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Aus dem Hauswerke entwickelte sich nach und nach das Lohn-
werk. Noch heute ist dieses in den Alpenländern die vorherrschende
Betriebsweise auf dem Lande. Der steirische Schriftsteller Peter Nosegger
sagt: „Die Bauernhandwerker — der Schuster, der Schneider, der
Weber, der Böttcher — sind in vielen Alpengegenden eine Art Nomaden-
volk. Sie haben wohl irgendeine bestimmte Wohnung, entweder im
eigenen Häuschen oder in der gemieteten Stube eines Bauernhofes,
wo ihre Familie lebt, wo sie ihre Sonn- und Feiertage zubringen;
am Montagmorgen aber nehmen sie ihr Werkzeug auf den Rücken
oder in die Seitentaschen und gehen auf die Stör, d. h., sie gehen auf
die Arbeit und heimsen sich im Bauernhöfe, wohin sie bestellt sind
(und von dem sie auch alle zur Herstellung der gewünschten Güter
nötigen Rohstoffe erhalten), so lange ein, bis sie die bestimmte Arbeit,
den Hausbedarf, verfertigt haben. Dann wenden sie sich wieder zu
einem andern Hofe." Wir erkennen leicht aus diesem Beispiele den
Unterschied des Lohnwerkes vom Hauswerke: während seither beim
Hauswerke alle gewerbliche Technik in enger Verbindung mit dem
Grundbesitze und der Herstellung der Rohstoffe ausgeübt wurde, löste
sich nunmehr der geschickte Hauswerkarbeiter von dieser Verbindung ab
und begründete gerade auf seine Geschicklichkeit eine eigene, vom Grund-
besitz allmählich unabhängig werdende Existenz. Aber er hat bloß sein
einfaches Werkzeug, kein eigentliches Betriebskapital. Er betätigt daher
seine Kunst immer an fremdem Rohstoff, den ihm der Erzeuger des
Rohstoffes liefert. Zuweilen ging und geht der Lohnwerker nicht ins
Haus des Konsumenten, sondern er hat eine eigene Betriebsstätte, und
es wird ihm der Rohstoff hinausgegeben, für dessen Bearbeitung er
Lohn erhält, wie dies z. B. beim Leinweber, beim Müller, beim Lohn-
bäcker auf dem Lande der Fall ist.
Aus dem Lohnwerke entstand im Mittelalter das eigentliche
Handwerk. Anfänglich erfolgte die Rohstofflieferung noch durch
die Besteller selbst, und dies dauerte in vielen Fällen noch Jahrhunderte
hindurch fort, auch als der Besteller den Rohstoff nicht mehr in
eigner Wirtschaft erzeugte, sondern ihn kaufen mußte, wie das Leder
für den Schuster, das Tuch für den Schneider. Nur sehr langsam
bürgerte es sich ein, daß der Meister den Rohstoff selbst besorgte,
anfangs bloß für die ärmeren Kunden, später auch für die vermögen-
deren. So entstand das Handwerk in dem Sinne, in dem es heute
gewöhnlich verstanden wird; neben ihm aber erhielt sich noch lange
das Lohnwerk, und in manchen Gewerben, so z. B. bei den Bauhand-
werkern, Schneidern und Schneiderinnen, hat sich das Lohnwerk bis
auf die Gegenwart erhalten. Wodurch sich aber das eigentliche Hand-
werk vom Lohnwerk und der Fabrik unterscheidet, das erkennen wir,
wenn wir uns die Arbeit eines bestimmten Handwerkers vorstellen.
Der Schuster bezieht vom Gerber das Material zur Anfertigung seines
Kunstproduktes selbst; er fertigt mit seiner Hände Arbeit und mit dem
ihm selbst gehörenden Werkzeuge die Ware und verkauft den fertigen
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weise tragen die Bemühungen unserer Fabrikanten auch ihre Früchte.
Der deutsche Maschinenschuh konkurriert heute bereits mit Erfolg auf
dem Weltmarkt, und es ist nach den bisherigen Erfahrungen begründete
Aussicht vorhanden, daß die Ausfuhr sich stetig weiter entwickeln wird.
Nur müßen unsere Fabriken im eigenen Interesse streng darauf halten,
nur wirklich gute Ware zu liefern; gerade bei dem Schuhwerk, dessen
wirklicher Wert oder Unwert von dem Laien fast allein erst im Gebrauch
zu erkennen ist, ist unbedingte Solidität die Vorbedingung jedes dauernden
Erfolges. Wesentlich mitwirken kann hierbei aber das Publikum selbst.
Sein Bestreben, so billig wie möglich zu kaufen, zieht eine unsolide
Fabrikation groß und befördert vor allem die Einfuhr ausländischer „Schund-
wäre". Daß aber allzu billiges Schuhwerk immer das teuerste ist, lernten
unsere Eltern bereits unter der Herrschaft des alten Schuhmachermeisters
einsehen, wir selbst sollten den bewährten Grundsatz auch den Schuhfabriken
gegenüber zu Recht bestehen lassen. ^3 Don Spt.lberg.
85. Liverpool und Manchester.
Was der Fremde in Liverpool vor allem sehen will und
sehen muß, sind der Fluß, der Hafen und die Docks. So
geringe Zeit uns auch zur Verfügung steht, wir eilen, um
wenigstens einen Eindruck von den Hauptzügen der Stadt mit-
zunehmen. Ungeheuer ist der Fluß oder vielmehr der Meeres-
arm, den der Mersey darstellt. Auf der breiten Wasserfläche
kommen sie alle hereingedampft und gesegelt, die Dreimaster
aller Völker, die englischen Küstenfahrer, die Kohlenschiffe
von Wales und Lancaster, die Dampffähre von dem gegenüber-
liegenden Birkenhead, dazwischen zierliche Ruder- und flinke
Segelboote, elegante Jachten und nicht selten auch ein englisches
Kriegsschiff. Doch wenn die Flut zurückgeht, dann werden wir
Hunderte von Fahrzeugen aller Art, die meisten mit den
Maschinen und Fabrikaten Birminghams und Sheffields, den
Geweben Manchesters und Bradfords beladen, den Hafen ver-
lassen sehen. Hohe Häuserreihen, Speicher und Warenhäuser
ziehen sich an diesem entlang, in ihm ein unabsehbarer Masten-
wald. Hier sind wir an den Docks, wohl den großartigsten
der Welt, die sich, 58 an der Zahl, etwa 12 km lang endlos
von Nord nach Süd hinziehen. In diesen vorzüglichen Anlagen
besteht der Wert des Hafens, sie sind die große Quelle von
Liverpools immer wachsendem Reichtum. Welche erstaunliche
Menge von Gütern aller Art hier ein- und ausgeladen werden,
welchen Wert die Einfuhr und Ausfuhr dieses Welthafens dar-
stellt, entzieht sich jeder Schätzung; beläuft sich doch die
Einfuhr eines einzigen, freilich auch des Hauptartikels, der
Baumwolle, auf jährlich über 300 Millionen Kilogramm.
Werfen wir, nachdem wir von der auf hoher Brücke
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Extrahierte Ortsnamen: Liverpool Liverpool Wales Nord
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andere machen sich fertig zur Abreise. Unaufhörlich keuchen die Dampfwinden
an Bord der Dampfer, aus drei Luken zugleich werfen sie Baumwolle,
Wolle, Felle, Kleesaat, Getreide, Tabaksfäsfer, Ballen, Kisten usw. her-
vor, und schon sehen wir unten, dicht über der Wasserlinie andere Mann-
schaften beschäftigt, westfälische Kohle einzuladen; denn die Belastung muß
immer möglichst gleichmäßig bleiben.
Hundert Schritte weiter liegt ein anderer Dampfer, der in wenigen
Stunden den Hafen verlassen will. Eben wird die letzte Hand an die
Überladung der Güter aus dem langseits des Schiffes haltenden Eisen-
bahnzuge gelegt; Zuckerkisten, Spritfäsfer, Ballen und Kisten mit Chemnitzer
Strumpfwaren, Lausitzer Tuchen, Berliner Wäscheartikeln, Barmer Litzen,
Krefelder Seidenstoffen, Stuttgarter Trikots, Nürnberger und Sonneberger
Spielwaren fliegen noch an Bord, wo hundert rüstige Hände sie in
Empfang nehmen und verstauen. Schon kommt der Extrazug mit den
Zwischendeckspaffagieren, fünfhundert, ja sechshundert Menschen steigen
heraus und klettern, beladen mit ihren Habseligkeiten, die schwanke
Schiffstreppe hinan, wo alles zu ihrem Empfange vorbereitet ist und
eine militärische Ordnung es ermöglicht, jeden Ankömmling sofort aus
den für ihn geeigneten Platz zu schaffen. In langen Reihen stehen die
Kojen da, Matratze und Wollendecke auf jeder Schlafstätte, Rettungsgürtel
unter jedem Kopfkissen. Endlich ist alles untergebracht, die Seeleute
haben wieder allein das Regiment auf Deck, wo alles zur Abreise klar
gemacht wird. Da kommt noch der letzte Extrazug mit den Kajüts-
paffagieren; ihrer sind nicht so viele, auch sie werden bald übernommen.
Damit ist endlich auch der Augenblick gekommen, wo die Flut hoch genug
gestiegen ist, daß die Hafenschleusen geöffnet werden können. Ein kleiner
kräftiger Schlepper spannt sich vor das im langsamen Tempo so unbehilfliche
Riesenschiff, und unter lautem Hurra derer an Bord und der Zurück-
bleibenden, unter Hüteschwenken und Abschiedstränen geht es aus dem
Hafen auf die Reede, wo die Schraube des Dampfers sich in Bewegung
setzt und dieser bald am Horizonte verschwindet. Manchmal bleibt es nicht
bei einem Dampfer; einer geht nach Neuyork, ein zweiter nach Baltimore
folgt, vielleicht sogar ein dritter nach Galveston, ein vierter nach Süd-
amerika; einer der kleinen Englandfahrer gesellt sich Wohl auch noch
dazu. Auf der Reede liegen schon wieder heimgekommene Schiffe, die den
letzten Schritt in den sicheren Port machen müssen. So bietet sich dem
Auge des Fremden ein buntes und interessantes Bild dar, und auch wer
es oft gesehen, pflegt doch zu verweilen, bis die Ebbe beginnt und
die Schleusen wieder geschlossen werden.
Nach Westermanns Monatsheften.
98. Die Weltpo».
Aus meinen ftühesten Kinderjahren ist mir eine Erinnerung geblieben,
die jedesmal in meiner Seele auftaucht, wenn ich von einem Briefe aus
Amerika sprechen höre. Damals kam nämlich in das Haus meiner Eltern
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Extrahierte Personennamen: Barmer
Extrahierte Ortsnamen: Neuyork Baltimore Westermanns_Monatsheften Amerika