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1. Landeskunde der Provinz Westfalen und der Fürstentümer Lippe, Schaumburg-Lippe und Waldeck - S. 14

1894 - Breslau : Hirt
14 Geschichtliche Entwicklung. unter Konstantin aber werden als Hauptfeinde am Niederrhein dem Köl- nischen gegenüber die Brukterer genannt, unter Julian im Ruhrgebirge die Attuarier. Diese durch römische Hinterlist zerschlagenen und erwan- derten Stämme nämlich haben sich im Anschluß an Tenkterer, Mattiaken (Nassauer) und Chatten (Hessen) gegen die Mitte des 3. Jahrh. zu einem Waffenbunde gesammelt, vvn der römischen Oberherrschaft frei gemacht, und treten nun als solche, als Freie, d. i. Franken, auf, von den Römern die Ripuarier, d. i. Uferfranken, genannt, während die ebenfalls um selbe Zeit von der Issel im S all an de vorstürmenden Germanen als Salische und Chamavische Franken erscheinen. In Westfalen aber saß seit Verdrängung der alten Bevölkerung, seit dem Ende des 1. Jahrh., ruhig und seßhaft das Bauernvolk der Engern (Angrivarier-Chaukeu). Kämpfe mit den Römern werden aus diesen Gegen- den bis zum 3. Jahrh. nirgend gemeldet. Aber auch die Engern, die Verdränger der alten Teutoburgvölker, ereilte fast wie eine Nemesis ein ähn- liches Schicksal. Im 4. Jahrh. nämlich dringt aus Schleswig-Holstein das Kriegsvolk der Sachsen erobernd in Westfalen ein, unterwirft das ganze Land, läßt aber die alte engrische Bevölkerung teils frei, teils in Hörigkeit sitzen; daher die vielen halbfreien Laten, Liten, Lassen des neuen sächsischen Frei- staates, der sich nunmehr unter Häuptlingen, und für den Kriegsfall unter einem erwählten Herzog stehend, in vier große Bezirke gliedert! Westfalen zwischen Rhein und Osning-Egge; Engern im Weserlande an beiden Ufern des Flusses; Ostsalen bis zum linken Elbufer, und Transalbingien, das überelbische sächsische Stammland. Unter diesen Namen finden wir die Landes- teilung zur Zeit Karls des Großen. Markloh an der Weser wird uns als Platz für das große sächsische Volksthing genannt, zu welchem Edeliuge, Friliuge und Liten aus ganz Sachsen ihre Vertreter sandten. Merk- würdigerweise dringen die erobernden Sachsen, schon im 4. Jahrh. heftige Feinde der rheinländischen Franken, an keinem Punkte bis hart an den Rhein vor; überall bleibt ein breiterer oder schmalerer Landstreifen zwischen dem sächsischen Westfalen und dem Stromufer fränkisch. Dies ist eben die alte (S. 13 Anm. genannte) Römerreichsgrenze, von den Römern im 4. Jahrh. den Franken überlassen, dann von diesen als Rechtsnachfolgern der Römer aufs schärfste gegen die vordringenden Sachsen-Westfalen verteidigt und gehalten. 2. Mittelalter. Vom 5. bis 8. Jahrh. meldet die Geschichte wenig über Westfalen; nur stete Kämpfe der Sachsen mit den merovingischen Königen und Haus- meiern in der Nähe der alten Römergrenze; die Eroberung Sachsens gelingt erst Karl dem Großen in den gewaltigen Kriegen von 772 bis 804; sein Gegner Herzog Wittekind läßt sich 785 taufen. Es folgt die Gründung der Bistümer Osnabrück, Minden, Paderborn, Münster, die Ein- richtung der Pfarreien innerhalb der Grenzen alter Gerichtssprengel; inmitten der alten Bauerschaften entstehen Kirchdörfer und Marktflecken, von denen manche später zu ummauerten Städten werden. Die fränkischen Gerichts- und Verwaltungsdistrikte heißen Gaue;

2. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 3

1900 - Minden i. W. : Volkening
Wie prangt im grünen Lindenkranz, Der schönen Hauptstadt alter Glanz! Da zog nach dreißigjähr'gem Strauß Die Taube wit dem Oelzweig aus Vom Rathausgiebel hoch ins Blau Durch Deutschland über Berg und Au. O Münsterland, Westsalenland, Ich grüße dich, mein Heimatland! Westfalenvolk, du frei Geschlecht, Ihr starken Männer, schlicht und echt, Ihr milden Frauen, treu und zart, Die ihr bewahrt die deutsche Art Auf roter Erde weitem Rund, Ich grüß' euch all' aus Herzensgrund. Tu trautes Land, Westfalenland, O schirm dich Gott, mein Heimatland! Joseph W o r m st a l l. 3. Der Name „Westfalen". Nachdem im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Sachsen aus der cimbrischen Halbinsel aufgebrochen waren und sich nach Süden, andere germanische Stämme besiegend und mit ihnen sich vereinigend ausgebreitet hatten, finden wir bei ihnen seit etwa 800 n. Chr. 4 je nach den Wohnsitzen benannte Gruppen: die Nordelbinger, nördlich von der Elbe, die Ostfalen östlich von der Leine nach der Elbe zu, die Engern, Anger- oder Wiesenbewohner in einem breiten Striche an beiden Ufern der Weser, die Westfalen zwischen Weser und Niederrhein. Falen wird gar verschieden er- klärt. Einige denken an Falen = Fohlen, dem springenden Pferde in des alten Herzogs Wittekinds Wappen und in dem des Herzog- tums Vraunschweig. Andere leiten von Vandalen ab, nehmen Be- zug auf den Grenzpfahl, oder bringen es mit dem fahlen — blonden Haaren, die jetzt noch fo häufig bei den Bewohnern sich finden, oder mit Phol — dem Lichtgotte Baldnr in Verbindung. Die

3. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 21

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 21 — Teutoburger Walde, unweit Tecklenburgs. Von Greven aus gelangt die Ems über Emsdetten nach Rheine. Sie gilt eigentlich schon von Greven aus für schiffbar, wird aber selten von großen Kähnen, sogenannten Pünten, von dort schon befahren; von Rheine ab sieht man diese häufiger. Unterhalb Rheine verläßt die Ems Westfalen und tritt in die Provinz Hannover ein. Wenn schon ihr Laus in Westfalen kein schneller ist und ihre Ufer wenig Schönes aufweisen können, so ist das in Hannover noch weniger der Fall. Zu beiden Seiten liegen große Torfmoore, die den Bewohnern nicht nur Torf zum Brennen, sondern mittels der Versenuug auch Ackerboden liefern müssen. Oberhalb der Stadt Lingen bei Ellbergen vereinigt sich die Jbbenbürener Aa, die in der Nähe von Tecklenburg entspringt, nebst ihrem Zuflüsse, der Hopstener Aa, die vom Nordrande der Schafberge kommt, mit der Ems. Über Lingen fließt die Ems nach Meppen, wo sie die Hase aufnimmt. Tiefe kommt von der Nordseite des Teutoburger Waldes, aus derselben Quelle, der die Else, der Nebenfluß der Werre im Wesergebiete, entstammt. An der Haase liegt die große und schöne Stadt Osnabrück. Von Meppen ab wird der Lauf der Ems zwar immer langsamer, aber ihr Bett auch immer breiter und tiefer, so daß sie größere Schiffe tragen kann. Das ist wichtig für den Handel der beiden Städte Papenburg und Leer, die weiter abwärts an der Ems liegen. Bei Leer, wo am rechten Ufer die Leda mündet, können die Seeschiffe bis an die Stadt fahren und ihre Waren vor den Fenstern der Handelshäuser ausladen. Weiter nördlich geht die Ems durch den Dollart in die Nordsee. Nahe am Dollart liegt die alte Handelsstadt Emden, die durch einen Kanal mit ihm verbunden ist. Wo jetzt sich der Tollart befindet, da war früher fruchtbares Land mit vielen Ortschaften. Vor 600 Jahren brach die Nordsee da herein und setzte die ganze Gegend unter Wasser. Hier liegt das Land überall so niedrig, daß man es durch große Dämme gegen das Meer schützen muß. Die Ems hat in den letzten Jahren für Westfalen dadurch eine größere Bedeutung gewonnen, daß ihr unterer, schiffbarer Lauf durch einen Kanal mit dem Kohlenbezirke Westfalens verbunden

4. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 92

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 92 — Augen und etue firme Faust; aber ein Schreiner braucht mehr. Ich habe mich einmal vom Hochmut verleiten lassen und wollte, wie Ihr es nennt, einen richtigen Schrank zuwege bringen, weil mir Hobel und Meißel und Reißschiene auch bei dem Zimmergewerk durch die Hände gegangen waren. Ich maß und zeichnete und schnitt die Hölzer zu; auf Fuß und Zoll hatte ich alles abgepaßt; aber als es nun an das Zusammenfügen und Leimen gehen sollte, war alles verkehrt. Tie Wände standen windschief und klafften, die Klappe vorn war zu groß und die Kasten für die Offnungen zu klein. Ihr könnt das Machwerk noch sehen; ich habe es auf der Flur stehen lassen, mich vor Versuchung künftig zu wahren; denn es thut dem Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an seine Schwachheit vor Augen hat." In diesem Augenblicke ließ sich ein lustiges Wiehern aus dem Pferdestalle gegenüber vernehmen. Der Pferdehändler räusperte sich, schlug sich Feuer an, blies dem Receptor eine starke Dampswolke in das Gesicht, sah sehnsüchtig nach dem Stalle und dann gedankenvoll vor sich nieder. Hieraus nahm er den lackierten Hut vom Kopse, strich mit dem Arme über die Stirn und sagte: „Noch immer eine schwüle Witterung." — Dann schnallte er seine lederne Geldkatze vom Leibe, warf sie mit Getöse auf den Tisch, daß der Inhalt klang und klirrte, lösete die Riemen und zählte zwanzig blanke Gold- stücke hin, bei deren Anblick die Augen des Receptors zu funkeln anfingen, nach denen aber der alte Hofschulze gar nicht hinsah. „Hier ist das Geld !" ries der Pferdehändler, die Faust geballt auf den Tisch stemmend, „krieg' ich den Braunen dasür? Er ist nicht einen Heller mehr wert!" „Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu Schaden kommt!" versetzte der Hofschulze kaltblütig. „Sechsundzwanzig, wie ich gesagt habe, und keinen Stüber darunter. Ihr kennt mich nun die Jahre her, Herr Marx, und solltet daher wissen, daß das Tingen und Feilschen bei mir nichts verschlägt, weil ich nie von meiner Sprache abgehe. Ich begehre, was mir eine Sache wert ist, und schlage niemals vor, und so könnte kommen, wer da wollte, er kriegte den Braunen nicht unter sechsundzwanzig."

5. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 114

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 114 — stimmung über die Geschäfte, die ich übernehmen, und über die Per- sonen, mit denen ich verhandeln soll. Sobald ich von der Krankheil genesen bin, reise ich zu Ew. Majestät!" Als diese Antwort am königlichen Hofe bekannt wurde, war Freude überall. — Die Königin Louise schrieb an ihren Vater! „Stein kommt, und mit ihm kehrt meine Hoffnung wieder!" Schon im September des Jahres 1807, zwei Monate nach dem unglücklichen Frieden von Tilsit, war Stein beim Könige. Und beide gewannen mit jedem Tage mehr Vertrauen zu einander. Sie arbeiteten mit einander und setzten ihre ganze Kraft daran, das Preußenland wieder stark und mächtig zu machen, damit es dereinst das Joch der Knechtschaft abschütteln könne. Der König erließ nun die von Stein verfaßte Verordnung, daß die Leibeigenschaft oder Erbnnterthänigkeit der Bauern, die bis dahin noch in vielen Teilen des Landes bestanden hatte, völlig aufhören solle. Auch der geringste Unterthan solle frei sein und nicht mehr mit Leib und Leben, mit Weib und Kind einem anderen zu eigen gehören. Schon im Jahre 1808 erschien die preußische Städteordnung. Darin war vorgeschrieben, wie es in Zukunft mit der Verwaltung der städtischen Angelegenheiten gehalten werden solle. Auch dieses wichtige Gesetz zeigte bald seine heilsamen Fol- gen. Mit der Zeit ist manches an demselben geändert worden: die Hauptbestimmungen aber sind bis auf den heutigen Tag beibe- halten. Noch viel Segen hätte der große Mann in der schweren Prü- fungszeit stiften können; aber — er mußte vor den Franzosen fliehen,, zuerst nach Wien, dann nach Petersburg. Denn er hatte an einen Freund einen Brief geschrieben, in dem er sein Herz ausschüttete und seiner Feindschaft gegen den fremden Unterdrücker freien Lauf ließ. Aber der Brief fiel auf seiner weiten Reise an die mecklen- burgische Ostseeküste ein ein französischen Marschall in die Hände. Der sah nun zwar, daß er nicht an ihn gerichtet sei; weil er aber wußte, daß er von Stein kam, so war er doch begierig, seinen Inhalt zu erfahren. Und kaum hatte er ihn gelesen, so schickte er ihn dem Kaiser Napoleon. Ter entbrannte vor Zorn. „Stein

6. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 45

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 45 — langten zur Buße dafür gegen den Feind, d. h. gegen die Germanen geführt zu werden. Freudigen Herzens gab Germanicus ihrer Kampf- lust nach und rückte noch im Herbst des Jahres 14 n. Chr. mit einem Heer bei Tanten über den Rhein. Tie Römer kamen unbemerkt die Lippe aufwärts in das Land der Marser. Kundschafter meldeten, diese seien bei einem fröhlichen Fest versammelt. Da schlichen die Arglistigen in sternenheller Nacht durch die Waldung, bis sie an eine gelichtete Stelle kamen, wo zahlreiche Gehöfte zusammenlagen. Die ahnungslosen Festgenossen hatten keine Wachtposten ausgestellt. Es war ja tiefster Friede im Lande. Da brachen plötzlich von allen Seiten die römischen Scharen aus dem Walde, hieben auf die Wehrlosen wütend ein und ver- wüsteten alles mit Feuer und Schwert. Selbst Frauen, Greise und Kinder wurden erbarmungslos niedergemetzelt, Häuser wie Heilig- tümer — darunter das einer Göttin Tanfana — dem Erdboden gleich gemacht. Die schlaftrunkenen, unbewaffneten, ratlos umher- irrenden Männer fielen ohne Gegenwehr unter den Streichen der Mordbrenner, von denen kaum einer verwundet wurde. Als die Nachbarvölker an Lippe und Ems von dem verräterischen Überfall hörten, griffen sie zu den Waffen und besetzten die waldigen Höhen, durch die der Rückweg der Römer sührte. Aber Germanicus erhielt davon Kunde und zog kampfbereit dahin. Lange rührte sich nichts. Als aber das Heer zwischen Anhöhen in langer, schmaler Reihe sich hinwand, da griffen plötzlich die Deutschen die Nachhut an. Schon war diese in Unordnung gebracht, als Germanicus seiner tapfersten Legion befahl, die Feinde zu durchbrechen. Es gelang. Die ger- manischen Reihen lösten sich auf und verloren sich im Waldesdickicht. Unbehelligt und mit gestärktem Selbstvertrauen kehrten die Römer nach diesen wohlseil errungenen Erfolgen über den Rhein zurück. Im Frühjahr des nächsten Jahres erschien Germanicus wieder in Teutschland, früher als jemand erwartet hatte. Er selbst drang mit der Hauptmacht gegen die Katten vor und schlug die Überraschten bis über die Eder zurück. Das offene Land war gründlich verwüstet, während die Bewohner sich in die Wälder zurückzogen. Hier hätten die Cherusker den Katten geholfen, aber der Unterfeldherr des

7. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 127

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 127 — Tropfen guter Wein ist dort zu finden!" Aber kopfschüttelnd wehrte der Jüngste ab und sagte: „Jürge, wenn der Bischof Otto dein Vor- haben erführe, so würde es uns schlecht ergehen, zudem bin ich müde und wer weiß, ob wir nicht morgen harte Arbeit haben." So trennten sich die Brüder, Hans ging in sein Zelt und Jürge setzte sich grübelnd auf den nächsten Stein. Plötzlich vernahm er in der Stille der Nacht den Schlachtruf der Braunschweiger. Dem Herzog Heinrich von Braunschweig waren von seinem Bruder Friedrich Truppen gesandt worden, um das Lager der Verbündeten heimlich in der Nacht zu umzingeln und so die Belagerung von Celle zu rächen. Atemlos stürzte nun Jürge zu den Zelten der Anführer seines Heeres und teilte ihnen das Geschehene mit. Diese schwangen sich rasch auf ihre Pferde und stellten sich mit ihren Truppen kühn dem Feinde entgegen. Bischof Otto von Minden ermunterte seine Soldaten immer von neuem, aber vergebens, das Heer der Braun- schweizer war ihnen an Stärke weit überlegen, die Söldner warfen ihre Waffen fort und entflohen, von den brannschweigischen Reitern verfolgt. Am Abend desselben Tages hielt ein Trupp brauuschwei- gischer Reiter vor dem Wirtshause eines Dörfchens in der Heide, die Gefangenen wurden drei Knechten zur Bewachung übergeben. Unter ihnen befand sich auch Bischof Otto von Minden; traurig über sein Schicksal warf er sich auf dem Boden hin und her und versuchte einzuschlafen, als auf eiumal ein brannschweigischer Hauptmann ihn aufforderte, unverzüglich aufzustehen und ihm zu folgen. Zögernd gehorchte er, stieg auf das vor der Thür stehende Tier und fort ging's im schnellen Lauf über die sandige Fläche, bis plötzlich beim Morgen- grauen der Bischof die Türme einer Stadt bemerkt und nach Verlauf von kurzer Zeit an dem Thor der Stadt das Wappen seines Kampf- genossen, des Grafen von Hoya, erkannte. Verwundert sieht er sich nach dem brannschweigischen Hauptmann um, aber dieser hat sein Visier fallen lassen und ist kein anderer als der treue Jürge. Dieser hatte sich, von brauuschweigischeu Reitern verfolgt, in ein Weidengebüsch am Ufer der Aller geflüchtet. Von hier aus sah er die Gefangennahme seines Herrn. Ruhig verhielt er sich iu seinem Versteck, in der Nacht jedoch schlich er auf das Schlachtfeld

8. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 128

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 128 — der Braunschweiger und zog den Waffenrock eines gefallenen Soldaten an, griff dann einige der auf dem Felde herumirrmdeni Pferde auf und verfolgte so die Spur der Wächter seines Herrn und befreite denselben unter dem Vorwande, ihn nach Celle bringen zu müssen. Trefflich war ihm seine List gelungen. In dem Dorfe Dankersen unweit Minden lebte Jürges Vater als ein schlichter Bauer mit seinem zweiten Sohne Hans. Seine Frau war ihm vor wenigen Jahren gestorben, und so hatte er eine Waise, namens Margaretha, zu sich genommen, die ihm durch ihren Fleiß und ihr fröhliches Wesen bald fo lieb wurde, als wäre sie seine eigene Tochter. Munter verrichtete sie des Tags über die schwersten Arbeiten und des Abends saß sie fleißig vor dem Spinnrad und sang dazu die traulichsten Weisen. Wohl war Hans von ihrem lieblichen Wesen entzückt und hätte sie gern zu seiner Haussrau erwählt, aber er wagte es nicht, diesem trefflichen Mädchen seine Liebe zu gestehen. Ter Vater hatte die erwachende Liebe seines Sohnes längst erkannt und sich vor- genommen, die Sache der Liebenden ins Reine zu bringen. Doch eine heimtückische Krankheit warf ihn aufs Lager und nach wenigen Monaten betteten ihn Sohn und Pflegetochter zur ewigen Ruhe. — Unl diese Zeit war es, als Jürge, von dem Bischof reich mit Land beschenkt, in sein Heimatsdorf Dankersen zurückkehrte. Durch Krieg und Schlachten war er ein rauher Mann geworden und trieb sich am liebsten in den Wäldern umher. Wohl hatte er Kunde von dem Tode des Vaters erhalten, aber den Bruder noch nicht besucht, den er haßte, da dieser stets der Lieblingssohn der Eltern gewesen. Einst, müde von den Anstren- gungen der Jagd heimkehrend, vernahm er aus dem elterlichen Haus eine volle, süße Stimme. Neugierig, wer die schöne Sängerin sei, schlich er näher und erblickte Margaretha; sie stand am Herde und bereitete Speise für seinen Bruder. Überwältigt von ihrer Anmut und Schönheit trat er näher, stürzte ihr zu Füßen und flehte um ihre Liebe. Aber zürnend wies sie ihn ob dieser Zudringlichkeit von sich. Stumm gehorchte er, indem er hoffte, später sich ihre Liebe zu erringen. Von nun an mied er die wüsten Zechgelage seiner

9. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 129

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 129 — Genossen und schlich oft träumend am Hause des Bruders vorüber, um die Holde erspähen zu können. Sein Groll gegen Hans wuchs jedoch täglich, er beneidete ihn, daß er die Geliebte sprechen konnte, und Rachepläne gegen den Bruder füllten sein Inneres. Endlich wollte er Gewißheit haben, und eines Tages in Abwesenheit seines Bruders harrte er auf sie, bis sie in den Garten trat; hier beschwur er Margaretha aufs neue und beteuerte ihr seine aufrichtige Liebe, aber vergebens; ängstlich stieß sie ihn von sich, floh in das Haus und vor dem Kruzifixe des Herrn betete sie um Erlösung von der Zudringlichkeit des wilden Jürgens. Als am Abend Hans heimkehrte, fand er die Geliebte in Thränen. Sie erzählte ihm alles und bat um seinen Schutz. Nun beichtete Hans, wie er sie seit ihrem Eintritt in das elterliche Haus geliebt habe, aber nicht gewagt, ihr seine Liebe zu gestehen, jetzt wolle er sie zu seiner Gattin nehmen und vor allem behüten. Ein Blick reiner Freude strahlte bei diesen Worten aus ihren Augen und fest umschlungen hielten sich die so Gefundenen. Doch inmitten dieses Glücks klirrte das Fenster, Wut in dem Antlitz schrie Jürge: „Ha, Schändliche, um des Milchbarts willen hast du mich ab- gewiesen?! Verderben über euch, und sollte es meine Seligkeit kosten!" — Hans verrichtete seine Arbeit jetzt mit einem Fleiß und einer Fröhlichkeit, die Gretchen lange nicht an ihm bemerkt hatte. Jürge suchte wieder die wilde Gesellschaft seiner Zechgenossen auf und ergab sich ganz der wilden Gier. Beide Brüder vermieden sich sorgfältig, denn anch Hans fürchtete den Jähzorn seines Bruders. So rückte der Hochzeitsmorgeu für Hans und Grete heran, Stattlich geschmückt standen die Leiterwagen vor der Thür, um das Brautpaar zur Kirche zu geleiten, die Burschen und Mädchen des Dorfes folgten als Brautjungfern und Brautknechte unter fröhlichem Lachen, und jeder freute sich über das hübsche Paar, dem das ganze Dorf viel Liebe schenkte. Kurz vor dem Eingang des Klosters er- schallte eine Stimme aus dem Gebüsch: „Die Rache ist reif, zwei Fliegen auf einen Schlag!" Die Burschen wollten den Frechen packen; doch sahen sie niemand, nur das Brautpaar ahnte den Schulze, Heimatskunde. 9

10. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 130

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 130 — Störer. In der Kirche ging die Traufeierlichkeit ohne Störung vor sich. Nach der Rückkehr war Tanz und Schmaus in Hansens Hause und bis zum frühen Morgen ertönten die frohen Stimmen der Hochzeitsgäste, deren Scherze bald die Wolken von der Stirn der Neuvermählten scheuchten. In ungetrübtem Glück verflogen die ersten Wochen dem jungen Paare, in fröhlicher Arbeit und aufrichtiger Liebe genossen sie ihr Leben. Tie bösen Worte des Bruders waren fast vergessen. Dieser jedoch, wenn er nicht mit seinen Zechgenossen beisammen war, brütete dumpfe Rachepläne. So beaufsichtigte er eiues Tages die Feldarbeit seiner Untergebenen, und wie er so die Straße lang sah, erblickte er plötzlich den Gegenstand seiner Rache, den ihm tötlich verhaßten Bruder. Schnell schickte er seine Arbeiter heim, und auf die Pflug- schaar gestützt, erwartete er die Aukunft des Bruders, der ein sröh- liches Liedchen trällernd, mit dem Pfluge über der Schulter heim zu seinem Weib eilte. Da ergriff der wilde Bruder seine Pflugschaar und holte mit den Worten: „Stirb, Räuber meines Glückes!" zu einem tötlichen Schlage aus. Erschreckt sprang Hans zur Seite und benutzte sein Pflugschaar ebenfalls als Wehr. Nnn folgte Schlag auf Schlag, bis beide tötlich getroffen zur Erde sanken. Ein leises „Ich vergebe dir! — — Leb wohl, Gretchen!" aus dem Munde des einen, ein dumpfes „Zwei Fliegen auf einen Schlag!" aus dem Munde des andern. Vergebens erwartete am Abend Margaretha ihren Gatten, Stunde auf Stunde verrann, noch kehrte er nicht heim. Nichts Gutes ahnend läuft sie hinaus in die finstere Nacht, bis sie ihren Mann und daneben den wilden Jürge — beide in ihrem Blute liegend — findet. Verzweifelt wirft sie sich aus den Geliebten und suchte vergeblich, ihn mit Küssen zu erwecken. Ihr Glück war für immer dahin, Wahnsinn nahm ihre Sinne gefangen. Täglich saß sie auf dem Grabe ihres Mannes, den Hügel mit Waldblumen bestreuend. Nach Verlauf eines Jahres ward sie eines Morgens von den Nachbarn tot dort ausgefunden. Zum Andenken an dieses gransig-romantische Ereignis erhebt sich an der Chaussee, die von Minden nach Bückeburg führt, links
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