— 22
hielt er, wahrend sie umhersianden eine Rede an sie, in
welcher er sie, mit blutendem Auge, so sanft ermahnte,
daß sie sehr gerührt wurden. Nicht nur übergaben sie
chm den Jüngling, der ihn verwundet hatte, damit er
ihn bestrafen möchte, welchem er aber großmüthig ver-
zieh, sondern sie nahmen nun auch seine strengen Gesetze
an und befolgten sie. Und nachdem er sie alle vollendet
hatte, zeigte er die Liebe zu seinem Volke auch noch da-
durch, daß er für das Wohl desselben lieber sein Vater-
land und alle seine Verwandten verlassen wollte. Nach-
dem er sich von den Spartanern hatte ein Versprechen
geben lassen, daß sie vor seiner Zurückkunft an seinen
Gesetzen gar nichts verändern wollten, ging er von
Sparta hinweg nach der Insel Kreta. Er kam aber
gar nicht zuruck, und befahl bei seinem Tode, daß
man seine Asche in das Meer schütten sollte, damit
auch die nicht wieder nach Sparta zurückgebracht wer-
den könnte.
Die Uneinigkeit in Athen. — Die kluge Verstellung Solons.
§ 6.' Nachdem die Spartaner schon einige hundert
Jahre nach diesen Gesetzen gelebt hatten, und dadurch
vor den anderen griechischen Republiken ausgezeichnet
waren, erwählten die Bürger von Athen auch einen Ge-
setzgeber unter sich, nämlich Solon, welcher zwar nicht
so streng wie Lykurgus, aber nicht minder weise und
edelgesinnt war. Auch in Athen war die fürstliche Herr-
schaft bald nach dem trojanischen Krieg abgeschafft wor-
den, und es herrschten dort immer mehrere vornehme
Männer, welche alljährlich zur Herrschaft gewählt wur-
den, und welche man die Archonteip nannte. Bei der
Herrschaft der Vornehmen aber ging es den Geringen
nicht gut, und diese wurden endlich darüber so unzufrie-
den und unglücklich, daß sie es kaum mehr ertragen
konnten, und es entstand dann eine so große Uneinigkeit
zwischen den Bürgern von Athen, daß sie einander mit
dem Schwerdt anfielen und Blut vergossen. Als dieses
Unglück unter den Athenern noch dauerte, kam auch das
dazu, daß sie die Insel Salamis verloren, welche mit
zu dem Gebiet ihrer Republik gehörte. Und als sie die-
selbe wieder erobern wollten, waren sie dabei so Unglück-
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— 35 —
tan er ein großes Kriegsbündniß gegen sie zusammen
brachten; und indem dagegen die Athener die meisten
Seestädte auf ihrer Seite hatten, so war nun das ganze
griechische Volk in zwei große Massen getheilt, die bald
darauf einen wüthenden Krieg mit einander anfingen,
welchen man den peloponesischen Krieg nennt. Ihre
Kriegstrnppen rückten zuerst gegen einander im Jahre
431 vor Christi Geburt; und man kann also sagen, daß
die Griechen, nachdem sie in der ersten Hälfte des fünf-
ten Jahrhunderts so ruhmreich für ihre Freiheit gegen
die Perser gekämpft hatten, nun die zweite Hälfte des-
felben Jahrhunderts gar schrecklich zu ihrer eigenen Zer-
störung anwandten. Als dieser Krieg anging, lebte in
Athen ein sehr berühmter und überaus kluger Staats-
mann, Perikles, der ihn vorzüglich veranlaßt hatte, weil
er es durchsetzen wollte, daß seine Mitbürger, die Athe-
ner, Herren über ganz Griechenland würden. Er gab
auch den Athenern durch seine Reden und durch seine
Klugheit großen Muth, so daß sie alle Hoffnung auf ihn
setzen konnten. Aber bald betraf sie in diesem Kriege
ein sehr großes Unglück. Da die Spartaner mit ihren
Kriegstruppen in das Gebiet der Stadt Athen einfielen,
so mußten alle Landleute von den umliegenden Dorf-
schaften in die Stadt Athen, welche mit großen Mau-
ern umgeben war, hineinflächten, um hier Schutz und
Sicherheit zu suchen. Dadurch wurde die Stadt so ganz
mit Menschen angefüllt, daß sie nicht nur die Plätze
und Straßen bedeckten, wo sie unter Zelten lagen, son-
dern daß auch die Tempel der Götter ganz angefüllt
waren. Ww nun schon ein solcher Zusammendrang von
Menschen für sich sehr ungesund ist, so kam auch noch
hinzu, daß gerade jetzt in Athen ein Schiff einlief, auf
welchem die Matrosen eine bösartige und ansteckende
Krankheit mitbrachten. Auf diese Weise brach zum schreck-
lichsten Unglück der Athener eine wüthende Pest in ihrer
Stadthaus, die von Männern, welche damals gelebt ha-
den, überaus fürchterlich beschrieben wird. Wenn die
Menschen von dieser Krankheit befallen wurden, so em-
pfanden sie bald eine so brennende Hitze, daß sie keine
Kleider am Leibe leiden konnten, und daß sie in ihrem
glühenden Durste jammernd um die Wasserbrunnen her-
3 *
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Extrahierte Ortsnamen: Christi Athen Griechenland Athen Athen Athen
dritten putschen Krieg anfingen, der nur kurze Zeit
dauerte. Sie hielten es nämlich noch nicht für hinläng-
lich, daß sie den Karthagern schon so viele Länder abge-
nommen hatten, und meinten, so lange sie noch ihre große
und prächtige Hauptstadt an der Meeresküste besäßen,
und von da mit Schiffen nach Europa segeln könnten,
wären sie ihre gefährlichsten Feinde. Und ein sehr stol-
zer und strenger römischer Bürger, Cato, suchte sie im-
mer mehr darin zu bestärken. Einmal kam er von Kar-
thago selbst zurück, wohin er als Gesandter geschickt
worden war, und als er zum erstenmal im -Senat wie-
der auftrat, brachte er frische Feigen mit, die er noch
in Karthago gepflückt hatte, um seinen Mitbürgern recht
deutlich zu sagen, wie nahe sie ihren gefährlichsten Feind,
diese Stadt, hätten, aus welcher man die Feigen noch
frisch herüber bringen könne. Durch diese Bedeutung
und auch dadurch, daß er immer am Schluß seiner Re-
den die Worte aussprach: übrigens halteich dafür, daß
Karthago müsse zerstört werden, brachte er die Römer
dahin, daß sie es beschlossen. Sie suchten eine Ursache
an den Karthagern, um von neuem den Krieg mit ihnen
anzufangen und kamen mit einer Flotte und mit einem
Kriegsheer an die Küste von Afrika, wo sie unter der
Anführung des jüngern Scipio nicht weit von Karthago
ausstiegen, um diese Stadt zu belagern. Die Bürger
von Karthago waren hierüber so erschrocken und muth-
los, daß sie eine Gesandtschaft in das Zelt des römischen
Feldherrn schickten und um Frieden bitten ließen. Da
verlangten die Römer gar hartherzig von ihnen, sie soll-
ten selbst ihre Hauptstadt niederreißen und sie einige Mei-
len tiefer in das Land hinein wieder anbauen, damit sie
künftighin nicht mehr Schifffahrt treiben könnten. Die-
ses schmerzte die Karthager so sehr, daß sie lieber sich
zu vertheidigen und die Belagerung auszuhalten beschlos-
sen. So fing also diese schreckliche Belagerung an, in
welcher sich die Karthager mit solcher Verzweiflung wehr-
ten, daß sie alles daran setzten, und daß selbst die Frauen
ihre Haare abschnitten, um Schiffsseile daraus zu ma-
chen. Und dennoch mußten sie den harten Römern un-
terliegen. Diese eroberten die Stadt und zerstörten sie
nun ganz, wobei freilich Scipio nachher selbst auf ihren
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45
Fortsetzung des Zuges. Die Schlachten bez Zssuß und bei Arbela.
§ 26. Nun setzte er seinen Kriegszug in das per-
sische Reich hinein immer weiter fort, und in vielen
Schlachten und großen Belagerungen war er immerfort
glücklich, untz- gewann im Laufe seines großen Zuges
vorzüglich noch zwei große Schlachten, durch welche er
in den Besitz des ganzen persischen Reichs kam. Die
erste war die Schlacht bei Jssus, im Jahr 332, in wel-
cher er den persischen König Darius selbst überwand,
daß dieser von seinem prächtigen Wagen springen, sich
auf ein Pferd werfen und über die Gebirge entfliehen
mußte. Seine Gemahlin und Tochter, welche auch im
Lager waren, nahm Alexander gefangen-, zeigte sich aber
dabei sehr edel, indem er diese königlichen Frauen auf
das sorgfältigste behandelte, ihnen die größte Achtung
erwieß, und es ihnen an nichts fehlen ließ. Er gab sie
auch nachher wieder frei, daß sie in ihre Heimath zu-
rückkamen. Nachdem er nun indeß noch viele andere
Länder des persischen Reichs erobert hatte, kam es zu
der letzten großen Schlacht gegen Darius, durch welche
Alexander das ganze persische Reich gewann. Die war
bei Arbela, an dem großen Fluß Tigris, im Jahr 331.
Obgleich hier Darius noch alle Kriegstruppen zufam-
menführte, die er nur aufbringen konnte, so überwand
ihn doch Alexander auch hier, so daß er zum zweiten-
mal eine gar traurige Flucht ergreifen mußte.
Flucht und Tod des Königs Darius. Alexanders Rührung.
§ 27. Er floh nach den nördlichsten Gegenden sei-
nes Reiches, und wie er traurig und betrübt im Wagen
saß, und zwei seiner vornehmsten Feldherren daneben
ritten, so kamen nun auch schon die macedonischen
Kriegstruppen, mit welchen sie Alexander verfolgte, so
daß bei den Persern eine große Angst entstand. Diese
Angj^ ergriff am meisten die beiden vornehmen Feldher-
ren des Darius, welche neben seinem Wagen herritten,
und sie machten in derselben den bösen Anschlag, ihren
Herrn selbst an den siegreichen Alexander auszuliefern,
um sich diesem letzter» geneigt zu machen. Da er sich
aber dessen weigerte, so stachen sie, während er noch im
Wagen saß, mit ihren Lanzen nach ihm, und eilten auf
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Extrahierte Personennamen: Darius Darius Alexander_gefangen- Alexander Darius Darius Alexander Alexander Darius Darius Alexander Alexander Darius Darius Alexanders Alexander Alexander Darius Darius Alexander
46
und davon. Der sterbende Darius ließ sich aus dem
Wagen heben, und in der Nahe hinlegen, wo eine Quelle
sprang, und da kam auch schon ein Soldat des Königs
Alexander, welcher seinen Durst stillen wollte, und fand
den sterbenden König. Er trat zu ihm heran, und reichte
ihm auf seine Bitte noch einen frischen Trunk, und jetzt
befahl ihm der sterbende Darius, seinem Herrn Zusagen,
daß er als ein siegreicher König den Mord eines Königs
nicht ungerochen lassen sollte. Und bald darauf kam
auch Alexand-r selbst, und fand den ausgestreckten Leich-
nam des Hingeschiedenen Darius, den er mit solcher
Herzensrührung betrachtete, daß ihm sogar Thranen in
die Augen kamen. Er nahm seinen eigenen königlichen
Mantel von der Schulter, und deckte ihn über die Leiche
des Königs, den er nun seiner königlichen Würde ge-
mäß begraben ließ. Die beiden verratherischen Feldher-
ren ließ er einholen, und zur Strafe für den Verrath
an ihren Herrn an das Kreuz schlagen. So endigte
der König Darius, der in seinem Reiche ein guter Kö-
nig war, und dem man mit Unrecht die Anschläge auf
Philipps und Alexanders Leben Schuld gegeben hatte.
Alexanders Charakterveränderung. Sein Weltreich. Sein früher Tod.
§ 28. Alexander aber war nun schon Herr über
das persische Reich, und zog noch durch die östlichsten
Theile desselben, bis in das fernste Land Indien. Wie
er denn aber jetzt so viele asiatischen Länder zu beherr-
schen hatte, daß die europäischen nur eine Kleinigkeit
dagegen waren, so veränderte er nun allmählig auch
seinen Charakter, und wurde aus einem menschenfreund-
lichen europäischen König, ein stolzer asiatischer Despot.
Das zeigte er vorzüglich gegen seine Feldherren, die
größtentheils auch schon seinem Vater Philipp gedient
hatten, der mit ihnen so freundschaftlich umgegangen
war, daß sie an ihn herantraten und ihm wie Freunde
die Hand geben durften. Nun aber sollten sie vor
Alexander, wenn sie zu ihm kamen, auf die Knie fallen,
und ihm göttliche Ehre erweisen, wie es die Völker
Asiens gegen ihre Könige zu thün pflegten. Wie sie
sich aber dessen weigerten, so überließ er sich seinem
leidenschaftlichen Zorne so sehr, daß er sogar seinen
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Extrahierte Personennamen: Darius Darius Alexander Darius Darius Darius Darius Darius Darius Philipps Alexanders Alexanders Alexander Alexander Philipp Philipp Alexander Alexander
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nun hierdurch seinen Vater, den König, gegen sich in
großen Zorn versetzte, so entstand daraus ein unheilba-
rer Zwist zwischen beiden, und Hermengild sah sich gleich-
sam zu einer Empörung gegen den Vater gezwungen,
wobei sich die Katholiken bewaffneten, und mit ihm ge-
meinsame Sache machten. So kam es, daß Löwegild
mit einem Kriegsheer gegen seinen Sohw ausziehen und
ihn in Sevilla belagern mußte. Hermengild war mit
seiner Macht zu schwach, um sich gegen den Vater zu
halten, jedoch glückte es ihm, als Sevilla eingenommen
wurde, nach Cordova zu entkommen, wo er Schutz bei
den Byzantinern suchen wollte; aber da ihn diese treu-
los verließen, so floh er in eine Kirche, und sandte aus
dem Heiligthum an seinen Vater, um dessen Gnade zu
erflehen. Er erhielt sie, und Reccared, sein jüngerer
Bruder, führte ihn zum Vater zurück, der ihn zwar wie-
der in seine Arme schloß, ihn aber doch nachher die
fürstlichen Gewänder ablegeu und nach Valenzia in die
Verbannung gehen ließ. So war nun zwar wieder
Ruhe gestiftet, aber da doch das Mißtrauen zwischen
beiden nie erlosch, so versuchte Hermengild aus Valen-
zia nach Frankreich zu entfliehen. In Taragona aber
wurde er von den Leuten seines Vaters ereilt und ge-
fangen gesetzt, und da er es durchaus verschmähte, auf
ariauische Weise das Abendmahl zu empfangen, so wurde
er hier auf Befehl-des Vaters enthauptet, und dadurch
ein neuer Märtyrer der katholischen Kirche, in welcher
er nachmals zum Heiligen erhoben wurde. — An die-
sem Glaubenskampfe zwischen König. Löwegild und sei-
nem Sohne hatte auch der König des Suevenreichs,
Miro, Theil genommen, und war dem Hermengild in
Sevilla, wiewohl zu spät, zu Hülfe gezogen. Denn die
Suevenkönige mußten an dem Schicksale der Katholiken
in Spanien Theil nehmen, weil nicht lange vorher die-
ses westlichste der germanischen Reiche auch auf besondere
Weise von dem arianischett zu dem katholischen Glauben
übergegangen war. Nämlich unter dem suevischen Kö-
nige Kararich , etwas vor den Zeiten Löwegilds, brach
im Suevenreich eine große und verwüstende Pest aus,
an welcher auch des Königs eigener Sohn erkrankte.
Da nun alle menschlichen Mittel vergeblich schienen, so
9
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Extrahierte Personennamen: Hermengild
Extrahierte Ortsnamen: Sevilla Sevilla Cordova Frankreich Taragona Sevilla Spanien
ließ, wodurch sie sich einen großen Anhang im Reiche
bilden wollte. Als aber der Sohn herangewachsen
war, und durch seine Freunde daraus aufmerksam ge-
macht wurde, wie ihn seine Mutter niederzuhalten und
aller Gewalt zu berauben suche, so wurde er nun selbst
gegen die Gewalt der Mutter eifersüchtig, und indem
er jetzt mit kräftigem Willen gegen sie auftrat, zwang
er sie zuerst, in ein Kloster zu gehen. Aber neben ihrer
Herrschsucht und Grausamkeit besaß diese Frau auch
große Klugheit, welche sie nun zuerst anwandte, um nur
erst an den Hof und an die Seite ihres Sohnes zuräck-
zukommen. Sie wußte nun wieder selbst dazu beizutra-
gen, daß ihr Sohn durch seine eigenmächtigen Hand-
lungen bei seinen Unterthanen verhaßt wurde, und daß
eine Verschwörung entstand, durch welche sie wieder zu
ihrer Gewalt sollte erhoben werden. Da hielt es Con-
tantin Vi. sogar für nöthig, vor seiner Mutter zu' ent-
fliehen, um nach Asien zu gehen und dort Kriegstruppen
zu seiner Vertheidigung zu holen; aber Irene ließ ihm
nachsetzen und ihn in den kaiserlichen Pallast zurückho-
len, wo sie nun ihre ganze unmütterliche Grausamkeit
gar fürchterlich an den Tag legte. Sie ließ ihren Sohn
blenden, um ihn zur Herrschaft unfähig zu machen, und
da er an den Folgen der schmerzhaften Operation starb,
so bestieg sie auch selbst nach so fürchterlichen Verbrechen
den kaiserlichen Thron im Jahr 792 n. Ch. Geb. Un-
gestraft befaß sie nun wohl noch zehn Jahre den kaiser-
lichen Thron, das ganze Reich unterwarf sich ihrer klu-
gen Gewalt, und sie genoß, so viel sie ihr böses Gewis-
sen beschwichtigen konnte, ihre Hoheit, denn wenn sie
in Constantinopel ausfuhr, so saß sie auf einem golde-
nen Wagen, mit vier milchweißen Pferden bespannt,
und jedes derselben wurde von einem Patricier geführt,
wozu sie ihre Sklaven erhoben hatte. So trieb sie es
denn einige Zeit, bis sich ihre Hofleute, ob sie sie gleich
mit Gunst und Geld überhäuft hatte, doch gegen sie em-
pörten, und ihr eigener Schatzmeister Nicephorus, ein
Mann von geizigem und strengen Charakter, wurde statt
ihrer auf den Thron erhoben. Sie wurde ergriffen und
auf die Insel Lesbos verbannt, wo sie noch einige Zeit
in solcher Armuth lebte, daß sie sich ihren Lebensunter-
12 *
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Extrahierte Personennamen: Nicephorus
Extrahierte Ortsnamen: Asien Constantinopel Lesbos
118
der heilige Kilian nach Thüringen, welche beide den
Märtyrertod erlitten. Nach Friesland kam zuerst Wil-
librod aus England, das Christenthum zu predigen.
So war es also im siebenten Jahrhundert, wenn man
den ganzen Welttheil überblickt, mit dem Christenthum
so, daß es wahrend der großen Gefahr, die ihm in
Süden von der arabischen Welt her drohte, doch im
Inneren des Welttheils, und besonders durch einen ed-
len Eifer von England aus, nach dem Osten hin fort-
schritt. Aber um nun auf das Frankenreich zurückzu-
kommen, wie es auch auf diese Weise'gleichsam eine
Vormauer der christlichen Welt gegen den heidnischen
Osten hin war, und dieses Ruhmes gewiß, so zeigten
sich doch auch in den Zeiten nach Dagobert von der
Mitte des Jahrhunderts an in dem Innern dieses Rei-
ches mehrere Erscheinungen des Verfalls und der Zer-
rüttung, welche dennoch nachher nicht nur für Frank-
reich, sondern für den ganzen Westen Europas einflußreich
und sogar wohlthatig geworden sind. Nach Dagobert
nämlich wurde es mit der Familie der Merowinger im-
mer trauriger, und seine Nachfolger waren so entartet,
so weichlich und schlecht, daß sie selbst nicht mehr die
Herrschaft zu führen vermochten. Neben dem König,
der häufig ein schwächlicher Knabe war, und oft schon
im Jünglingsalter dahin starb, stand immer der höchste
Beamte im Reiche, der Hausmeier, und übte die kö-
nigliche Gewalt im Reiche aus, während er dem schwa-
chen Könige nur den Schmuck der Krone und die Ge-
nüsse seines üppigen Hoflebens vergönnte. Solcher mäch-
tigen Hausmeier waren bis gegen die Mitte des Jahr-
hunderts schon mehrere gewesen, während auch mit dem
Frankenreiche eine andere große Veränderung vorging,
indem es sich wieder in zwei Reiche, Austrasien und
Neustrien theilte, da der östliche Theil mehr die altger-
manische Lebensart behielt, wahrend im Westen das alt-
römische Wesen wieder herrschend wurde. So gerie-
then denn auch die Königshöfe von Köln und Paris
und noch mehr die Hausmeier derselben mit einander
in Unfrieden, da sich vorzüglich die Letzteren einander
die Macht über das ganze Reich streitig machten. Und
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Extrahierte Personennamen: Kilian Kilian Dagobert
Extrahierte Ortsnamen: Friesland England England Europas Paris
201
dem Städtchen Hädeby, wo sich viele Dänen in der
Sley von ihm taufen ließen, die erste christliche Kirche
erbaut, und war auch nachher nach Schweden hinüber
gegangen, und hatte gelehrt und getauft, und hatte auch
dort die erste christliche Kirche in Virka gebaut, so^er-
nannte ihn der Pabst Nicolaus I. zum Erzbischof über
die neugegründete Kirche des Nordens, und sein erz-
bischöflicher Sitz war in Hamburg, von wo aus er für
das neue Christenthum im Norden gar eifrige Sorge
trug. Aber die wilden und raublustigen Normanner
wurden nicht nur durch ihre Othins-Priester gegen die
christliche Lehre, welche sie haßten, aufgereizt, sondern
weil ihnen durch diese Lehre geboten wurde, von ihren
Raubzügen abzulassen, so waren sie auch um so mehr
gegen dieselbe erbittert, und deshalb wurde es auch dem
heil. Ansgar unter ihnen überaus schwer. Ja schon in
den ersten Jahren seiner Bemühungen geschah es, daß nicht
uur in den Nordländern seine Kirchen zerstört und seine
Gemeinden zerstreut wurden, sondern ein anderer König
von Dänemark, Erich, überfiel mit einer großen Flotte
auch Hamburg, und zerstörte dieses Erzbisthum wieder,
so daß, als dort die Kirche und alles in Flammen auf-
ging, der heilige Ansgarius mit den Reliquien entfliehen
mußte, und nun gar nichts mehr hatte. Da schenkte
ihm eine fromme Wittwe in Ramslo bei Hamburg ein.
kleines Gütchen, auf welchem er wieder ein Kloster er-
baute, um sich in demselben noch Gehülfen zu erziehen,
und von hier aus sein heiliges Werk mit großer Stand-
haftigkeit von neuem zu beginnen. Das war im Jahr
818, also nach dem Tode des Kaisers Ludwig, und nach-
her war der deutsche König Ludwig dem heiligen Manne
so gewogen, daß er ihm das Erzbisthum Bremen gab.
Und wie er nun von hier aus die Kirche in Hamburg
wieder herstellte, und seine Glaubensbokschaft im Nor-
den von neuem anfing, so war er nun durch mancherlei
Umstände wieder glücklicher dabei, daß er dort seine
Kirchen wieder aufbauen und neue Gemeindeu sammeln
konnte, aber immerfort blieb der Haß der Normanner
gegen ihn, den sie den Vater der Christen nannten.
Und während dieser Zeit seiner Glaubensbotschaft im
Norden, bei welcher er eine Reihe von Jahren bis an
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
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Extrahierte Personennamen: Ansgar Erich Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
209
desangelegenheiten zogen, und dadurch einen großen Vor-
gang veranlaßten. Nämlich in Nowgorod, wie auch in
andern dieser alten russischen Städte, sollen damals Bür-
ger gewohnt und ihre eigenen freien Einrichtungen ge-
habt haben, ganz ähnlich wie in den alten republikanischen
Städten in Griechenland. Als nun unter den Bürgern
von Nowgorod auch die vielfachen Unruhen und Uneinig-
keiten entstanden, welche von solchen Einrichtungen un-
zertrennlich sind, so schickte die einedarthei damals so-
gar eine Botschaft nach Schweden, und lud einen wa-
rägischen Häuptling ein, mit seinen Haufen herüber zu
kommen und ihnen beizustehen. Rurik, so hieß dieser
Häuptling, schiffte mit seinen zwei Brüdern und mit sei-
nem Kriegshaufen hinüber, und sie erschienen während
dieser Unruhen in Nowgorod. Aber nicht nur stillten
sie diese Unruhen in der slavischen Stadt, sondern sie
blieben und machten sich zu Herren nicht nur über die
Stadt, sondern auch über die Umgegend, und indem sie
diesem kleinen Reiche, welches sie anfangs als Brüder
gemeinsam beherrschten, den Namen Holmgard gaben,
so war dieses kleine Reich, welches nach dem Jahr 860,
also noch vor der Thronbesteigung Alfreds des Großen
gestiftet wurde, der Anfang des heutigen russischen Reichs,
welches nachher auch seinen Nahmen von Rurik und
seinen Gefährten soll erhalten haben. Als es nachher
Rurik nach dem Tode seiner Brüder allein erhielt, ver-
größerte er es durch Eroberungen nach Süden hin so,
daß er auch schon die Stadt Kiew besaß. Er hinterließ
es dann sterbend seinem unmündigen Sohne Igor, der
in Kiew unter der Vormundschaft seines Onkels Oleg
lebte. Das ist die Gründung und erste Ausbreitung des
russischen Reichs in den letzten Feiten des neunten Jahr-
hunderts, welche also ebenfalls mit der Haupterscheinung
in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts, mit der Aus-
breitung der seeräuberischen Normannen zusammenhing.
Die Russen vor Constantinopel. Leo der Weise. Die Araber. Ab»
dorrhaman Ii. in Spanien. Die Schlacht bei Zamora. Eroberung
von Lhessalonich.
§ 9. Und den Geist der Normannen, der in die
Ferne strebte, zeigten diese ersten russischen Herrscher in
14
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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