12 Landeskunde der Provinz Schleswig-Holstein.
Gewährt aber ein Wall, ein Haus oder ein Hünengrab Schutz vor dem Winde, so er-
heben sich die Eichen bald zu einer ansehnlichen Höhe. Neben ihnen tritt die Zitterpappel
und der Faulbaum auf. An Flüssen und Bächen, überhaupt in feuchten Niederungen
ist die Birke der häufigste Baum.
An Sträuchern sind vorhanden: der Wacholder- und der Besenstrauch, Trauben-
kirsche, Heidelbeer-, Himbeer-, Vogelbeerstrauch u. a. m.
Das eigentliche Marschland ist. wenn auch nicht bäum-, so doch waldlos. Im
Schutze der Häuser gedeihen Bäume ganz gut, obgleich sie auf der Wetterseite durch den
N.w.-Wind viel zu leiden haben.
Auch in Bezug auf Wiesen gräs er und Feldfrüchte treten mancherlei Unterschiede
zwischen O., Mitte und W. hervor. Das waldarme Land Oldenburg birgt z. B.
manche Pflanzen, die in der ganzen übrigen Provinz nicht vorkommen, sondern erst in
den mitteldeutschen Gebirgen wieder angetroffen werden.
An Feldfrüchten liefert das fruchtbare ö. Hügelland: Weizen, Roggen,
Gerste und Hafer, ferner Raps, Kartoffeln, Erbsen, Bohnen, Zuckerrüben, Flachs, Klee,
auf magerem Sandboden Buchweizen. Die sandreiche Mitte eignet sich mehr für Hafer,
Buchweizen, Kartoffeln, aber auch für Roggen.
Die Marsch zeitigt besonders: Raps, Weizen, Bohnen, Zuckerrüben, dient aber
auch viel als Grundlage sür eine ausgedehnte Viehwirtschaft, namentlich in Schleswig.
In der Elbmarsch wird viel Kohl angebaut.
Häufig bildet die sogenannte Sandmarsch (ein bereits mit Marschklei vermischter
Sandboden) den Übergang von der Geest- zur Marschlandschaft; selten aber findet ein
allmählicher Übergang aus dem fruchtbaren ö. Hügellande nach dem mittleren Teile der
Halbinsel statt. Die üppigen Wiesen und Getreidefelder, die herrlichen Knicks und Laub-
wälder schwinden, und soweit das Auge reicht, breitet sich die Heide vor dem Wanderer
aus, in weiten Abständen sieht man Torfschuppen oder die elenden Hütten der Heide-
und Torfbauern. Aber wenn das Heidekraut in Blüte steht, wenn die Heide von Hundert-
taufenden von Bienen belebt ist, dann kann man auch ihr eine gewisse Schönheit nicht
absprechen.
3. Die Ti erw elt.
Hinsichtlich der Tierwelt unterscheidet sich Schleswig-Holstein nicht
wesentlich von den Nachbarländern. Die Wälder hegen viele Rehe und
manchen schönen Edelhirsch, während der Dammhirsch seltener vorkommt.
Der Hase ist überall ziemlich zahlreich; in den Dünen der Nordsee
viele Kaninchen. Der Fischerei schadet die Fischotter sehr. Der Biß der
Kreuzotter, die sich mit Vorliebe in den Kratts aufhält, kann leicht tödlich
wirken. In den Vogelkojen der Inseln Sylt, Föhr und Amrum werden
wilde Enten (Krickenten) immer noch in großer Zahl gefangen, obgleich der
Ertrag gegen früher zurückgegangen ist. In Bezug auf Viehzucht und Fischerei
vergl. Kap. Vii, 5 und 6!
V. Äbriß der Geschichte.
1. Die erste, wenn auch noch dunkle Kunde von den ältesten Be-
wohnern der Cimbrischen Halbinsel geben die stummen Gräber und Geräte
aus unbestimmbarer Vorzeit.
In der ältesten Zeit verwendet der Mensch nur Knochen von Tieren, Steinsplitter
und geschliffene Steine zu Waffen und Werkzeugen; er lebt anfangs nur von der Jagd
und haust in Höhlen, erst allmählich erkennt er den Wert der Haustiere, geht er zur
Viehzucht und zum Ackerbau über. Einen ganz bedeutenden Fortgang in der Entwicke-
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Extrahierte Ortsnamen: Heidelbeer- Oldenburg Schleswig Schleswig-Holstein Nordsee Amrum
Erzählungen und Gedichte.
41
2. Es schwammen an der Küste, daß es die Nahrung sei,
den Mönchen in dem Kloster jährlich zwei Fisch' herbei.
Sie hätten sich sollen begnügen!
3. Zwei Störe, groß, gewaltig; dabei war das Gesetz,
daß jährlich sie den einen fingen davon im Netz.
Sie hätten sich sollen begnügen!
4. Der andre schwamm von dannen bis auf das andre Jahr;
da bracht' er einen neuen Gesellen mit sich dar.
Sie hätten sich sollen begnügen!
5. Da fingen wieder einen sie sich für ihren Tisch;
sie fingen regelmäßig jahraus, jahrein den Fisch.
Sie hätten sich sollen begnügen!
6. Einst kamen zwei so große in einem Jahr herbei;
schwer ward die Wahl den Mönchen, welcher zu sangen sei.
Sie hätten sich sollen begnügen!
7. Sie fingen alle beide; den Lohn man da erwarb,
daß sich das ganze Kloster den Magen dran verdarb.
Sie hätten sich sollen begnügen!
8. Der Schaden war der kleinste; der größte kam nachher:
es kam nun gar zum Kloster kein Fisch geschwommen mehr.
Sie hätten sich sollen begnügen!
9. Sie hat so lange gnädig gespeiset Gottes Huld;
daß sie nun des sind ledig, ist ihre eigne Schuld.
Sie hätten sich sollen begnügen! Mckert.
52. (4.) Nützliche Lehren. (2.)
1. Mit den Wölfen muss man heulen. Das heisst: Wenn
man zu unvernünftigen Leuten kommt, muss man auch unvernünftig thun
wie sie. Merke: Nein! das muss man nicht; sondern erstlich: Du sollst
dich nicht unter die Wölfe mischen sondern ihnen aus dem Wege gehen.
Zweitens: Wenn du ihnen nicht entweichen kannst, so sollst du sagen:
Ich bin ein Mensch und kein Wolf; ich kann nicht so schön heulen
wie ihr. Drittens: Wenn ein Fall kommt, wo du meinst, es sei nimmer
anders von ihnen loszukommen, so kannst du ein- oder zweimal mit-
beilen, aber du sollst nicht mit ihnen beifsen und anderer Leute
Schafe fressen; sonst kommt zuletzt der Jäger, und du wirst mit ihnen
geschossen. Eher lass dich von den Wölfen fressen, als dass du mit
ihnen nur ein Lamm frisst!
2. Frisch gewagt ist halb gewonnen. Daraus folgt: Frisch
gewagt ist auch halb verloren. Das kann nicht fehlen. Deswegen sagt
man auch: Wagen gewinnt, Wagen verliert. Was muss also
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Erzählungen und Gedichte.
7
ganz lose gestellt, und kaum berührte es mit dem Naschen den Sp eck, klapps!
so fiel sie zusammen, und das lüsterne Mäuschen war zerquetscht.
Schulz.
11. Sprichwörter und Denkverse.
1. Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen.
2. Besser zweimal fragen als einmal irre gehn.
3. Eile mit Weile.
4. Wer A sagt, muß auch B sagen.
5. Man soll im Dorfe die Hunde nicht wecken, man habe denn einen
tüchtigen Stecken.
6. Wer ins Feuer bläst, dem fliegen die Funken ins Auge.
7. Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um.
8. Wenn dem Esel zu wohl ist, so geht er aufs Eis tanzen.
9. Der Krug geht so lange zum Btunnen, bis er bricht.
40. Man muß die Saiten nicht zu hoch spannen; sonst reißen sie.
11. Die Suppe wird nicht so warm gegessen, wie sie aufgethan wird.
12. Man hängt den Dieb nicht eher, als bis man ihn hat.
12. (12.) Das Kutschpferd.
Ein Kutschpferd sah den Gaul den Pflug im Acker ziehn
und wieherte mit Stolz auf ihn.
„Wann,“ sprach es und fing an, die Schenkel schön zu heben,
„wann kannst du dir ein solches Ansehn geben?
und wann bewundert dich die Welt?“ —
„Schweig,“ rief der Gaul, „und lass mich ruhig pflügen !
denn baute nicht mein Fleiss das Feld,
wo würdest du den Hafer kriegen,
der deiner Schenkel Stolz erhält?“ Geliert
13. (19 a.) Der Kranich utifc der Wolf.
Da der Wolf einstmals ein Schaf zu gierig fraß, blieb ihm ein Knochen
im Halse stecken, davon er große Not und Angst hatte; und er erbot sich,
d e m großen Lohn zu geben, der ihm hülfe. Da kam der Kranich und stieß
seinen langen Schnabel dem Wolfe in den Rachen und zog den Knochen
heraus. Da er aber den verheißenen Lohn forderte, sprach der Wolf:
„Willst du noch Lohn haben? Danke Gott, daß ich dir den Hals nicht ab-
gebissen habe! Du solltest mir danken, daß du lebendig aus meinem Rachen
gekommen bist." Luther.
14. (21.) Die Sonne und der Wind.
Einst stritten sich die Sonne und der Wind, wer von ihnen beiden der
stärkere sei; und man ward einig, derjenige sollte dafür gelten, der einen
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und ihrem Leben.
131
4. Das hält sie warm, und ganz
getrost
erwartet sie des Winters Frost;
der kann nun noch so grimmig sein,
er dringt ihr nicht ins Herz hinein.
5. Und unterm Schnee, da liegt
so warm
wie’s Kindlein in der Mutter Arm
das Saatkorn dort und wartet still,
ob’s wieder Frühling werden will.
Knauth.
145. (108.) Die diamantene Brücke.
1. Kennst du die Brücke ohne Bogen
und ohne Joch von Diamant,
die über breiter Ströme Wogen
errichtet eines Greises Hand?
2. Er baut sie auf in wenig
Tagen,
geräuschlos, du bemerkst es kaum;
doch kann sie schwere Lasten tragen
und hat für hundert Wagen Raum.
3. Doch kaum entfernt der Greis
sich wieder,
so hüpft ein Knabe froh daher;
der reißt die Brücke eilig nieder,
du siehst auch ihre Spur nicht mehr.
Kind.
146. (186.) Die Eidergänse.
Ganz im Norden von Norwegen ist die eigentliche Heimat des Vogels,
unter dessen Federn es sich so sanft schläft; aber schon auf der Reise von
Drontheim nach Hammerfest, dem nördlichsten Handelshafen der alten Welt,
trifft man unzählige Eidergänse, die teils auf den Felsen sitzen teils auf dem
Meere schwimmen. Von allen Vögeln des Nordens können sie sich am läng-
sten unter dem Waffer halten; oft dauert es bis zu fünfzehn Minuten, ehe
sie wieder emportauchen. Sie sind so zahm, daß die Menschen sie dort wie
Haustiere behandeln; ihre Nester bauen sie in der Regel in den Hütten der
Stranddörfer. Ohne Furcht kann man das Weibchen dann vom Neste heben
und dieses der kostbaren Federn, mit denen es angefüllt ist, berauben. Die
männlichen Tiere sind ungemein stark; mit der größten Leichtigkeit erbrechen
sie Schnecken oder Muscheln. Die Farbe der Federn ist entweder weiß oder
dunkelgrau oder gelblichgrau, und die geschätztesten sind die, welche sich das
Weibchen von der Brust rupft. Zwei-, selbst dreimal lassen die Tiere sich's
gefallen, daß man ihr Nest plündert; dann aber verlassen sie den Aufenthalt
und bauen ihre Nester in Felsspalten am Meere. Solche Nester auszuheben,
ist dann freilich oft mit Lebensgefahr verbunden. In jedem Neste befinden
sich vier bis fünf Eier von graugrünlicher Farbe, und diese sind trotz ihres
thranigen Geschmacks eine Lieblingsspeise der Finnen und Lappen.
Der Handel mit den Eiderdunen ist sehr bedeutend. Gewöhnlich werden
die Federn in runden Ballen oder in viereckigen Paketen von drei bis vier
Pfund verpackt. Von der feinsten Sorte reicht zu einem vollständigen Ober-
bett schon ein halbes Pfund hin. Wie groß aber der Gewinn ist, geht dar-
aus hervor, daß man im Durchschnitt in jedem der unzähligen Nester hun-
dert Gramm Federn findet.
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in Familie, Gemeinde und Staat.
179
schönes Gerstenfeld an. „Das ist es, was wir suchen," rief der Rittmeister.
„Noch einen Augenblick Geduld!" sagte der Greis, „und Sie sollen befriedigt
werden." Sie marschierten also weiter und gelangten nach einiger Zeit zu
einem andern Gerstenfelde. Die Reiter stiegen von den Pferden, mähten
das Feld ab, banden die Gerste auf die Pferde, saßen wieder auf und ritten
davon. Darauf sagte der Rittmeister zu seinem Führer: „Guter Vater, Ihr
habt uns unnötigerweise weiter reiten lassen; das erste Feld war besser als
dieses." -- „Das kann wohl sein," entgegnete der Alte, „aber es gehörte nicht mir."
Caspari.
202. (174.) Dev Wilde.
1. Ein Kanadier, der noch Europens
übertünchte Höflichkeit nicht kannte
und ein Herz, wie Gott es ihm gegeben,
von Verstellung frei, im Busen fühlte,
brachte, was er mit des Bogens Sehne
fern in Quebeks übereisten Wäldern
auf der Jagd erbeutet, zum Verkaufe.
Als er ohne schlaue Rednerkünste,
so wie man ihm bot, die Felsenvögel
um ein Kleines hingegeben hatte,
eilt' er froh mit dem geringen Lohne
heim zu seinen tiefverdeckten Horden,
in die Arme seiner braunen Gattin.
2. Aber ferne noch von seiner Hütte
überfiel ihn unter freiem Himmel
schnell der schrecklichste der Donnerstürme.
Aus dem langen, rabenschwarzen Haare
troff der Guß herab auf seinen Gürtel;
und das grobe Haartuch seines Kleides
klebte rund an seinem hagern Leibe.
Schaurig zitternd unter kaltem Regen
eilete der gute, wackre Wilde
in ein Haus, das er von fern erblickte.
„Herr! ach laßt mich, bis der Sturm sich leget,"
bat er mit der herzlichsten Gebärde
den gesittet feinen Eigentümer,
„Obdach hier in Eurem Hause finden!" —
„Willst du mißgestaltet Ungeheuer,"
schrie ergrimmt der Pflanzer ihm entgegen,
„willst du Diebsgesicht mir aus dem Hause?"
und ergriff den schweren Stock im Winkel.
12*
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Erzählungen und Gedichte.
9
äsn Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe. Da zog dieser seinen
blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts tüchtige Hiebe, dass
er über und über blutend mit Geheul zum Fuchse zurücklief.
„Nun, Bruder Wolf,“ sprach der Fuchs, „wie bist du mit dem
Menschen fertig geworden?“ — „Ach,“ antwortete der Wolf, „so habe ich
mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt! Erst nahm er einen
Stock von der Schulter und blies hinein; da flog mir etwas ins Gesicht,
das kitzelte mich entsetzlich. Darnach blies er noch einmal in den
Stock, da flog mir’s um die Nase wie Blitz und Hagelwetter; und wie
ich ganz nahe war, da zog er eine blanke Rippe aus dem Leibe; damit
hat er so auf mich losgeschlagen, dass ich beinahe tot liegen geblieben
wäre.“ — „Siehst du,“ sprach der Fuchs, „was du für ein Prahlhans
hist!“ Gebr. Grimm.
17. (22.) Der Zeisig.
Ein Zeisig war's und eine Nachtigall,
die einst zu gleicher Zeit an Nachbars Fenster hingen.
Die Nachtigall fing an, ihr göttlich Lied zu singen,
und Nachbars kleinem Sohn gefiel der süße Schall.
„Ach, welcher singt von beiden doch so schön?
Den Vogel möcht' ich wirklich sehn!"
Der Vater macht ihm diese Freude;
er nimmt die Vögel gleich herein.
„Hier," spricht er, „sind sie alle beide;
doch welcher wird der schöne Sänger sein?
Getraust du dich, mir das zu sagen?"
Der Sohn läßt sich nicht zweimal fragen;
schnell weist er auf den Zeisig hin.
„Der," spricht er, „muß es sein, so wahr ich ehrlich bin.
Wie schön und gelb ist sein Gefieder!
drum singt er auch so schöne Lieder.
Dem andern sieht man's gleich an seinen Federn an,
daß er nichts Kluges singen kann." Geu«rt.
18. (26.) Der Wolf und der Fuchs.
Der Wolf hatte den Fuchs bei sich; und was der Wolf wollte, das
mußte der Fuchs' thun, weil er der schwächere war; und der Fuchs wäre
gern des Herrn los gewesen. Es trug sich zu, daß beide durch den Wald
gingen. Da sprach der Wolf: „Rotfuchs, schaff' mir was zu fressen, oder
ich fresse dich!" Da antwortete der Fuchs: „Ich weiß einen Bauernhof,
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76
Ii. Bilder aus der Natur
90. (53.) Maiblumen.
1. Die Luft ist blau, das Thal ist
grün,
die kleinen Maienglocken blühn
und Schlüsselblumen drunter;
der Wiesengrund
ist schon so bunt
und malt sich täglich bunter.
2. Drum komme, wem der Mai
gefällt,
und freue sich der schönen Welt
und Gottes Vatergüte,
die solche Pracht
hervorgebracht,
den Baum und seine Blüte.
Hölty,
91. Der Frosch.
Den Winter hindurch liegen die Frösche in dem tiefen Schlammgrunde der
Gewässer. Sie sind starr und steif, essen nicht und atmen nicht. Auf dem
Wasserspiegel über ihnen laufen muntere Knaben Schlittschuh; aber die
Frösche merken nichts davon. Wenn jedoch im Frühling das Eis schmilzt,
dann stehen mit anderen Tieren auch die Frösche vom Winterschlaf auf und
heben sich vom tiefen Schlammgrunde nach oben. — Erst streckt ein einzelner
den Kopf aus dem Wasser hervor und quakt in kurzen, tiefen Tönen; dann
fallen zwei, drei andere ein und zuletzt der ganze Chor. Dem Männchen
treten dabei zwei dicke Blasen an der Seite des Halses hervor, die den
Schall verstärken helfen.
Wenn es warm geworden ist, legen die Frösche ihre Eier. In einer
dem Eiweiß ähnlichen Masse hängen sie die kleinen Eier, die wie dunkle Pünkt-
chen aussehen, an Wasserpflanzen. Das Wasser ist die Wiege der in den Eiern
enthaltenen winzigen Froschbrut; die Maienluft schaukelt sie sänftiglich, und
weiße Hahnenfußblüten und gelbe Dotterblumen sind ihre bunte, leichte Decke.
Wenn die Sonne wärmer scheint, wird das Pünktchen in dem Froschlaich
größerund größer; endlich zerteilt sich die gallertartige Masse, und der junge
Frosch schlüpft aus.
Welche wunderliche Gestalt zeigt er! Ein rundes, schwarzes Körperchen
und daran ein langer, breiter Schwanz: das ist das ganze Tier. An dem
Körper ist noch kein Unterschied von Kopf, Hals und Rumpf zu merken; nur
die Augen und der Rumpf sind wahrzunehmen und an den Seiten zwei
zartgefaserte Häutchen. Das sind Kiemen, durch die das Tier Atem holt,
da sie so eingerichtet sind, daß sie die Lust aufnehmen können, die im
Wasser enthalten ist. Mit Hilfe des Schwanzes kann sich der junge Frosch,
den man in diesem Zustande Kaulquappe nennt, nach links und nach rechts,
nach oben und nach unten bewegen. Nach einiger Zeit fangen die Hinter-
füße an zu wachsen; zuerst sehen sie wie zwei Häkchen aus, werden aber
bald größer, bis sie endlich Schenkel, Zehen, und Schwimmhäute bekommen
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Und ihrem Leben.
129
Und im Herbste, welche Wonne
bring' ich in des Menschen Haus!
schaff' ihm eine neue Sonne,
wann die alte löschet aus."
So sich brüstend sprach die Rebe;
doch die Tanne blieb nicht stumm;
säuselnd sprach sie: „Gerne gebe
ich dir, Rebe, Preis und Ruhm.
Eines doch ist mir beschieden:
mehr zu laben als dein Wein
Lebensmüde; — welchen Frieden
schließen meine Bretter ein!"
Ob die Rebe sich gefangen
gab der Tanne, weiß ich nicht;
doch sie schwieg, und —Thränen hangen
sah ich ihr am Auge licht.
Kerner.
143. (185.) Das Renntier.
Das Renntier kommt an Größe aber nicht an Leichtigkeit der Gestalt
dem Damwild gleich. Seinen gedrungenen Körper tragen stämmige Beine,
die auf breiten, bei jedem Tritt knackend auseinanderweichenden Hufen ruhen.
Mit ihnen eilt das Renntier ebenso behende über den Schnee wie der Schwielen-
fuß des Dromedars über den Sand; und wie dieses ist es im stände, reißende
Gewässer leicht zu durchschwimmen. Auch die dichte, dunkle Behaarung, die
unter dem Halse eine Mähne bildet, kennzeichnet das Geschöpf der Winter-
zonen. Die Schaufeln seines vielästigen Geweihes dienen ihm als Waffe
und sein Fuß als Grabscheit, um im Winter, wenn alles Grün unter
dem Schnee begraben ist, die nährenden Flechten daraus hervorzuscharren.
Kopf und Hals des Renntiers sind kurz und dick, Vorderbug und Schultern
von massiger Stärke, als sei es von der Natur selbst zum Ziehen schwerer
Lasten auf beschwerlichen Wegen bestimmt.
Man weiß, daß das Leben der nördlichen Völker Europas und Asiens
mit dem Leben dieses Geschöpfes untrennbar verbunden ist. Es macht ihre
einzige Habe aus. Leichten und sicheren Fußes zieht es den Schlitten des
Lappen, trägt diesen selbst, labt ihn mit kräftiger Milch und giebt ihm
in seinem Fleische eine nahrhafte Speise. Es geht überhaupt von diesem
Tiere nichts ungenutzt verloren; selbst die Knochen und Sehnen weiß der
Lappe zu seinem ärmlichen Hausrate zu verwenden. Mit der Haut aber
kleidet und deckt er sich, behängt er sein Zelt, füllt er seinen Schlitten und
das Lager der Lebenden und Toten. Dazu ist Zähmung und Unterhalt der
Tiere fast mühelos. Es sucht den Menschen und bleibt ihm eigen, ohne
eines Hüters oder Obdachs zu bedürfen.
Die hohen, wüsten Felsklippen, die fürchterlichen Sümpfe, deren Decke
das bittere Renntiermoos und die Zwergmaulbeere trägt, sind seine Heimat.
Wo jene nahrungsreiche Flechte mit ihrem dürren, schneeweißen Wüchse Moore,
Felsen und Hänge überkleidet, da weiden überall die nach Hunderten und
Tausenden zählenden Herden dieser Tiere; und schon aus weiter Ferne erkennt
das Auge des Lappen den wandernden Wald von Geweihen. Aber wie den
Araber das Kamel, so und in noch viel höherem Grade zwingt den Lappen
Schleswig-holst. Kinderfreund. 9
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und ihrem Leben.
139
Leib zu erhalten scheint, wie es das Fett bei denjenigen Tieren unserer
Gegend thut, die {n einen Winterschlaf verfallen. Außerdem vermag es
sich von Pflanzen zu ernähren, die weder das Schaf noch die Ziege fressen
können. Sein Gaumen wie seine Zunge sind nämlich mit einer harten,
lederartigen Haut überzogen, so daß es stachelige Kräuter, Nesseln und Baum-
rinde mit demselben Behagen zerbeißt wie das weichste Gras.
In ebenso auffallender Weise wie auf langes Ertragen des Hungers ist
der Körper des Kamels auf langes Dursten eingerichtet, indem die eine Abteilung
seines Magens mit zahlreichen Zellchen versehen ist. In diesen kleinen, häutigen
Wasserflaschen bewahrt es für die Zeit der Not einen Vorrat von Wasser auf,
von dem so oft etwas zur Verdauung der Speisen in den Schlund tritt, wie
das Bedürfnis dazu vorhanden ist. Es kann deshalb 4 bis 6 Tage ohne
Wasser hinbringen, trinkt aber dann 25 bis 30 Liter auf einmal. Die Füße
dieses wunderbaren Tieres sind unten mit einem schwieligen Kissen versehen,
auf dem der Huf gleichsam ruht, und mit dem es den brennenden Sand-
und Kiesboden ohne Nachteil für die Füße durchwandern kann.
Ein Pferd würde die Mühsale nicht aushalten, die das Kamel ohne
Beschwerde erträgt. In einer Hitze und Dürre der Luft, bei der Pferde und
Ochsen verschmachten müßten, und bei einem Boden, auf dem ein Wagen
gar nicht fortrücken könnte, legt es mit einer Last von 10 Centnern täglich
45 Kilometer zurück; ja, man hat Beispiele, daß es unbeladen 24 Stunden in
einem starken Trabe forteilte, ohne auszuruhen oder Verlangen nach Futter
zu zeigen. Die rauhesten Gebirgswege steigt es mit Leichtigkeit und Sicherheit
auf und ab; und dabei ist es am Abend noch ebenso frisch auf den Beinen
wie am Morgen. An dem Schenkelgelenk der Füße hat es harte Knorren,
die den schweren Körper stützen, wenn es niederkniet. Knieend läßt es sich
seine Last abnehmen, knieend empfängt es sie.
Aus den Haaren des Kamels wird ein Tuch für Zelte und Mäntel
bereitet. Seine Haut liefert ein gutes Leder für Schuhe und Wasserschläuche.
Aus seiner Milch gewinnt man Butter und Käse. Auch das Fleisch ist
wohlschmeckend; und wie dieses Tier in den wasserarmen Gegenden den Quell
zu ersetzen weiß, so vermag es in den ebenso holzarmen Wüstengegenden
auch den Brennstoff zu ersetzen, indem sein Mist wie Holz brennt. Die
Wüstenbewohner sammeln den Mist, trocknen ihn an der Sonne und haben
daran oft den einzigen Brennstoff. So ist ihnen das Kamel, das die
Kuh, das Schaf und das Pferd vertritt, von derselben Wichtigkeit wie dem
Lappländer das Renntier. Es ist das einzige Tier, das in dem brennenden
Wüftensande den Verkehr ermöglicht, wie das Renntier im Norden fast das
einzige Tier ist, das mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Ausdauer alle
Schwierigkeiten überwindet, die der Schnee dem Verkehr entgegensetzt.
Gude.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art]]
104
Ii. Bilder aus der Natur
streifen, ist leider weiter verbreitet und häufiger als unserer Wohlfahrt er-
sprießlich ist. Sie bewohnt sonnige und womöglich zugleich feuchte, mit
niederem Gestrüpp bestandene, an Schlupfwinkeln reiche Örtlichkeiten der Höhe
wie der Tiefe, Heiden und Moore oft in bedenklicher Menge. Im März verläßt
sie ihre Winterherberge und treibt sich von da an bis Anfang Oktober in
einem kleinen Gebiete umher. Ein Nachttier wie alle ihre Verwandten,
dabei die Sonnenwärme in hohem Grade liebend liegt sie am Tage
schlummernd mehr oder minder verborgen auf einer und derselben Stelle,
im Strahle der Sonne sich reckend, über jede Störung ihrer Behaglichkeit
ingrimmig sich erbosend. In der Regel belehrt ein ärgerliches Zischen über
ihr Vorhandensein; oft aber schnellt sie ohne diese Warnung den zum
Bisse gehobenen Giftzahn auf den sich ihr Nahenden. Und wenn das
von ihr ins Auge gefaßte Glied nicht wohl geschützt ist, so hat der
giftige Tropfen seine verheerende Wirkung begonnen, bevor man noch den
Feind entdeckt.
Wer ihn zu würdigen weiß, betritt vorsichtig und nur mit festen
Stiefeln bekleidet dessen Lteblingswohnsitze, achtet auf jedes Geräusch, sucht
und arbeitet nicht mit den Händen auf dem Boden umher und bricht sich,
wenn er das tückische Kriechtier entdeckt, die erste beste Rute vom nächsten
Strauche. Ein Schlag, selbst von Kindeshand über den Rücken geführt,
genügt, den Giftwurm zu fällen. Nur daß man sich nicht verleiten lasse,
die scheinbar getötete Kreuzotter unvorsichtig aufzunehmen! Der vom Rumpfe
getrennte Kopf beißt noch ebenso wütend und fast ebenso gefährlich wie die
lebende Otter nach dem Feinde. Wer das Mißgeschick hat gebissen zu werden,
säume nicht mit Gegenmitteln, zu denen namentlich sofortiges Aussaugen
der Wunde gehört; jede Verzögerung kann den Tod herbeiführen.
Die Kreuzotter nährt sich fast ausschließlich von Mäusen, die sie des
Nachts erlauert, macht sich also in gewissem Grade nützlich; aber jeder
andere Mäusefeind leistet mehr als sie; und ihr Giftzahn ist denn doch allzu
gefährlich, als daß man ein Wort zu ihren Gunsten einlegen dürfte.
Brehm.
120. (79.) Sommerfreude.
1. Geh aus, mein Herz, und suche
Freud’
in dieser liehen Sommerzeit
an deines Gottes Gaben!
Schau’ an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben!
2. Die Bäume stehen voller Laub ;
das Erdreich decket seinen Staub
| mit einem grünen Kleide.
Narcissen und die Tulipan’,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide.
3. Die Lerche schwingt sich in
die Luft;
das Täublein fliegt aus seiner
Kluft
und macht sich in die Wälder.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]