Zweite Keile:
Bon Hannover bis an die Wasserscheide zwischen
Weser und Elbe. Siehe Karte 1.
Erster Tag:
Die Leine bis an die Mündung in die Aller.
Von jetzt an durchwandern wir weitere Strecken über Berge und
Thäler, über Flüsse, Wiesen, Moore und Heideflächen bis an die
Grenzen unserer Provinz und noch darüber hinaus, sobald unser Weg
vorübergehend benachbarte Gebiete berührt.
Bei unseren Reisen nehmen wir die Flüsse als Wegweiser und
folgen von Hannover aus zuerst dem Laufe der Leine bis an die
Mündung in die Aller.
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen,
In Berg und Strom, in Wald und Feld."
Unterwegs halten wir wie bei den vorigen Ausflügen Rundschau
im Lande, um zu beobachten, wie die Menschen jedem Boden seine
eigentümlichen Erzeugnisse abzugewinnen wissen: Hier legen sie Wiesen
an und dort Wälder, Ackerland und Gärten; hier stechen sie Torf
und an anderen Orten bohren sie nach Petroleum und Steinsalz, oder
sie fördern aus deu dunklen Bergwerken Erze und Steinkohlen an
das Tageslicht. Sie scheuen die harte Arbeit uicht; denn Arbeit
macht das Leben süß!
Unser erstes Interesse an der Leine wecken die Wiesen neben dem
Georgengarten und vor der Herrenhäuser Kunst, weil sie uns im
Sommer eiu anschauliches Bild von dem Leben und Treiben auf den
Marschwiesen geben; denn Pferde und Kühe bleiben hier vom Mai an
5 Monate lang Tag und Nacht im Freien.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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22
dessen schwarzglänzende Beeren im Herbste das zierliche Rotkehlchen
als gern gesehenen Gast herbeilocken.
Hinter dem Stubenfenster ist ein kleiner Blumengarten angelegt,
mit Nelken, Akeley, Pfingstrosen, Krauseminze und Kamillen bepflanzt,
und daran schließt sich ein größerer Gemüsegarten. Holunderstrauch
und Kamillenbeet sind die Apotheken der Bewohner; denn bei jeder
Erkältung muß der schweißtreibende Flieder- und Kamillenthee ge-
trunken werden.
Wir bleiben den ganzen Tag auf einem Bauernhofe, um das
Leben und Treiben der Menschen kennen zu lernen.
Fünfter Tag:
Fortsetzung der letzten Reise und dabei Beobachtung
der Beschäftigung und des Wesens der Heidebewohner.
Wir stehen mit nnsern Gastgebern am srühen Morgen ans und
verweilen bei ihnen bis an den Abend. Es ist Frühling. Schon um
4 Uhr weckt der Hauswirt oder der Großknecht das Hausgesinde, und
jedermann eilt an die für ihn bestimmte Arbeit. Der Pferdeknecht
giebt den Pferden Hafer, und dann putzt und striegelt er sie. Andere
Knechte versorgen die Kühe und schassen Heide und Stroh zur Streu
in die Viehställe, und die Mägde melken die Kühe, tränken die Kälber
und füttern die Schweine. Während der Zeit richtet die Hausfrau
das erste Frühstück au, entweder aus Milch mit Buchweizengrütze, oder
in neuerer Zeit oft aus Kaffee bestehend, und erst gegen 6 Uhr, nach-
dem alles Vieh versorgt ist, setzt das Gesinde sich zu Tische.
Daraus verlassen die Männer den Hof, welcher stets von Acker-
land umgeben ist, und hier auf dem Ackerland bleiben zunächst die
Pferdeknechte mit den Gespannen zum Pflügen, Säen und Eggen.
Von deu übrigen Knechten ziehen einige weiter auf die Berieseluugs-
wiesen, die Gräben zu reinigen, und die letzten endlich müssen den
längsten Weg zurücklegen nach der weiter entfernt liegenden Heide, die
Heidebüschel zur Streu für das Vieh abzuhauen.
Dort kreuzen auch der Imker und der Schäfer nnsern Weg;
denn Bienenzaun und Schafstall liegen, geschützt durch einen Kranz
von Birken und Fuhren, mitten in der Heide, wo das Hauptweidefeld
ist für die Bienen und Heidfchnncken. Da die Schafe sich bei der
Schaswäsche vor der Schur in den kalten Heidebächen leicht erkälten
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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5
sie einander zurufen: „Seid fleißig, reinlich, ordnungsliebend und
sparsam!"
Wie der Buchweizen das rechte Korn der Heide ist, so können
wir die Fuhren und Birken als die rechten Bäume derselben bezeichnen.
Überall auf dem sandigen Boden treffen wir Fuhrenwälder an, oft
umrahmt von weißgekleideten Birken, aber auch an feuchten Stellen
untermischt mit schlanken Tannen und mit Eichen und Buchen. Nord-
lich von Vahrenwald, rechts von der Stader Landstraße, liegt der
erste Fuhrenwald in nächster Nähe Hannovers.
Wir biegen vom Wege ab und übersehen von der Ostseite des
kleinen Nadelwaldes den weiten Exerzierplatz, die frühere „Vahren-
walder Heide".
Wo aber einst die große Heidefläche den munteren Heidschnncken
als Weideplatz diente, wo einst die Schäfer ihre Heidebesen banden,
da ist jetzt das Heidekraut durch das Reiten und Fahren ausgerottet,
und dichte, gelbe Staubwolken werden gleich dem Dünensande vom
Winde emporgewirbelt. Nur die Böschungen der Schanzen sind mit
Heide bewachsen, und an den benachbarten Orten, wo weniger geritten
wird, findest du ebenfalls hier und dort noch einen Rest derselben.
Einen Heidebüfchel und einige Fuhrenzapfen stecken wir in unsere
Botanisiertrommel, merken uns die Hauptkennzeichen der Fuhren und
Birken und suchen schließlich auf unferem Rückwege in Vahrenwald
ein echtes niederfächfifches Bauernhaus auf mit rauchgeschwärztem,
moosbewachsenem Strohdache und den hölzernen Pferdeköpfen an der
Giebelseite. Dann kehren wir vergnügt in unser trautes Heim zurück
und träumen an: Abend von dem schönen, gemeinschaftlichen Ausfluge.
Zweiter Tag:
Die Nordostseite Hannovers.
An: zweiten Tage wenden wir uns nach Nordosten, folgen der
Celler Landstraße durch List und „Klein Buchholz" bis Lahe und
betreten dann zwischen Lahe und Warmbüchen das große Warm-
büchener Moor rechts von der Landstraße. Es ist Spätsommer, und
auf deu Dämmen und anderen trockenen Stellen hat man große
Haufeu Torf aufgestapelt, welche in den letzten Monaten durch Wind
und Sonne vollständig ausgetrocknet worden sind und nun bald nach
Hannover zum Verkaufe gebracht werden können.
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Extrahierte Ortsnamen: Hannovers Vahrenwald Hannovers Lahe Lahe Hannover
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der südliche das Sietland (fiet = niedrig). Das Sietland hatte
früher viel von dem, aus den benachbarten Mooren kommenden Wasser
zu leiben, durch den Geeste-Kanal wird dieser Teil jetzt aber ent-
wässert.
Der Boden ist im Lande Hadeln leichter als in den zuletzt
geuannten Marschländern, und daher wird hier mehr Ackerbau ge-
trieben. Nebeu Roggen und Weizen baut man viel Raps. Die
Wohnungen liegen vereinzelt mitten im Felde, von Gräben umgeben
und von Eschen umschattet; oft siud sie aber auch unmittelbar hinter
die Deiche gebaut, so daß sie mit den Giebeln kaum darüber hinweg-
ragen. Das linke Elbufer ist vou Bleckede au eingedeicht. Die Deiche
sind Wälle mit steiler Innenwand und schräg abfallender Außenseite.
Das Binnenwasser wird mittels Schleusen, welche man Siele nennt,
durch die Deiche hindurchgelasseu. Diese uach außen im stumpfen
Winkel angelegten Siele öffnen sich durch deu Druck des abfließenden
Binnenwassers, werden aber zur Zeit der Flut durch das aufwärts
getriebeue Meer- und Flußwasser geschlossen.
Dritter Tag:
Die Mündung der (5lbe, das Land Wursten
und Osterstade.
An der Mündung der Elbe treffen wir wieder hmuburgsches
Gebiet. Der Hauptort ist Kux Häven mit 4500 Einwohnern, der
Endpunkt der Eisenbahn Harburg-Kuxhaveu. Vor der Elbmündung
liegt die kleiue hamburgsche Insel Neuwerk, welche durch ihren
Leuchtturm den Schiffern in der Dunkelheit den Weg zeigt. Außerdem
hat Hamburg an der Elbmündung mehrere Leuchtschiffe liegen. Diese
Leuchtschiffe sind vlumpe, schwere Fahrzeuge, die au deu gefährlichsten
Stellen fest veraukert werden. Am Tage siud sie keuutlich durch deu
roten Anstrich am Rumpfe des Schiffes und durch die an der Spitze
des Mastbaumes besestigteu schwarzen Körbe; aber in der Nacht zeigen
sie ein Blinkfeuer, welches allen Schiffern, die diese Straße sahren,
bekannt ist. Jedem Leuchtschiffe sind einige Rettungsboote beigegeben.
Es solgen nun weiter die hannoverschen Marschen: das Land
Wurste u an der Nordsee und die Ost erst ad er Marsch am Unter-
laufe der Weser.
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Landschaftskunde. — Moore- Die Lüneburger Heide.
13
Riffe, als die Überreste verschlungenen Geestbodens, die „Kirchhöfe der Schiffe", darunter
das schlimme Borkum-Riff. Mehrere Feuerschiffe und vier große Leuchttürme auf den
Inseln nebst kleineren auf dem Festlande suchen die Schiffahrt zu sichern, und zahlreiche
Rettungsstationen streben den Schiffbrüchigen der Mordsee menschenfreundlich zu helfen.
4. Die Moore zwischen der Aller und dem Dümmer.
a. L. der Weser. Zwischen dieser und der Aue das Große Moor,
jenseits der Aue das Wieting sm oor. Der 22 qkm messende Moorsee
Dümmer, 2—5 111 tief, ist der zweitgrößte in Niedersachsen und sehr fischreich.
b. R. der Weser. Geest, Moor und geringe Stücke Marschlandes
wechseln miteinander ab. Zwischen der Oker, Aller und dem Braunschweig-
schen der fruchtbare Lehmboden des Papenteichs, an den sich, nach S.o.
bis in die Nähe von Helmstedt vorspringend, der Hasenwinkel mit ergiebigen
Feldern anschließt.
5. Die Lüneburger Heide
besteht mit ihrer Fortsetzung im Stadeschen aus verschiedenen Höhenzügen, die
zusammen eine Art stark gewellten Hochlandes von mäßiger Erhebung bilden.
Sie erreicht 171 m im Wilseder Berge, dem Quellgebiete einer großen
Anzahl von Flüssen (welcher?); nach der Aller und Weser hin senkt der
Rücken sich langsam, nach der Elbe hin fällt er mit steilen Rändern ab.
Der Rücken ist größtenteils ein verwüsteter Waldboden und ist wirklich aus weite
Strecken hin eine Art Wüste geworden, „in der sich Wacholder, Heide und Besenpsriem
Gesellschaft leisten". Andere Stellen sind mit Kiefern und selbst Fichten bestanden, und
die beharrlichen Anstrengungen, die Heide wieder aufzuforsten oder in den Senken die
saftig grünen „Rieselwiesen" anzulegen, gehen einen guten Gang. Großartige Auf-
forstungen durch die Provinzial-Verwaltungen liegen in den Feldmarken von Örrel, Lintel
und Brambostel. Auch fehlt es keineswegs an anbauwürdigen Geestäckern. Das Ein-
sammeln von Heidel- und Kronsbeeren bringt ansehnlichen Verdienst. Die genügsame,
tapser aushaltende Heidschnucke ist dem Heidebauern, der noch nicht mit modernem
Landwirtschaftsbetriebe vertraut ist, so unentbehrlich wie dem Lappen sein Renntier. —
Die Heide besitzt auch manche Züge eigentümlicher Schönheit, den feierlichen Aus-
blick über menschenleere Weiten, klare, plätschernde Heidbäche, anheimelnde Gehöfte unter
alten Eichen und vor allem im Hochsommer Hügel aus Hügel ab die purpurne Decke des
endlos blühenden Heidekrautes, voll summenden Jnsektenlebens. Das sogenannte „Para-
dies der Heide", bei Fallingbostel an der Böhme, mit ihrem Saume von uralten, knor-
rigen Buchen ist sogar recht malerisch. Aus dem 55 qkm großen Truppen-Übungsplatze zu
Munster, Kreis Soltau, ist die Heide vollständig dem Anbau entzogen.
Ein besseres Gepräge weisen die Höhenzüge im n. und ö. Lüneburg
auf, ihr thoniger Boden trägt vielfach schönen Buchenwald. Sie beginnen n.
vom Bruchlande des Drömlings und ziehen in n.n.w. Richtung zum Teil
über die Elbe hinaus. Zu ihnen gehören der Lemgow [go], der Drawän,
die wild- und waldreiche Göhrde, sowie der Kalkberg bei Lüneburg.
Der östlichste Winkel des Landes zwischen der Elbe und der Provinz
Sachsen erinnert durch seinen Namen, das Wendland, daran, daß die Be-
wohner einst Slawen waren. Viel Eigentümliches haben sie sich noch bewahrt
im Körperbau, in Kleidung, Sitten und in der hufeisenförmigen Bauart der
„Rundlingsdörfer", die nur einen Eingang besitzen.
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TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
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— 18 —
Wir hören von dem Müller Schachtstek in Diebrock, — wir treffen
ihn gerade an, wie er bei seiner Mühle aus dem Arme der Aa,
der nach dem Mühlrad zu abgeleitet ist, den abgelagerten Sand aus-
wirft, um das Flußbett wieder tiefer zu machen — daß er dort
jedes Jahr etwa 50 cbm Sand abfahren muß — über 30 Fuder.
Die Schüler haben gesehen und werden angehalten, dauernd
daraus zu achten, wie oft Kolke, Teiche, Straßen- und Ackergräben
gereinigt, „ausgeschlämmt" werden müssen.
So lernen sie auf Grund vielfacher Beobachtungen in ihrer
engsten Heimat, welche gewaltige Mengen festen Erdreichs usw. aus
den Bergen und Feldern des Binnenlandes durch die zahlreichen
kleinen und großen Flüsse und Ströme abgeschwemmt, fortgespült
und in das Meer geschleppt werden.
Nun klingt es ihnen glaubhaft, wenn sie hören, daß alljährlich
allein aus dem sächsischen Elblaufe *) über 34000 cbm Sand, Kies
und Steine (rund 23000 Fuder oder was 46000 Pserde ziehen können!)
ausgebaggert werden müssen, damit die Fahrrinne tief genug bleibt;
daß die Donau **) jährlich über 35^ Millionen cbm — rund
23 Millionen Fuder für 46 000000 Pferde,
der Mississippi weit über 211 Millionen cbm — 140 Millionen
Fuder für 280000000 Pferde,
der Hoangho sogar 472 ^ Millionen cbm = 315 Millionen
Fuder für 630000000 Pferde,
Erde, Steine, Sand und Schlamm nach dem Meere bringt,
daß allein aus der schwäbischen Alb jedes Jahr 63600 cbm
Kalksteine vom Wasser ausgewaschen und abgeschwemmt
werden = 42400 Fuder für 84800 Pferde,
daß dort, wie man an zurückgebliebenen Spuren nachweisen
kann, bereits eine Erd- und Gesteinsschicht von 200 m Dicke
und 23 km Ausdehnung fortgespült worden ist.
Da sehen die Schüler allmählich ein, daß bei solch ungeahnter,
unaufhörlicher Riesenarbeit des Wassertropfens nach und nach Gebirge
und andere hoch gelegene Teile der Erdoberfläche abgetragen werden,
und daß durch diese ungeheure Einebnungsarbeit des Wassers schließlich
eine völlige Beseitigung aller Erhebungen stattfinden müßte, wenn nicht
auch andere Kräfte mit entgegengesetztem Erfolge an der Arbeit wären.
*) Vgl. Fraas, Die Naturerscheinungen der Erde. Verlag von Lutz,
Stuttgart.
**) Vgl. Volk, Geologisches Wanderbuch. Verlag von Teubner, Leipzig.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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122
von einer Pest heimgesucht; da starben in Göttingen, wie auch in
den Städten Nordheim und Braunschweig, in wenigen Monaten
ein Drittel der Einwohner. In dieser Zeit suchte man noch bei
den Heiligen Hülfe. So zogen dazumal die von Einbeck, wohl
300 Mann stark, gen Pöhlde, holten von dort das Heiligthum
St. Fabian und Sebastian nach ihrer Stadt und brachten es dann
wieder zurück.
3. Durch die Reformation wurde das anders. Schon im
Jahr 1523 fing die lutherische Lehre an, im Fürftenthum Göttingen
bekannt zu werden. Wenn auch noch der Predigt des Evangeliums
gewehrt wurde, so wußten die Bürger sich dagegen Luthers Lieder
und seine Übersetzung des Psalters zu verschaffen, und kürzten sich
in ihren Werkstätten die Zeit durch das Singen der Lieder Luthers,
und das thaten namentlich die Wollenweber. In den Dörfern Grone
und Rosdorf lehrten schon evangelische Prediger, und die Bürger
von Göttingen schlichen sich verstohlen hinaus zu deren Predigten,
trotz der Strafe, die ihnen gedroht war. Da kam 1529 aus dem
Lüneburgischen Friedrich Hübenthal, ein feiner Prediger in grobem
Rock, und hielt auf dem Kirchhofe von St. Georg die erste evange-
lische Predigt. Seine Anhänger schickten etliche Männer zu Simon
Gieseler, einem vornehmen Manne, der in der ganzen Stadt hoch
angesehen war, und ließen ihn um Rath fragen, ob sie den Prediger
behalten sollten. Er lag gerade schwer krank. Lange schwieg er
und bedachte sich tief; dann erhob er sein Haupt und sprach- „Was
die Bürger jetzt vorhaben, werden sie vollbringen und mögen darum
getrost fortfahren; ich aber will Leib und Leben daran setzen." Nun
bestellten sie Hübenthal zu ihrem Prediger und baten den Rath, er
möge ihnen eine Kirche zum Gottesdienste gewähren. Der Rath
aber war unzufrieden, gab eine harte Antwort und sann auf Strafe.
Da sammelten sich die evangelischen Bürger, wohl 300 an der Zahl,
und besprachen sich, wie das Evangelium vor den Widersachern zu
schirmen sein möchte. Die weisesten Bürger wurden zusammenge-
rufen, um ihre Meinung zu sagen. Unter ihnen war auch Henning
Hohof, ein verständiger Gotdschmid. Als zu diesem die Botschaft
kam, sprach er zu seiner Hausfrau: „Was dünkt dich zu solcher
Sache?" Sie erwiderte: „Thue es um Gottes willen; es wird doch
und kann nicht anders sein." Worauf er sagte: „Ja, liebe Anna,
wenn es aber dazu käme, daß ich einst vor diesem unserm Hause
vorüber einen andern Weg zum Leineberge (der Richtstätte) gehen
müßte, was wolltest du dann thun?" „Wohlan. Henning," ant-
wortete sie, „es wäre doch besser, wir stürben um dieser Ursache wegen,
denn Schande und Laster halben." Da sann Henning nicht länger
und ging aufs Rathhaus.
Mit Mühe erhielten die Männer Gehör beim Rath; ihrer Bitte,
dem Evangelium freien Lauf zu lassen, ward keine Gewährung.
Endlich aber sah sich der Rath dennoch nachzugeben genöthigt und
bat mit der Gemeinde den Landgrafen Philipp von Hessen, ihnen
feine, stille, fromme und gelehrte Prediger zu senden, und vom Palm-
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Extrahierte Personennamen: Fabian Sebastian Friedrich_Hübenthal Friedrich Georg Simon
Gieseler Henning
Hohof Anna Henning Henning Philipp_von_Hessen Philipp
159
Die Kiebitzen sind immer fröhlich, sie mögen fliegen oder Äufen,
sich ätzen oder'baden, und der Hirtenknabe auf dem Ried sieht leine
Lust an ihnen, zumal sie sich nicht verstecken, sondern ihr Wesen und
ihre Kurzweil vor jedermanns Augen haben. Der Hamster aber
ärgerte sich einmal darüber, daß ihm die Galle überlief, und sprach
zu' dem Kiebitz, der etliche Schritte vor seiner Höhle einen Bock-
sprung machte: „Wie kann man doch den ganzen Tag io lustig
sein!" Der Kiebitz antwortete: „Das ist sehr begreiflich. Wir |inb
mit dem täglichen Brote zufrieden; wir sorgen mcht für den andern
Tag; wir haben weder Keller noch Speicher, und nichts, wonach dre
Diebe gelüstet."
41. Stade.
Änweit der Elbe liegt an den Ufern der Schwinge und auf
der Grenze der Elbmarsch und des Geestlandes die Stadt Stade,
der Sitz der gleichnamigen Landdrostei. Sie gehört zu den ältesten
Wehrstätten unsers Landes und war in der Vorzeit die Residenz des
uralten Geschlechts des Grafen von Stade. Die Festungswerke der
Stadt wurden gegen Ende des vorigen Jahrhunderts geschleift, sind
jedoch 1814 wieder hergestellt.
Stade ist außer Harburg und Geestemünde der einzige Ort in
Osthannover, welcher für die Schiffahrt Wichtigkeit hat. Äußer grö-
ßeren Seeschiffen gibt es eine Menge kleinerer Küstenfahrzeuge, wel-
che mit Bremen, Hamburg u. s. w. verkehren. Hin und wieder
wird auch wohl ein Schiff zum Walfischfang ausgerüstet. Freilich
leidet die Schwinge wie das ganze Stromgebiet der Unterelbe an
Versandung und Verschlammung, weshalb schon 1766 ein Kanalbau
erforderlich wurde, ohne welchen die Schiffahrt von der Elbe nach
Stade vielleicht ganz aufgehört haben würde. Dennoch aber ist der
kleine Fluß von großer Wichtigkeit für die Elbschiffahrt. Bei Ein-
tritt des Winters suchen häufig Schiffe bei ihr Schutz, und die Rhede
vor ihr, welche vor Südwest- und Nordwestwinden schützt, wird nicht
selten zum Ankern benutzt. Wie Stade der Grenzpunkt zwischen
Marsch und Geest ist, so bildet die Mündung der Schwinge die
Scheidelinie zwischen dem Süß- und Seewasser. Hier ist die Eis-
grenze, selten bildet sich tiefer abwärts auf der Elbe eine feste Eis-
decke. Die größeren Seeschiffe Pflegen daher hier zu lichten.
Die Luft ist wie am ganzen Gestade der Elbmündung und des
Meeres feucht und rauh. Man heizt in den Häusern volle 6 Monate
des Jahres ein. Dennoch ist die Gegend gesund, da die frische See-
luft freien Zutritt hat und die aus den nahen Moorgegenden auf-
steigenden Dünste entfernt.
Die Stadt hat eine freundliche Lage. Der sogenannte schwarze
Berg neben der Stadt, den früher öde Heide bedeckte, ist jetzt mit
jungem, kräftigem Nadelholze bepflanzt und bietet eine malerische
Aussicht dar. Von dem freundlichen Vergnügungsorte Hohewedel
sieht man die Schwinge sich durch saftiges Wiesengrün nach der
Stadt schlängeln und sich weiterhin in die Elbe ergießen, an deren
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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Extrahierte Ortsnamen: Ried Stade Stade Stade Harburg Osthannover Hamburg Rhede
154
selben stehen 20 Särge fürstlicher Personen. An dieser Kirche ist
Johann Arnd, der Verfasser des „wahren Christenthums", von 1611
bis 1621 Prediger gewesen; Herzog Georg hatte ihn nach Celle als
Generalsuperintendenten berufen. Arnds Bildniß hangt auf der
Bibliothek der Kirche.
Die Stadt ist nicht ohne Leben. Das kommt theils durch ihre
Lage; sie liegt nemlich an der Aller, welche von hier an schiffbar
ist, nachdem sie ihr Wasser durch Aufnahme der Fase vermehrt
hat, und zugleich führt die Eisenbahn, welche von Hannover und
Braunschweig nach Harburg geht, an Celle vorbei. Theils aber
kommt es auch dadurch, daß Celle der Sitz zweier Oberbehörden
ist: des schon genannten Oberappellationsgerichtes und eines Ober-
gerichtes. -- Die Stadt gilt für den Ort, wo das Hochdeutsch am
reinsten gesprochen wird.
37. Die Hermannsburger Mission.
1. Eehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium
aller Creatur! so sprach der Herr zu seinen Jüngern, und sie gingen
hin. Sein Befehl gilt auch heute noch, und gilt so lange, wie' es
Völker auf Erden gibt, denen die frohe Botschaft von Christo noch
unbekannt geblieben ist; und wer ein rechter Christ ist und von
Herzen betet: „Dein Reich komme", der wird gern mithelfen an
dem heiligen Werke der Mission.
2. Seit 1849 haben wir in unserm Vaterlande eine Missions-
anstalt, welche der Pastor Harms zu Hermannsburg im Lüneburgi-
schen gestiftet hat. Im Glauben an den Herrn hat er das Werk
angefangen, und Gott hat ihn reichlich dabei gesegnet und ihm über
Bitten und Verstehen gegeben. Aus der lutherischen Christenheit
von nah und fern sind ihm Gaben zugekommen, sogar aus den
Niederlanden, Rußland und Amerika; einzelne Landleute haben hun-
dert, dreihundert, fünfhundert Thaler geschenkt, einer sogar einen
ganzen Ackerhof in Hermannsburg und sich selber sammt seiner Frau
in den Missionsdienst begeben; Kinder und arme Leute haben ihre
ersparten Pfennige zusammengethan, und sind daraus Thaler gewor-
den. Am fleißigsten ist die Gemeinde Hermannsburg im Geben
gewesen. Da ist wohl gesagt worden: „Aber die Leute müssen ja
endlich dabei verarmen!" Keineswegs; es gibt keinen Bettler im
Dorfe, und außer den Missionsgaben werden noch jährlich über
400 Thaler für auswärtige Fcuersbrünste, Bibelgesellschaften und
dergleichen zusammengebracht.
Die Missionsanstalt besteht aus einem Missionshause und drei
Nebengebäuden, 20 Morgen Acker, Wiesen und Gartenland; dazu
kommt noch jener Missionshof, welcher der Anstalt geschenkt ist.
In dem Missionshause wohnen die jungen Leute, welche Missionare
werden wollen, sammt ihrem Lehrer. Wenn die tägliche Unterrichts-
zeit verflossen ist, so, ziehen sie auf den Acker und in den Garten,
um dvrt zu lernen, was der Apostel sagt: „Christen sollen mit stil-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Personennamen: Johann_Arnd Johann Georg Arnds_Bildniß Christo Harms Apostel
Extrahierte Ortsnamen: Celle Hannover Harburg Amerika Hermannsburg Hermannsburg
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drängen hier Sandsteinfelsen auf sie ein; sie durchbricht dieselben und
eilt durch die sogenannte sächsische Schweiz mit ihren reizenden Ber-
geshöhen zur schönen Königsstadt Dresden. Bei M e i ß e n drängt
sie sich abermals durch Gebirgsmassen hindurch und gelangt dann
unweit Leipzig in die norddeutsche Tiefebene.
Von setzt an sind ihre User flach, und wo sie nicht durch Dämme
begrenzt ist, da ergießt sie im Herbst und Frühjahr häufig ihre Fluten
über die weiten Fluren. Oft durchbricht sie sogar gewaltsam die
Dämme und richtet dann großm Schaden an. Doch hat sie bei den
Überschwemmungen auch manche Sandftrecke mit fruchtbarem Erdreich
überkleidet.
Ihre Wassermenge wird durch die Mulde und die Saale
von der linken Seite und durch die Havel von der rechten Seite ver-
stärkt^ So wird sie stark genug, Schiffe zu tragen. Die Waren gehen
theils durch die Havel in die Spree bis Berlin; theils fahren sie den
Strom hinab. Aus preußischem Gebiete liegen an ihren Ufern die
Städte Wittenberg und Magdeburg.
Nachdem sie das hannoversche Gebiet theils durchflossen, theils
von Preußen, Meklenburg und Lauenburg getrennt und die Ilme-
nau aufgenommen hat, erreicht sie Harburg und gleich darauf
Hamburg, die bedeutendste Handelsstadt Deutschlands, deren größte
Kaufleute ihre Schiffe nach allen Erdtheilen senden. Von hier kom-
men die ausländischen Waren stromaufwärts tiefer in das Land
hinein; die Dampfboote gehen sogar bis Prag. Auch die Eisen-
bahnen, welche die Elbe bald in größerem, bald in geringerem
Abstande bis nach Böhmen hinein begleiten, fördern den Verkehr
erstaunlich. Bei Altona und Glückstadt vorbei fließt sie dann
zwischen Hannover und Holstein in die Nordsee. Vor ihrer Mün-
dung liegt die kleine Insel Helgoland, welche die Engländer
besitzen.
13. Die Oder.
Äm Südostende der Sudeten entspringt die Oder. Sie kommt
als ein schmaler Bach aus einem von finstern Tannenwäldern um-
gebenen Sumpfe. In einem tief eingeschnittenen Thale braust sie
reißend dahin. Bald tritt sie in das Tiefland; ihr Thal wird breit;
träge schleicht sie zwischen Gebüsch und Wiesel hin. Auf beiden Ufern
sind dichte Forsten, von Wiesen und Äckern unterbrochen. Doch ist
der Boden mager und die Ernte dürftig; dafür aber finden sich in
dunkler Tiefe Kohlen und Erze. Der Strom ist seicht und sehr ver-
sandet, daher geht die Schiffahrt langsam; aber der Dampfwagen
führt uns schnell nach Breslau, Schlesiens größter Stadt. Unter-
halb derselben nimmt sie links die Katzbach auf, an der 1813
Blücher die Franzosen schlug. Sie und alle von diesen Gebirgen
kommenden Flüsse schwellen bei Gewittern plötzlich an und werden
dann überaus reißend. Von Breslau an trägt sie Fahrzeuge, die
mit einer Last bis zu tausend Centnern beladen sind. Wald, Ge-
büsch auf Sumpfstrichm und Sandhügel geleiten sie nach Frank-
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe], T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]