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bcr Brücke. Er blickte nach allen Seiten hin, ging auf und ab und suchte
alleuthalbeu auf dem Fahr- und Fußwege. Er sah den Vorübergehenden
ins Gesicht, betrachtete die Reiter, Fuhrleute und Frachtmagen, verfolgte die
Schiffe und Kühue mit spähendem Auge und ließ sogar die Tiere, die die
Brücke betraten, nicht unbeachtet. Es wurde Abend, ohne daß er auch nur
eine Spur von dem verheißenen Schatze entdeckt hatte. Kleinlaut sprach er
bei sich: „Villeicht morgen," und verließ die Brücke um eine billige Her-
berge aufzusuchen.
Kaum ergläuzte die Donau iu den ersten Strahlen der Morgensonue,
da stand auch Christoph schou wieder auf der Brücke. Vergebens stellte
er noch aufmerksamere Beobachtungen an als tags zuvor. Vergebens be-
trachtete er auch die kleinste Mauerritze, ja jedes Steinlein. — Aber aller
guten Dinge sind ja drei. Christoph beschloß, auch noch den dritten Tag
sein Glück zu versuche».
Allein, als die Sonne zum dritten Male unterging, ohne daß Christoph
auch nur einen Kreuzer auf der Brücke gefunden hatte, schwand ihm alle
Hoffnung. Er hörte auf zu suchen. Traurig beugte er sich über die
Brückenmauer und schaute in das dahinfließende Wasser. Doch seine Ge-
danken waren weit weg. „Mein armes Weib, meine hungernden Kinder,"
seufzte er, und eine Thräne rann über sein bleiches Gesicht.
Da klopfte ihm jemand auf die Schulter. Erschrocken sah er sich um.
Es war der Wirt, bei dem er übernachtet hatte. Der führte Christoph zu
einer nahen Bank und fragte ihn nach seinem Herzeleid. Christoph er-
zählte ihm, wie arm er sei, und daß er geträumt habe, er werde auf der
Regensburger Brücke einen Schatz finden.
Der ehrliche Bayer schüttelte den Kopf und sagte: „Nur eines Traumes
wegen habt ihr die weite Reise unternommen? — Das war nicht klug ge-
handelt. Mir hat auch vor Jahreu drei Nächte hintereinander geträumt,
ich solle ins Vogtland wandern, dort läge unter dem Stelzenbaume ein
großer Schatz vergraben. Ich habe mich aber nicht narren lassen, sondern
bin zu Hans geblieben. Es ist das beste, ihr tretet morgen eure Rückreise
wieder an. Und weil ihr so gar arm seid und doch eure Reise umsonst
gemacht habt, will ich für enre Zeche nichts nehmen."
Bei der Erzähluug von dem Traume des Wirtes war Christophs
Hoffnung von neuem erwacht. Er dankte dem freundlichen Manne und
folgte ihm in die Herberge.
Noch ehe der Hahn krähte, hatte Christoph sein Bündel geschnürt und
eilte heimwärts. Unterwegs gönnte er sich nur wenig Ruhe.
Die Ungeduld trieb ihn vorwärts. Endlich sah er eines Abends den
Stelzenbaum von'ferne. Jetzt trat er in seine Hütte. Enttäuscht hörten
die Seinen, daß er ihnen gar nichts mitbringe. Er setzte sich nicht crst zu
ihnen. Er sagte auch nicht, was er vorhatte. Von ihnen unbeobachtet
ging er in den leeren Stall. Dort nahm er Hacke und Schaufel und
schritt schnell hinauf zum Stelzenbaume.
Eilig schaffte er das Erdreich unter der Wurzel, auf der er so oft ge-
sessen und geträumt hatte, beiseite. Lauge grub er vergeblich. Plötzlich
traf seine Hacke einen harten Gegenstand. Ein wunderbarer Klang tönte
zu ihni herauf. Er bückte sich, räumte mit den Händen die Erde weg und
fand einen großen kupfernen Kessel, der mit einem schweren Deckel ver-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Christoph Christoph Christoph Christoph Christoph_er- Hans Christophs Christoph
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Sohn des begüterten Bauers Johann Martin Schmidt in Rothenacker, einem
renßischen, in das sächsische Kirchdorf Mißlarenth^) eingepfarrten Dorfe.
Der Name Küntzel wurde ihm nach seinem Großvater beigelegt. Der
bei seinem Begräbnisse verlesene Lebenslauf sagt darüber:
„Der Groß-Vater vom Vater hatte geheißen Conrad Schmidt, und wie
an vielen Orten, sonderlich unter gemeinen Leuten, der Brauch, daß der
Nähme Conrad in Knntz verwandelt wird, also ist er, da er noch ein Kind
gewesen, Küntzlein oder Küntzel genannt worden, welcher Nähme Küntzel
ihm nicht allein geblieben, sondern ist auch, (weil derer so den Nahmen
Schmidt gehabt, in gemeldtem Rothen-Acker viel gewesen) seinen Nachkommen
zu einem Beynahmen erwachsen, welches Beynahmens auch der selig ver-
storbeue Herr Nicolaus sich uicht geschämet, sondern denselben seinem Groß-
Vater zu Ehren öffentlich geführet, welches auch von seinen Kindern und
Kindes-Kindern uoch stets wird in acht genommen."
2. Obgleich Nicolaus' Vater das größte Bauerngut im Dorfe besaß, wuchs
doch der Kuabe, der das einzige Kind seiner Eltern war, ohne allen Schul-
Unterricht auf. Vou seiner lieben Mutter uur lernte er durch Vorsagen
einige Gebete und die Hauptstücke des Katechismus; sonst aber lernte er
nichts, weder Lesen noch Schreiben. Da er noch kleiner war, mußte er
die Kühe hüten, und als er das nicht länger thun wollte, weil er schon
16 Jahre alt geworden war, mit den Pferden zu Acker fahren.
Da dingte der Vater einen Jungen, der die Kühe hüten sollte. Der
hatte lesen gelernt, brachte ein Abc-Bnch mit ins Hans und bekam in
Nicolaus den eifrigsten Schüler. Das Abc ging ihm gar leicht ein, daß
er's in ein oder zwei Tagen konnte. Das Buchstabieren aber wollte ihm
schon etwas schwerer fallen. Da nahm er das Buch mit aufs Feld und
ließ sich von dem Hüteknaben das Buchstabieren am Vaterunser zeigen. Der
Vater freilich war mit dem Wiffeusdrauge seines Sohnes gar nicht ein-
verstanden und sagte: „Wenn ich meine, ihr seid in meiner Arbeit, so steckt
ihr in einem Winkel, sehet in das Buch und versäumt mir die Arbeit."
Da begrüßte es der Knabe mit Freuden, daß er ein böses Bein bekam
und in der Stube bleiben mußte; nun konnte er ungehindert die Sonntags-
evangelien lesen den ganzen Tag. Nur machten ihm darin einige schwerere
Wörter, wie Propheten, Kephas n. dergl., die auch der Hüteknabe nicht aus-
zusprechen verstand, rechte Sorge. Da hörte er denn, als er wieder gesund
war, iu der Kirche mit großem Eifer auf den Pfarrherrn, wie der dieselben
Wörter aussprach.
3. Als nun Nicolaus die deutsche Schrift lesen konnte, bekam er Lust,
die lateinische Sprache zu erlernen. Hierin war er ganz sein eigener Lehrer.
Von einem Verwandten hatte er einen lateinischen Katechismus be-
kommen und hielt nuu den lateinischen neben den deutschen und dachte, es
müßten doch die Wörter in dem einen denselben Sinn haben wie in dem
*) Das Kirchdorf Mißlareuth liegt hart an der Grenze des Vogtlandes und zwar
dort, wo man in wenigen Minuten vier Länder betreten kann: Sachsen, Bayern, Reuß
j. L. und Preußen. (?s liegt in einer Höhe von 620 m, also ungefähr 10 in höher als
die Stelzenhöhe und 100 m höher als der Kemmler bei Plauen. Sein von der Morgen-
sonne beleuchteter Turm grüßt freundlich zum Bewohner vou Schöneck hinüber; nach
ihm fragt der Besucher des Döbraberges im Frankenwald und des Epprechtsteines
im Fichtelgebirge.
Unser Vogtland. Z.neudruck. 9
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
Extrahierte Personennamen: Bauers_Johann_Martin_Schmidt Johann Conrad_Schmidt Conrad Schmidt Nicolaus Hans Kephas Nicolaus
Eier ausbrütet, sein bester Freund. Von diesem merkwürdigen Vöglein
geht eine schöne Sage, welche Julius Mosen in einem herrlichen Ge-
dichte behandelt hat. Man erzählt, der Vogel habe seinen krummen
Schnabel und die roten Blutstropfen auf feinem Gefieder von dem ver-
geblichen Bemühen erhalten, dem am Kreuze blutenden Erlöser die Nägel
aus den durchstochenen Händen zu ziehen. In der Schönecker Gegend ist
der Kreuzschnabel der häufigste Stnbengenosse der Bewohner; denn er
heilt uach dem alten Volksglauben die Gicht und das Reißeu.
Mau glaubt, daß er diese Krankheiten aus dem Körper der in
seiner Nähe Weilenden in sich aufnimmt und dadurch den Kranken
rettet, während er selbst nach und nach hinsiecht und stirbt. — Ein
lieber Freund des Vogtländers ist auch der Kuckuck. Wer ihn zum ersten
Male im Jahre hört, klopft an seine Geldtasche, um das gauze Jahr hin-
dnrch immer viel Geld zu haben. Man fragt ihn, wie lange man noch
leben werde, und durch sein Rnfen giebt er die Zahl der Jahre an. —
Von den Schwalben sagt man, sie bringen dem Hanse Segen, an oder in
welchem sie ihr Nest bauen, besonders schützen sie es vor dem Feuer
und vor dem Blitze. Man hütet sich daher, mit ihnen sein Glück zu ver-
treiben.
5. So sieht man denn, wie innigen Gemütes, von welch gutem
Kerne der Vogtländer ist, trotzdem er dem Fremden derb und rauh, ja oft
abstoßend erscheint. Wer allerdings den Vogtländer nur im Wirtshause
zu sehen Gelegenheit hat, wer da hört, wie sich Freunde und Bekannte —
was freilich nicht schön ist — mit oft recht wenig schmeichelhaften Titeln
begrüßen, der wird sich einen vollständig falschen Begriff von ihm machen.
Um ihn ganz kennen zu lernen, muß man sein Familienleben belauschen,
muß die aufopfernde Liebe der Familienglieder untereinander sehen, muß
ihre Lieder hören, ihren rechtschaffenen, biederen Charakter kennen lernen.
Mit dem rauhen Außenwesen des Vogtländers hängt eine andere
Eigenart zusammen, das ist seine Geneigtheit zur Selbsthilfe. Ob diese
Eigenschaft in der Zeit sich entwickelt hat, als noch Slaven und Deutsche
nebeneinander wohuteu und Reibereien und Schlägereien im kleinen und
großen sehr oft vorkanien, oder ob sie ein noch älteres Erbteil des Stammes
der Franken ist, wer vermag das zu sagen? Thatsache ist es, daß der Vogt-
länder lieber selbst mit eigener Hand ablohnt, als daß er vor den Gerichten
Klage führt. Doch ist der Vogtländer in diesem Stücke lange nicht so schlimm
wie sein Ruf; auch find die Gewaltthätigkeiten sehr stark im Abnehmen be-
griffen, seitdem die Gerichte mit voller Strenge dagegen einschreiten.
Eine andere Eigenart des vogtländischen Volkscharakters ist das Miß=
trauen, welches man zwar bei allen ländlichen Bewohnern von ganz
Deutschland antrifft, das aber kaum irgendwo so stark cutwickelt ist wie im
Vogtlande. Es ist vielleicht eiue Folge des Abhängigkeitsverhältnisses vom
Rittergutsbesitzer, dem „Herrn", wie derselbe hente noch überall kurz heißt,
und dereu es auf dem kleinen Räume 120, in manchem kleinen Dorfe oft
zwei giebt. Bis in die vierziger Jahre waren die Leute diesem Herrn
zum Fronen verpflichtet und überhaupt ganz und gar von ihm abhängig,
ja manche sind es in gewisser Hinsicht heute noch. Die Rittergutsbesitzer
ließen durch ihre Gerichtshalter die Rechtspflege in ihrem Namen ausüben.
Dabei mag dem Volke wirklich gar oft berechtigter Grund zu Klagen gegeben
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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f
130
andern. Und als er von demselben Verwandten noch mehr lateinische
Bücher zum Geschenk erhalten hatte, lernte er mit solchem Eifer, daß er
sehr bald lateinische Schriftsteller lesen und verstehen konnte. Darnach er-
hielt der lernbegierige junge Mensch vom Schullehrer in Mißlarenth einen
Katechismus, der in vier Sprachen: Deutsch, Lateinisch, Griechisch und
Hebräisch geschrieben war. Der zog ihn mächtig an, zumal er daraus die
Sprache kennen lernte, in der die heiligen Männer des Alten Testaments,
Moses und die Propheten, ihre Bücher geschrieben haben. Daher suchte er
sich hebräische Bücher zu verschaffen, woher er nur konnte und versäumte
nie, zur Messe iu Hof bei den Buchhändlern nach derartigen Büchern zu
fragen. Doch genügte ihm anch die Kenntnis dieser Sprachen noch nicht;
rastlos lernte er neue hinzu, mit besonderer Vorliebe morgenländische, bis
nach und nach durch unablässiges Studium aus dem unwissenden Bauern-
knaben ein gelehrter Sprachkenner geworden war, der mehr als ein Dutzend
fremde Sprachen lesen, sprechen und verstehen konnte.
Und dabei blieb er in seinem äußeren Leben, was er war: ein schlichter,
fleißiger Bauersmann, der Jahr für Jahr sein Vieh abwartete, der ackerte,
erntete und drasch. Aber wo er ging und stand, führte er ein Buch bei
sich. Sogar bei Tische lag neben seinem Teller das Buch, und er las
darinnen während des Essens. „Wenn er gedroschen, hat er die srembden
orientalischen Sprachen in der Scheune hin und wieder angeschrieben und
unter wehrendem Dreschen sich in denselbigen geübet. Zu Nachts, wenn
andere Lente ihrer Rnhe gepfleget, hat er ihm den Schlaff abgebrochen
und in guten Büchern gelesen, und daraus mancherlei gute Wissenschaften
erlanget."
4. Vor allen Dingen brauchte der gelehrte Bauer, wie Nie. Schmidt
jetzt von allen Leuten genannt wurde, Bücher. Er besuchte deshalb häufig
Hof, Schleiz, Lobeusteiu, ja scheute selbst nicht den weiten Weg nach Nürn-
berg und nach Leipzig, um sich Bücher zu erwerben.
Als er einst bei einem Leipziger Buchhändler nach einem wertvollen,
gelehrten Buche fragte, erwiderte der Buchhändler verächtlich, das sei nur
für große Gelehrte, — worauf unser Bauer antwortete: „Verschlägt nichts,
ich bezahfs wie ein Gelehrter!" Dann lud er seine Schätze auf einen
Schubkarren und fuhr sie selbst uach Hause. So brachte er in seine Bücher-
sammlung nach und nach mehr als 600 Bände. Wie manchen Weg mag
er darnach unternommen haben! Und wie schmerzlich war es für ihn,
sehen zu müssen, wie sie im Jahre 1640 durch die plündernden Kroaten
vernichtet wurden! Das war ein harter Schlag für ihn, von dem er sich
nur allmählich erholte. Er mußte neue Gelehrtenreisen unternehmen. Wo-
hin er kam, wurde er als ein Wunder der Gelehrsamkeit angestauut, Er
verkehrte mit den größten Gelehrten der damaligen Zeit, die ihm zum An-
denken manch gutes Buch mitgaben, aus dem er zu Hanse neue Kenntnisse
schöpfte. Ja, sein Ruhm gelangte bis an die Höfe der Fürsten. Von den
Fürsten zu Dresden und Gera wurde er eingeladen, legte Zeugnis von
seinem Wissen ab und wurde durch reiche, fürstliche Geschenke ausgezeichnet.
In der Dresdener Bibliothek ist noch eine Handschrift vom gelehrten
Bauer mit 150, in der zu Schleiz eine solche mit 250 Schrift- und
Sprachenproben erhalten. Diese Schriften erregten damals großes Auf-
sehen; es heißt: „Wenn der Chnr-Fürst gleich eine Tonne Goldes spendiret
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Personennamen: Schleiz Schleiz
Extrahierte Ortsnamen: Mißlarenth Leipzig Dresden Gera Dresdener_Bibliothek
— 121 —
Sie ist älter als das Schriftdeutsch. Sie spaltet sich eigentlich in zwei
Arten: im oberen Vogtlande spricht man oberpfälzisch, im übrigen Vogt-
lande ostfränkisch. In den Grenzbezirken vermischen sich die Mundarten.
In der Reichenbacher Gegend wird die Mundart der erzgebirgischen ähn-
licher; der Auerbacher singt ähnlich dem Erzgebirger; der Adorfer und
Brambacher schnurrt das „r" im Anlaute, und im Auslaute kann er es
fast uicht aussprechen; nach Bayern hin wird die Mundart noch härter und
rauher; in Greiz und Elsterberg wird sie so breit, wie die thüringische.
Immer ist es aber in ihren Gruudelementen dieselbe Sprache. So haben
viele helle Laute oft einen dumpfen Klaug. Gern wird am Schlüsse vieler
Worte das „e" weggelassen, wie bei Stnb, Kirch, Mütz; gern gebraucht
man statt der Silbe cheu die Silbe el und sagt statt Häuschen Hänsel.
In manchen Gegenden des Vogtlandes wird häusig das „r" weggelassen
— Adof —; oft wird es gebraucht, wo es nicht hingehört: „Drnhm br
uns." Statt I wird oft G gesetzt, z. B. Gnng für Junge — Gack für Jacke.
„Hot dr Guug ka Gack aa?"
Im Gespräche bedient sich der Vogtländer gern sprichwörtlicher Redens-
arten. Diese sind oft recht derb, meist nrwüchsig-witzig; alle aber lassen
so recht erkennen, wie der Vogtländer denkt und fühlt. Auch der Vogtländer
hält Reichtum für ein großes Glück. Wie aber soll er zu solchem kommen,
da ihm die Erde nicht viel mehr giebt als er selber braucht? Er sieht sein
Glück in einer reichen Heirat und der Bequemlichkeit, die sich reiche Leute
bieten können. Sieht der Bauer, wie seine Leute, anstatt zu arbeiten, in
süßem Nichtsthun schwatzend beisammen sitzen, so ruft er ihueu zu: „Ihr
hatt wul gfreit un sed gut akumme?" — Doch wird man selten einen Vogt-
ländischen Bauer finden, der den Genüssen des Gaumens frönte, selbst
wenn's ihm sein Geldbeutel erlaubte, wie man's Wohl anderwärts findet.
Die Bratwurst, die mancher Feinschmecker beiseite schiebt, erscheint ihm als
seltener Leckerbissen, und er sagt scherzweise: „Hunger trabt Brotworscht
nei!" oder: „De Brotworscht is fern Thaler net ze teuer —, wemmersche
Horn miß!" — Vom Vielfraß aber sagt der Vogtländer: „Dem schmeckt
ka klaner Bissen." — Obgleich der vogtländische Bauer sich gern selber zu-
richtet und anschafft, was er braucht, hilft er doch dem Nachbar gern ans,
borgt ihm bereitwilligst eine Schaufel oder Haue. Wird sie ihm zurück-
gebracht unter einem „Schen Dank!", so fügt er dem hinzu: „fr die
schwache Worscht," und meint: 's is der Red net wert. — Der Vogt-
länder ist durchaus kein gefühlloser Mensch, im Gegenteil! Doch
lautes, zur Schau getragenes Weinen kann er nicht leiden. Drum sagt er
zu seinem klagenden Freunde: „Grein ner net den paar Pflanmne weeng."
— Seinen Schmerz beschreibt er mit den Worten: „'s Baa reißt Mersch
raus!" oder: „Mr denkt buch gleich, 's brengt an a sn üm — 's thnt an ober
brweeng nix —" ober: „Er Hot Mersch Harz mitsamne Vnrhemmel raus-
gerisseu." — Ein freudiges Ereignis dagegen möchte der Vogtländer auch
möglichst geräuschvoll feiern, und wenn ihm sein Herz voll Wonne ist,
möchte er im Übermut alles um sich herum zerschlagen, daß es kracht. Und
wenn ihn die gute alte Gevatterin nach vielen Jahren wieber einmal be-
sucht, rnft er in heller Freube aus: „Do möcht m'r boch gleich ne Ufen
eischmeißen!" Sie aber wehrt ab und spricht: „Raa, naa! Loss'n steh,
m'r könnt'n nnch nntwennig gebraung."
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Nordhausen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 26 —
Luise. Er war der zweite Sohn des Königspaares und konnte daher
nicht darauf rechnen, einmal König zu werden. Darum erwählte er
sich den militärischen Beruf und wurde mit Leib und Seele Soldat.
Als aber sein Bruder, König Friedrich Wilhelm Iv. (nach dem unser
Friedrich-Wilhelms-Platz benannt ist) starb und keine Kinder hinterließ,
wurde Wilhelm I. König von Preußen (1861). Kaiser Wilhelm liebte
die blaue Kornblume über alles. Als er einmal gefragt wurde, warum
er das einfache Blümchen so gern habe, erzählte er: „Als ich noch klein
war und meine liebe Mutter noch lebte, mußten wir einmal in dem
Kriege, den Preußen mit dem Kaiser Napoleon führte, fliehen. Die
Mutter war sehr traurig und weinte oft. Da brach plötzlich auf einem
Feldwege, mitten zwischen Kornfeldern, ein Rad des Wagens. Wir
mußten einige Stunden warten, bis der Schmied das Rad geflickt hatte.
Inzwischen suchte ich mit meinen Geschwistern Kornblumen, um uns
die Zeit zu vertreiben. Die Mutter band einen hübschen Strauß
daraus, aber bald liefen ihr die Tränen über die Wangen. Das schnitt
mir tief ins Herz, und den Augenblick kann ich nie vergessen. Wenn
ich nun eine Kornblume sehe, so denke ich an mein gutes Mütterchen.
Darum habe ich die Kornblumen so lieb."
Im Jahre 1871, als König Wilhelm I. schon fast 74 Jahre alt
war, wurde er der erste deutsche Kaiser. Er hat ein sehr hohes Alter
erreicht; noch 17 Jahre hat er die deutsche Kaiserkrone getragen. Seine
letzten Lebensjahre wurden sehr getrübt, da sein einziger und geliebter
Sohn, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, von einer sehr bösen Hals-
krankheit heimgesucht wurde. Am 9. März 1888 ist Kaiser Wilhelm I.
gestorben. Alle Deutschen betrauerten ihn tief. Da auch sein Sohn,
Kaiser Friedrich Iii. noch in demselben Jahre starb, hat das Jahr 1888
drei deutsche Kaiser auf dem Thron gesehen.
16. Der Spendekirchhof.
1. Wir besuchen den Spendekirchhof. Das ist ein freier Platz
zum Spielen und Turnen. Hier steht die Turnhalle für die Knaben-
Mittelschule. Aber weshalb heißt der Platz „Spendekirchhof"? Wir
sehen hier keine Kirche und kein Grabkreuz mehr; aber früher war hier
eine Kirche, sie stand gleich rechts neben dem Haupteingange (durch das
Torhäuschen); links davon haben sich noch Überreste eines Nebengebäudes,
vielleicht einer Kapelle, erhalten. Von der Kirche ist nichts mehr vor-
Händen; sie ist 1805 gänzlich abgebrochen. Der Platz hinter der Kirche
bis an die Stadtmauer hin ist lange Zeit (bis 1855) als Friedhof für
die Kirchengemeinden St. Nikolai und St. Blasii benutzt. Ehe der Platz
zu einem Spiel- und Turnplatz eingerichtet wurde, waren noch die
Gräber zu sehen, und auf vielen standen noch Grabsteine mit Inschriften.
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Extrahierte Personennamen: Luise Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Wilhelm_I. Wilhelm Napoleon Wilhelm_I. Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Wilhelm_I. Friedrich_Iii Friedrich
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Nordhausen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
_ 4 —
1. Von der Heimat und den Dingen in der Heimat wollen wir
reden. Die Heimat ist für einen Menschen der Ort, wo er geboren ist,
wo er seine Jugend verlebt hat. Wenn ihr bei euren Eltern, bei euren
Geschwistern weilt, seid ihr daheim. Das Haus, in dem ihr mit Vater
und Mutter zusammen wohnt, ist euer Vaterhaus oder euer Heim.
Jedes Kind ist am liebsten daheim. Aber manchmal muß es doch für
einige Zeit das Vaterhaus verlassen. Vielleicht besucht es seine Ver-
wandten, oder es geht in eine Sommerfrische, ins Gebirge oder an die
See. Gewiß kommt ihm dann bei der Abreise das Lied in den Sinn:
„Nun ade, du mein lieb Heimatland!" Muß es lange an dem fremden
Orte bleiben, so bekommt es wohl Heimweh wie Hänsel und Gretel.
Dann wird es traurig und denkt nur immer an die Heimat und an
die Lieben daheim. Und wie glücklich ist es, wenn es die Heimreise
antreten kann und endlich wieder heimkehrt. Ja, die Heimat ist jedem
Menschen der liebste Ort.
2. Viele Menschen verlassen ihre Heimat und suchen anderswo
ihren Lebensunterhalt. Die Beamten werden versetzt, manchmal öfter
hintereinander und kommen in verschiedene Gegenden. Dann finden sie
dort, wo sie wohnen, eine neue Heimat, und bald fühlen sie sich auch
hier ganz heimisch. Viele von euren Eltern werden in Nordhausen ihre
neue Heimat gefunden haben; ihr aber, die ihr hier geboren seid oder
doch eure Jugend verlebt, habt hier eure erste, richtige Heimat, ihr seid
hier einheimisch; Nordhausen ist eure Heimatstadt. Manche Menschen
wandern in der Welt umher und haben nirgends eine Heimat; sie sind
heimatlos, denkt z. B. an die Zigeuner, auch an die fahrenden Künstler
oder an die Landstreicher. Sie sind gewiß zu bedauern. Wie glück-
lich ist doch der, der noch sagen kann: ich gehe nach Hause! Wie
traurig mag es aber wohl für den sein, der sagen muß: ich habe
keine Heimat mehr!
3. Die Heimat kennt ihr alle, aber ihr kennt sie noch nicht ge-
nan; es gibt vieles in der Heimat, was ihr noch nicht kennt. Am
besten kennt ihr das Haus, wo ihr wohnt, euer Elternhaus; denn dort
seid ihr die meiste Zeit. Aber nach dem Elternhaus ist die Schule der
Ort, wo ihr den größten Teil des Tages zubringt. Darum soll die
Schule eure zweite Heimat sein; hier sollt ihr euch ebenso heimisch
fühlen wie daheim. Deshalb müßt ihr auch die Schule und ihre Um-
gebung genau kennen lernen. Aber auch die wichtigsten Straßen, Plätze,
Häuser, Denkmäler und Anlagen eurer Heimatstadt müßt ihr kennen
und von den Bewohnern und ihrer Beschäftigung müßt ihr erzählen
können. Ebenso soll euch die Umgebung der Stadt bekannt werden.
Was man weiß, von dem hat man Kunde; darum heißt die Unterrichts-
stunde, in der wir die Heimat kennen lernen, Heimatkunde.
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Nordhausen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 17 —
Danach hat das Haus also eine recht ehrwürdige Geschichte hinter sich.
Es ist ein stattliches Gebäude. Die Keller liegen übereinander und sind
noch wohl erhalten. Der oberste dehnt sich unter dem Hintze'schen
Hause und zum Teil auch noch unter dem Lutherplatz mit aus. _ In
dem Keller lagerten die Weinfässer, von denen der Rat an die Bürger
Wein verkaufte. Jetzt gehört der Ratskeller mit zum Rathause; hier
ist die Polizei und das städtische Meldeamt.
Beschreibt den Weihnachtsmarkt!
Erzählt die Geschichte des Ratskellers!
11. Der Lutherplaiz und der Lutherbrunnen.
1. Südwestlich vom Markt liegt der Lutherplatz. Er hat seinen
Namen von dem Lutherbrunnen, der hier steht; ursprünglich hieß der
Platz Holzmarkt und später Kohlmarkt. Das Lutherdenkmal ist 1889
eingeweiht. Auf einem Unterbau aus Sandstein, der von einem Brunnen-
becken eingefaßt ist, steht das Standbild Dr. Martin Luthers. Es ist aus
Erz gegossen. Luther steht schlicht und einfach da; doch läßt seine
Haltung auch die Größe und Bedeutung erkennen, die ihm zukommt.
Der Kopf und die Gesichtszüge zeigen uns den Mann, der mit sich im
reinen und sich völlig klar ist über das, was er tut. Luther ging bei
seiner Lehre von der Bibel aus; darum hält er in der linken Hand
eine Bibel, auf die sich die Rechte beteuernd legt. Angetan ist er mit
einem langen Gewand, ähnlich dem, das unsere Prediger bei ihren Amts-
Handlungen tragen. An jeder der vier Seiten des Fußgestells ist in
einer Nische ein Löwenkopf angebracht, aus dem Wasser in ein kleines
Becken fließt, über dessen Rand es dann in den unteren größen Be-
hälter plätschert.
2. Luther war ein berühmter Prediger und Professor in der Stadt
Wittenberg. Er ist der Stifter der evangelisch-lutherischen Kirche. Fast
alle Kirchen in unserer Stadt sind evangelisch-lutherisch; nur der Dom
ist katholisch. Luther hatte in Nordhausen viele Freunde und ist auch
einige Male hier gewesen. Darum wird auch heute noch am Martins-
feste sein Geburtstag gefeiert. Dann versammeln sich alle evangelische
Christen vor dem Lutherbrunnen, die Vereine und Schulen marschieren
in einem Aufzuge dahin, und unter Glockengeläute singen alle das Lied
Luthers: „Ein' feste Burg ist unser Gott". (S. Geschichtsbilder
Nr. 12: Luther und der Nordhäuser Schuhmacher.)
3. Zu Luthers treuesteu Freunden in Nordhausen gehörte der
Besitzer der Ratsapotheke, das ist die heutige Adlerapotheke am Luther-
platz. Hier in der Ratsapotheke versammelten sich häufig die andern
Freunde Luthers und lasen Luthers Bücher, die der Apotheker von
seinen Reisen immer mitbrachte. Darum ist auch das Lutherdenkmal
H einc. Unsere Heimat. o
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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Menschen erschuf, gab er ihm Gewalt über alle Tiere, über die Vögel in der Luft und die Fische im Wasser.
5. Zum fünften haben sich unsere Herrschaften die Hölzer allein zugeeignet und der arme Mann muß sich sein £70x3 teuer erkaufen. Unsere Meinung ist, daß alle Wälder, die nicht gekauft wurden, der Gemeinde zufallen sollen. Brenn- und Bauholz soll dann jeder nach Bedarf von der Gemeinde umsonst erhalten.
6. Zum sechsten fordern wir, daß man mit den Diensten, die täglich zunehmen, Einhalt tuen möge und uns gnädig behandle, wie unsere Eltern gedient haben nach dem Worte Gottes.
7. Zum siebten wollen wir uns von einer Herrschaft nicht weiter beschweren lassen als zu der Zeit, da das Gut verliehen wurde, wenn der £?err neue Dienste nötig hat, soll der Bauer ihm gehorsam sein, aber zu einer Zeit, da es ihm nicht zum Nachteil ist, und um einen annehmbaren Lohn.
8. Zum achten wollen wir, daß Güter, welche die Gült nicht tragen, von ehrbaren Leuten nach Billigkeit geschätzt werden, damit der Bauer nicht umsonst seine Arbeit tue, denn jeder Taglöhner ist seines Lohnes wert.
9. Zum neunten beschweren wir uns dagegen, daß man straft nach Neid und Gunst und nicht nach geschriebener Strafe und nach Gestalt der Sache.
10. Die Acker und wiesen, die der Gemeinde gehören und die sich jemand angeeignet hat, werden wir wieder der Gemeinde zu fanden geben.
\ V Den Todesfall wollen wir abgeschafft haben.
\2. wenn einer der Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß ist, so wollen wir davon abstehen, wenn uns dies aus der Schrift nachgewiesen wird. Der Friede Ehristi sei mit uns allen. Amen.
f) Das Lager von Bildhausen.
Am palmtag versammelten sich etliche Bauern von Burglauer und Umgegend in einem Schenkhaus zu Münnerstadt und machten mit einigen aus der Stadt einen Pakt, das Kloster Bildhausen einzunehmen. Am folgenden Mittwoch zogen bis zu zoo Mann mit wehren, Trommeln und pfeifen vor das Kloster und forderten Einlaß. Als sie eingelassen waren, haben sich £)ans Schnabel von Münnerstadt, ein Schreiner, und fjans Scharr von Burglauer zu f^auptleuten unter ihnen aufgeworfen. Der Abt und der größte Teil des Konvents flohen gegen Königshofen im Grabfeld. Die £}auptleute nahmen die Verwaltung des ganzen Klosters Zu ihren fanden, bestellten die wache, da sie einen Überfall befürchteten, und hielten Straßen, Wege, Führten und Schläge bei Tag und Nacht in guter Acht. Auf ein Ausschreiben liefen ihnen viele Bauern aus der Umgegend zu; auch die von Neustadt schlossen sich ihnen an. Als der
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bis auf wenige Familien gestorben oder verdorben. Ohne Unterricht, ohne Gottesdienst war das junge Volk aufgewachsen in Roheit und Sittenlosigkeit; von den Soldknechten der Heere hatte es Gewalttätigkeit und Verbrechen aller Art gelernt.
Über den ehemaligen Acker war Wald gewachsen; angebaut wurde nur so viel Feld, als 3um (Ertrage der nötigen Nahrung erforderlich war. Der wert der Grundstücke war ungemein gesunken. Ost weigerten sich Nachbarn, anstoßende herrenlose Acker schenkungsweise anzunehmen, um die darauf lastenden Bodenabgaben nicht zahlen zu müssen.
Die Ortsgeschichten belegen diese 2lngaben mit (Einzelbeispielen. So schreibt die dhronif von Gerolzhofen:
„(Ein jammervolles Bild boten Stadt und Markung von Gerolzhofen nach den Drangsalen des Krieges. Die Mittel des Stadthaushaltes waren völlig erschöpft, Stadt- und Landgemeinden an den Bettelstab gebracht. Greulichen Anblick bot das Gebiet der Stadtmarhmg, der Umgebung, dessen ausgebrannte, totenstille Dörfer Lindelach, Rügsbofen, Stockheim, Alitzheim, Mittelmühle in Trümmern lagen. Rügshofen erlangte feinen früheren Umfang nicht wieder, Lindelach erhob sich überhaupt nicht mehr. Auren und wiesen waren nach langem Verwildern ertraglos, Acker und Weingärten von wildem Buschwerk überwuchert. Auch der sittliche Zustand der gelichteten Bevölkerung hatte begreiflicherweise sehr stark gelitten unter den (Eindrücken endloser blutiger Greuel, unbeschreiblicher Ausschreitungen, jammervoller Seuchen, He$enverfolgungen und Kriegsläufe. Zahlreiche Güter waren herrenlos und fanden tatsächlich keinen Herrn."
In der Ortsgeschichte von Untererthal ist zu lesen:
„Zwischen \652 und \650 verschwanden Nachbarn mit Familienangehörigen. Gegen (Ende der Kriegstvirren waren an die 50 Hofstätten verödet. Von 25 dem Frhrn. von (Erthal zustehenden Häusern standen 20 leer. Die unbewohnten Häuser waren teilweise abgebrannt oder verfallen. Steine und Holz verwendeten die den Krieg überlebenden Nachbarn zum Ausbessern ihrer baufälligen Heimstätten. Felder, wiesen und Weinberge lagen größtenteils brach; sie waren vielfach mit Hecken und Stauden verwachsen. Auf Hetzloser Markung waren \658 von 295 Morgen (Erthaljcher Acker nur ungefähr 40 Morgen bebaut, „das übrige mit Hecken und Holz verwachsen". Von \03 Morgen wiesen konnten nur 35 Morgen genutzt werden, die übrigen waren verwachsen und verwildert. Noch um 1?oo lagen \56 Morgen Feld bei Hetzlos wüst und das Dorf zählte noch ^6 öde Hofstätten.
Hier wie überall wurde die Markung neu vermessen, da sie „mit Holz, Hecken und Sträuchern dergestalt verwachsen, daß sich darinnen schwerlich mehr zu finden".
Die Stadt Karlstadt hatte ^670 {7? leere Häuser. Infolge der großen Verarmung der (Einwohnerschaft wurde der Gemeindewald verteilt.
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