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65, Das erste Gaslicht.
Das Leuchtgas ist am Ende des 18. Jahrhunderts erfunden worden.
Der Engländer Murdoch beleuchtete 1792 sein Haus und seine Werk-
stätte mit Steinkohlengas. Murdochs Schüler, Samuel Clegg, der
für die Entwicklung der Gasindustrie außerordentlich viel beigetragen
hat und die Straßenbeleuchtung von London (1814) einführte, er-
zählte über die Erfindung des Leuchtgases folgendes:
„Murdoch hatte mich als jungen Burschen bei seinen Versuchen
über die Verwendung des Kohlengases für die Erleuchtung zur
Hilfeleistung herangezogen. Wie einfach waren unsere Apparate! Ein
altes Flintenrohr hatten wir als Retorte, Ochsenblasen als Rezipienten
und Gasometer. Wie oft sind wir beim Licht eines Flämmchens
nach Hause gegangen, das der Alte mittels einer solchen Blase, die er
unter dem Arm drückte, und eines alten Pfeifenrohres als Brenner
unterhielt. Wir kamen weit mit dem Kohlengas, und bei dem Feste
für den Frieden zu Amiens (1802) hatten wir an der Front der
Fabrik in Soho eine Sonne von Gasflammen angebracht, die freilich tüchtig
qualmten, — der Jubel und das Staunen der Volksmassen wollte nicht
enden. — Wir beleuchteten die Werkstätten damit, noch einige Spinn-
mühlen, und es war besser als Lampenlicht; aber schlecht genug war
das Gas, und die Leute wurden krank von all dem Rauch und Ruß.
Als ich vor nunmehr 40 Jahren meine Reinigungsapparate
erdacht und fertig hatte, beleuchtete ich zuerst damit einen Verkaufs-
laden, ich glaube, der Besitzer war ein Farbenmacher am Strand in
London und hieß Ackermann. Die Flammen standen wie weiße
Sterne über den Brennern, und die Öllampen weit und breit wurden
rot und blind. Die Leute liefen zusammen, und die Wagen der Vor-
nehmen hielten vor dem Laden, dessen Besitzer bedeutende Geschäfte machte.
Eines Abends kam eine schöne, große Lady hereingestürmt und rief
uns an, sie müsse das Licht in ihrer Kutsche mit nach Hause nehmen,
es koste, was es wolle! Bei alledem wurde ich ausgelacht, als ich
mit dem Plane hervortrat, London mit Gas zu beleuchten. Und
unter den Lachern waren keine schlechteren Leute als Davy, unser
größter Physiker, und einer, dem es lieber verziehen sein soll, unser
größter Dichter von damals, Sir Walter Scott, der spottend ausrief:
„Die Welt steht auf dem Kopfe, London soll jetzt in Winternächten
mit dem Kohlenrauche beleuchtet werden, der unsere Wintertage zu
Nächten macht." Aber endlich, jetzt (1844) gerade vor 36 Jahren,
hatten wir eine mutige Gesellschaft zusammen, ein Gasometer war er-
baut, und es sollte mit dem „Lichtverkauf" begonnen werden. Da
hatten Gelehrte dem Magistrat gesagt, mein kleiner Gasbehälter sei
gefährlicher, als wenn er voll Schießpulver wäre, und durch das
kleinste Loch in seinem Blech könne das Gas Feuer fangen, explodieren
und halb Middlesex in die Luft sprengen.
Ich bekam keine Erlaubnis, auch nur eine einzige Flamme anzu-
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Extrahierte Personennamen: Murdoch Murdochs_Schüler Samuel_Clegg Samuel Ackermann Davy Walter_Scott
Extrahierte Ortsnamen: London Amiens London London London
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zum nächsten Stockwerk in einen ungeheuren Saal, von dessen
Decke Hunderte von Treibriemen sausend ebensoviele Webstühle
in Bewegung setzen. Das überwältigende Geklapper und Ge-
rassel, das blitzschnelle Auf- und Niederschlagen der Ketten,
das unaufhörliche Hin- und Herschießen der Schiffchen bilden
ein Durcheinander, das jeder Beschreibung spottet. Vor jedem
Webstuhl steht, gespannt aufpassend und zugreifend, sobald es
nötig ist, ein Arbeiter oder eine Arbeiterin; sie sehen bleich und
müde aus, als ob die feuchte Staubatmosphäre und der nerven-
erschütternde Lärm ihnen alle Frische genommen hätten. Nur
einen Blick noch werfen wir auf die so verschiedenen hier ge-
fertigten Gewebe und atmen erst wieder freier auf, nachdem
wir die Mauern des Fabrikgebäudes hinter uns haben. Nun
haben wir die wichtigsten Teile des Spinnereiverfahrens kennen
gelernt; doch unser Führer ruht nicht, bis er uns auch das
Appreturverfahren, das Sengen und Bleichen, das Strecken und
Kalandern (Glätten) gezeigt hat, das in den Nebengebäuden aus-
geführt wird. Jetzt erst fahren wir, nicht ohne uns zuvor von
dem Baumwollenschnee gründlich gereinigt und dem Fabrikleiter
unsern Dank ausgesprochen zu haben, wieder nach Manchester,
dessen rauchgeschwärzten Mauern wir am nächsten Morgen um
so lieber den Rücken kehren, als uns ein Aufenthalt in ländlicher
Behaglichkeit winkt. Opitz.
Per Wertrieb der Waren.
Fern auf der Reede ruft der Pilot, es warten die Flotten,
die in der Fremdlinge Land tragen den Heimischen Fleiß;
andere zieh'n frohlockend dort ein mit den Gaben der Ferne,
hoch von dem ragenden Mast wehet der festliche Kranz.
Schiller.
86. Ein Morgen auf einem großen Hamburger Kontor.
Ein junger Schriftsteller ist, weil ihm das Geld ausgegangen, außer stände,
seine Reise, so dringlich sie anch ist, von Hamburg aus weiter fortzusetzen. Glück-
licherweise besinnt er sich noch auf einen Empfehlungsbrief an ein großes Handels-
paus, Mohrfeld in Hamburg, den er aus Unachtsamkeit abzugeben unterlassen hat.
Sofort macht er sich, um dort eine Summe aufzunehmen, früh acht Uhr nach
der Deichstraße auf, wo Herr Mohrfeld wohnen sollte. Er selber erzählt weiter:
Halt! Hier auf dem Hopfenmarkte muß ich einen Augenblick stehen
bleiben — jener kurze, dicke Mann im blauen Oberrock, mit dem schlicht-
gekämmten braunen Haar, dessen fleischiges Angesicht plump und nichts-
sagend aussieht, hat sich ein Gericht Fische gekauft, schickt einen Arbeits-
mann damit ab und setzt seinen Weg weiter fort. Beide Hände auf dem
Rücken, das Auge an den Boden geheftet, geht er leise brummend in die
Deichstraße hinein. Ohne daß er irgend Notiz von mir nimmt, schreiten
wir nebeneinander hin und flehen endlich vor demselben Hause still. Da
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Schenkwirte und ähnliche feuchte Berufe an die Bachseite postierte. Til
wichtigsten Punkte waren jedenfalls die beiden Tore; am Bachtor hielten
darum die fauststarken Gerber Wacht, am Bergtor die noch nervigeren
Schmiede.
Nun galt freilich vordem Michael der Schmied für den stärksten und
kühnsten Mann in der ganzen Stadt, und man hätte ihm gerne den Befehl
am Bergtor übertragen, wäre er nicht neuerdings Michel der Leimsieder
geworden. So aber hielt der Rat dafür, daß ein so gleichgültiger, stummer
und selbstgenügsamer Mann für den gefährlichsten Posten nichts tauge, und
stellte ihn in die Reserve zu den alten Leuten und unbärtigen Jungen.
Der Schmied nahm das ganz ruhig hin, als ob sich's von selbst verstünde,
und schmiedete ruhig fort an seiner Esse.
Inzwischen war dem Rat die geheime Kunde geworden, daß der
Dachsburger nächste Woche auf Lichtmeß mit seinen Freunden zusammen-
stoßen und in also vereinter Macht einen Hauptstreich wider das Städtlein
führen werde. Es galt, dieser Vereinigung der Gegner zuvorzukommen,
und zwar stand die Sache derart auf Spitz und Knopf, daß man den
Dachs entweder in dem Augenblick überfallen mußte, wo er seine Burg
verlassen, den Sammelplatz der Gefährten aber noch nicht erreicht hatte,
oder, wenn diese einzige Stunde versäumt würde, Verzicht leistete auf jeden
Angriff und hinter den schwachen Mauern alle Plage einer sehr bedenk-
lichen Belagerung auf sich nahm.
Um dem Ritter den Weg zu verlegen, mußten aber die Bürger
wenigstens den Sammelplatz wissen, nach welchem er auf Lichtmeß von
seiner Burg ziehen wollte. Sie schickten zu dem Ende drei Kundschafter
aus, einen Metzgerknecht, einen Schustergesellen und einen Schneiderjungen.
Allein die Späher kamen nicht wieder, sondern statt ihrer ein Bote des
Ritters, vermeldend, sein Herr habe jene drei auf verdächtigen Wegen
ertappt und festgenommen, sei aber bereit, sie gegen sehr billiges Lösegeld
auszuliefern. Wolle ihm der Rat statt des Metzgers ein paar fette Mast-
ochsen, statt des Schusters ein paar fette Schweine und statt des Schneiders,
der gar leicht und mager sei, ein paar zarte, junge Zicklein senden, nebst
sechs Maltersäcken Korn als Brot zum Fleische, dann könne er die drei
Burschen im Stadtwald gegen Quittung wieder in Empfang nehmen.
Die Bürger waren außer sich über diesen neuen Schaden samt dem
Spott; dazu drängte die Zeit, denn morgen bereits stand Lichtmeß im
Kalender. Schon früh am Tage hielt man Kriegsrat auf dem Rathause.
Im engeren Ringe standen die Hauptleute der Zünfte, wie auch die Führer
einiger fremder Mannschaft, die von den befreundeten Nachbarstädten
herübergeschickt worden war, im weiteren Ring die anderen bewaffneten
Bürger als Zuhörer.
Es drohte aber eine bedenkliche Spaltung; denn einem Teile war
die Nachricht, der Dachsburger wolle auf Lichtmeß ausziehen, nachgerade
so verdächtig geworden, daß sie behaupteten, der Ritter selbst habe sie aus-
gesprengt, um die Stadt irre zu führen, und die Gefangennahme der
Späher sei bereits die erste Frucht seiner gelungenen List. Die anderen
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Man hört manchmal sagen, ein Elektromotor brauche überhaupt keine
Wartung; das ist aber nicht richtig. Freilich gegenüber einem Gasmotor,
den Sie nach jedem Betrieb eine halbe Stunde lang reinigen müssen, bei
dem Sie während des Betriebes die vielen Schmierungen zu beachten
haben, ist die Wartung, welche der Elektromotor verlangt, verschwindend.
Es sind im ganzen nur zwei Lager vorhanden. Bei Ihrem Motor sind
es sogenannte Nin gsch mierungsla g er: ein Metallring läuft im
Lager über die Welle und führt ihr das Ol zu, welches dann wieder
zurückläuft. Da sind keine Schmiergefäße anzustellen und vor jeder In-
betriebnahme nachzusehen. Sie brauchen nur alle acht Wochen das Hl
zu erneuern, müssen aber ein gutes, säurefreies, nicht zu dickflüssiges
Mineralöl verwenden. Sollte das Lager verschmutzen, so wird es mit
Petroleum ausgewaschen. Den Kollektor müssen Sie blank erhalten. Vor
Nässe ist der Elektromotor natürlich ängstlich zu bewahren; auch ver-
stauben soll er nicht; eine Handdruck-Luftpumpe tut gute Dienste. Halten
Sie Beschädigungen fern, so haben Sie im Elektromotor eine stets be-
triebsbereite und betriebssichere Maschine. Wie leicht sich das Einschalten
und Ausschalten vollzieht, haben Sie ja gesehen. In den Behandlungs-
Vorschriften, die ich als Plakat an der Wand aufhänge, ist alles, was ich
Ihnen sagte, klar und deutlich auseinandergesetzt. Halten Sie sich daran,
so bin ich überzeugt, Sie werden weder jetzt noch später irgendwelche
Anstände bekommen."
Der Monteur hat recht behalten. Als man nach Jahresfrist im
Gewerbeverein über motorischen Betrieb die Ansichten austauschte, konnte
der Schlossermeister Ehlert voll und ganz für den Elektromotor eintreten,
da er von Anfang an und jederzeit den an ihn zu stellenden Anforderungen
genügt habe. — Aber die Abnutzung sei doch bedeutend; die Bürsten
müßten häufig erneuert und auch der Kollektor müsse von Zeit zu Zeit
in der Maschinenfabrik abgedreht und schließlich erneuert werden, meinte
der Metzgermeister Hartung. Dem widersprachen Meister Ehlert und andere:
man brauche nur die nötige Sorgfalt anzuwenden und die Behandlungs-
vorschriften streng innezuhalten, dann sei von einem nennenswerten Ver-
spleiß keine Nede. I. Epstein. (Heineckes .Lesebuch f. gewerbl. Forib.-Schulen-.)
Wàiebscrrrten in xfyxex geschichtlichen
Gntwicàlnng.
Die alte Zeit mag ich gerne die gute alte
Zeit nennen; aber immer in der Voraus-
setzung, daß unsere Zeit die beffere sei.
Riehl.
72. Die Ansänge Les Handwerks.
Der germanische Bauer lebte vom Ertrage seines Feldes und
Waldes. Von gewerblichen Dingen gebrauchte er noch wenig, und
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Aus dem Hauswerke entwickelte sich nach und nach das Lohn-
werk. Noch heute ist dieses in den Alpenländern die vorherrschende
Betriebsweise auf dem Lande. Der steirische Schriftsteller Peter Nosegger
sagt: „Die Bauernhandwerker — der Schuster, der Schneider, der
Weber, der Böttcher — sind in vielen Alpengegenden eine Art Nomaden-
volk. Sie haben wohl irgendeine bestimmte Wohnung, entweder im
eigenen Häuschen oder in der gemieteten Stube eines Bauernhofes,
wo ihre Familie lebt, wo sie ihre Sonn- und Feiertage zubringen;
am Montagmorgen aber nehmen sie ihr Werkzeug auf den Rücken
oder in die Seitentaschen und gehen auf die Stör, d. h., sie gehen auf
die Arbeit und heimsen sich im Bauernhöfe, wohin sie bestellt sind
(und von dem sie auch alle zur Herstellung der gewünschten Güter
nötigen Rohstoffe erhalten), so lange ein, bis sie die bestimmte Arbeit,
den Hausbedarf, verfertigt haben. Dann wenden sie sich wieder zu
einem andern Hofe." Wir erkennen leicht aus diesem Beispiele den
Unterschied des Lohnwerkes vom Hauswerke: während seither beim
Hauswerke alle gewerbliche Technik in enger Verbindung mit dem
Grundbesitze und der Herstellung der Rohstoffe ausgeübt wurde, löste
sich nunmehr der geschickte Hauswerkarbeiter von dieser Verbindung ab
und begründete gerade auf seine Geschicklichkeit eine eigene, vom Grund-
besitz allmählich unabhängig werdende Existenz. Aber er hat bloß sein
einfaches Werkzeug, kein eigentliches Betriebskapital. Er betätigt daher
seine Kunst immer an fremdem Rohstoff, den ihm der Erzeuger des
Rohstoffes liefert. Zuweilen ging und geht der Lohnwerker nicht ins
Haus des Konsumenten, sondern er hat eine eigene Betriebsstätte, und
es wird ihm der Rohstoff hinausgegeben, für dessen Bearbeitung er
Lohn erhält, wie dies z. B. beim Leinweber, beim Müller, beim Lohn-
bäcker auf dem Lande der Fall ist.
Aus dem Lohnwerke entstand im Mittelalter das eigentliche
Handwerk. Anfänglich erfolgte die Rohstofflieferung noch durch
die Besteller selbst, und dies dauerte in vielen Fällen noch Jahrhunderte
hindurch fort, auch als der Besteller den Rohstoff nicht mehr in
eigner Wirtschaft erzeugte, sondern ihn kaufen mußte, wie das Leder
für den Schuster, das Tuch für den Schneider. Nur sehr langsam
bürgerte es sich ein, daß der Meister den Rohstoff selbst besorgte,
anfangs bloß für die ärmeren Kunden, später auch für die vermögen-
deren. So entstand das Handwerk in dem Sinne, in dem es heute
gewöhnlich verstanden wird; neben ihm aber erhielt sich noch lange
das Lohnwerk, und in manchen Gewerben, so z. B. bei den Bauhand-
werkern, Schneidern und Schneiderinnen, hat sich das Lohnwerk bis
auf die Gegenwart erhalten. Wodurch sich aber das eigentliche Hand-
werk vom Lohnwerk und der Fabrik unterscheidet, das erkennen wir,
wenn wir uns die Arbeit eines bestimmten Handwerkers vorstellen.
Der Schuster bezieht vom Gerber das Material zur Anfertigung seines
Kunstproduktes selbst; er fertigt mit seiner Hände Arbeit und mit dem
ihm selbst gehörenden Werkzeuge die Ware und verkauft den fertigen
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223
andere machen sich fertig zur Abreise. Unaufhörlich keuchen die Dampfwinden
an Bord der Dampfer, aus drei Luken zugleich werfen sie Baumwolle,
Wolle, Felle, Kleesaat, Getreide, Tabaksfäsfer, Ballen, Kisten usw. her-
vor, und schon sehen wir unten, dicht über der Wasserlinie andere Mann-
schaften beschäftigt, westfälische Kohle einzuladen; denn die Belastung muß
immer möglichst gleichmäßig bleiben.
Hundert Schritte weiter liegt ein anderer Dampfer, der in wenigen
Stunden den Hafen verlassen will. Eben wird die letzte Hand an die
Überladung der Güter aus dem langseits des Schiffes haltenden Eisen-
bahnzuge gelegt; Zuckerkisten, Spritfäsfer, Ballen und Kisten mit Chemnitzer
Strumpfwaren, Lausitzer Tuchen, Berliner Wäscheartikeln, Barmer Litzen,
Krefelder Seidenstoffen, Stuttgarter Trikots, Nürnberger und Sonneberger
Spielwaren fliegen noch an Bord, wo hundert rüstige Hände sie in
Empfang nehmen und verstauen. Schon kommt der Extrazug mit den
Zwischendeckspaffagieren, fünfhundert, ja sechshundert Menschen steigen
heraus und klettern, beladen mit ihren Habseligkeiten, die schwanke
Schiffstreppe hinan, wo alles zu ihrem Empfange vorbereitet ist und
eine militärische Ordnung es ermöglicht, jeden Ankömmling sofort aus
den für ihn geeigneten Platz zu schaffen. In langen Reihen stehen die
Kojen da, Matratze und Wollendecke auf jeder Schlafstätte, Rettungsgürtel
unter jedem Kopfkissen. Endlich ist alles untergebracht, die Seeleute
haben wieder allein das Regiment auf Deck, wo alles zur Abreise klar
gemacht wird. Da kommt noch der letzte Extrazug mit den Kajüts-
paffagieren; ihrer sind nicht so viele, auch sie werden bald übernommen.
Damit ist endlich auch der Augenblick gekommen, wo die Flut hoch genug
gestiegen ist, daß die Hafenschleusen geöffnet werden können. Ein kleiner
kräftiger Schlepper spannt sich vor das im langsamen Tempo so unbehilfliche
Riesenschiff, und unter lautem Hurra derer an Bord und der Zurück-
bleibenden, unter Hüteschwenken und Abschiedstränen geht es aus dem
Hafen auf die Reede, wo die Schraube des Dampfers sich in Bewegung
setzt und dieser bald am Horizonte verschwindet. Manchmal bleibt es nicht
bei einem Dampfer; einer geht nach Neuyork, ein zweiter nach Baltimore
folgt, vielleicht sogar ein dritter nach Galveston, ein vierter nach Süd-
amerika; einer der kleinen Englandfahrer gesellt sich Wohl auch noch
dazu. Auf der Reede liegen schon wieder heimgekommene Schiffe, die den
letzten Schritt in den sicheren Port machen müssen. So bietet sich dem
Auge des Fremden ein buntes und interessantes Bild dar, und auch wer
es oft gesehen, pflegt doch zu verweilen, bis die Ebbe beginnt und
die Schleusen wieder geschlossen werden.
Nach Westermanns Monatsheften.
98. Die Weltpo».
Aus meinen ftühesten Kinderjahren ist mir eine Erinnerung geblieben,
die jedesmal in meiner Seele auftaucht, wenn ich von einem Briefe aus
Amerika sprechen höre. Damals kam nämlich in das Haus meiner Eltern
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Extrahierte Personennamen: Barmer
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