18 Mittlere Geschichte. 1. Periode. Franken.
ließ, während der andere sich selbst töbtete, und den vierten mit
einem Stückchen Land (Gens) abgefunden. Um nun einen Vor-
wand zum Kriege zu haben, verlangte Chlodwig die Hand der
Chlotilde, der Tochter jenes von Gundobald ermordeten Königs.
Chlotilde willigte mit Freuden ein, um aus der Haft des ihr
verhaßten Oheims loszukommen; desto verdrießlicher war der An-
trag dem Gundobald, aber er fürchtete sich, den Chlodwig zu
erzürnen und willigte ein. Vergnügt fuhr die Braut auf einem
mit Ochsen bespannten Wagen von dannen und ließ auf der
Reise, um sich an Gundobald zu rächen, alle burgundische Oerter,
durch die sie kam, niederbrennen. Dann forderte Chlodwig die
Mitgift seiner Frau; Gundobald schickte sie mit Ingrimm.
Bald darauf gab es für Chlodwig ein neues Geschäft. Die
oben erwähnten Alemannen, die theils im jetzigen Baden und
Würtemberg, theils in der westlichen Schweiz, theils auf dem lin-
ken Rheinufer wohnten, hatten sich ausgemacht und waren, den
Rhein abwärts ziehend, bis Cöln vorgedrungen, wo auch ein
fränkischer König, ein Vetter Chlodwigs, regierte. Chlodwig zog
seinem Vetter zu Hülfe. Es kam zur Schlacht bei Zülpich,
zwischen Aachen und Bonn (496). Die Franken wurden hart
bedrängt; die Alemannen erhoben das Siegesgeschrei. Da, in
der höchsten Roth, rief Chlodwig zu dem Gotte der Christen:
„Wenn chu mir den Sieg verleihst, so will ich an dich glauben
und mich aus deinen Namen taufen lassen; denn ich habe meine
Götter angerufen, aber sie haben mir nicht geholfen, und daher
muß ich glauben, daß sie keine Macht haben." Glücklicherweise
wandte sich der Sieg; die Alemannen mußten die Obermacht der
Franken anerkennen. Noch in demselben Jahre ließ sich Chlod-
wig taufen. Der Bischof von Rheims, der heilige Remigius,
verrichtete in der Domkirche dieser Stadt die feierliche Handlung,
die der Aberglaube jener Zeit durch ein angebliches Wunder ver-
herrlichen läßt. Als nämlich der Bischof den König salben wollte,
war kein Oel da, weil der Geistliche, der die Flasche holen sollte,
nicht durch das Volk dringen konnte. Während nun der Bischof
in Verlegenheit dastand, kam von der Decke eine weiße Taube
herabgeflogen, die im Schnabel ein Fläschchen trug, welches sie dem
Bischof darreichte. Das darin enthaltene Oel verbreitete in der
ganzen Kirche einen herrlichen Geruch, und man ging damit so
sparsam um, daß es bis zur französischen Revolution gereicht
hat, durch welche erst das Gefäß seinen Untergang gefunden.
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Karl der Große.
39
den drücken würde, ihm nicht beschwerlich war, ja daß man von
ihm erzählte, er hätte Hufeisen wie Brod zerbrechen können und
einst einen Sarazenen bis auf den Sattelknopf gespalten. Sein
Gesicht war fast stets heiter; denn er war ein Freund unschul-
digen Scherzes. Sein Hinterkopf war rund, mit schönem Silber-
haar geziert, seine Nase etwas groß, seine Augen groß und klar
und mit durchbohrendem Blicke, wenn er zürnte. Sein Nacken
kurz und fett, sein Unterleib in spätern Jahren etwas stark, sein
Gang niännlich, fest und voll Würde, nur seine Stimme heller,
als man bei so großem Körper hätte erwarten sollen, dieser aber
so gesund, daß er im 68. Jahre noch nichts von Krankheit wußte.
Denn er bewegte sich viel, war ein trefflicher Reiter und Schwim-
mer, ein Freund der Jagd und durchaus mäßig in Speise und
Trank. Sein Tisch war gewöhnlich mit Hausmannskost besetzt;
nur vier Schüsseln — für einen Kaiser sehr wenig — wurden
aufgetragen. Bei der Tafel ließ er sich, damit keine Zeit ver-
loren gehe, die Geschichten der Vorzeit vorlesen. Selten nur
wurde höher geschmaust, nur bei großen Festen; aber dann zeigte
er sich ganz als Kaiser. Vielen Schlaf bedurfte der thätige Mann
nicht. Jede Nacht stand er ein oder mehrere Male auf und ar-
beitete dann, oder betete, oder sah andächtig und voll Bewun-
derung zu den Sternen hinauf.
Sein Name wurde nicht nur von seinen Unterthanen mit
Ehrfurcht ausgesprochen; auch weit entfernte Fürsten kannten ihn
und suchten ihn durch Gesandtschaften zu ehren. Damals lebte
in Bagdad in Asien (am Flusse Tigris, nicht weit vom persischen
Meerbusen) ein mächtiger Khalif, Harun al Raschid (sprich
Arreschihd), ein Abasside, der auch von Karl gehört hatte und
ihm eine Gesandtschaft schickte, die natürlich großes Aussehen im
Frankenlande erregte. Auch Geschenke brachten diese Morgen-
länder nach ihrer Weise mit: Gezelte aus schönen bunten Zeuchen
von seltener Größe und Schönheit, kostbare seidene Stoffe, Bal-
sam, Rosenöl, kostbares Räucherwerk, große metallene Leuchter und
— was vorzügliche Aufmerksamkeit erregte — eine Uhr, die erste
im Abendlande. Es war eine Wasseruhr. Sie war von Messing
und zeigte die Stunden an. Nach jeder Stunde fielen so viele
Erzkügelchen, wie der Seiger zeigte, auf eine Metallplatte herab,
und eben so viele Reiter sprangen aus künstlich angebrachten
Fenstern heraus, ritten rings um die Uhr und verschwanden wie-
der da, wo sie herausgekommen waren. Auch ein Schachspiel war
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Extrahierte Personennamen: Karl Harun Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Bagdad Asien Frankenlande Rosenöl
48
Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
er gerade im Harze auf dem Vogelfänge war, als die Gesandten
der Wahlversammlung ihm die Nachricht brachten, daß er gewählt
sei. Er heißt auch wohl der Vogelsteller oder Finkler, rich-
tiger aber und würdiger der Städte grün der. Ein tüchtiger,
kräftiger Mann, wohl werth, ein deutscher Kaiser zu sein, von
männlich schöner Gestalt und angenehmem Wesen, dabei von un-
bezwinglichem Muthe und großer Beharrlichkeit. Wenn er jagte,
so ließ er nicht eher ab, bis er eine Menge Hirsche, Eber und
Bären mit eigener Hand erlegt hatte; eben so war er auch im Kriege
unermüdlich, und allen seinen schönen Eigenschaften setzte er durch
eine reine Gottesfurcht und Frömmigkeit die Krone auf.
Unter seinen vielen Thaten ist keine merkwürdiger, als die
Bezwingung der wilden Ungern. In Ungarn, wo vor Zeiten
die Hunnen*) gehaust, hatte sich seit kurzer Zeit ein rohes, krie-
gerisches Volk, die Ungern oder Magyaren, iliedergelassen, wel-
ches vermuthlich vom Kaukasus hergezogen war. Arpad war
ihr Führer gewesen. Im höchsten Grade raubsüchtig, war es mit
feinen neuen Wohnsitzen nicht zufrieden, sondern machte unauf-
hörliche Einfälle in Deutschland, Italien, Frankreich und Griechen-
land, führte unermeßliche Beute und Gefangene, besonders Wei-
der und Kinder, mit sich fort und beging die abscheulichsten Grau-
samkeiten. Es war nichts Seltenes, daß sich die Ungern der
Leichen der erschlagenen Feinde als Sitze oder. als Eßtische be-
dienten und einander vom Blute der Feinde zutranken. Und
was diese Leute so gefährlich machte, war, daß man ihnen so
schwer beikommen konnte; denn fast alle Jahre erschienen sie in
einer andern Gegend. Schnell waren sie da, und ehe man Kriegs-
leute gegen sie zusammengezogen hatte, waren sie aus ihren klei-
nen raschen Pferden auch schon wieder mit der gemachten Beute
und den Gefangenen weiter gezogen. Sie waren eine große Land-
plage für unser Vaterland. Wie mancher Deutscher mußte es
mit ansehen, wie sein Weib und seine Kinder ihm unter vielen
Schlägen weggeführt wurden, ohne die Hoffnnng zu haben, sie je
wieder zu sehen! Die Weiber» wurden mit den langen Haaren
aneinander gebunden und dann mit Peitschenhieben nach Ungarn
in die Sklaverei getrieben.
Auch unter Heinrich dem Vogler machten diese Ungern Ein-
*) Die Hunnen waren bald nach Attila's Zeit von den Gepiden nach Asien
zurückgetrieben worden.
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Extrahierte Personennamen: Arpad Heinrich_dem_Vogler Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Ungarn Deutschland Italien Frankreich Ungarn Asien
84 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
mächtigen Gottes kraft deiner Gewalt und deines Ansehens dem
Könige Heinrich, der sich gegen deine Kirche mit unerhörtem
Hochmuthe erhoben, die Regierung des deutschen und italischen
Reiches, löse alle Christen von dem Bande des Eides, den sie
ihm geleistet haben linb noch leisten sollten, und verbiete, daß
Keiner ihm' als einem Könige diene. Ich binde ihn statt deiner
mit dem Bande des Fluches, dergestalt, daß die Völker einsehen
und erfahren, daß du Petrus bist und daß auf deinem Felsen
der Sohn des lebendigen Gottes seine Kirche gebaut hat und
daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden." So
hatte also Einer den Andern in den Bann gethan, und es kam
nur darauf an, wer seinen Ausspruch am besten durchsetzen könnte.
Die nächste Folge war, daß Italien, Deutschland und manche
andere Länder sich in zwei große Parteien theilten. Jeder er-
klärte sich für den Einen oder für den Andern; Jeden pflegte
man zu fragen: ,, Bist du für den Papst, oder bist du für den
König ?" Aus jener Zeit haben wir noch ein Lied übrig, das
diesen Zustand schildert. Es mag hier einen Platz finden, damit
man den Zustand der damaligen Sprache und Poesie erkennen möge:
Dar nah ving sich ane der ubile Strit
(Darnach fing sich an der üble Streit),,
Des manig Man virios den Liph
(In dem mancher Mann verlor den Leib)
Dü demi Vierden Heinriche
(Durch den viertel! Heinrich).
Vieworrin war diz Riche,
(Verworren war dies Reiche,
Mohrt, Roub unti Braut
(Mord, Raub und Brand)
Civurtin Kirichin unti Laut
Herführten, d. i. zerstörten Kirche und Land).
Von Tenemarc unz tu Apuliam
(Von Dänemark bis Apulien),
Von Kirlingen unz an Ungerin
(Von Kärnthen bis an Ungarn)
Den niman in mohte widirsten
(Denn Niemand nicht konnte widerstehen),
Obi st woltin mit Truwin un somit gen
(Obgleich sie wollten mit Treae und zusammen gehen).
Diz stiftin Heriverte groze
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich) Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Gottes Italien Deutschland Apulien Ungarn
Alfred von England.
95
Endlich bereinigte ein König von Wessex (in Süd-England),
Egbert, alle sieben Reiche (827) und machte also der Heptar-
chie ein Ende. Er war als Prinz, um sich vor den Verfolgun-
gen seiner eigenen Verwandten zu retten, nach Frankreich geflo-
hen und hatte am Hose Karls des Großen seine Ausbildung
erhalten. Mit Kenntnissen und Erfahrungen bereichert, kam er
zurück, und mit ihm begann für England eine ruhigere Zeit.
Doch wurde die Ruhe manchmal durch die Landung der Dälien
oder Rormänner, kühner Seeräuber, die von Dänemark und Nor-
wegen aus das Meer durchschifften, gestört. Sie raubten Men-
schen und Güter, und schifften dann reichbeladen nach Hause.
Noch größern Ruhm als Egbert erlangte sein Enkel, Alfred,
den man auch wohl den Großen genannt, und der voil 871 bis
901 über England regierte. Als Knabe hatte er nichts gelernt,
weil ihn sein schwacher Vater (Ethelwolf) verzärtelte; aber seine
Mutter Judith, eine Tochter Karls des Kahlen, lehrte ihm die
altsächsischen Lieder. Diese machten auf sein Gemüth einen wun-
derbaren Eindruck und entwickelten in ihm die Begeisterung für
alles Edle und Große, die er hernach als König überall zeigte.
Kaum hatte er den Thron bestiegen, so landeten neue Haufen
von Dänen, die damals die Küsten nicht nur Englands, sondern
auch Frankreicks und Deutschlands zu verwüsten pflegten. Nach
mehrern vergeblichen Kämpfen verloren die Angelsachsen den Muth,
ferner zu kämpfen, da immer neue Schaaren wie aus dem Meere
aufstiegen. Vergebens rief Alfred seine Unterthanen zu einem
neuen Kampfe auf. Manche flohen in die Berge, Andere über
die See, und die Uebrigen unterwarfen sich den Siegern. Alfred,
von Allen verlassen, von den Dänen ausgesucht, entließ seine
Hoflente und flüchtete sich in Bauernkleidern. Er trat als Knecht
in die Dienste eines seiner Rinderhirten, eines treuen Men-
schen, der nicht einmal seiner Frau den hohen Stand seines Ga-
stes verrieth.
Als er nun hier bemerkte, daß die Dänen nicht mehr so eif-
rig ihn aufsuchten, begab er sich nach einem Versteck in Somer-
setshire (im südlichen England am Kanal von Bristol). Hier war
eine von kleinen Flüssen, Morästen und Buschwerk umgebene
Gegend, die Insel Athelney. Diese befestigte er; und dazu
war hier-Alles so unwegsam, daß Niemand ahnte, daß sich hier
Menschen aufhielten. Von hier aus griff er mit einem gesam-
melten Haufen Sachsen öfters die Dänen an, die daraus wohl
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Extrahierte Personennamen: Alfred_von_England Egbert Karls Dänemark Egbert Alfred Judith Karls Alfred Alfred
Extrahierte Ortsnamen: Süd-England Frankreich Karls England England Englands Deutschlands England Bristol Sachsen
Letzte Kreuzzüge.
133
zu Lande weiter zu reisen. Er mußte gerade durch das Land
seines Todfeindes, durch Oestreich; doch hoffte er, daß ihn Kei-
ner erkennen werde. Er warf seine Rüstung ab und hüllte sich
in ein armseliges Pilgerkleid. So kam er nach Wien, wo er sich
nur ein paar Tage ausruhen wollte. Aber auch hier war er
unbesonnen. Er ließ nämlich viel Geld sehen und wendete so
viel auf, daß die Leute stutzig wurden, daß ein armer Pilger so
viel auszugeben hätte. Das erfuhr Leopold und ließ ihn be-
obachten. Als Richard das merkte, wurde ihm bange, und um
nicht erkannt zu werden, flüchtete er sich in ein anderes Wirths-
haus, und als man ihm auch dahin folgte, stellte er sich an den
Bratspieß in der Küche. Aber unklugerweise behielt er an der
Hand, mit welcher er den Spieß drehte, einen kostbaren Ring
stecken, und um sein Unglück voll zu machen, trat eben ein Die-
ner des Herzogs ein, der ihn in Palästina gesehen hatte und
sogleich wieder erkannte. Nun half kein Leugnen; man brachte
ihn zu Leopold. Dieser ließ ihn sogleich in den Kerker werfen,
und Niemand wußte, wo Richard geblieben war. Als die Nach-
richt nach England kam, daß er gefangen wäre, entschloß sich ein
Edelmann aus Artois, Namens Blondel, seinen Gebieter auf-
zusuchen und so lange alle Länder zu durchziehen, bis er ihn
gesunden hätte. Endlich kam er zufällig auf eine Burg im
Oestreichischen, und als er da übernachtet hatte, fragte er:
„Schöne Wirthin, sind Gefangene dort im Thurme?" — „Ach
ja!" war die Antwort, „seit einiger Zeit sitzt dort ein Gefan-
gener." — Blondel dachte gleich: „Das könnte wohl mein guter
Herr sein!" und bat um die Erlaubniß, einige Zeit da bleiben
zu dürfen. Der Kastellan erlaubte es ihm; aber vergebens be-
mühte sich Blondel, den Gefangenen zu Gesicht zu bekommen, so
oft er auch unter dem Fenster des Thurms auf seiner Cither
spielte. Endlich sah ihn der gefangene König und glaubte seinen
treuen Diener zu erkennen. Um ihm ein Zeichen zu geben, sang
er ein Lied, das sie beide einst in glücklichern Tagen gedichtet
hatten. Kaum hatte er die erste Strophe geendigt, so griff
Blondel in die Saiten und sang die zweite Strophe. Der Ge-
suchte war also gesunden. Schnell reiste Blondel nach England
zurück und verkündete hier und überall, wo Richard eingesperrt
sei. Leopold, dadurch erschreckt, wagte nicht, ihn länger zu be-
halten, und da zufällig auch der deutsche Kaiser, Heinrich Vi.,
Richards Feind war, so kaufte dieser den vornehmen Gefangenen
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Leopold Leopold Leopold Leopold Namens_Blondel Blondel Blondel Blondel Blondel Leopold Leopold Heinrich_Vi Heinrich Richards
Extrahierte Ortsnamen: Wien Palästina England England
162 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
sich hatte wollen zum Könige ausrufen lassen, befahl er auf
einen eisernen glühenden Stuhl zu setzen und ihin eine glühende
Krone aus den Kopf zu nageln, und Vielen wurden die Augen
ausgestochen. .Solches Betragen empörte das ganze Land; Alle
verabscheuten den Tyrannen und erhoben sich gegen ihn. Ehe
er noch den Aufruhr dämpfen konnte, starb er 1197 in Messina ;
man glaubt an Gift. Dieser Heinrich Vi. ist derselbe, dem
Herzog Leopold von Oestreich den gefangenen Richard Löwen -
h erz auslieferte und der ihn, um ein hohes Lösegeld zu erpressen,
in das feste Schloß Dürrenstein einsperrte.
67. Philipp von Schwaben, 1197 — 1208. — Otto Iv.
von Braunschweig, 1197 — 1218.
Heinrich Vi. hatte ein dreijähriges Söhnchen, Friedrich,
hinterlassen. Ihn erkannten zwar die Neapolitaner und Sici-
lianer als ihren König an, aber alle Deutsche mußten das Land
verlassen. In Deutschland tobten die beiden Parteien der Ghi-
bellinen und Guelfen gegeneinander; jede wollte einen Kaiser
aus ihrer Mitte gewählt haben, und da sie sich nicht vereinigen
konnten, so wählten jene einen Hohenstaufen,
Philipp von Schwaben, einen Bruder Heinrichs Vi.
(1197 — 1208); die Welfischgesinnten dagegen erklärten diese Wahl
für ungültig und ernannten Otto Iv. von Braun schweig,
einen Sohn, Heinrichs des Löwen, zum deutschen Könige. Das
unglückliche Deutschland! War schon bisher wenig auf Ordnung
gesehen, so rissen nun die Unordnungen erst recht ein und Jeder
that, was ihm beliebte. Dazu kam noch der Krieg, den beide
Könige miteinander führten, und nicht nur Deutschland, sondern
auch Italien theilte sich in zwei Parteien. Philipp und Otto
bewarben sich um die Gunst des Papstes, damals Jnn ocenz Iii.,
eines stolzen, kräftigen und herrschsüchtigen Mannes, welcher das
Werk Gregors Vii. vollendete. Er legte den Grund zum Kir-
chenstaat. Dieser nahm ganz die Miene eines Richters an und
schrieb an sie: sie würden doch wohl wissen, daß ihm, dem Papste,
allein die Entscheidung, so wie überhaupt die Besetzung des
Kaiserthrons zukomme, und wenn die Fürsten sich nicht bald
einigen könnten, so würde er den Otto bestätigen. Das that er
bald darauf auch wirklich: er nähme ihn, so schrieb er, als König
an, mit dem Befehle, daß ihm überall Gehorsam geleistet werde.
Aber bald änderte sich die Sache. Philipp war glücklicher im
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Vi Heinrich Leopold_von_Oestreich Leopold Philipp_von_Schwaben Philipp Otto Heinrich_Vi Heinrich Friedrich Friedrich Philipp_von_Schwaben Philipp Heinrichs Heinrichs Otto Heinrichs Philipp Otto Gregors Otto Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Messina Braunschweig Deutschland Deutschland Deutschland Italien Gregors
Die Hansa.
165
sam waren auch die Edelleute gegen ihre Fürsten. Jeder glaubte
ein Recht zu haben, zu rauben und sich mit Andern herumzu-
raufen, so viel wie er wollte, und so entstand denn eine allge-
meine Unordnung. Mit seinen Unterthanen verfuhr Jeder wie
ihm beliebte und untereinander wurde jede Streitigkeit gleich
mit dem Schwerte abgemacht. Ein Pfalzgraf ließ einmal seiner-
jungen Frau, blos weil er einen Verdacht auf sie geworfen hatte,
von einem seiner Knechte den Kopf abschlagen, ohne daß Jemand
nur daran dachte, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Was noch das
Uebel vermehrte, war, daß die Kaiser im 11. und 12. Jahr-
hundert mehr in Italien als in Deutschland zu thun hatten und
daher nicht einmal viel Zeit behielten, die Ruhestörer in Deutsch-
land zur Ordnung zu bringen. Es ist schon gesagt worden, daß
man diese Unordnungen, wo Jeder sich nach Maßgabe seiner
Kräfte selbst Recht verschaffte, das Faustrecht nannte. Die
wilden Raubritter lauerten besonders aus die Kaufmannswagen
und Schiffe. Sahen sie von ihren Burgen herab in der Ferne
einen Fuhrmannswagen kommen, so saßen sie mit ihren Knechten zu
Pferde, legten sich in einen Hinterhalt und brachen auf die sorg-
los einherziehenden Kaufleute los, die dann alle Habe verloren
und noch froh sein mußten, wenn sie mit dem Leben und ge-
sunden Gliedern davonkamen. Eben so ging es den Schiffen, die
auf dem Rheine, der Elbe und andern deutschen Strömen die
Waaren von Stadt zu Stadt führten. Da nun alle Klagen
darüber bei dem Kaiser ohne Wirkung blieben, so dachteil die
Kaufleute selbst auf Abhülfe. Hamburg und Lübeck schloffen
zuerst einen Vertrag, gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts,
und bald trat auch Braunschweig dazu. Sie nannten das
Bündniß Hansa. (Hansa hieß in jeder einzelnen Stadt die
Kaufmannsgilde, welcher sämmtliche Großhändler derselben an-
gehörten. In Norddeutschland umfaßte diese Gilde meist alle
Leute des bessern Bürgerstandes und so wurde der Name „Hansa"
aus die zu Handelsunternehmungen verbündeten Städte über-
haupt übertragen.) Wenn nun Wagen von einem dieser Orte
zum andern fuhren, so zogen bewaffnete Soldaten mit, welche
von der Hansa aus gemeinschaftliche Kosten unterhalten wurden.
Wie wunderten sich nun die Raubritter, wenn sie solche Wagen
anfielen und von tüchtigen Soldaten gleich zurückgeschlagen wur-
den! Die andern Handelsstädte des nördlichen Deutschlands
fanden, daß dies eine herrliche Einrichtung sei, und wünschten
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Extrahierte Ortsnamen: Italien Deutschland Deutsch- Rheine Hamburg Norddeutschland Deutschlands
Karl von Anjou. Konradino.
175
gewissenhaften Bruders, war er ein stolzer, herrschsüchtiger, eigen-
nütziger Mensch. Schon sein Aeußeres war abschreckend. Seine
olivenfarbige Haut, sein kalter, strenger Blick, seine finstere Stirn
gaben ihm ein düsteres Aussehen. Nie sah man den Ausdruck
der Milde, des Frohsinns oder der Menschenliebe in seinen star-
ren Zügen. Er machte sich mit einem schönen Heere nach Ita-
lien auf den Weg und eroberte das Land, nachdem er bei Be-
ne v ent o (1266) Manfred besiegt hatte; denn vor der Schlacht
gingen viele Neapolitaner, die von Anjou bestochen waren, zu
diesem über, während dem Manfred nur die Deutschen und Mu-
hamedaner, die bei ihm dienten, treu blieben. Manfred sah das
mit Entsetzen; da fiel der silberne Adler, der als Kleinod seinen
Helm zierte, auf den Sattel herab. — „Das ist ein Zeichen von
Gott!" rief er, stürzte sich in das Feindesgewühl und fiel an
der Brücke von Benevento, wo die Feinde aus seine Leiche einen
Haufen Steine zum Denkmale auswarfen. Karl unterdrückte
durch Grausamkeit die Stimme Derer, die dem Hause Hohen-
staufen zugethan waren. Die Neapolitaner und Sicilianer
seufzten in der Stille über ihr Geschick, dachten an die schönen
Zeiten, wo Friedrich Ii. sie väterlich beherrschte, und sahen sich
um nach seinem Enkel Konradino, dem letzten Sprößlinge des
Hauses der Hohenstaufen. Dieser war in aller Stille und Ar-
muth unter den pflegenden Händen seiner Mutter Elisabeth
am bairischen Hose aufgewachsen; denn von allen den reichen
Ländern seines Großvaters hatte er nichts mehr übrig als einige
armselige Güter. Jetzt war er 16 Jahre alt, als Gesandte aus
Neapel zu ihm kamen, ihn einzuladen, sich an die Spitze aller Un-
zufriedenen zu stellen und dem Papste und dem Karl von Anjou
den Krieg zu erklären. Sie brachten ihm Geld mit, um Truppen
zu werben, und versicherten, daß jenseit der Alpen viele Tau-
sende nur aus ihn warteten; denn die Anmaßung der Fran-
zosen, ihre schnöde Verachtung aller Sittlichkeit und ihre Raub-
sucht habe Aller Herzeu empört. Konradino's Augen funkelten
bei diesen Anträgen von Muth und Kampfbegier. Er verglich
seine gegenwärtige Lage mit der Königskrone, die ihm angetragen
wurde, und so sehr auch die zärtliche Mutter ihm vorstellte, er
sei noch zu jung, um so weit solchen Gefahren entgegen zu gehen,
so viel sie auch weinte und ihn bei ihrer Liebe beschwor, noch
zu bleiben, so war doch Alles vergebens. Schnell wurden die
letzten Güter verpfändet. Konradino rüstete sich und die Sei-
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Extrahierte Personennamen: Karl_von_Anjou Karl Manfred Manfred Manfred Benevento Karl Karl Friedrich_Ii Friedrich Karl_von_Anjou Karl Muth
220 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
Frankfurt und Treuenbrietzen in seinen Händen, weil Kurfürst
Ludwig und sein böses Weib Margarethe Maultasch allgemein
verhaßt waren; auch Kaiser Karl erkannte ihn als Markgraf an,
und schickte ihm ein Heer zu Hülfe. Aber endlich kam das Volk
zur Besinnung; Ludwig versöhnte sich mit dem Kaiser; dieser
zog sich von dem Betrüger zurück; erklärte, er hege doch einige
Zweifel an der Echtheit desselben, belehnte den Ludwig mit
Brandenburg und befahl den Einwohnern, dem falschen Waldemar
zu entsagen. Dieser sah sich endlich voll seineil Anhängern ver-
lasseil, nachdeiil er neun Jahre seine Rolle mit viel Geschick ge-^
spielt hatte. Die Fürsten von Anhalt gaben ihm einen Zufluchts-
ort in Dessau, wo er in Ruhe gestorben ist.
Gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde Europa und
endlich auch Deutschland von einem furchtbaren Uebel heim-
gesucht, von einer Seuche, die man beit schwarzen Tod nannte
und welche die asiatische Cholera an Furchtbarkeit noch übertraf.
Sie scheint sich in Klein-Asien ausgebildet zu haben, von wo sie
durch Schisse nach Italien kam. Nachdem sie hier die furcht-
barsten Verheerungen angerichtet und ganze Familien hingerafft
hatte, so daß viele Güter und Häuser herrenlos geworden waren,
¡durchwanderte sie auch andere Länder: Spanien, Frankreich,
England, und kam 1350 auch nach Deutschland. Nachmals hat
sie sogar die nördlichen Länder: Dänemark, Norlvegen, Schweden,
selbst das kalte Island, heimgesucht. Die Kranken bekamen
schwärzliche Flecken über den Körper, und die meisten waren anl
dritten Tage bereits todt. Vergebens sahen sich die Aerzte nach
einer wirksamen Arznei um. Die Ansteckung war zugleich so
groß, daß schon die Berührung der Sachen eines Kranken das
Gift mittheilte; sogar Thiere, welche die auf der Straße liegenden
Kleider Gestorbener berührten, fielen todt hin. Jetzt wurden Alle
von tödtlichem Schrecken ergriffen, und diese Angst machte der
Ansteckung noch zugänglicher. Einer wich dem Andern aus; man
sah den Bruder vom Bruder, die Gattin vom Gatten, selbst
Väter und Mütter von ihren Kindern fliehen, so daß unzählbare
Kranke sich selbst überlassen blieben, wenn sich nicht ein Freund
aus aufopfernder Liebe oder ein Diener aus Habgier zur Pflege
entschloß. Alle Begleitung zum Grabe fiel weg; Leute aus der
niedrigsten Classe trugen für großen Lohn den Sarg eiligst zum
Begräbnißplatz. Roch gräßlicher war das Loos der Armen. Man
brachte sie in Lazarethe, wo ihnen aber meist jede Pflege und
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Margarethe_Maultasch Karl Karl Ludwig Ludwig Ludwig_mit
Brandenburg Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankfurt Dessau Europa Deutschland Italien Spanien Frankreich England Deutschland Schweden Island Lazarethe