwerkzeuge gegen das wankende Tor, und gleichzeitig stürmten die Erfurter, die dem Graben und den Brücken zunächst waren, hinüber und unter die Mauern. Sie wurden von einem Hagel von Pfeilen und Steinen empfangen, und das gräßliche Bad ans siedendem Del, flüssigem Blei und kochendem Wasser ließ die anstürmenden Belagerer unter fürchterlichem Jammergeschrei dutzendweise in die eisigen Fluten des Grabens stürzen. Bald türmten sich die Leiber, Tote und Verwundete lagen übereinander, und niemand konnte daran denken, einem Verwundeten zu helfen. Doch wie fürchterlich das Schick- sal der Gefallenen auch war — es hinderte die Nachdrängenden nicht, hinüberzustürmen und die freien Plätze einzunehmen. Und über dem furchtbaren Bilde lohten der Palas und der nun ebenfalls brennende Bergfrit, und ein Wehgeschrei drang aus der Burg, als die stolze Flagge des Landgrafen, die auf der obersten Zinne des Bergfrits geweht, in dem Flammenmeer aufging. Dieser erste gewaltige Sturm hatte so viele Opfer gekostet, daß der Stadthauptmann auf Wunsch des Rates die Stürmenden zurückzog, um ihnen eine kurze Rast zu gönnen; der Fall der Burg war ja besiegelt, und es war nicht notwendig, übermäßig viele Opfer noch daran zu wenden. — Zu einem neuen Sturm kam es nicht mehr. Das Fener lohte plötzlich auch in der Vorburg auf, und auch im inneren Burghof waren jetzt Flammen zu sehen. Nun blieb den Belagerten keine Zuflucht mehr, und es wäre frevelhafter Wahnsinn gewesen, wenn die Bnrgleute jetzt noch daran hätten denken wollen, die Burg zu halten. So erschien denn auch nicht lange danach ein Trompeter und neben ihm ein ritterlicher Herr über dem geborstenen Mauerwerk des Tores. Er bot die Burg auf Gnade an und empfing die Antwort: „Auf Gnad und Ungnad!"

9. Heimatkunde des Stadt- und Landkreises Erfurt - S. 66

1916 - Erfurt : Keyser
— 66 — 8. Die Ehrensäule. Ungefähr in der Mitte des Friedrich Wilhelmsplatzes erhebt sich die 18 m hohe Ehrensäule. Sie wurde 1777 von den Bürgern dem Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal errichtet. Er hatte sich um das Wohl der Stadt sehr verdient gemacht. Sie besteht aus einem Sand- steinsockel auf einem Stnfennnterbau. Oben ist eine Spitzsänle ausgesetzt. Die südliche Seite des Sockels trägt die Widmung. Die Seiten der Säule sind außerdem mit dem Bildnis, dem Namenszug und dem Wappen des Kurfürsten geziert. 9. Die Beschießung Erfurts am 6. November 1813. Der 6. November 1818, ein Sonnabend, zog trübe herauf. Dichter Herbstnebel lagerte über dem Tale der Gera. Da rollten gegen 6 Uhr morgens drei Kanonenschüsse über die Stadt. Ihnen folgte bald eine fürchterliche Kanonade, die von den Wällen lebhaft beantwortet wurde. Doch hatte Die Antwort keinen Erfolg, da der Nebel die Stellungen der Artillerie der Verbündeten verdecktes) Die Wirkung der Bomben war schrecklich. Bald brannte die Stadt an verschiedenen Enden. Lautes Angstgeschrei hallte durch die Straßen. Alle Bürger eilten, sich zu retteu. Zwar wurde anfangs der Versuch gemacht, den Brand zu löschen. Man mußte aber die Bemühungen auf- geben, als das Flugfeuer gegen Mittag immer neue Stadtteile eroberte. Am schlimmsten wütete der Brand in den Gassen „Vor den Graden". Dort hatte eine Brandgranate im Hause eines Krämers gezündet, und ein starker Vorrat von brennbaren Stoffen gab dem Feuer fortwährend Nahrung. 121 Häuser wurden hier ein Raub der Flammen. Gegen Abend traf eine Granate das Dach der Klosterkirche. Ihr folgte eine zweite und dritte. Ein Geschütz schien ans die Kirche gerichtet zu sein, welche die Franzosen in ein Vorratshans umgewandelt hatten. Schnell wurden Anordnungen getroffen, das Fener zu löschen. Zuerst wurde der Schießbedarf geborgen, dann ging es an die Ballen und Säcke. Man versuchte auch, die Kirche zu retten. Der Dachstuhl wurde aus Eimern, die von Hand zu Hand gingen, mit Wasser begossen. Dennoch sprangen die Flammen von einem Sparren zum andern. Endlich war der Dachstuhl eine einzige Brandfackel. Eine Granate flog auch in einen Heuschober, der für die französische Reiterei bestimmt war. Eine ungeheure Feuer- garbe schoß bald sprühend zum dunklen Nachthimmel empor. Die brennen- den Heubündel flogen umher und züudeteu das Dach der Hauptwache an. Gegen 10 Uhr abends schwiegen die Kanonen. Nun herrschte Stille wie in einem Totenhause. Sie wurde nur unterbrochen von den nnanf- hörlichen Sturmschlägen der Glocken. Über dem Flammenmeer, das den *) Sie lagen zum Teil unterhalb der Schwedenschanze in einer Vertiefung, die 100 m südlich von der heutigen Abdeckerei begann. Der andere Teil lag im Hunger- bachtal, etwa 200—300 m oberhalb der Stelle, wo der Graben die Straße Erfurt' Marbach schneidet. Eine Batterie war auch im Steigerwald aufgestellt.

10. Heimatkunde des Stadt- und Landkreises Erfurt - S. 74

1916 - Erfurt : Keyser
— 74 — Krummhaus baute, mußten sie nach dem Cyriaksberg übersiedeln. 350 Jahre später verwandelte der Rat den Berg in ein festes Bollwerk. Da wichen die Nonnen abermals der Gewalt und bauten sich am Abhang des Petersberges cm. Ihr Kloster lag der Andreaskirche gegenüber und war mit ihr dnrch einen Gang verbunden. Als dann aber der Peters- berg zur Festung wurde, siedelten sie nach Hügelgasse 1 über. Doch schon nach der Jenaer Schlacht wurde ihnen ihr Kloster genommen und in ein Lazarett verwandelt. Stets waren sie der militärischen Gewalt im Wege. — Ehe wir den Domberg verlassen, werfen wir noch einen Blick auf die Rose, das kunstvolle Rundfenster, anf der Nordseite der Severi- kirche. Unter ihm hnldigte die Stadt dem neugewählteu Erzbischof, wenn er zum ersteu Male in Erfurt eiurttt. Ehe das geschah, mußte er aber erst alte alten Rechte und Freiheiten der Stadt bestätigen. Der Erzbischof wohnte während seines Aufenthaltes im Peterskloster. Der letzte Einritt geschah 1440 unter Erzbischof Dietrich I. — Wir wandern nun zur Peterstraße hinab. Sie ist teils die alte Lauengasse, die zum Lauentor führte. Es lag am Südfuße des Petersberges hinter der heutigen Ge- wehrfabrik. Das Lauentor unterftaub dem Schutze der Grafen von Gleichen oder Touna, welche die Vogtei der Stadt erblich besaßen. Als Vögte hatten sie für den Schutz und die Verteidigung der Stadt zu sorgen und mußten mit den erzbischöflichen Ministerialen (unfreie Leute im erz- bischöflichen Dienste) die Tore überwachen. Das Lauentor führte seinen Namen nach dem Wappenlöwen der Grafen, der an ihm angebracht war. Die Grafen besaßen das Recht des freien Einrittes und Ausrittes durch das Tor bei Tag und Nacht. Das konnte der Stadt sehr gefährlich werden. Der Rat ließ darum (um 1324) das Tor zumauern. Bis zu dieser Zeit ging der größte Teil des lebhaften Wagenverkehrs nach und von Westen durch das Tor. Der Hauptstraßenzug hatte seine Fortsetzung dnrch die Pergamentergasse nach der Augustiuer- und Johauucsstraße. Nach der Zumaueruug des Laueutores trat das Krumme Tor an seine Stelle — Nun lenken wir unsere Schritte zum Petersberg. Der An- stieg ist ziemlich steil, denn der Petersberg erhebt sich fast 30 m über dem Friedrich Wilhelmsplatz Zuerst fesselt das Eingangstor des Petersberges uusern Blick. Das reichgestaltete Torwappen zeigt das Mainzer Rad und den Schlüssel, das Zeichen der erzbischöflichen Gewalt. Wir erkennen am Tore noch die Anlage der Zugbrücke und sehen in der Decke zwei Spalte, durch welche Balken herabgelassen wurden, um den stürmenden Feiud abzuhalten. Haben wir das Tor durchschritten, so stehen wir auf der Hochebene des Petersberges. Die alten Baulichkeiten, besonders die Kirche, sind für den Zutritt gesperrt, da sie auf dem Ge- biet liegen, das die Truppen benutzen. — Wir wenden uns darum sofort nach Westen zur Rudolfstraße und der mit ihr durch Querstraßen ver- buudeuen Heinrichstraße. Hier liegt das erste Ansiedlungsgebiet auf Erfurter- Grund und Boden. Schon 4000 Jahre vor der heutigen Zeit bauten sich dort Hirten an. Ihre Abstammung ist uns unbekannt. Sie hatten die Vorzüge der Gegend erkannt. Der trockene Berg bot ihnen eine gnte
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