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Wir hören von dem Müller Schachtstek in Diebrock, — wir treffen
ihn gerade an, wie er bei seiner Mühle aus dem Arme der Aa,
der nach dem Mühlrad zu abgeleitet ist, den abgelagerten Sand aus-
wirft, um das Flußbett wieder tiefer zu machen — daß er dort
jedes Jahr etwa 50 cbm Sand abfahren muß — über 30 Fuder.
Die Schüler haben gesehen und werden angehalten, dauernd
daraus zu achten, wie oft Kolke, Teiche, Straßen- und Ackergräben
gereinigt, „ausgeschlämmt" werden müssen.
So lernen sie auf Grund vielfacher Beobachtungen in ihrer
engsten Heimat, welche gewaltige Mengen festen Erdreichs usw. aus
den Bergen und Feldern des Binnenlandes durch die zahlreichen
kleinen und großen Flüsse und Ströme abgeschwemmt, fortgespült
und in das Meer geschleppt werden.
Nun klingt es ihnen glaubhaft, wenn sie hören, daß alljährlich
allein aus dem sächsischen Elblaufe *) über 34000 cbm Sand, Kies
und Steine (rund 23000 Fuder oder was 46000 Pserde ziehen können!)
ausgebaggert werden müssen, damit die Fahrrinne tief genug bleibt;
daß die Donau **) jährlich über 35^ Millionen cbm — rund
23 Millionen Fuder für 46 000000 Pferde,
der Mississippi weit über 211 Millionen cbm — 140 Millionen
Fuder für 280000000 Pferde,
der Hoangho sogar 472 ^ Millionen cbm = 315 Millionen
Fuder für 630000000 Pferde,
Erde, Steine, Sand und Schlamm nach dem Meere bringt,
daß allein aus der schwäbischen Alb jedes Jahr 63600 cbm
Kalksteine vom Wasser ausgewaschen und abgeschwemmt
werden = 42400 Fuder für 84800 Pferde,
daß dort, wie man an zurückgebliebenen Spuren nachweisen
kann, bereits eine Erd- und Gesteinsschicht von 200 m Dicke
und 23 km Ausdehnung fortgespült worden ist.
Da sehen die Schüler allmählich ein, daß bei solch ungeahnter,
unaufhörlicher Riesenarbeit des Wassertropfens nach und nach Gebirge
und andere hoch gelegene Teile der Erdoberfläche abgetragen werden,
und daß durch diese ungeheure Einebnungsarbeit des Wassers schließlich
eine völlige Beseitigung aller Erhebungen stattfinden müßte, wenn nicht
auch andere Kräfte mit entgegengesetztem Erfolge an der Arbeit wären.
*) Vgl. Fraas, Die Naturerscheinungen der Erde. Verlag von Lutz,
Stuttgart.
**) Vgl. Volk, Geologisches Wanderbuch. Verlag von Teubner, Leipzig.
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Kanon der einzuprägenden Jahreszahlen.
237
1190-1197
13. Jahrhdt. 1. Hälfte.
1198-1216
1202-1204
1215
1215-1250
1235
1227 Das 13. Jhdt.
von England nehmen teil am dritten Kreuzzug. Friedrich stirbt. Akkon erobert. Vorbereitung der Gründung des Deutschherrenordens.
Heinrich Vi. zugleich König von Sizilien. „Deutscher" Kreuzzug.
Zeit Innozenz' Iii. und Friedrichs Ii.
Innozenz Iii. Oberherr der Christenheit. Im deutschen Thronstreit zwischen Philipp von Schwaben und Otto Iv. nimmt er das Recht der Entscheidung bei zwiespältiger Wahl in Anspruch.
Auf dem vierten Kreuzzuge wird das griechische Kaisertum in Konstantinopel beseitigt, ein lateinisches Kaisertum errichtet. Venedig wird Vormacht am Mittelmeer.
Das große Laterankonzil.
Kriege gegen die Waldenser und Albigenser in Südfrankreich.
Franz von Assisi und der Spanier Dominikus gründen die nach ihnen benannten Mönchsorden.
Friedrich Ii. Der fünfte Kreuzzug. Gesetzgebung in Sizilien. Die Landeshoheit der deutschen Fürsten wird anerkannt. Landfriedensgesetz. Aussöhnung der Welfen und Hohenstaufen. Der Sachsenspiegel.
Kampf gegen die Lombarden und den Papst. Schlacht bei Cortennova.
Innozenz Iv. erklärt Friedrich auf der Kirchenversammlung zu Lyon für abgesetzt. Friedrich bestreitet das oberherrliche Recht des Papstes in weltlichen Angelegenheiten.
Beginn des Abfalls in Deutschland. Gegenkönige.
Ende der deutschen Herrschaft in Italien. Ende des Kaisertums.
Untergang der Hohenstaufen (Manfred, Konradin) in Neapel und Sizilien. (Schlachten bei Benevent und Sknrkola.)
Karl von Anjou. Siziliauische Vesper (1282).
Die Schlacht bei Bornhöved beendet die Herrschaft Waldemars Ii. über die Ostseeküste.
Die Blütezeit der deutschen Kolonisation im Norden und Osten.
Die Assanier in der Mark, die Piasten in Schlesien. (1241 die Schlacht auf der Wahlstatt gegen die Mongolen.) Der Schwertorden in Livland, der Deutsche Ritterorden in Preußen. Der Hochmeister Hermann von Salza.
Zeit zahlreicher Städtegründungen in Deutschland.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Heinrich_Vi Heinrich Friedrichs Innozenz_Iii Philipp_von_Schwaben Philipp Otto Franz_von_Assisi Franz Dominikus Friedrich_Ii Friedrich Cortennova Innozenz_Iv Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Manfred Konradin) Konradin Karl_von_Anjou Karl Siziliauische_Vesper Hermann_von_Salza
Extrahierte Ortsnamen: England Akkon Deutschherrenordens Sizilien Friedrichs Konstantinopel Südfrankreich Sizilien Deutschland Italien Neapel Sizilien Schlesien Livland Deutschland
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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Medaillen, ^ Kreuze der Ehrenlegion, darunter drei an Gemeine, und sechs nachträgliche Belobungen durch den König von Bayern.
Nur fünf Tote ließen die Würzburger Lbevaulegers auf den Feldern der Schlachten — ein rühmlicher Beweis für ihre Gewandtheit im (Einzel-gefecht.
(Ehre den braven Reitern aus fränkischen Gauen!
21. Die Sachsengräber bei Miltenberg und Kleinheubach.
Kaum war das unter den gewaltigen Tritten des Kriegsfürften jener Zeit hart bedrängte Land der Sachsen nach der Schlacht bei Leipzig von der Fremdherrschaft befreit, so schloß es sich der deutschen Volkserhebung an. wie überall in Deutschland wurden auch hier Linienmilitär, Freiwillige und Landwehr organisiert zur Verfolgung des über den Rhein geflüchteten Kriegsmeisters.
Das „Banner der freiwilligen Sachsen", ein Korps von zwei Jägerbataillonen, einem Reiterregiment, einer Abteilung Schanzgräber und einer fahrenden Batterie in der Gesamtstärke von 5000 Mann, marschierte im Frühjahr durch Thüringen nach Würzburg. £ner teilte es sich. Die Reiterei ging auf Aschaffen bürg, das Jägerregiment über Wertheim und Freudenberg nach Itc iltenberg, wo es am \2. April nachmittags ankam. Die z. und 4. Schützenkompagnie des ersten Bataillons wurden nach dem Miltenberg schräg gegenüberliegenden Dorfe Großheubach kommandiert. Die 3. Kompagnie war bereits zum größten Teile übergesetzt, der Rest und ein Teil der 4. Kompagnie bestieg eine zweite Fähre. Der wasserstand des Maines war sehr hoch, der Tag für diese Jahreszeit ungewöhnlich heiß. Ls wurde ernstlich gewarnt, das Fahrzeug nicht zu überfüllen; die zurückbleiben mußten, sollten nachher abgeholt werden; auch wurde geraten, Tornister und Waffen abzulegen. — Warnung und Rat blieben jedoch erfolglos. Alle eilten der Fähre zu und überfüllten sie, alle behielten Tornister und Waffen. Die braven Schiffer stießen das überladene Fahrzeug mit Vorsicht und Kraft vom Lande ab. (Es ging schwerfällig in bedenklicher Bewegung. Da eilten noch zwei zurückgebliebene Schützen mit einem kleinen Nachen der Fähre nach, erreichten sie, wobei es dem einen gelang, durch einen Sprung auf dieselbe zu kommen. Der andere sprang zu kurz und fiel ins Wasser. Der Versuch, ihn in die Fähre zu ziehen, mißlang. Viele Leute im Fahrzeug drängten sich zur Rettung an eine Stelle, andere liefen hin und her. Dadurch ging das Gleichgewicht verloren; die Fähre schlug um und die Insassen versanken in den Wellen. Drei Schiffer und 62 Freiwillige, unter ihnen ßauptmann von pausen, ertranken im wirren, verzweifelten Kampfe mit den wogen. Unglückliche, die sich schwimmend retten wollten, wurden von anderen in die Tiefe gezogen. Wohl eilten vom Ufer zahlreiche hilfsbereite Leute
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29
nächsten Augenblick in einem Tunnel verschwindet, da er sich nicht am
Felsen vorbeidrücken kann. Hier treibt ein Floß von ungeheurer Länge;
es bringt Schwarzwaldtannen und Bretter nach Holland. Die Ruderer
an beiden Enden bewegen die Steuer im Takte; sie sind froh, daß sie
beide Brücken bei Mainz ohne Anstoß durchfahren haben. Langgestreckte
Inseln liegen mitten im Strome, und Fahrzeuge aller Größen durchkreuzen
ihn längs und quer. Bald grüßt von einem hohen Felsen Burg Rhein-
stein herab, die sich Prinz Friedrich von Preußen aus Ruinen in alt-
ritterlicher Bauart herstellen ließ; man sieht die schmalen Fallbrücken,
welche den Einlaß in den Burghof gewähren. Kaum ist Nheiustein dem
Blick entschwunden, so taucht bereits Burg Sooneck vor uns auf.
Sanft gleitet das Schiff hin auf dem schönen, majestätischen Strome,
der auch im Sommer eine stattliche Wasserfülle behält, weil die 300
Gletscher an seiner Wiege gerade zur Zeit der Sonnenglut ihn reichlich
nähren. Von B a ch a r a ch schallt jetzt der Klang der Glocken herüber,
die zum Hochamt rufen, und bald hallen die Orgeltöne weihevoll über
die Wogen. Wie drängt sich da Reinicks Lied „Sonntag am Rhein" von
selbst auf die Lippen:
Des Sonntags in der Morgenstund', Und ernst in all die Herrlichkeit
wie wandert's sich so schön die Burg herniederschaut
am Rhein, wenn rings in weiter Rund' und spricht von alter, guter Zeit,
die Morgenglocken gehn. — die auf den Fels gebaut.
Ein Schifflein zieht auf blauer Flut,
da singt's und jubelt's drein;
du Schifflein, gelt, das fährt sich gut
in all die Lust hinein?
Das alles beut der prächt'ge Rhein
an seinem Rebenstrand
und spiegelt recht im hellsten Schein
das ganze Vaterland, —
Vom Dorfe hallet Orgelton, Das fromme, tteue Vaterland
es tönt ein frommes Lied; in seiner vollen Pracht,
andächtig dort die Prozession mit Lust und Liedern allerhand
aus der Kapelle zieht. — vom lieben Gott bedacht. —
Jetzt blicke zur Rechten! Kaub taucht auf. Wie ruft dieser Name
die geschichtliche Erinnerung wach an den alten Feldmarschall Vorwärts,
der in der Neujahrsnacht 1814 den Befehl erteilte und ausführte: „In
Frankreich hinein!" und der an der Übergangsstelle, in Erz gegossen, noch
heute dasteht, die Faust am Schwertgriff. Dort, wo ein Zug fauchend
aus dem schwarzen Felsentunnel hervorschießt, ist der L o r e l e i f e l s e n,
der sich schroff und steil au den Strom herandrängt. Fehlt ihm auch
ern dichtes grünes Kleid, so ist er dafür um so reicher mit Sagen umwoben.
Zur Zeit der Dämmerung und beim milden Glanze des Mondlichts ließ
sich früher eine holde Jungfrau mit goldenen Locken auf der Kuppe sehen,
die mtt so verlockender Stimme sang, daß viele Vorüberfahrende wie ver-
zaubert lauschten, Kiel und Steuer vergaßen und am Felsenriff zerschellten.
Der Sohn eines Pfalzgrasen wollte zu ihr dringen, tat den Sprung
aus dem Fahrzeug zu kurz und ertrank. Ein Bote des Vaters forderte
sie auf, sich in den Rhein zu stürzen; doch sie entgegnete: „Der Rhein
mag mich holen!" Da flogen zwei Wellen in Gestalt weißer Rosse zu
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_von_Preußen Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Holland Mainz Burg_Rhein- Burghof Rhein" Rhein Rhein Kaub Frankreich Kiel Rhein Rhein
69
weithin seiner Not enthoben war, und der andere war Boucher, dem
sein Herz ein Zeugnis gab, darum man ihn hätte beneiden mögen.
W. O. o. Horn.
36. John Maynard.
John Maynard!
„Wer ist John Maynard?"
John Maynard war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann;
er hat uns gerettet, er trägt die Krön',
er starb für uns, unsere Liebe sein Lohn.
John Maynard.
* *
*
Die „Schwalbe" fliegt über den Eriesee,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
von Detroit fliegt sie nach Buffalo —
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Frau'n
im Dämmerlicht schon das Ufer schau'n,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
„Noch dreißig Minuten . . . halbe Stund."
Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei —
da klingt's aus dem Schiffsraum her wie ein Schrei.
„Feuer I" war es, was da klang,
ein Qualm aus Kajüt' und Luke drang,
ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.
Und die Paffagiere, buntgemengt,
am Bugspriet stehen sie zusammengedrängt,
am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
am Steuer aber lagert sich's dicht,
und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? wo?"
und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo.
Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht.
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
aber durch's Sprachrohr fragt er an:
„Noch da, John Maynard
p „Ja, Herr. Ich bin."
„Auf den Strand! In die Brandung!"
„Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus! hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo.
„Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
mit sterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
jagt er die „Schwalbe" mitten hinein-
soll Rettung kommen, so kommt sie nur so,
Rettung: der Strand von Buffalo.
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197
Streusand in acht, es ist ein widerlicher Anblick, wenn er so umherliegt
wie aus Ihrem Pulte."
Herr Mohrseld war an seinen Platz gekommen, den eine Barriere
von dem Saale schied, er deutete mit der Hand auf mich und auf einen
Stuhl und wendete darauf seine Aufmerksamkeit einer Menge von Briefen
zu, die seiner Ankunft harrten.
Eine tiefe Stille herrschte, die nur durch das eintönige Gekritzel der
Federn unterbrochen wurde, kein lautes Wort ward vernommen, und selten
hörte man hier und da ein unterdrücktes Zischeln. Von mir nahm kein
Mensch Notiz, keine Frage ward an mich gerichtet, ja nicht einmal ein
neugieriges Auge ruhte auf mir.
Der Kaufmann hatte die Durchsicht der Briefe beendet, er rief mehrere
junge Männer herbei und beauftragte sie mit ihrer Beantwortung.
„Um 1 Uhr muß alles zur Unterschrift fertig sein! — Sie, Herr Becker,
müssen sich vorsehen, damit Sie in den ftanzösischen Briefen nicht wieder
wie neulich Fehler einschleichen lassen. Sie arbeiten zu schnell, zu flüchtig;
nehmen Sie Herrn Horst zum Muster, seine englische Korrespondenz ist
eine Musterkorrespondenz. Übrigens merke ich bei Ihnen seit kurzem eine
Neuerung, die nichts taugt. Sie schreiben einen wunderlichen, Phrasen-
haften Stil und brauchen mitunter drei Zeilen, wo drei Worte ausreichen.
Unterlassen Sie das! Dergleichen Wortprunk ist überall eine Narrheit,
bei einem Kaufmann ist er es doppelt; aber das kommt von den un-
finnigen neuen Romanen und Almanachen, die Sie unaufhörlich lesen, die
Sie noch für jede solide Beschäftigung unfähig machen werden. Ich habe
Sie gewarnt, seien Sie auf Ihrer Hut!"
Das waren glänzende Aussichten! Welche Aufnahme konnte ein
Romanschreiber von einem Manne erwarten, der solche Ansichten hegte?
Zum Überfluß wandte sich noch Herr Mohrfeld in diesem Augenblicke zu
mir und sagte ziemlich kurz: „Nun, mein Herr, an unser Geschäft!"
„Zu Befehl!" stotterte ich und überreichte ihm meinen Brief; aber
-roch hatte er denselben nicht geöffnet, als wir durch einen dritten unter-
brochen wurden.
„Sieh da! Guten Morgen, Herr Kapitän Heysen!" rief der Kaufmann
lebhaft. „Sie kommen wahrscheinlich, um Abschied zu nehmen? Reisen
Sie glücklich, und bringen Sie sich und Ihre Mannschaft gesund zurück,
geben Sie mir auf Schiff und Ladung wohl acht, und machen Sie mir
keine Havarie (Seeschaden)! — Ihrer Frau sagen Sie, daß sie sich in
vorkommenden Fällen nur dreist an mich wenden soll. — Wenn Sie eine
einigermaßen gute Gelegenheit haben und sie geschickt zu benutzen verstehen,
sind Sie vor Weihnachten wieder hier. — Nun, adieu, Kapitän, Sie
haben" — hier warf er einen Seitenblick auf den Kalender — „keine
Zeit zu verlieren, es ist hoch Wasser; das Schiff löst die Taue, und ich
habe es nicht gern, wenn meine Kapitäne sich zum Blankeneser Sande
oder gar bis zur Lühe nachsetzen lassen. — Glückliche Reise!"
Der Kapitän beurlaubte sich, und ein anderer Mann nahm seinen
Platz ein. „Guten Morgen, Herr Flügge! Was bringen Sie mir?"
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198
fragte der Kaufmann. „Mit dem letzten Holzankaufe war ich wohl zu-
frieden. Sie haben Ihre Courtage (Maklergebühr) mit Ehren verdient.
Wenn Sie mich wieder so bedienen können, bin ich bereit, ein ähnliches
Quantum zu kaufen wie vor vier Wochen, vielleicht auch mehr — meine
Schiffe müssen zu tun haben, es liegen schon wieder drei müßig. Sobald
der neue Vorrat da ist, melden Sie mir ihn an, adieu! Ich bitte um
Verzeihung, mein Herr (dies galt nämlich mir), daß ich Sie solange habe
warten lassen, aber die lausenden Geschäfte gehen vor? —- Guten Tag, Lotse!
Schon wieder da? Ist meine .Hoffnung' glücklich in See gegangen?"
„Alles nach Wunsch, Herr Mohrfeld!" erwiderte der Angeredete,
rin robuster Elblotse, „das Schiff ist ein Schnellsegler und fürchtet eine
frische Brise nicht. Hier ist der Brief des Kapitäns. Aber ich muß heute
noch wo anders an Bord; kann ich vielleicht mein Lotsengeld gleich mit-
nehmen?"
„Versteht sich, Lotse, und für die rasche, glückliche Fahrt noch zehn
Taler obendrein. Geh' Er nur zu meinem Kassierer, der wird ihm
alles geben!"
Der Lotse zog sich zurück und machte einem Manne Platz, der hart
an die Barriere trat. „Herr Mohrfeld," begann er ohne weitere Um-
stände, „Ihre .Fortuna' ist ganz fertig und kann jeden Augenblick vom Stapel
gelassen werden; ich wollte fragen, welche Zeit Sie dazu bestimmen."
„Montag morgen, Herr Reich!" entgegnete der Kaufmann äußerst
freundlich. „Ich bin recht zufrieden mit Ihnen, Sie haben mich prompt
und gut bedient. Nun, jungen Anfängern soll man forthelfen, ich werde
bei Ihnen den Kiel zu einer neuen Fregatte legen lassen, versuchen Sie
sich einmal daran. Ich ging gestern an Ihrer Werft vorbei, es geht da
recht arbeitslustig und ordentlich zu; fahren Sie fort. Also wie gesagt,
Montag morgen! Adieu! — Wer ist Sie?"
Mit dieser Frage wandte er sich an eine ärmlich gekleidete Frau, die
mit rotgeweinten Augen und abgehärmten Wangen da stand. Auf die fast
barsche Anrede des Herrn fuhr sie ängstlich auf und sagte mit zitternder
Stimme: „Ich bin die Bodmer, deren Mann das Unglück gehabt hat,
auf dem Speicher auszugleiten und das Bein zu brechen."
„Schlimm, sehr schlimm! — Der Bodmer tut mir leid, er war ein
ordentlicher Mann, der stets seine Schuldigkeit tat. Mein Doktor ist doch
gekommen? Was sagte er?"
„Er hat die beste Hoffnung, meinen Mann am Leben zu erhalten,
aber langweilig wird es werden, und wer weiß, ob der arme Mann je
wieder zur Arbeit tüchtig wird. Was sollen wir armen Leute dann mit
uns und unsern fünf unmündigen Kindern anfangen?"
„Auf den Mann vertrauen, in dessen Dienste Euch dies Unglück be-
troffen hat", entgegnete Mohrfeld gutmütig. „Was der Kranke an Wein
und kräftigen Lebensmitteln bedürfen wird, soll aus meiner Küche hin-
besorgt werden; den Wochenlohn hol' Sie regelmäßig Sonnabends ab.
Nun gehe Sie nach Hause und grüße Sie ihren Mann von mir, ich will
ihn auch nächstens besuchen."
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194
zum nächsten Stockwerk in einen ungeheuren Saal, von dessen
Decke Hunderte von Treibriemen sausend ebensoviele Webstühle
in Bewegung setzen. Das überwältigende Geklapper und Ge-
rassel, das blitzschnelle Auf- und Niederschlagen der Ketten,
das unaufhörliche Hin- und Herschießen der Schiffchen bilden
ein Durcheinander, das jeder Beschreibung spottet. Vor jedem
Webstuhl steht, gespannt aufpassend und zugreifend, sobald es
nötig ist, ein Arbeiter oder eine Arbeiterin; sie sehen bleich und
müde aus, als ob die feuchte Staubatmosphäre und der nerven-
erschütternde Lärm ihnen alle Frische genommen hätten. Nur
einen Blick noch werfen wir auf die so verschiedenen hier ge-
fertigten Gewebe und atmen erst wieder freier auf, nachdem
wir die Mauern des Fabrikgebäudes hinter uns haben. Nun
haben wir die wichtigsten Teile des Spinnereiverfahrens kennen
gelernt; doch unser Führer ruht nicht, bis er uns auch das
Appreturverfahren, das Sengen und Bleichen, das Strecken und
Kalandern (Glätten) gezeigt hat, das in den Nebengebäuden aus-
geführt wird. Jetzt erst fahren wir, nicht ohne uns zuvor von
dem Baumwollenschnee gründlich gereinigt und dem Fabrikleiter
unsern Dank ausgesprochen zu haben, wieder nach Manchester,
dessen rauchgeschwärzten Mauern wir am nächsten Morgen um
so lieber den Rücken kehren, als uns ein Aufenthalt in ländlicher
Behaglichkeit winkt. Opitz.
Per Wertrieb der Waren.
Fern auf der Reede ruft der Pilot, es warten die Flotten,
die in der Fremdlinge Land tragen den Heimischen Fleiß;
andere zieh'n frohlockend dort ein mit den Gaben der Ferne,
hoch von dem ragenden Mast wehet der festliche Kranz.
Schiller.
86. Ein Morgen auf einem großen Hamburger Kontor.
Ein junger Schriftsteller ist, weil ihm das Geld ausgegangen, außer stände,
seine Reise, so dringlich sie anch ist, von Hamburg aus weiter fortzusetzen. Glück-
licherweise besinnt er sich noch auf einen Empfehlungsbrief an ein großes Handels-
paus, Mohrfeld in Hamburg, den er aus Unachtsamkeit abzugeben unterlassen hat.
Sofort macht er sich, um dort eine Summe aufzunehmen, früh acht Uhr nach
der Deichstraße auf, wo Herr Mohrfeld wohnen sollte. Er selber erzählt weiter:
Halt! Hier auf dem Hopfenmarkte muß ich einen Augenblick stehen
bleiben — jener kurze, dicke Mann im blauen Oberrock, mit dem schlicht-
gekämmten braunen Haar, dessen fleischiges Angesicht plump und nichts-
sagend aussieht, hat sich ein Gericht Fische gekauft, schickt einen Arbeits-
mann damit ab und setzt seinen Weg weiter fort. Beide Hände auf dem
Rücken, das Auge an den Boden geheftet, geht er leise brummend in die
Deichstraße hinein. Ohne daß er irgend Notiz von mir nimmt, schreiten
wir nebeneinander hin und flehen endlich vor demselben Hause still. Da
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212
sicherte der Berichterstatter, daß es ihm trotz der schnellen Fahrt vollständig
gelungen wäre, die Gänse auf einer Wiese in der Nähe von Steglitz zu
zahlen. Und das würde wohl jedem Berliner mit ruhigem Blicke gleich-
falls möglich sein.
Diese Voraussetzung bewährte sich vollkommen. Die Bahn wurde
fertig. Die Berliner zählten die Gänse, wenn solche da waren, und ge-
wöhnten sich dermaßen an die Geschwindigkeit, daß man sehr bald die
ganze Fahrt bis Potsdam in anderthalb Stunden abmachen konnte.
Als am» Ende gar noch die Eisenbahn die Post auf den Rücken
nahm und mit ihr in die Welt hineinjagte, vertrauten sich selbst Posträte
ihr an und fanden, daß die Welt nicht ihrem Untergange deshalb zueile.
Von da ab wühlte der böse Zeitgeist gar schrecklich in der unruhigen
Menschheit. Man begnügte sich nicht mehr, mit all den Eisenbahnen nach
allen Seiten hin gewaltige Reisen, auf denen man sonst Wochen zu-
brachte, in einem Tage abzumachen; nein, man faßte den Entschluß, auch
ñachis die Reisenden zu befördern.
Mitten in der Nacht? Gar durch die ganze Nacht? Es war ein
erschreckender Gedanke l Wer wird denn des Nachts reisen? Wer anders
will denn des Nachts reisen als Diebe und Mörder? Wird es selbst
der wachsamsten Polizei möglich sein, hierüber eine Kontrolle auszuüben?
Die verwegene Idee erregte Schaudern in allen redlichen Gemütern, die
da wissen, daß die Nacht keines Menschen Freund ist. Man mochte sich
Nur mit dem Gedanken trösten, daß die Nachtzüge gewiß nur sehr, sehr
langsam fahren und nur ganz solide Reisende befördern werden, die den
Nachweis führen, daß sie durch besondere Umstände genötigt find, zu
Nachtreisen ihre Zuflucht zu nehmen.
In der Tat begannen die Nachtzüge zuerst mit langsamen Fahrten;
«her nach kurzer Zeit kehrte sich die Weltorduung vollständig um, die
Nachtzüge wurden die Jagdzüge, und viele Leute finden jetzt, daß das
Reisen am Tage eine Zeitverschwendung ist, da mau im Schlafcoupä, i«
das man in Berlin abends einsteigt, vortrefflich ruht und am Morgen in
Köln frisch und munter ist, um dort seine Geschäfte abzuwickeln.
Und merkwürdig! Die statistischen Aufnahmen beweisen, daß von
allen Unfällen, die Eisenbahnreisende betreffen, gerade die Nachtfahrer am
allermeisten verschont bleiben. Bernstein.
93. Der letzte Postillon.
Bald ist, soweit die Menschheit haust,
der Schienenweg gespannt;
es keucht und schnaubt und stampft und
saust
das Dampfroß rings durchs Land.
Und wied'rum in fünfhundert Jahr'
weiß der Gelahrtste nicht
zu sagen, was ein kfaudrer war,
was Fuhrmanns Recht und Pflicht.
Nur in der Nacht der Sonnenwende
wo dunkle Schemen gehn,
wird zwischen Grd' und Firmament
ein fremd Gespann gesehn.
Der Schimmel trabt, die peitsche
schwirrt,
laut schmettert posthornton.
Als Geist kommt durch die Luft kutschiert
ein greiser Postillon.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier]]
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95. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal.
Die Nordsee gehört zu den gefährlichsten Meeren der Erde.
Häufig wird dieses Meer von heftigen Stürmen heimgesucht. Die
Gefahr für die Seeleute wird dadurch erhöht, daß sich an dem größten
Teil der Küste eine Kette von Sandbänken hinzieht. Diese verraten
sich zwar am Tage und bei klarem Wetter durch den weißen, weithin
sichtbaren Schaum der brandenden Wellen, bei Nacht und Nebel aber
weihen sie jedes Schiff, das ihnen zu nahe kommt, dem Untergange
und sind um so gefährlicher, als die hinter ihnen liegende Insel- und
Festlandsküste äußerst arm ist an schützenden Häfen. Ganz besonders
ungünstig liegen die Verhältnisse für den Seefahrer an der Westküste
Jüllands. Hier haben schon Tausende von braven Seeleuten ihr
Leben verloren.
Wir begegnen daher schon in sehr früher Zeit Bestrebungen, die
dahin gingen, eine direkte Schiffahrtsverbindung zwischen Nord- und
Ostsee und so an Stelle eines weiten und gefahrvollen einen kurzen
und sicheren Weg zu schaffen. Aber die Vollendung dieses Werkes
blieb unserer Zeit vorbehalten. Nachdem der Reichstag die zum Bau
eines Nordoftseekanals geforderte Summe von 156 Millionen Mar?
gewährt hatte, konnte Kaiser Wilhelm I. am 3. Juni 1887 bei Holtenau
den Grundstein legen. Rüstig schritt der Bau vorwärts. Nicht weniger
als 8000 Arbeiter waren zu gleicher Zeit tätig. Galt es doch, das
gewaltige Werk bis zum Jahre 1895 zu vollenden. Und siehe da —
es wurde weder die Bausumme noch die vorgeschriebene Zeit über-
schritten! Am 20. Juni 1895 wurde der Kanal dem Verkehr über-
geben und von 'Kaiser Wilhelm H. zu Ehren Wilhelms I. Kaiser-
Wilhelm-Kanal genannt.
Der Kanal hat eine Länge von 98,650 km und eine Tiefe von
9,50 m. Auf dem Grunde ist er 22 m, auf dem Wasserspiegel 65 m
breit. Es können also Dampfschiffe von 6 m Tiefgang und 12 m
Breite überall einander ausweichen. Damit auch die größten Handels-
und Panzerschiffe einander ausweichen können, ist der Kanal mit
sechs Ausweichstellen versehen worden.
Um den Kanal kennen zu lernen, unternehmen wir eine Durch-
fahrt. Wir besteigen in Hamburg einen Dampfer und fahren nach
Brunsbüttel. Hier erregt das größte Schleusenwerk der Welt unser
Staunen. Mit fortschreitender Ebbe fließt hier täglich eine ungeheure
Wassermenge aus dem Kanäle in die Elbe und somit aus der Ost-
in die Nordsee. Die täglich abfließende Wassermenge beträgt 8 Mil-
lionen edrn, so daß sich das gesamte Kanalwasser in sechs Tagen
vollständig erneuert. Diesem steten Zuflusse frischen Seewassers ist
es zuzuschreiben, daß sich in dem Kanäle nur bei größter Kälte Eis
bildet.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Wilhelm_H. Wilhelm Wilhelms_I.