Regionen (OPAC): Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
14
Geschichtliche Entwicklung.
unter Konstantin aber werden als Hauptfeinde am Niederrhein dem Köl-
nischen gegenüber die Brukterer genannt, unter Julian im Ruhrgebirge
die Attuarier. Diese durch römische Hinterlist zerschlagenen und erwan-
derten Stämme nämlich haben sich im Anschluß an Tenkterer, Mattiaken
(Nassauer) und Chatten (Hessen) gegen die Mitte des 3. Jahrh. zu einem
Waffenbunde gesammelt, vvn der römischen Oberherrschaft frei gemacht, und
treten nun als solche, als Freie, d. i. Franken, auf, von den Römern die
Ripuarier, d. i. Uferfranken, genannt, während die ebenfalls um selbe Zeit
von der Issel im S all an de vorstürmenden Germanen als Salische und
Chamavische Franken erscheinen.
In Westfalen aber saß seit Verdrängung der alten Bevölkerung, seit
dem Ende des 1. Jahrh., ruhig und seßhaft das Bauernvolk der Engern
(Angrivarier-Chaukeu). Kämpfe mit den Römern werden aus diesen Gegen-
den bis zum 3. Jahrh. nirgend gemeldet. Aber auch die Engern, die
Verdränger der alten Teutoburgvölker, ereilte fast wie eine Nemesis ein ähn-
liches Schicksal.
Im 4. Jahrh. nämlich dringt aus Schleswig-Holstein das Kriegsvolk
der Sachsen erobernd in Westfalen ein, unterwirft das ganze Land, läßt
aber die alte engrische Bevölkerung teils frei, teils in Hörigkeit sitzen;
daher die vielen halbfreien Laten, Liten, Lassen des neuen sächsischen Frei-
staates, der sich nunmehr unter Häuptlingen, und für den Kriegsfall unter
einem erwählten Herzog stehend, in vier große Bezirke gliedert! Westfalen
zwischen Rhein und Osning-Egge; Engern im Weserlande an beiden Ufern
des Flusses; Ostsalen bis zum linken Elbufer, und Transalbingien, das
überelbische sächsische Stammland. Unter diesen Namen finden wir die Landes-
teilung zur Zeit Karls des Großen. Markloh an der Weser wird uns als
Platz für das große sächsische Volksthing genannt, zu welchem Edeliuge,
Friliuge und Liten aus ganz Sachsen ihre Vertreter sandten. Merk-
würdigerweise dringen die erobernden Sachsen, schon im 4. Jahrh. heftige
Feinde der rheinländischen Franken, an keinem Punkte bis hart an den
Rhein vor; überall bleibt ein breiterer oder schmalerer Landstreifen zwischen
dem sächsischen Westfalen und dem Stromufer fränkisch. Dies ist eben
die alte (S. 13 Anm. genannte) Römerreichsgrenze, von den Römern
im 4. Jahrh. den Franken überlassen, dann von diesen als Rechtsnachfolgern
der Römer aufs schärfste gegen die vordringenden Sachsen-Westfalen verteidigt
und gehalten.
2. Mittelalter.
Vom 5. bis 8. Jahrh. meldet die Geschichte wenig über Westfalen; nur
stete Kämpfe der Sachsen mit den merovingischen Königen und Haus-
meiern in der Nähe der alten Römergrenze; die Eroberung Sachsens gelingt
erst Karl dem Großen in den gewaltigen Kriegen von 772 bis 804; sein
Gegner Herzog Wittekind läßt sich 785 taufen. Es folgt die Gründung
der Bistümer Osnabrück, Minden, Paderborn, Münster, die Ein-
richtung der Pfarreien innerhalb der Grenzen alter Gerichtssprengel; inmitten
der alten Bauerschaften entstehen Kirchdörfer und Marktflecken, von denen
manche später zu ummauerten Städten werden.
Die fränkischen Gerichts- und Verwaltungsdistrikte heißen Gaue;
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Extrahierte Personennamen: Konstantin Julian Nassauer Karls Karl_dem_Großen Karl
Extrahierte Ortsnamen: Hessen Westfalen Schleswig-Holstein Sachsen Westfalen Rhein Sachsen Sachsen Rhein Westfalen Westfalen Sachsen Sachsens Minden Paderborn
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
Wie prangt im grünen Lindenkranz,
Der schönen Hauptstadt alter Glanz!
Da zog nach dreißigjähr'gem Strauß
Die Taube wit dem Oelzweig aus
Vom Rathausgiebel hoch ins Blau
Durch Deutschland über Berg und Au.
O Münsterland, Westsalenland,
Ich grüße dich, mein Heimatland!
Westfalenvolk, du frei Geschlecht,
Ihr starken Männer, schlicht und echt,
Ihr milden Frauen, treu und zart,
Die ihr bewahrt die deutsche Art
Auf roter Erde weitem Rund,
Ich grüß' euch all' aus Herzensgrund.
Tu trautes Land, Westfalenland,
O schirm dich Gott, mein Heimatland!
Joseph W o r m st a l l.
3. Der Name „Westfalen".
Nachdem im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung die
Sachsen aus der cimbrischen Halbinsel aufgebrochen waren und
sich nach Süden, andere germanische Stämme besiegend und mit
ihnen sich vereinigend ausgebreitet hatten, finden wir bei ihnen
seit etwa 800 n. Chr. 4 je nach den Wohnsitzen benannte Gruppen:
die Nordelbinger, nördlich von der Elbe, die Ostfalen östlich von der
Leine nach der Elbe zu, die Engern, Anger- oder Wiesenbewohner
in einem breiten Striche an beiden Ufern der Weser, die Westfalen
zwischen Weser und Niederrhein. Falen wird gar verschieden er-
klärt. Einige denken an Falen = Fohlen, dem springenden Pferde
in des alten Herzogs Wittekinds Wappen und in dem des Herzog-
tums Vraunschweig. Andere leiten von Vandalen ab, nehmen Be-
zug auf den Grenzpfahl, oder bringen es mit dem fahlen — blonden
Haaren, die jetzt noch fo häufig bei den Bewohnern sich finden,
oder mit Phol — dem Lichtgotte Baldnr in Verbindung. Die
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Extrahierte Personennamen: Joseph_W
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Westsalenland Westfalenland Sachsen Westfalen Niederrhein
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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 21 —
Teutoburger Walde, unweit Tecklenburgs. Von Greven aus gelangt
die Ems über Emsdetten nach Rheine. Sie gilt eigentlich schon
von Greven aus für schiffbar, wird aber selten von großen Kähnen,
sogenannten Pünten, von dort schon befahren; von Rheine ab sieht
man diese häufiger. Unterhalb Rheine verläßt die Ems Westfalen und
tritt in die Provinz Hannover ein.
Wenn schon ihr Laus in Westfalen kein schneller ist und ihre
Ufer wenig Schönes aufweisen können, so ist das in Hannover
noch weniger der Fall. Zu beiden Seiten liegen große Torfmoore,
die den Bewohnern nicht nur Torf zum Brennen, sondern mittels
der Versenuug auch Ackerboden liefern müssen. Oberhalb der
Stadt Lingen bei Ellbergen vereinigt sich die Jbbenbürener Aa, die
in der Nähe von Tecklenburg entspringt, nebst ihrem Zuflüsse,
der Hopstener Aa, die vom Nordrande der Schafberge kommt, mit
der Ems. Über Lingen fließt die Ems nach Meppen, wo sie die
Hase aufnimmt. Tiefe kommt von der Nordseite des Teutoburger
Waldes, aus derselben Quelle, der die Else, der Nebenfluß der
Werre im Wesergebiete, entstammt. An der Haase liegt die große
und schöne Stadt Osnabrück. Von Meppen ab wird der Lauf
der Ems zwar immer langsamer, aber ihr Bett auch immer breiter
und tiefer, so daß sie größere Schiffe tragen kann. Das ist wichtig
für den Handel der beiden Städte Papenburg und Leer, die weiter
abwärts an der Ems liegen. Bei Leer, wo am rechten Ufer die
Leda mündet, können die Seeschiffe bis an die Stadt fahren und
ihre Waren vor den Fenstern der Handelshäuser ausladen. Weiter
nördlich geht die Ems durch den Dollart in die Nordsee. Nahe
am Dollart liegt die alte Handelsstadt Emden, die durch einen
Kanal mit ihm verbunden ist. Wo jetzt sich der Tollart befindet,
da war früher fruchtbares Land mit vielen Ortschaften. Vor 600
Jahren brach die Nordsee da herein und setzte die ganze Gegend
unter Wasser. Hier liegt das Land überall so niedrig, daß man
es durch große Dämme gegen das Meer schützen muß.
Die Ems hat in den letzten Jahren für Westfalen dadurch eine
größere Bedeutung gewonnen, daß ihr unterer, schiffbarer Lauf
durch einen Kanal mit dem Kohlenbezirke Westfalens verbunden
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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 92 —
Augen und etue firme Faust; aber ein Schreiner braucht mehr.
Ich habe mich einmal vom Hochmut verleiten lassen und wollte,
wie Ihr es nennt, einen richtigen Schrank zuwege bringen, weil
mir Hobel und Meißel und Reißschiene auch bei dem Zimmergewerk
durch die Hände gegangen waren. Ich maß und zeichnete und
schnitt die Hölzer zu; auf Fuß und Zoll hatte ich alles abgepaßt;
aber als es nun an das Zusammenfügen und Leimen gehen sollte,
war alles verkehrt. Tie Wände standen windschief und klafften,
die Klappe vorn war zu groß und die Kasten für die Offnungen
zu klein. Ihr könnt das Machwerk noch sehen; ich habe es auf
der Flur stehen lassen, mich vor Versuchung künftig zu wahren; denn
es thut dem Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an
seine Schwachheit vor Augen hat."
In diesem Augenblicke ließ sich ein lustiges Wiehern aus dem
Pferdestalle gegenüber vernehmen. Der Pferdehändler räusperte sich,
schlug sich Feuer an, blies dem Receptor eine starke Dampswolke in
das Gesicht, sah sehnsüchtig nach dem Stalle und dann gedankenvoll
vor sich nieder. Hieraus nahm er den lackierten Hut vom Kopse,
strich mit dem Arme über die Stirn und sagte: „Noch immer eine
schwüle Witterung." — Dann schnallte er seine lederne Geldkatze
vom Leibe, warf sie mit Getöse auf den Tisch, daß der Inhalt klang
und klirrte, lösete die Riemen und zählte zwanzig blanke Gold-
stücke hin, bei deren Anblick die Augen des Receptors zu funkeln
anfingen, nach denen aber der alte Hofschulze gar nicht hinsah.
„Hier ist das Geld !" ries der Pferdehändler, die Faust geballt
auf den Tisch stemmend, „krieg' ich den Braunen dasür? Er ist
nicht einen Heller mehr wert!"
„Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu Schaden
kommt!" versetzte der Hofschulze kaltblütig. „Sechsundzwanzig, wie
ich gesagt habe, und keinen Stüber darunter. Ihr kennt mich nun
die Jahre her, Herr Marx, und solltet daher wissen, daß das Tingen
und Feilschen bei mir nichts verschlägt, weil ich nie von meiner
Sprache abgehe. Ich begehre, was mir eine Sache wert ist, und
schlage niemals vor, und so könnte kommen, wer da wollte, er
kriegte den Braunen nicht unter sechsundzwanzig."
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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 114 —
stimmung über die Geschäfte, die ich übernehmen, und über die Per-
sonen, mit denen ich verhandeln soll. Sobald ich von der Krankheil
genesen bin, reise ich zu Ew. Majestät!"
Als diese Antwort am königlichen Hofe bekannt wurde, war
Freude überall. — Die Königin Louise schrieb an ihren Vater!
„Stein kommt, und mit ihm kehrt meine Hoffnung wieder!"
Schon im September des Jahres 1807, zwei Monate nach
dem unglücklichen Frieden von Tilsit, war Stein beim Könige.
Und beide gewannen mit jedem Tage mehr Vertrauen zu einander.
Sie arbeiteten mit einander und setzten ihre ganze Kraft daran,
das Preußenland wieder stark und mächtig zu machen, damit es
dereinst das Joch der Knechtschaft abschütteln könne.
Der König erließ nun die von Stein verfaßte Verordnung,
daß die Leibeigenschaft oder Erbnnterthänigkeit der Bauern, die
bis dahin noch in vielen Teilen des Landes bestanden hatte, völlig
aufhören solle. Auch der geringste Unterthan solle frei sein und
nicht mehr mit Leib und Leben, mit Weib und Kind einem anderen
zu eigen gehören. Schon im Jahre 1808 erschien die preußische
Städteordnung. Darin war vorgeschrieben, wie es in Zukunft
mit der Verwaltung der städtischen Angelegenheiten gehalten werden
solle. Auch dieses wichtige Gesetz zeigte bald seine heilsamen Fol-
gen. Mit der Zeit ist manches an demselben geändert worden: die
Hauptbestimmungen aber sind bis auf den heutigen Tag beibe-
halten.
Noch viel Segen hätte der große Mann in der schweren Prü-
fungszeit stiften können; aber — er mußte vor den Franzosen fliehen,,
zuerst nach Wien, dann nach Petersburg. Denn er hatte an einen
Freund einen Brief geschrieben, in dem er sein Herz ausschüttete
und seiner Feindschaft gegen den fremden Unterdrücker freien Lauf
ließ. Aber der Brief fiel auf seiner weiten Reise an die mecklen-
burgische Ostseeküste ein ein französischen Marschall in die Hände.
Der sah nun zwar, daß er nicht an ihn gerichtet sei; weil er aber
wußte, daß er von Stein kam, so war er doch begierig, seinen
Inhalt zu erfahren. Und kaum hatte er ihn gelesen, so schickte
er ihn dem Kaiser Napoleon. Ter entbrannte vor Zorn. „Stein
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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 45 —
langten zur Buße dafür gegen den Feind, d. h. gegen die Germanen
geführt zu werden. Freudigen Herzens gab Germanicus ihrer Kampf-
lust nach und rückte noch im Herbst des Jahres 14 n. Chr. mit
einem Heer bei Tanten über den Rhein.
Tie Römer kamen unbemerkt die Lippe aufwärts in das Land
der Marser. Kundschafter meldeten, diese seien bei einem fröhlichen
Fest versammelt. Da schlichen die Arglistigen in sternenheller Nacht
durch die Waldung, bis sie an eine gelichtete Stelle kamen, wo
zahlreiche Gehöfte zusammenlagen. Die ahnungslosen Festgenossen
hatten keine Wachtposten ausgestellt. Es war ja tiefster Friede im
Lande. Da brachen plötzlich von allen Seiten die römischen Scharen
aus dem Walde, hieben auf die Wehrlosen wütend ein und ver-
wüsteten alles mit Feuer und Schwert. Selbst Frauen, Greise und
Kinder wurden erbarmungslos niedergemetzelt, Häuser wie Heilig-
tümer — darunter das einer Göttin Tanfana — dem Erdboden
gleich gemacht. Die schlaftrunkenen, unbewaffneten, ratlos umher-
irrenden Männer fielen ohne Gegenwehr unter den Streichen der
Mordbrenner, von denen kaum einer verwundet wurde. Als die
Nachbarvölker an Lippe und Ems von dem verräterischen Überfall
hörten, griffen sie zu den Waffen und besetzten die waldigen Höhen,
durch die der Rückweg der Römer sührte. Aber Germanicus erhielt
davon Kunde und zog kampfbereit dahin. Lange rührte sich nichts.
Als aber das Heer zwischen Anhöhen in langer, schmaler Reihe sich
hinwand, da griffen plötzlich die Deutschen die Nachhut an. Schon
war diese in Unordnung gebracht, als Germanicus seiner tapfersten
Legion befahl, die Feinde zu durchbrechen. Es gelang. Die ger-
manischen Reihen lösten sich auf und verloren sich im Waldesdickicht.
Unbehelligt und mit gestärktem Selbstvertrauen kehrten die Römer
nach diesen wohlseil errungenen Erfolgen über den Rhein zurück.
Im Frühjahr des nächsten Jahres erschien Germanicus wieder
in Teutschland, früher als jemand erwartet hatte. Er selbst drang
mit der Hauptmacht gegen die Katten vor und schlug die Überraschten
bis über die Eder zurück. Das offene Land war gründlich verwüstet,
während die Bewohner sich in die Wälder zurückzogen. Hier hätten
die Cherusker den Katten geholfen, aber der Unterfeldherr des
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Extrahierte Personennamen: Germanicus Germanicus Germanicus Germanicus
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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 127 —
Tropfen guter Wein ist dort zu finden!" Aber kopfschüttelnd wehrte
der Jüngste ab und sagte: „Jürge, wenn der Bischof Otto dein Vor-
haben erführe, so würde es uns schlecht ergehen, zudem bin ich
müde und wer weiß, ob wir nicht morgen harte Arbeit haben."
So trennten sich die Brüder, Hans ging in sein Zelt und Jürge setzte
sich grübelnd auf den nächsten Stein. Plötzlich vernahm er in der
Stille der Nacht den Schlachtruf der Braunschweiger. Dem Herzog
Heinrich von Braunschweig waren von seinem Bruder Friedrich
Truppen gesandt worden, um das Lager der Verbündeten heimlich
in der Nacht zu umzingeln und so die Belagerung von Celle zu
rächen. Atemlos stürzte nun Jürge zu den Zelten der Anführer
seines Heeres und teilte ihnen das Geschehene mit. Diese schwangen
sich rasch auf ihre Pferde und stellten sich mit ihren Truppen kühn
dem Feinde entgegen. Bischof Otto von Minden ermunterte seine
Soldaten immer von neuem, aber vergebens, das Heer der Braun-
schweizer war ihnen an Stärke weit überlegen, die Söldner warfen
ihre Waffen fort und entflohen, von den brannschweigischen Reitern
verfolgt. Am Abend desselben Tages hielt ein Trupp brauuschwei-
gischer Reiter vor dem Wirtshause eines Dörfchens in der Heide,
die Gefangenen wurden drei Knechten zur Bewachung übergeben.
Unter ihnen befand sich auch Bischof Otto von Minden; traurig über
sein Schicksal warf er sich auf dem Boden hin und her und versuchte
einzuschlafen, als auf eiumal ein brannschweigischer Hauptmann ihn
aufforderte, unverzüglich aufzustehen und ihm zu folgen. Zögernd
gehorchte er, stieg auf das vor der Thür stehende Tier und fort ging's
im schnellen Lauf über die sandige Fläche, bis plötzlich beim Morgen-
grauen der Bischof die Türme einer Stadt bemerkt und nach Verlauf
von kurzer Zeit an dem Thor der Stadt das Wappen seines Kampf-
genossen, des Grafen von Hoya, erkannte. Verwundert sieht er sich
nach dem brannschweigischen Hauptmann um, aber dieser hat sein
Visier fallen lassen und ist kein anderer als der treue Jürge.
Dieser hatte sich, von brauuschweigischeu Reitern verfolgt, in
ein Weidengebüsch am Ufer der Aller geflüchtet. Von hier aus sah
er die Gefangennahme seines Herrn. Ruhig verhielt er sich iu
seinem Versteck, in der Nacht jedoch schlich er auf das Schlachtfeld
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Extrahierte Personennamen: Otto Heinrich_von_Braunschweig Heinrich Friedrich Friedrich Otto_von_Minden Otto Otto Hoya
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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 128 —
der Braunschweiger und zog den Waffenrock eines gefallenen
Soldaten an, griff dann einige der auf dem Felde herumirrmdeni
Pferde auf und verfolgte so die Spur der Wächter seines Herrn und
befreite denselben unter dem Vorwande, ihn nach Celle bringen
zu müssen.
Trefflich war ihm seine List gelungen. In dem Dorfe Dankersen
unweit Minden lebte Jürges Vater als ein schlichter Bauer mit
seinem zweiten Sohne Hans. Seine Frau war ihm vor wenigen
Jahren gestorben, und so hatte er eine Waise, namens Margaretha,
zu sich genommen, die ihm durch ihren Fleiß und ihr fröhliches
Wesen bald fo lieb wurde, als wäre sie seine eigene Tochter. Munter
verrichtete sie des Tags über die schwersten Arbeiten und des Abends
saß sie fleißig vor dem Spinnrad und sang dazu die traulichsten
Weisen. Wohl war Hans von ihrem lieblichen Wesen entzückt und
hätte sie gern zu seiner Haussrau erwählt, aber er wagte es nicht,
diesem trefflichen Mädchen seine Liebe zu gestehen. Ter Vater hatte
die erwachende Liebe seines Sohnes längst erkannt und sich vor-
genommen, die Sache der Liebenden ins Reine zu bringen. Doch
eine heimtückische Krankheit warf ihn aufs Lager und nach wenigen
Monaten betteten ihn Sohn und Pflegetochter zur ewigen Ruhe. —
Unl diese Zeit war es, als Jürge, von dem Bischof reich mit Land
beschenkt, in sein Heimatsdorf Dankersen zurückkehrte. Durch Krieg
und Schlachten war er ein rauher Mann geworden und trieb sich am
liebsten in den Wäldern umher.
Wohl hatte er Kunde von dem Tode des Vaters erhalten, aber
den Bruder noch nicht besucht, den er haßte, da dieser stets der
Lieblingssohn der Eltern gewesen. Einst, müde von den Anstren-
gungen der Jagd heimkehrend, vernahm er aus dem elterlichen Haus
eine volle, süße Stimme. Neugierig, wer die schöne Sängerin sei,
schlich er näher und erblickte Margaretha; sie stand am Herde und
bereitete Speise für seinen Bruder. Überwältigt von ihrer Anmut
und Schönheit trat er näher, stürzte ihr zu Füßen und flehte um
ihre Liebe. Aber zürnend wies sie ihn ob dieser Zudringlichkeit von
sich. Stumm gehorchte er, indem er hoffte, später sich ihre Liebe
zu erringen. Von nun an mied er die wüsten Zechgelage seiner
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Extrahierte Personennamen: Hans Margaretha Hans Margaretha
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 129 —
Genossen und schlich oft träumend am Hause des Bruders vorüber,
um die Holde erspähen zu können. Sein Groll gegen Hans wuchs
jedoch täglich, er beneidete ihn, daß er die Geliebte sprechen konnte,
und Rachepläne gegen den Bruder füllten sein Inneres. Endlich
wollte er Gewißheit haben, und eines Tages in Abwesenheit seines
Bruders harrte er auf sie, bis sie in den Garten trat; hier beschwur
er Margaretha aufs neue und beteuerte ihr seine aufrichtige Liebe,
aber vergebens; ängstlich stieß sie ihn von sich, floh in das Haus
und vor dem Kruzifixe des Herrn betete sie um Erlösung von der
Zudringlichkeit des wilden Jürgens.
Als am Abend Hans heimkehrte, fand er die Geliebte in
Thränen. Sie erzählte ihm alles und bat um seinen Schutz. Nun
beichtete Hans, wie er sie seit ihrem Eintritt in das elterliche Haus
geliebt habe, aber nicht gewagt, ihr seine Liebe zu gestehen, jetzt
wolle er sie zu seiner Gattin nehmen und vor allem behüten. Ein
Blick reiner Freude strahlte bei diesen Worten aus ihren Augen und
fest umschlungen hielten sich die so Gefundenen. Doch inmitten
dieses Glücks klirrte das Fenster, Wut in dem Antlitz schrie Jürge:
„Ha, Schändliche, um des Milchbarts willen hast du mich ab-
gewiesen?! Verderben über euch, und sollte es meine Seligkeit
kosten!" —
Hans verrichtete seine Arbeit jetzt mit einem Fleiß und einer
Fröhlichkeit, die Gretchen lange nicht an ihm bemerkt hatte. Jürge
suchte wieder die wilde Gesellschaft seiner Zechgenossen auf und
ergab sich ganz der wilden Gier. Beide Brüder vermieden sich
sorgfältig, denn anch Hans fürchtete den Jähzorn seines Bruders.
So rückte der Hochzeitsmorgeu für Hans und Grete heran,
Stattlich geschmückt standen die Leiterwagen vor der Thür, um das
Brautpaar zur Kirche zu geleiten, die Burschen und Mädchen des
Dorfes folgten als Brautjungfern und Brautknechte unter fröhlichem
Lachen, und jeder freute sich über das hübsche Paar, dem das ganze
Dorf viel Liebe schenkte. Kurz vor dem Eingang des Klosters er-
schallte eine Stimme aus dem Gebüsch: „Die Rache ist reif, zwei
Fliegen auf einen Schlag!" Die Burschen wollten den Frechen
packen; doch sahen sie niemand, nur das Brautpaar ahnte den
Schulze, Heimatskunde. 9
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Hans Margaretha Hans Hans Hans Jürge Hans Hans
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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Störer. In der Kirche ging die Traufeierlichkeit ohne Störung
vor sich. Nach der Rückkehr war Tanz und Schmaus in Hansens
Hause und bis zum frühen Morgen ertönten die frohen Stimmen
der Hochzeitsgäste, deren Scherze bald die Wolken von der Stirn
der Neuvermählten scheuchten.
In ungetrübtem Glück verflogen die ersten Wochen dem jungen
Paare, in fröhlicher Arbeit und aufrichtiger Liebe genossen sie ihr
Leben. Tie bösen Worte des Bruders waren fast vergessen. Dieser
jedoch, wenn er nicht mit seinen Zechgenossen beisammen war, brütete
dumpfe Rachepläne. So beaufsichtigte er eiues Tages die Feldarbeit
seiner Untergebenen, und wie er so die Straße lang sah, erblickte er
plötzlich den Gegenstand seiner Rache, den ihm tötlich verhaßten
Bruder. Schnell schickte er seine Arbeiter heim, und auf die Pflug-
schaar gestützt, erwartete er die Aukunft des Bruders, der ein sröh-
liches Liedchen trällernd, mit dem Pfluge über der Schulter heim
zu seinem Weib eilte. Da ergriff der wilde Bruder seine Pflugschaar
und holte mit den Worten: „Stirb, Räuber meines Glückes!" zu
einem tötlichen Schlage aus. Erschreckt sprang Hans zur Seite und
benutzte sein Pflugschaar ebenfalls als Wehr. Nnn folgte Schlag
auf Schlag, bis beide tötlich getroffen zur Erde sanken. Ein leises
„Ich vergebe dir! — — Leb wohl, Gretchen!" aus dem Munde
des einen, ein dumpfes „Zwei Fliegen auf einen Schlag!" aus dem
Munde des andern.
Vergebens erwartete am Abend Margaretha ihren Gatten,
Stunde auf Stunde verrann, noch kehrte er nicht heim. Nichts
Gutes ahnend läuft sie hinaus in die finstere Nacht, bis sie ihren
Mann und daneben den wilden Jürge — beide in ihrem Blute
liegend — findet. Verzweifelt wirft sie sich aus den Geliebten und
suchte vergeblich, ihn mit Küssen zu erwecken. Ihr Glück war für
immer dahin, Wahnsinn nahm ihre Sinne gefangen. Täglich saß
sie auf dem Grabe ihres Mannes, den Hügel mit Waldblumen
bestreuend. Nach Verlauf eines Jahres ward sie eines Morgens
von den Nachbarn tot dort ausgefunden.
Zum Andenken an dieses gransig-romantische Ereignis erhebt
sich an der Chaussee, die von Minden nach Bückeburg führt, links
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Schmaus Hans Margaretha