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1. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 7

1854 - Leipzig : Brandstetter
7 verklagen. Seht, da habe ich vor mehreren Jahren mein Bischen Hab' und Gut meinen sechs Sehnen abgetreten, um meine alten Tage in Ruhe zu verleben. Der älteste bekam die Grundstücke, Haus und Hof, Aecker und Wiesen; er verglich sich mit seinen Brüdern und versprach, mich bis an meinen Tod zu ernähren und zu verpflegen. Aber das will er nun nicht mehr thun, und bei meinen andern Söhnen finde ich auch keine Hülfe. Darum will ich mich mit einer Klage an die hochfürstliche Regierung wenden/' „Aber, sagt mir doch," fragte der Thorschreiber, „wie alt seid ihr denn eigentlich?" — „Großer Gott," entgegnete der Bauer, „ich bin nun 73 Jahr alt." — „ Nun," sagte der vorwitzige Thorschreiber, „da kann ich euch den Bescheid selbst geben, und ihr braucht euch nicht erst an die Regierung zu wenden. Ihr wißt ja, daß in der heiligen Schrift steht: Unser Leben währet siebenzig Jahr. Da habt ihr schon drei Jahre zu viel gelebt!" Der Alte sah den Thorschreiber erschrocken an: „Ja wenn's so ist, so thue ich wohl am besten, wenn ich umkehre. Unser Herr Gott wird mich ja bald zu sich nehmen!" sagte er endlich wehmüthig, und setzte sich auf einen Stein vor'm Thore, um auszuruhen. Den Greis hat unser Herr Gott zu sich genommen ; auf dem Steine aber am Thore sitzt alle Sonntage der älteste Sohn und bettelt. O. Schulz. - 8. Brüderliche Liebe. Durch schwere Erfahrungen von der Unzuverlässigkeit und dem bösen Sinne der Menschen war der Kaiser Albrecht dahin geltracht, dass er die Menschen hasste, düster in ^ich gekehrt in seiner Hofburg zu Wien sich einschloss und Niemanden vor sich lassen wollte. Nur ein grosser Hund, Packan geheissen, war ihm wegen seiner Treue lieb geblieben, und er sagte es Denen, mit welchen er durchaus umgehen musste, offen, dass ihm die An- hänglichkeit dieses Thieres allein aufrichtig scheine. Es war, als ob der Hund diesen Vorzug anerkenne. Vor dem Zimmer des Kaisers gelagert, liess er keinen Fremden in dasselbe hinein, und wer es dennoch wagen wollte, den knurrte er grimmig an und wies ihm die scharfen Zähne, vor denen Jeder gern zurückwich. Eines Tages kam auch der Herzog Leupold, der Sohn des Kaisers, seinen Vater zu besuchen. Da trat ihm Packan, der ihn kannte, liebkosend entgegen, wedelte mit dem Schwänze und gab seine Freude auf mancherlei Weise kund. Herzog Leupold freute sich darüber und schmeichelte ihm wieder. Dennoch gab es der Hund nicht-zu, dass der Herzog sich dem Zimmer nahte, und hielt ihn, fest an dem Wamse mit seinen Zähnen gepackt, zurück. Der Herzog, ein junger starker Mann, wehrt ihn ab und will mit Gewalt zu der Thüre, da fährt, Alles vergessend, der Hund empor und fasst den Prinzen am Kragen fest. In der Ueberraschung und

2. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 13

1854 - Leipzig : Brandstetter
13 In jenen Jahren lebte in den Odergegenden ein Mann, dess Feld war Höhenland und halte gut getragen. Und sein Feld war gross, so dass er eine gewaltige Masse Roggen in der Scheuer und end- lich auf dein Boden hatte. Hoch waren die Preise schon im Herbste. Mit dem Winter und dem Frühjahr stiegen sie immer höher. Mancher Handelsmann klopfte an die Thür des Reichen, mancher Handwerker bettelte, er möchte ihm doch für gutes Geld ein Schelfelchen ablassen, Alle aber wurden abgewiesen mit der Antwort: „Ich habe mir einen Satz gemacht, der Boden wird nicht eher geöffnet, als bis der Scheffel acht Thaler kostet. Da- bei bleibe ich! Und zum Zeichen hatte er an die Bodenthür eine grosse, schwarze 8 mit Kohle gemalt. Der Winter verging, der Mai kam heran; aber die Preise waren hoch gestiegen, denn die gewaltigen Finthen hatten grossen Schaden gethan. Am 7. Mai kam ein armer Leinweber, ein ehrlicher Meister aus dem Orte. Sein Gesicht sah vor Hunger und Grämen selber aus, wie griese Leinwand. Er zahlte ihm, damit der reiche Mann Geld sähe, für einen halben Scheffel 3 Thir. 22 Ggr. auf den Tisch. Die 22 Ggr. bestanden aus Dreiern, Vierlingen und Groschen und Sech- sern vom alten Fritz, die man sonst wohl Stiefelknechte nannte, denn der Mann hatte Alles zusammengesucht. Aber der Bauer sprach: „Euer Aufzählen hilft euch nichts, der Scheffel kostet 8 Thaler, das ist mein Satz. Eher thue ich meinen Boden nicht auf. Und dann muss es ordentlich Courant sein. “ Des Bauern Söhnchen, ein Bürschchen von 10 Jahren, zupfte den Alten am Rocke: „Vater, gebt’s ihm doch!“ Aber der Vater prägte ihm mit einem Rippenstoss andre Grundsätze ins Herz. Der Weiter musste sein Geld zusammen- streichen und heim wandern. Den 8. Mai in der Abenddämme- rung kam die Zeitung an. Einen Blick hinein, und der Bauer land, was er linden wollte: „Roggen 8 Thaler.“ Da zitterten ihm die Glieder vor Freude. Er nahm ein Licht, ging auf den Boden und wollte übersehen, wie viel er wohl verfahren könnte, und überschlagen, wie gross seine Einnahme wäre. Indem er so durch die Hauten und gefüllten Säcke hinschreitet, strauchelt er an einem umgefallenen, fällt selber, das Licht fliegt ihm aus der Hand und in einen Haufen Stroh, der daneben liegt. Ehe er sich aber aufraffen kann, steht djs Stroh in bellen Flammen. Ehe an Hülfe zu denken ist, hat das Feuer Dachstuhl und Dielen ergrif- fen. Um Mitternacht an demselben Tage, wo der Scheffel Rog- gen 8 Thaler galt, wo er aut seinen Satz gekommen war, wo er seinen Boden geöffnet hatte, stanff er am Schutthaufen seines ganzen Gutes als ein armer Mann. Fr. Aklfeld.

3. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 15

1854 - Leipzig : Brandstetter
15 ein Jahr das Schiff und so viel Geld und Nürnberger Waaren, als möglich, und laßt mich nach der neuen Welt fahren; ihr wißt, der alte Jansen war schon zweimal dort und versteht den Kram. Zwar der alte Herr war auch immer ängstlich und meinte, es lasse sich ohne groß- ßes Wagniß schon bei uns was gewinnen; aber das ist nun anders geworden, drum muß man's anders treiben." Da standen die beiden Herren aus und gingen lange im Zimmer auf und ab und berathschlagten. Nachdem nun sedes Für und Wider hinreichend erwogen worden, wie es verständigen Männern ziemt, wurde beschlossen, daß Jansen reisen sollte. Vier Wochen später schritt Herr van Steen in seinem Rathsherrngewande mit Jansen neben zwei schwer bepackten Dienern hinter sich dem Hafen zu. Die den ganzen Hafendamm bedeckende Menge Volks, die unter Musik und Jauchzen der Zurüstung und Abfahrt des großen Handelsschiffes harrte, machte, als Herr Gruit mit Jansen ankam, ehrerbietig Platz; denn der wackere Mann war geliebt und geachtet von Alt und Jung, Vornehm und Ge- ring. Einige Rathsherrn, Freunde der Beiden, traten freundlich grü- ßend hinzu, und der ältere, ein Mann mit greisem Haare und Barte, sprach: „Freund Hermann, Euer Schiff ist schwer bepackt und geladen; Ihr habt doch nicht zu viel gewagt? Denn weit ist der Weg und ge- fährlich die Fahrt, und unser Jansen ist eben auch keiner der Jüngsten mehr." Herr Hermann zuckte die Achsel und sprach: „Der Jansen hat'ö auf sich; ihm, seiner Treue, Kenntniß und Geschicklichkeit hab' ich vertraut und Alles überlassen." Aber Jansen antwortete munter: „Laßt's Euch nicht anfechten, ihr Herren! Es ist das dritte Mal, daß ich die Fahrt mache, und aller guten Dinge siipd ja drei; drum hoffe ich fest, wir sehen uns gesund und freudig wieder: wir haben ja das Sprüchwort: „Gott verläßt keinen Deutschen," und den alten Jansen nun schon einmal gar nicht; drum lebt wohl!" Da donnerte der erste Signalschuß zur Abfahrt, und das Boot, das ihn einnehmen sollte zur Ueberfahrt nach dem Schiffe, war eben gelandet. Der ehrliche Jansen drückte seinem Herrn noch einmal kräf- tig beide Hände, ein paar Thränen träufelten doch dem alten Knaben in den grauen Bart, und er stieg ein. Die Musik ertönte lebhafter; leicht hintanzend über die spiegelglatte Fläche, langte das Boot am Schiffe an. Die Leiter ward herabgelassen, hinauf stieg Jansen, schnell ward die Leiter zurückgezogen, eben so schnell ward der große Anker aufgewnnden und das Boot befestigt; und nun donnerte der letzte Ka^ nonenlchnß zur Abfahrt^ alle Wimpel flaggten, und stolz flog das Schiff dahin, alle Segel gebläht vom günstigen Winde; vom Verdeck winkte noch einmal Jansen mit dem Tuche das letzte Lebewohl, und bald war das Schiff dem Auge kaum mehr sichtbar. Die Menge ver- lief sich, und die Herren schritten unter freundlichen Gesprächen ihren Wohnungen zu. Drei Vierteljahre waren seitdem verflossen, und kein Jansen kam zurück, noch nirgend eine Nachricht von ihm; wohl aber hatten sich

4. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 17

1854 - Leipzig : Brandstetter
17 Osen, die rothgeweinten Augen zur Erde gewendet, die Hände gefaltet und fest zusammengepreßt, während die beiden jungen Knaben, unbe- kümmert um Alles, mit der großen Angorakatze spielten; Fritz, der älteste, aber hielt den quer vor der Thür liegenden zottigen Voll, den Haushund, bei beiden Ohren fest, als er auf ein Anklopfen an die Thür knurrend aufspringen wollte, und sagte begütigend: „Sei nur still, Voll, ich leid's nicht, daß sie dich verkaufen." Vorsichtig über den Hund wegschreitend, trat Stephan, der Rathsdiener, herein, ein gutmüthiger Alter, der früher so oft mit freundlichem Bücklinge Herrn Hermann in bessern Zeiten die Thür des Rathssaales geöffnet hatte, und sagte mit vor Mitleid zitternder Stimme: „Herr Senator, den Lehnsessel soll ich holen." Da wendete Herr Hermann den Blick und sprach seufzend: „Ach, das ist das Härteste; doch dein Wille, o Gott, geschehe!" Es war der mit dem grünen Sammt beschlagene Lehn- sessel des seligen alten Herrn, worin er sanft verschieden war, nachdem er noch den väterlichen Segen ertheilt hatte, bis dahin als unberühr- bares Heiligthum im Hause gehalten. Hinaus ward der Sessel getragen, und ihm folgte mechanisch die ganze Familie nach, als könnte sie sich nicht davon trennen, Fritz mit dem Voll vo-raus. Der Auctionator rief: „Nr. 120, ein noch wohl conditionirter Lehnsessel, mit Sammt beschlagen!" — und eine lange Pause folgte, da sich alle Blicke nach der jammernden Familie gewandt hatten. Endlich ries die schnarrende Stimme eines dicken Fleischers: „Vier Mark!" — „ Also vier Mark zum Ersten," rief der Auctiona- tor mißmuthig; in diesem Augenblicke riß sich der schon seit einigen Minuten unruhig schnüffelnde Voll von Fritz los und sprang wie be- sessen freudig bellend vor's Haus, und zum offen stehenden Fenster her- ein rief eine starke Baßstimme: „40 Mark zum Ersten!" Augenblicks darauf trat hastig in's Zimmer ein vor Eile glühender Mann'mit son- nenverbranntem Gesichte in Schiffertracht, begleitet vom wedelnden Voll, und wiederholte mit Donnerstimme: „400 Mark zum andern, zum dritten und letzten Mal!" und schlug mit seinem spanischen Rohre dergestalt auf den Tisch, daß des Auctionators Papiere umherflogen und dieser, wie die ganze Menge, zusammenschrak. „Herr Gott, unser Jansen!" ries Herr Hermann und fiel ihm um den Hals; der aber fuhr fort: „Ja, ich bins; unser Schiff liegt voll Goldbarren und Waaren im Hafen; aus ist die Auction! nun fort ihr Alle!" dabei schwenkte er das Rohr über den Köpfen hin; „morgen kommt auf das Rathhaus, da soll Alles sammt Interessen bezahlt werden; denn wissen sollt ihr: unser alter Herr Gott lebt noch, unser gutes Haus steht noch, und die Firma Hermann Gruit van Steen florirt noch! Und nun seid erst freudig gegrüßt in der Heimath, mein Herr Hermann und Frau Elisabeth, von eurem alten Jansen!" I. B. (Dorfztg.) Wangemann, Hülfsbuch. Iii. Abth. 2

5. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 19

1854 - Leipzig : Brandstetter
19 And keuchend folgt er dem raschen Trabe, Bittet die Herren um eine Gabe. Herr Luther fuhr schnell in die Taschen, Und wie er's eben möcht erhaschen, Warf er zwei Groschen wohlgemutst Dem armen Schelmen in den Hut. Herr Jonas bracht's nicht schnell zuwege, Er ziehet ein Beutclchen aus der Ficke Und mustert die Groschen und Dreierstücke, Auch prüst er strenge das Gepräge Von jeder Seit' mil scharfem Blicke, Und erst nach langem Drehn und Wenden Entläßt er den Dreier seine» Händen. Und weiter rollet der geistliche Wagen. ,,Wer weiß," hub Jonas an zu sagen, „Wo Gott die Gabe wird vergelten, Sei's hier nicht, doch in bessern Welten." Da lacht der Luther frei ihm ins Gesicht Und strafet frisch ihn von der Leber. „Herr Doctor! wißt ihr denn noch nicht, Daß Gott nur liebt den frohen Geber? Und wer nur leihet auf Gewinn, Hat wahrlich seinen Lohn dahin?" Es rölhen sich Herrn Jonas Wangen; Die Sonne ist eben untergegangen Und ließ von ihrem Strahlenblick Die letzte Segensspur zurück. Hagenbach. 17. Das gute Heilmittel. Kaiser Joseph in Wien war ein weiser und wohlthätiger Mo- narch, wie Jedermann weiß; aber nicht alle Leute wissen, wie er ein- mal der Doctor gewesen ist, und eine arme Frau geheilt hat. Eine arme kranke Frau sagte zu ihrem Büblein: „Kind, hol' mir einen Doctor, sonst kann ich's nimmer aushalten vor Schmerzen!" Das Büblein lies zum ersten Doctor und zum zweiten; aber keiner wollte kommen: denn in Wien kostet ein Gang zu einem Patienten einen Gulden, und der arme Knabe hatte nichts als Thränen, die wohl im Himmel für gute Münze gelten, aber nicht bei allen Leuten auf der Erde. Als er aber zum dritten Doctor aus dem Wege war, fuhr lang- sam der Kaiser in einer offenen Kutsche an ihm vorbei. Der Knabe hielt ihn wohl für einen reichen Herrn, ob er gleich nicht wußte, daß es der Kaiser war, und dachte: ich will's versuchen. „Gnädiger Herr," sagte er, „wollet Ihr mir nicht einen Gulden schenken? Seid so barmherzig." Der Kaiser dachte:-der fast's kurz und denkt: wenn ich den Gulden auf einmal bekomme, so brauch' ich nicht sechzig Mal um den Kreuzer zu betteln. „Thut's ein Zwanziger nicht auch?" fragte der Kaiser. Das Büblein sagte: „Nein," und offenbarte ihm, wozu er des Geldes benöthlgt wäre. Also gab ihm der Kaiser den Gulden, und ließ sich genau von ihm beschreiben, wie seine Mutter 2*

6. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 23

1854 - Leipzig : Brandstetter
23 Wer ist, wer ist der brave Mann? Sag' an, sag' an, mein braver Sang! Der Bauer wagt' ein Leben d'ran; Doch that er's wol um Goldes Klang? Denn spendete nimmer der Graf sein Gut, So wagte der Bauer vielleicht kein Blut. „Hier," rief der Graf, „mein wackerer Freund! Hier ist der Preis! komm' her! Nimm hin!" Sag' an, war das nicht brav gemeint? Bei Gott, der Graf trug hohen Sinn. Doch höher und himmlischer, wahrlich! schlug Das Herz, das der Bauer im Kittel trug. „Mein Leben ist für Gold nicht feil. Arm bin ich zwar, doch hab' ich satt; Dem Zöllner werd' Eu'r Gold zu Theil, Der Hab' und Gut verloren hat!" So rief er mit herzlichem Biederton Und wandte den Rücken und ging davon. Hoch klingst du, Lied vom braven Mann, Wie Orgelton und Gockenklang! Wer solches Muths sich rühmen kann. Den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang. Gott Lob! daß ich singen und preisen kann, Unsterblich zu preisen den braven Mann! Bürger. 19. Seelcngrösse. Als im Winter 1807 der französische General Mortier Stral- sund berannte, waren rings in die Dörfer an den poimnerschen Küsten französische Wachtposten gelegt; so auch in dein Dorfe Bodenstelle, unweit Barth, dem Dars gegenüber. Diese hatten an- gefangen, nach wälscher Weise mit den Einwohnern Ueberspiel zu versuchen. Das konnten die Dörller nicht leiden, Männer, an die mächtigsten Gefahren und gelegentlich auch an Pulver und Blei gewöhnt. Sie schaarten sich im gerechten Zorn, die Fran- zosen erschraken vor ihrer Zahl und Rüstigkeit, wurden entwalfnet, gebunden, eingeschifft und etwa fünfzig Mann stark nach Stral- sund an die Sehweden als gefangen abgeliefert. Das war eine kurze Freude. Die That erscholl in dem französischen Lager, und ein Commando von mehren hundert Mann ward abgesandt, das Dorf zu bestrafen. Der Schulze und mehrere Aelteste von Bo- denstelle wurden gefesselt und sollten erschossen, das Dorf sollte geplündert, angezündet und abgebrannt werden, ln dieser grossen Noth, als die Gefesselten den sichern Tod erwarteten, trat der Prediger des Orts, Namens Dankwarth, vor und redete- den wäl- schen Befehlen mit den kühnen Worten an: „Mein Herr, Sie haben

7. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 25

1854 - Leipzig : Brandstetter
25 > die Noth versöhnt! schon jetzt hat er Vertrauen zu uns gefaßt, viel- leicht wird er bald uns herzlich lieben, wenn wir ihm freundlich begegnen. Kopfschüttelnd geht der Jäger, und alsbald tritt in das nur spär- lich erhellte Zimmer eine lange Gestalt ein, vor der du wohl mit Grauen und Entsetzen zurückbeben würdest, begegnetest du ihr im einsamen Walde, und hättest nicht in deiner Brust ein Herz voll echten Christenmuthes und wahrer Jesusliebe. Lange schwarze Haare verbargen in wilder Verwirrung fast gänzlich des Mannes tief gerunzelte Stirn, die Wangen sind bleich und abgezehrt, das Roth der Lippen ist erstorben, und der Blick aus schwarzen, hohlen Augen schweift bald unstät und mißtrauisch im Zimmer umher, bald gleitet er funkelnd an dem Wirthe vorüber, bald heftet er sich starr und matt an den Boden. Die Kniee wanken, die Brust keucht vom angestrengten Laufe. Entschuldigungen unverständ- lich murmelnd, streckt der Müller seine dürren Hände dem Wirthe dar, und dieser — wenn gleich aufs höchste betroffen — weicht doch nicht zurück; getrost schlägt er ein und erwidert den krampfhaften Druck des Gastes mit Milde und Freundlichkeit. Kein Wort von vergangenen Zeiten. Mit liebreicher Theilnahme und frommem Sinne spricht der Förster über die gegenwärtige Bedrängniß, düster und abgebrochen nur antwortet der Müller. Unterdessen hat die emsige Hausfrau in Eile ein erquickendes Nachtessen ausgetragen, ein Bett herbeigeschafft und mit saubrer Wäsche bekleidet; und als sie nun Alles zur Labung des neuen Hausgenossen bereitet, wünscht sie ihm eine sanfte Ruhe und geht mit ihrem Gatten in die anstoßende Kammer zu den schlafenden Kleinen. Hier, in andachtsvollem Gebete vereinigt, danken sie Gott für den Segen des Tages, befehlen seiner gnädigen Obhut sich und die Ihrigen und erflehen Labung und himmlischen Frieden für des Millers zer- rüttetes Gemüth. Alsbald umfängt sie ein sanfter Schlaf. Nur wenige Stunden erst hatten sie geschlummert, da weckte sie ein heftiges Pochen an der Kammerthür. „Der Müller ist — so ruft ein Jägerbursche herein — von der gräßlichen Cholera befallen. — Er- laubt , Herr, daß wir ihn eiligst hinausschaffen, damit nicht auch Ihr mit Weib und Kindern verderbt!" „Mit nichten! da sei Gott vor!" erwiderte schnell entschlossen der Förster. „Wartet des Kranken, wie ich euch gelehrt; gleich bin ich selbst da!" Und jo nimmt er die Kinder vom Lager, trägt sie hinauf in die Bodenkammer und eilet hinab zu dem Kranken. Bald folgt ihm die Gattin. Aber welch entsetzlicher, herzzerreißender Anblick bietet sich hier dar! Von den heftigsten Krämpfen gefoltert, windet und wälzt sich der Müller aus seinem Lager, schon verräth sein ganzer Leib alle gräßlichen Zeichen der furchtbar zerstörenden Krankheit. Indeß noch ein anderer Schmerz, noch ein gewaltsamerer Kampf scheint in der Brust des Mannes zu sein. Denn je mehr der Förster und seine Gattin in emsiger Liebe um ihn bemüht sind, desto heftiger bebt er vor ihrem Anblick zurück. Bald birgt er sein Gesicht in die Kissen, bald schlägt er mit geballten

8. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 26

1854 - Leipzig : Brandstetter
26 Fäusten die Stirn, während ein gräßliches Lächeln um die blauen Lippen, zuckt. Jetzt fährt er auf vom Lager und zwingt die heißere Stimme zu lautem Rufe: „Rührt mich nicht gn, werft mich hinaus, den Krähen und Wölfen zum Fraße! — Halt ein, du schrecklicher Würgengel, reiß mich nicht hinab in die ewigen Martern der Hölle, erst muß ich noch reden! Ein Ungeheuer, wie in der Wüste nicht seines Gleichen, her- bergt und pflegt ihr. Wisset: die verpestende Krankheit im Leibe, rannte ich her, rachedürstend — durch meinen Tod euch alle zu verderben! doch jetzt! — o martervolle Pein! o du furchtbarer Richter! ist denn kein Erbarmen vor dir?" Und ganz erschöpft — betäubt — sinkt der Müller auf sein Lager. Mit gefalteten Händen den thränenschweren Blick zum Himmel gerichtet, steht der Förster da und sein Weib. Aber der ewige Richter, der Herr des Lebens und der Verdammniß — er winkt dem Todesengel, daß er vorübergehe an dem Hause des Gerechten. In tiefen Schlaf sinkt der Kranke, und heftiger Schweiß dringt aus allen seinen Poren. Als ec erwacht, sieht er seine wackeren Wirthe in liebevoller Thätigkeit um sich. In seinem Leben zum ersten Male betet jetzt sein Herz. Dann drückt er die Hände der Edlen an seine Brust, an seine Lippen, und die Thränen der Versöhnung, des Dankes und der Liebe fließen reichlich. Nach wenigen Tagen verläßt der Müller sein Krankenlager, genesen, gerettet für das Himmelreich. Ottos Lesebuch. 21 Das Gewissen. (Noch eine Geschichte vom Dr. Heim.) Der ehrliche, fromme, gutmüthige Heim hatte keine Zeit krank zu werden und wurde, iinmer thätig, sehr alt. Sein Jubiläum feierte ganz Berlin, von den allerhöchsten und höchsten Ständen an bis herab zu den Straßenjungen. Es 'währte drei Tage. Unaufhörlich in An- regung, war er endlich erschöpft und befahl, daß Alles im Hause stille sein sollte. Am Abend spät kam eine unbemittelte Bürgersrau, die ihn zu ihrem sehr kranken Kinde rufen wollte. Abgewiesen, drang — be- kannt mit der Hausangelegenheit, — sie in das Schlafzimmer von Heim, der die weinende und lärmende Frau unaufhörlich abwies. — Alles ist wieder still geworden und die Geheimeräthin sagt: „Lieber Heim, wie ist es mit dir? du wirfst dich ja im Bette hin und her!" „Ich kann," antwortete er, „nicht schlafen; es ist doch ein eigen Ding mit dem Gewissen! ich muß hin." Er klingelt und vergißt alle Müdig- keit, eilend zum Kranken, den er glücklich wieder herstellt. Eylert. 22. Die Nache. Der Knecht hat erstochen den edeln Herrn, Der Knecht wär' selber ein Ritter gern. Er hat ihn erstochen im dunkeln Hain Und den Leib versenket im tiefen Rhein. Hat angeleget die Rüstung blank, Auf des Herren Roß sich geschwungen frank.

9. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 31

1854 - Leipzig : Brandstetter
31 N O, das nenn' ich sel'ge Stunve, wo man dein, o Herr, gedenkt. Wo man mit der frohen Kunde von dem ew'gen Heil uns tränkt. Neues Leben, neue Stärke, reiner Andacht frische Gluth Zu dem frommen Liebeswerke schöpf' ich aus der Gnadenstuth, Und von göttlichen Gedanken einen reichen Blüthenstrauß Trag' ich heimwärts, Gott zu danken in dem kleinen, stillen Haus. Erde weit und ohne Grenzen! Himmel drüber ausgespannt! Reich an Sternen und an Kränzen scheint ihr mir ein heilig Land. Laß die Flamme stets mir brennen, o mein Heiland Jesu Christ! Laß es alle Welt erkennen, daß mein Herz dein Altar ist! , Schenkender f. 28. Li» Keliet. Auf einer Reise nach Thüringen war Melanchthon in Weimar schwer erkrankt. Da sein Zustand sich von Tage zu Tage ver- schlimmerte, so sandte der Kurfürst von Sachsen nach Lumier und liess ihn in einem Wagen holen. Als er ankam, lag der .ge- liebte Freund in den letzten Zügen. Seine Sprache war ver- fallen, sein Gehör verloren, sein Angesicht und seine Schläfe waren eingefallen; er kannte Niemand mehr und nahm weder Speise noch Trank an. Erschrocken stand Luther einige Augenblicke am Bette. Er vermochte kein Wort zu sagen. Endlich rief er: „Behüte Gott! wie hat nicht der Teufel dieses Angesicht geschändet!“ Dann wandte er sich zum Fenster und betete mit himmelstürmender Ge- walt. „Lieber Gott, ich werf’s Dir vor die Füsse. — Es ist ja nicht meine Sache, sondern Deine — Du Gott im Himmel, lebst Du nicht mehr, hörst Du nicht mehr?“ — Nachdem er, wie er später selbst sagte, dem liehen Gott „den Sack vor die Thüre ge- worfen,“ ihn alle Yerheissungen des Gebetes vorgehalten, die er aus der heiligen Schrift zu erzählen gewusst, dass er ihm musste erhören, wo er anders seinen Verheissungen trauen sollte — wandte er sich mit freudiger Zuversicht zu Melanchthon, fasste ihn bei der schon kalten Hand und sprach: „Seid getrost, Philippe, ihr werdet nicht sterben! — Gebet dem Trauergeiste nicht Raum, son- dern verlasset euch auf den Herrn, der da kann todten und leben- dig machen.“ Wunderbar wirkte das Wort. Melanchthon fing wieder an, Oden zu holen und wurde gleichsam wieder lebendig. Bald er- kannte er den hochverehrten Freund und sichtlich nahmen von der Zeit seine Kräfte wieder zu. Er schrieb späterv davon: „Ich ward zu Thüringen von einer schrecklichen Krankheit befallen, die nur aus einer Bekümmerniss und Gram ihren Ursprung genommen, das mir ein fremder Handel hatte zuwege gebracht. Ich wäre gestorben, wenn ich nicht durch Dr. Luthers Ankunft aus dem Tode wäre gerissen worden.“ Luther selbst aber erklärte: „Jch habe unsern Philippum und meine Käthe vom Tode erbeten.“ Wangemann.

10. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 33

1854 - Leipzig : Brandstetter
33 30. Seligkeit in Zesu Wenn ich ihn nur habe, Wenn er mein nur ist, Wenn mein Herz bis bin zum Grabe Seine Treue nie vergißt, Weiß ich nichts von Leide, Fühle nichts als Andacht, Lieb' und Freude. Wenn ich ihn nur habe, Lass' ich Alles gern, Folg' an meinem Wanderstabe Treu gesinnt nur meinem Herrn, Lasse still die Andern Breite, lichte, volle Straßen wandern. Wo ich ihn nur habe, Ist mein Vaterland, Und es fällt mir jede Gabe Wie ein Erbtheil in die Hand; Längst vermißte Brüder Find' ich nun in seinen Jüngern wieder. Novalis. Wenn ich ihn nur habe, Schlaf' ich fröhlich ein: Ewig wird zu süßer Labe Seines Herzens Fluth mir sein, Die mit sanftem Zwingen Alles wird erweichen und durchdringen. Wenn ich ihn nur habe, Hab' ich auch die Welt, Selig wie ein Himmelsknabe, Der der Jungfrau Schleier hält. Hingesenkt im Schauen, Kann mir vor dem Irdischen nicht grauen. 4. Aus dem staatlichen Leben. 31. Friedrich Ii. und sein Nachbar. Der König Friedrich der Zweite von Preußen hatte acht Stunden Don Berlin ein schönes Lustschloß und war gerne darin, wenn nur nicht ganz nahe dabei die unruhige Mühle gewesen wäre. Denn erstlich stehen «in königliches Schloß und eine Mühle nicht gut nebeneinander, obgleich das Weißbrot auch in dem Schlosse nicht übel schmeckt, wenn die Mühle fein gemahlen und der Ofen wohl gebacken hat. Außerdem aber, wenn der König in seinen besten Gedanken war, und nicht an den Nachbar dachte, auf einmal ließ der Müller seine Mühle klappern und dachte auch nicht an den Herrn Nachbar; und die Gedanken des Königs störten zwar das Räderwerk der Mühle nicht, aber manchmal das Klapperwerk der Räder die Gedanken des Königs. Der geneigte Leser sagt: Ein König hat Geld wie Laub, warum kauft er dem Nachbar die Mühle nicht ab und läßt sie niederreißen? — Der König wußte warum: denn eines Tages ließ er den Müller zu sich rufen. „Ihr begreift," sagte er zu ihm, „daß wir Zwei nicht nebeneinander bestehen können. Einer muß weichen. Was gebt Ihr mir für mein Schlößlein?" — Der Müller sagte: Wie hoch haltet Ihr es, königlicher Herr Nachbar? — Der König erwiderte ihm: „Wunderlicher Mensch, so viel Geld habt Ihr nicht, daß Ihr- mir mein Schlößlein abkaufen könnt. Wie hoch haltet Ihr Eure Mühle?" — Der Müller erwiderte: „Gnädigster Herr, so habt auch Jh? nicht so viel Geld, daß Ihr mir meine Mühle abkaufen könnt; sie ist mir nicht feil." —. Der König that zwar ein Gebot, auch das zweite und dritte, aber der Nachbar blieb bei ferner Wangemann, Hülfsbuch. Hi. Abth. Z
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