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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 25

1913 - Leipzig : Hahn
25 weiter als nach Merkendorf gehen. Du möchtest dir sonst wehe tun.“ Und so geschah es auch. Andreas schnallte sein Wander- bündel, aß sein Leibgericht mit großem Beifall, plauderte noch zwei oder drei Stunden mit seiner Mutter über dieses und jenes und ging dann, von ihr bis vor die Haustüre geleitet. Die Witwe aber sprach bei sich, als sie, die beiden Hände in den Rocktaschen, nach ihrem Stüblein zurückkehrte: »Ich lasse alles liegen und stehen, auch seinen Rappen; denn er wird nicht lange ausbleiben.“ Und als eine Stunde darauf die Nachbarin kam und Schuhe zum Flicken brachte, nahm sie diese an und antwortete: »Morgen abend könnt Ihr wiederkommen und sie holen, da werden sie fertig sein.“ Andreas aber, je weiter er ging, desto länger wurde ihm der Weg nach England und Amerika. Schon auf den Wiesen zwischen den beiden nächsten Ortschaften gelobte er bei sich selber, sich mit der neuen Welt nicht einzulassen. In dem großen Mönchswald gab er auch England auf; in dem tiefen Sande hinter dem Walde fiel der Zeiger bis auf Frankfurt zurück; und als ihm in Merkendorf da und dort aus den Stuben ein heimliches Abendlicht entgegenschimmerte wie vom Himmel dm ersten Sterne, fühlte er ganz, was es heiße, Mutter und Heimat auf Nimmerwiederkommen zu verlassen. So kam er in die Herberge seines Handwerks, nippte ohne großen Appetit von dem Biere, das ihm vorgesetzt wurde, und legte sich dann zwischen die Nürnberger Fuhrleute, die auf dem Stroh in der Stube herumlagen. Sein Wanderbündel machte er zum Kopfkissen. Dann löschte der Wirt die mit Schmalz gefüllte Lampe aus, und das Mondlicht herrschte nun allein in der Stube. Andreas aber hatte einen schlimmen Platz gewählt. Sein Schlafkamerad zur Linken träumte vielleicht von einer Schlägerei. Wenigstens schlug er mit seinen großen und harten Fäusten gewaltig um eich und traf dabei den Schuhmacher so in das Genick, daß dieser erschrocken aufsprang und eine andere Schlafstätte suchte. Eine lange, schmale Tafel, welche an der Wand von dem Fenster bis zur Stubentüre reichte und auf der nichts stand als ein Scheffel, lud ihn ein. Er hob den Scheffel herab und sein Wanderbündel hinauf und legte sich dann selbst nach Bequemlichkeit zurecht. Wenige Minuten darauf schloß ein sanfter Schlaf seine Augen, und die Erinnerung aus seiner frühesten Jugend zog, in einen Traum verwandelt, durch seine Seele. Es träumte ihm, er liege als Knabe von sieben oder acht Jahren zum Baden entkleidet auf einem flachen Ufer der Altmühl und wollte sich in dem schwarzen Schlamme wälzen, um dann seinen Kameraden plötzlich als Mohr zu er-

2. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 29

1913 - Leipzig : Hahn
29 nächsten Augenblick in einem Tunnel verschwindet, da er sich nicht am Felsen vorbeidrücken kann. Hier treibt ein Floß von ungeheurer Länge; es bringt Schwarzwaldtannen und Bretter nach Holland. Die Ruderer an beiden Enden bewegen die Steuer im Takte; sie sind froh, daß sie beide Brücken bei Mainz ohne Anstoß durchfahren haben. Langgestreckte Inseln liegen mitten im Strome, und Fahrzeuge aller Größen durchkreuzen ihn längs und quer. Bald grüßt von einem hohen Felsen Burg Rhein- stein herab, die sich Prinz Friedrich von Preußen aus Ruinen in alt- ritterlicher Bauart herstellen ließ; man sieht die schmalen Fallbrücken, welche den Einlaß in den Burghof gewähren. Kaum ist Nheiustein dem Blick entschwunden, so taucht bereits Burg Sooneck vor uns auf. Sanft gleitet das Schiff hin auf dem schönen, majestätischen Strome, der auch im Sommer eine stattliche Wasserfülle behält, weil die 300 Gletscher an seiner Wiege gerade zur Zeit der Sonnenglut ihn reichlich nähren. Von B a ch a r a ch schallt jetzt der Klang der Glocken herüber, die zum Hochamt rufen, und bald hallen die Orgeltöne weihevoll über die Wogen. Wie drängt sich da Reinicks Lied „Sonntag am Rhein" von selbst auf die Lippen: Des Sonntags in der Morgenstund', Und ernst in all die Herrlichkeit wie wandert's sich so schön die Burg herniederschaut am Rhein, wenn rings in weiter Rund' und spricht von alter, guter Zeit, die Morgenglocken gehn. — die auf den Fels gebaut. Ein Schifflein zieht auf blauer Flut, da singt's und jubelt's drein; du Schifflein, gelt, das fährt sich gut in all die Lust hinein? Das alles beut der prächt'ge Rhein an seinem Rebenstrand und spiegelt recht im hellsten Schein das ganze Vaterland, — Vom Dorfe hallet Orgelton, Das fromme, tteue Vaterland es tönt ein frommes Lied; in seiner vollen Pracht, andächtig dort die Prozession mit Lust und Liedern allerhand aus der Kapelle zieht. — vom lieben Gott bedacht. — Jetzt blicke zur Rechten! Kaub taucht auf. Wie ruft dieser Name die geschichtliche Erinnerung wach an den alten Feldmarschall Vorwärts, der in der Neujahrsnacht 1814 den Befehl erteilte und ausführte: „In Frankreich hinein!" und der an der Übergangsstelle, in Erz gegossen, noch heute dasteht, die Faust am Schwertgriff. Dort, wo ein Zug fauchend aus dem schwarzen Felsentunnel hervorschießt, ist der L o r e l e i f e l s e n, der sich schroff und steil au den Strom herandrängt. Fehlt ihm auch ern dichtes grünes Kleid, so ist er dafür um so reicher mit Sagen umwoben. Zur Zeit der Dämmerung und beim milden Glanze des Mondlichts ließ sich früher eine holde Jungfrau mit goldenen Locken auf der Kuppe sehen, die mtt so verlockender Stimme sang, daß viele Vorüberfahrende wie ver- zaubert lauschten, Kiel und Steuer vergaßen und am Felsenriff zerschellten. Der Sohn eines Pfalzgrasen wollte zu ihr dringen, tat den Sprung aus dem Fahrzeug zu kurz und ertrank. Ein Bote des Vaters forderte sie auf, sich in den Rhein zu stürzen; doch sie entgegnete: „Der Rhein mag mich holen!" Da flogen zwei Wellen in Gestalt weißer Rosse zu

3. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 35

1913 - Leipzig : Hahn
35 einen Hexenschuß im Kreuz und liegt zu Bette; aber die Herbergsmutter hat auch noch keinem ehrlichen Schusterknecht ein Bein ausgerisien. Kannst fragen, wen du willst, in der Stadt, ob die alte Hambroksche nicht überall einen Stein im Brette hat." „So wollt' ich Euch ganz freundlich angesprochen haben, Frau Mutter," sagte Timmo, indem er sich mit geschlossenen Hacken vor sie hinstellte, den Hut in der Hand und den Ranzen unter dem linken Arm, „von wegen des Handwerks, ob Ihr mich und mein Bündel heute wollet beherbergen, mich auf der Bank und mein Bündel unter der Bank; ich will mich halten nach Handwerks Gebrauch und Gewohnheit, wie es einem ehrlichen Schusterknecht zukommt, mit keuschem Mund und reiner Hand." „Sei willkommen wegen des Handwerks!" sagte die Alte, „lege dein Bündel unter die Bank und deinen Filz auf dem Herrn Vater seinen Tisch; ich will den Altschaffer rufen lassen, daß er dich umschaut." Timmo tat, wie ihm geheißen war, und ruhte sich. Als aber der Altgesell kam, erhob er sich wieder, setzte den Hut auf, ging dem Ein- tretenden entgegen und legte seine linke Hand auf dessen rechte Schulter. Der Altgesell machte es ebenso und fing an: „Hilf Gott, Fremder! — Schuster?" „Stück davon", antwortete Timmo. „Wo streichst du her bei dem staubigen Wetter?" „Immer aus dem Land, das nicht mein ist." „Kommst du geschritten oder geritten?" „Ich komme geritten auf zwei Rappen aus eines guten Meisters Stall. Die Meisterin hat sie mir gesattelt, die Jungfer hat sie mir ge- zäumt, und beschlagen hab' ich sie mir selber." „Worauf bist du ausgesandt?" „Auf ehrbare Beförderung, Zucht und Ehrbarkeit, Handwerks Gebrauch und Gewohnheit." „Wann fängt selbige an?" „Sobald ich meine Lehrjahre ehrlich und treu ausgestanden." „Wann endigt sich selbige?" „Wenn mir der Tod das Herz abbricht." „Was trägst du unter deinem Hut?" „Eine hochlöbliche Weishett." „Was trägst du unter deiner Zunge?" „Eine hochlöbliche Wahrheit." „Was frommt unserem Handwerk?" „Alles, was Gott weiß und ein Schustergeselle." Nun nahmen sie beide den Hut ab, der Altschaffer reichte dem Fremden die Hand und sprach: „Sei willkommen wegen des Handwerks! Wie heißt du? Was ist dein Begehr?" „Ich heiße Timotheus Schneck, bin aus Darmstadt gebürtig und wollte dich gebeten haben, du wollest mir Handwerksgewohnheit wider- fahren lassen und mich umschauen, ist es nicht hier, so ist es anderswo." 3*

4. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 14

1913 - Leipzig : Hahn
t — 14 — Jüngling, und seine vorige, blühende Gestalt wurde ihm bitter vor> gegaukelt. Er konnte es nicht mehr sehen, er verhüllte das Auge, tausend heiße Tränen strömten versiegend in den Schnee, er seufzte nur noch leise, trostlos und sinnlos: „Komm nur wieder, Jugend, komm wieder!" Und sie kam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrsnacht so fürchterlich geträumt — er war noch ein Jüngling. Nur seine Verirrungen waren nicht bloß ein Traum gewesen. Aber er dankte Gott, daß er noch jung war und von den schmutzigen Gängen des tasters umkehren und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte, die ins reine Land der ewigen Ernten führt. Aehre mit ihm um, junger Leser, wenn du auf seinen Irrwegen stehst. Dieser schreckende Traum wird künftig dein Richter werden! Aber wenn du einst jammervoll rufen würdest: „Komm wieder, schöne Jugendzeit!" — sie würde nicht wiederkommen. Jean Paul Friedrich Richter. 13. Die deutsche Turnkunst. Wie so viele Dinge in der Welt so hat auch die deutsche Turnkunst einen kleinen, unmerklichen Anfang gehabt. Ich wanderte gegen das Ende des Jahres 1809 nach Berlin, um den Einzug des Königs zu sehen. Bei dieser Feier ging mir ein Hoffnungsstern auf, und nach langen Jrr- jahren und Irrfahrten wurde ich hier heimisch. Liebe zum Vaterlands und eigne Neigung machten mich wieder zum Jugendlehrer, was ich schon so oft gewesen war. Zugleich ließ ich mein „Deutsches Volkstum" drucken. In schöner Frühlingszeit des Jahres 1810 gingen an den schul- freien Nachmittagen der Mittwoche und Sonnabende erst einige Schüler mit mir in Feld und Wald, bald folgten immer mehr und mehr. Die Zahl wuchs, und es wurden Jugendspiele und einfache Übungen vor- genommen. So ging es fort bis zu den Hundstagen, wo eine Unzahl von Knaben zusammenkam, die sich aber bald nachher verlief. Doch sonderte sich ein Kern aus, der auch im Winter als Stamm zusammen- hielt, und mit dem dann im Frühjahr 1811 der erste Turnplatz in der Hasenheide (bei Berlin) eröffnet wurde. Jetzt wurden im Freien öffentlich und vor jedermanns Augen von Knaben und Jünglingen mancherlei Leibesübungen unter dem Namen Turnkunst in Gesellschaft getrieben. Damals kamen die Benennungen Turnkunst, turnen, Turner, Turnplatz und ähnliche miteinander zu- gleich auf. Das gab nun bald ein gewaltig Gelaufe, Geschwätz und Geschreibe. Selbst durch französische Tageblätter mußte die Sache Gaffen laufen. Aber auch hierzulande hieß es anfangs: „Eine neue Narrheit, die alte Deutschheit wieder ausbringen zu wollen." Dabei blieb es nicht. Vorurteile wie Sand am Meer wurden von Zeit zu Zeit ruchbar. Sie

5. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 42

1913 - Leipzig : Hahn
42 25. Spielkarten. Wer erzählen könnte, was diese zweiunddreißig Blätter in der Welt schon angerichtet haben, brächte leicht eine ganze Bibliothek zusammen. Ja, wenn's noch schwarzer Peter wäre oder so ein „Geduldspiel," wenn man an Langeweile oder Podagra leidet — aber das Spiel ums Geld hat schon Millionen um Haus und Hof, um Ehre und Frieden gebracht. Außer der Schnapsflasche hat der Teufel keine so glückliche Erfindung gemacht als die Aarten. Sie sind eine richtige Mausefalle, die sicher arbeitet. Du könntest dir auch einen Vers daraus machen, geneigter Leser, und dir sagen, was Herz, Eckstein, Schippen (Laub) und das Areu; bedeuten, und brauchtest den Aopf dir nicht besonders darüber zu zerbrechen. Das rote per; sind die blutenden Kerzen daheim von Weib und Rind, deren Vater die Nacht durchspielt und den Erwerb verschwendet, am Eckstein sind Tausende zerschellt, zum schwarzen Laub ist mancher Familienbaum zusammengewelkt, und das Areu; kannst du auf jedes Grab des Glücks, auf die Trümmerhaufen der Menschenherzen setzen, die den Frieden des Herzens verspielt haben. Der alte Flattich im Schwabenland hat's verstanden, schon in der Jugend seinen Buben, deren er etwa dreißig in Aost und Wohnung hatte, und die meist zu kurz oder zu lang waren, um in das Gym- nasium zu paffen, das Kartenspiel gründlich zu versalzen. Er sieht eines Abends spät um elf Uhr noch Licht aus dem Schlaf- zimmer leuchten, schleicht still hinauf: richtig, da sitzen die jungen Herrlein am Tische beim Lichtstümplein und spielen Karten. „Was tausend," sagt er, „ihr könnt Aarten spielen?" und erschreckt sahen die Missetäter den Pfarrer an — und die Aarten fliegen unter den Tisch. „Ach was — holet sie gleich wieder herauf! Ich will mit euch karten, es ist ja ein Zeitvertreib." Also er setzt sich zu ihnen hin, und die Herrlein sind seelenvergnügt, daß der alte Herr die Sache so scherzhaft aufgefaßt hat und kein Spielverderber ist. Es wird also gespielt und wird mittlerweile zwölf Uhr, und der Wächter bläst die Witternacht und singt dazu etwas vom Licht ausblasen; aber der Pfarrer steckt dagegen ein neues Licht auf, und den Herr- lein geht das Licht im Aopfe derweilen langsam aus, denn der Schlaf bläst es aus. Aber da hilft nichts, „wenn man einmal am Aarten ist, wird fortgemacht, 's ist ja ein Zeitvertreib," sagte der Pfarrer. Und es wird ein Uhr und zwei Uhr, und die Aäpfe sind so schwer, daß sie am Halse herumbaumeln wie eine volle Sonnen- blume am schlanken Stengel. Aber es nutzt nichts, sie müssen weiter spielen. Der Morgenwind fängt um drei Uhr schon an zu blasen, und den jungen Herren wird's kalt in ihrem Nachtkostüm; aber der Pfarrer hat einen dicken Hausrock an und spürt gar nichts von der Morgenluft. Da fangen die Herrlein an zu heulen und bitten um Gottes willen, er solle doch aufhören, sie wollten's ihr

6. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 92

1913 - Leipzig : Hahn
92 gesucht hat, dem soll eine milde Hand geliehen werden, und weil du den Schaden willig gelitten hast, so bist du uns nun wieder ein so guter Amtsbruder nachher wie vorher, sollst wieder dein eigen Werk hauen und dein Salz in Frieden essen. Sollst auch keine Auflage zahlen und nicht die geziemende Kollation ausrichten, sondern nur Gott Zu Lobe in die Kerzen ein Pfund Wachs geben, daß man die Seelen damit begehen möge. Nimm deinen Platz ein in der Reihe, wo er dir zukommt!" „Ich tue mich ganz freundlich bedanken, Amtsmeister und liebe Werkbrüder!" sagte Dippold, und die nächsten schüttelten ihm die Hand. „Nun, Brüder, die andere Bitte!" sprach Meister Gotthard. „Draußen steht ein Böttcherknecht, der seiner selbst werden will. Er ist echt, recht und deutsch und als eines Meisters Sohn zum Hand- werk geboren, denn es ist mein eigener, eheleiblicher Sohn Arnold Henneberg." „Er ist uns willkommen!" riesen ihm die Brüder zu. „Er befreit sich mit einer aus dem Amte," fuhr der Meister fort, „Dippolds Tochter ist seine Braut. Er will nachtun, was jeder andere fromme und ehrliche Amtsbruder vor ihm getan hat, wenn ihr ihm vergönnen wollt, daß er sein Meisterstück macht." „Wir vergönnend", antworteten die Meister. Einer bat um das Wort und sagte: „Brüder, wer bei Gotthard Henneberg das Handwerk gelernt hat, der versteht seine Sache; darum, wenn es euch recht ist, vermeine ich, daß wir unserem Amts- meister zu Dank und Ehre seinen Sohn des Meisterstücks entledigen." „Ja, das wollen wir!" erwiderten viele, aber nicht alle. „Halt, Brüder!" sprach Meister Gotthard, „das leide ich nicht. Wer ein Handwerk treiben will, muß es mit der Hand wirken können und muß es dem Amte beweisen, daß er es kann. Das soll auch mein Sohn Arnold und soll sein Werkstück nicht zierlich und künstlich herausstreichen, sondern gute, aufrichtige Arbeit machen nach Hand- werksgebrauch und Gewohnheit, sonder Arglist und Gefährde. Ist es euch recht, so laß ich ihn rufen." „Wir vergönnend!" antworteten die Meister wieder. „Ich habe dir zu melden, mein Sohn," sprach der Amtsmeister zu Arnold, als dieser erschienen war, „daß die ehrbaren Meister dir auf deine fleißige Bitte das Amt auflassen wollen, wenn du mit deinem Meisterstück unsträfliche Arbeit lieferst, deine Auslage ge- bührendermaßen in die Meisterbüchse zahlen und ihnen eine redliche Kost ausrichten willst nach deiner Vermögenheit." „Ich tue mich ganz freundlich bedanken," erwiderte Arnold, „und will alles tun nach der ehrbaren Meister Begehr und nach Handwerks Gebrauch und Gewohnheit." „Gut, mein Sohn!" sagte der Amtsrichter, „so kannst du wieder

7. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 93

1913 - Leipzig : Hahn
93 deinen Austritt nehmen." Und nachdem Arnold hinausgegangen war, fuhr er fort: „Jetzt, Brüder, ist es an der Zeit, daß ihr euch einen anderen Amtsmeister kürt an meiner Stelle. Ihr habt es wohl schon getan, also nennt mir seinen Namen!" „Altermann Ditmar Elvers!" riefen die Meister. „Ditmar Elvers! Da habt ihr eine gute Wahl getroffen, Brüder!" sprach Gotthard Henneberg. „Ist einer oder anderer, der etwas auf ihn zu sagen hat, der rede jetzt und schweige nachmals." Die Meister schwiegen, und Gotthard Henneberg fuhr fort: „Sie schweigen; keiner hat etwas aus dich zu sagen, Ditmar Elvers; sie wissen nichts als Liebes und Gutes von dir. Gelobst du mir mit handgebender Treue, des Amtes Gerechtigkeit zu richten, zu ver- kündigen und zu handhaben nach deiner höchsten Redlichkeit?" Ditmar Elvers reichte Gotthard Henneberg seine rechte Hand, umfaßte mit der linken dessen Schwert da, wo es aus der Scheide heraussah und sprach: „Ja, ich gelobe es im Namen Gottes und der heiligen Dreifaltigkeit." „So stehe von der nächsten Morgensprache an du hier, Ditmar Elvers," sagte Gotthard, „und walte deines Amtes nach Pflicht und Gewissen, nach der Herren Wort und der Meister Eid, auf daß die Brüder mit dir zufrieden sind und dermaleinst deinen Namen segnen!" „Es soll geschehen, Bruder Amtsmeister," erwiderte der Gekorene. „Und nun, liebe Brüder, komme ich endlich zu meiner letzten Bitte," sprach Gotthard, nahm den hinter ihm auf einem Stuhl liegenden hohen Zinnbecher aus seiner Hülle heraus und stellte ihn vor sich aus den Tisch. „Ich bitte euch, dieses handliche Trinkgeschirr mit Dank anzunehmen zum freundlichen Gedächtnis an euren lang- jährigen Amtsmeister." Da äußerten sie laut ihre Freude über die blinkende Gabe. Ditmar Elvers trat vor und hielt eine Ansprache, worin er namens des versammelten Handwerks dem Sülfmeister*) Dank sagte, nicht nur für das schöne Geschenk, sondern mehr noch für die treue Führung seines Amtes, aus dem sie ihn ungern scheiden sähen. Gotthard Henneberg erwiderte: „Als Amtsmeister muß ich meinen Urlaub von euch nehmen, aber es soll kein Abschied sein; denn wir bleiben zusammen. Ich bin aus Gunst und gutem Willen eines hoch- edlen Rates euer Morgensprachsherr geworden an Stelle des Herrn Heinrich Viskula, der ja nun unser erster Bürgermeister ist." Darüber jubelten die Werkbrüder und wünschten ihrem neuen Morgensprachsherrn und sich selber viel Glück dazu. Hieraus schloß Gotthard Henneberg nach den üblichen Fragen und Antworten die Lade und so auch seine letzte Morgensprache. *) Besitzer eines Anteils am Salzwerke. Jul. Wolfs.

8. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 69

1913 - Leipzig : Hahn
69 weithin seiner Not enthoben war, und der andere war Boucher, dem sein Herz ein Zeugnis gab, darum man ihn hätte beneiden mögen. W. O. o. Horn. 36. John Maynard. John Maynard! „Wer ist John Maynard?" John Maynard war unser Steuermann, aushielt er, bis er das Ufer gewann; er hat uns gerettet, er trägt die Krön', er starb für uns, unsere Liebe sein Lohn. John Maynard. * * * Die „Schwalbe" fliegt über den Eriesee, Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee, von Detroit fliegt sie nach Buffalo — die Herzen aber sind frei und froh, und die Passagiere mit Kindern und Frau'n im Dämmerlicht schon das Ufer schau'n, und plaudernd an John Maynard heran tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?" Der schaut nach vorn und schaut in die Rund: „Noch dreißig Minuten . . . halbe Stund." Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei — da klingt's aus dem Schiffsraum her wie ein Schrei. „Feuer I" war es, was da klang, ein Qualm aus Kajüt' und Luke drang, ein Qualm, dann Flammen lichterloh, und noch zwanzig Minuten bis Buffalo. Und die Paffagiere, buntgemengt, am Bugspriet stehen sie zusammengedrängt, am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht, am Steuer aber lagert sich's dicht, und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? wo?" und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht. Der Kapitän nach dem Steuer späht, er sieht nicht mehr seinen Steuermann, aber durch's Sprachrohr fragt er an: „Noch da, John Maynard p „Ja, Herr. Ich bin." „Auf den Strand! In die Brandung!" „Ich halte drauf hin." Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus! hallo!" Und noch zehn Minuten bis Buffalo. „Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's mit sterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt's!" Und in die Brandung, was Klippe, was Stein, jagt er die „Schwalbe" mitten hinein- soll Rettung kommen, so kommt sie nur so, Rettung: der Strand von Buffalo.

9. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 77

1913 - Leipzig : Hahn
77 Aber oft eine einzige Wendung des Rörpers genügt, daß Ge- danken und Gemüt eine andere Richtung nehmen. Gin paar schritte machte er hastig in den Hintergrund, dann blieb er stehen und sagte: Mieter! Was ist das gewesen? Was ist dir jetzt eingefallen? So schlecht wärest du? Zum Aushenken wärest du! Bei der Arbeit im Schacht einen umbringen! Von rücklings umbringen! — Peter, das ist dein Grnst nicht gewesen. Im Wirtshaus schlägst ihn tot, wenn er weiß, warum's ihm geschieht! So teuselhast denken! Im Schacht da unten! Und meuchlerisch! Wäre das eine Rache? Rann's nicht jeden treffen im Bergwerk? Im Wirtshaus schlägst ihn tot. S’ ist noch nicht finster. — Gr ging wieder an seine Arbeit und hieb und hämmerte scharf draus los. Und als er später innehielt, um sich den Schweiß von der Stirne zu trocknen, murmelte er in sich hinein: Du wärest mir lieber gewesen, Peter, wenn dir der höllische Gedanken nicht wär' gekommen. Aus wen sollte der Wensch denn ein Vertrauen haben, als aus sich selber? — Wie wirst du heute deinem Weib ins Ge- sicht schauen können? — Hinterwärts umbringen! Im Bergwerk! Glender Wicht! Gr arbeitete wieder und schlug und hieb, als kämpfe er mit seinem Werkzeug noch hart gegen die Versuchung oder gegen die Vorwürfe des Gewissens. — Von diesem Tage an war seine Empfindung eine andere, wenn ihm der Italiener einfiel. Gs war ihm fast wie in Furcht und Angst, der Welsche könne ihn vor Gericht belangen oder gar den südländischen Brauch der Blutrache einführen. Denn jetzt wäre ja an dem Welschen die Reihe. — Das Würgen an der Gurgel spürte der Peter Oberdörfer nicht mehr seit jener Stunde im Schacht. Die schlimme Tat war mit einem noch schlimmeren Gedanken gesühnt! So wollte Peter nun nichts mehr, als aus den Welschen ver- gessen , oder ihn zuhöchst — weil es dem Rerl doch nicht ganz ge- schenkt bleiben sollte — bei guter Gelegenheit ein wenig durch- bleuen. So war es, als eines Tages in den Tiefen des Grzberges, un- weit des Hubertusstollens, sich böse Wetter zeigten, die Rnappen in Wirrnis die Flucht ergriffen und die beiden Rcänner sich plötzlich gegenüberstanden. „Gr muß doch mein Unglück sein!" stöhnte Peter und stürzte zu Boden, denn die Stickluft hatte ihn bereits betäubt. Der Italiener raffte den Ohnmächtigen vom Boden aus, warf ihn über die Achsel und eilte mit solcher Last im nächtigen Labyrinth der Stollen hin und her — die Grubenlampe war ihm schon ver- loschen, die Orientierung hatte er auch verloren, schwerer Gruben- dunst beengte ihm die Brust. Gr rüttelte den Peter. Rannst du gehen, Ramerad? Rannst du? Niente (nicht)? (D, jetzt ist es finster ge- worden ! Schon wollten auch ihm die Sinne vergehen, als aus einem Seitenstollen roter Lichtschimmer winkte. Dort ist Rettung. Wo

10. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 80

1913 - Leipzig : Hahn
80 In diesem Augenblicke rief Herr Martin: „Karl!“ „Meister!“ „Hier, trage das Schloß zum Herrn Geheimrat! Eine Empfehlung, und in einer Stunde werde ich selbst kommen, es anzuschlagen.“ Das ließ sich Karl nicht zweimal sagen; eilig rieb er sich mit dem Schurze den Ruß im Gesichte herum und rannte zur Tür hinaus, um den Fritz noch zu erwischen. Die Wohnstube, durch die er gehen mußte, war leer; die Meisterin war auf dem Markte, und eben wollte er die Stube verlassen, da fiel sein Blick auf etwas, das seinen Lauf hemmte. Das Wandschränk- chen des Meisters stand offen, das Wandschränkchen, in dem der Meister seine Geschäftsbücher und die Meisterin ihr Haus- haltungsgeld aufzubewahren pflegten. Dem Knaben war’s, als würge ihn einer an der Kehle, und er zitterte am ganzen Leibe. Dort lag, er sah es ganz genau, ein kleines Häufchen Zehner. „Nimm eins!“ flüsterte ihm die Versuchung zu, „die Meisterin merkt’s nicht, und die Äpfel sind so saftig und so schön rot.“ Karl warf einen Blick hinter sich, dann einen durchs Fenster — der Fritz biß eben seinen zweiten Apfel an — und da war es geschehen! Mit einem Zehner in der Hand stürzte er auf die Straße hinaus, und die Jagd auf Fritz, der schleunigst Fersengeld gab, begann. Nach einer Viertelstunde kam Karl wieder zurück. Scheu und vorsichtig öffnete er die Stubentüre, und erschrocken blieb er auf der Schwelle stehen, da er den Meister erblickte, der in seinem Lehnstuhle am Fenster saß und mit den Fingern auf dem Fensterbrette trommelte. „Karl, komm herein! Was bleibst du unter der Türe stehen?“ „Ich ... ich ... eine schöne Empfehlung vom Herrn Geheim- rat und ...“ „Schon gut“, unterbrach der Meister den stotternden Jungen. „Was hast du denn vorhin mit dem Fritz gehabt?“ „Ich ... er schimpft immer über uns Schlosser, der Fritz, und da ...“ „Und da hast du ihn durchgeprügelt?“ Karl nickte mit dem Kopfe. „Richtig,“ fuhr der Meister fort, »denn die Schlosser sind brave, rechtschaffene Leute, die darf man nicht schimpfen lassen, und die Schlosser sind ehrliche Leute. Du aber,“ rief der Meister mit erhobener Stimme und stand auf, „du aber bist kein ehrlicher Mensch, denn du hast deinen Meister bestohlen. Haben dir die Äpfel geschmeckt? Ein ehrliches Auge hat auf deiner unehrlichen Hand geruht. Du bist ein Dieb! Pfui! Mich dauert nur deine arme Mutter! Marsch in die Werkstätte!
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