10 Heimatkunde für die Provinz Rheinland.
Die feindlichen Brüder.
Auf den nachbarlichen Burgen Sterrenberg und Liebenstein am Rhein wohnten
zwei Brüder, die waren sehr reich und hatten die Burgen stattlich von ihres Vaters
Erbe erbaut. Als ihre Mutter starb, wurden sie noch reicher. Beide hatten aber eine
Schwester, die war blind,- mit der sollten nun die Brüder der Mutter Erbe teilen. Sie
teilten aber, da man das Geld in Scheffeln maß, daß jedes ein volles Matz nach dem
andern nahm, und die blinde Schwester fühlte bei jedem, daß eins so richtig voll war
wie das andere. Die arglistigen Brüder drehten aber jedesmal, wenn es an das Maß
der Schwester ging, dieses um und deckten nur den von schmalem Rande umgebenen
Boden mit Gold zu; da fühlte die Blinde oben darauf und war zufrieden, daß sie ein
volles Maß empfing, wie sie nicht anders glaubte. Sie war aber gottlos betrogen?
dennoch war mit ihrem Gelds Gottes Segen, und sie konnte reiche Andachten in drei
Klöstern stiften.
Aber mit dem Gelde der Brüder war der Unsegen für und für; ihre habe ver-
ringerte sich, ihre Herden starben, ihre Felder verwüstete der Hagel, ihre Burgen
begannen zu verfallen, und sie wurden aus Freunden Feinde und bauten zwischen
ihren nachbarlich nahe gelegenen Burgen eine dicke Mauer als Scheidewand, deren Reste
noch heute zu sehen sind.
Kbb. y. ttönigsstuhl zu Rhense.
Als all ihr Erbe zu Ende gegangen war, versöhnten sich die feindlichen Brüder
und wurden wieder Freunde, aber auch ohne Glück und Segen. Leide bestellten einander
zu einem gemeinschaftlichen Zagdritt; wer zuerst munter sei, solle den andern Bruder
frühmorgens durch einen Pfeilschuß an den Fensterladen wecken, ver Zufall wollte,
daß beide gleichzeitig erwachten, beide gleichzeitig die Armbrust spannten, im gleichen
Augenblick den Laden aufstießen und schössen, und der Pfeil eines jeden von ihnen
dem andern in das herz fuhr. — Das war der Lohn ihrer untreuen Tat an ihrer blinden
Schwester (Sechste in.)
Die prächtige Marksburg, auf die wir bei dem Grtchen Brau-
dach hingewiesen werden, ist wie Rheinstein in alter Herrlichkeit wieder her-
gestellt, lvir bemerken, daß das Tal sich ein wenig erweitert, als wir die freund-
liche Stadt Boppard in Sicht bekommen. Unvergleichlich schön muß diese
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Extrahierte Personennamen: Arnold Arnold Arnold Karl Karl Simrock
88 Heimatkunde für die Provinz Rheinland.
von ihnen sehr geliebten, leutseligen Kürsten noch zu seinen Lebzeiten auf dem
Marktplatz ein aus Rupfer gegossenes Denkmal. Es zeigt „Jan röellem", so
heißt er im Düsseldorfer Volksmunde, hoch zu Rotz- angetan ist er mit einer
schweren Rüstung, sein von langen Locken umwalltes Haupt schmückt die
Rurfürstenkrone, in seiner Rechten hält er den Herrscherstab.
vom Kurfürsten Johann lvilhelm.
Oer Kurfürst Johann lvilhelm liebte sehr die Jagd. Einmal hatte er sich im
Königsforste zu Vensberg verirrt und wußte sich nicht mehr zurechtzufinden. Er ging
viele Stunden lang bis über Mittag und wurde bei der Anstrengung gewahr, wie der
Hunger tut. Er hatte ihn wohl zum ersten Male kennen gelernt, plötzlich kam er an
ein Haus, vor Ermüdung brach er zusammen und bat um Nahrung. Es war ein
Bauernhaus,- man hatte dort Speck und Erbsen gekocht. Die setzte die Krau des Lauern
dem Kurfürsten vor in der Meinung, er sei, wie er angab, ein fremder Jägersmann.
Oas Speck- und Erbsengericht und das Haferbrot schmeckten dem Kurfürsten so wohl, wie
ihm noch nie eine Speise gemundet hatte. Als er nach Düsseldorf zurückgekehrt war
und ihm die leckeren Speisen daselbst nicht zusagen wollten, da befahl er, Speck und
Erbsen zu kochen,' denn das sei das köstlichste Essen von der Welt. Wie der Koch aber
auch die Speisen anrichtete, der Kurfürst sagte, im Königsforste hätte er das besser
gegessen. Endlich mußte ein Eilbote hinausreiten und die Bäuerin bestellen, damit
sie die Lieblingskost dem Kurfürsten so schmackhaft zubereite, wie er sie in ihrem Hause
genossen habe. Auch sollte sie ein Bauernbrot mitbringen. Die Bäuerin wurde in einem
Wagen des Kurfürsten nach Düsseldorf geholt, Was die gute Krau ihm aber auch
kochte, es wollte ihm nicht schmecken; ebensowenig mundete dem Fürsten das Hafer-
brot, das sie mitgebracht hatte. Das kam aber daher, daß ihm die hauptwürze, der
Hunger, fehlte, der ihm bei der Ermüdung im Königsforste die Speisen gewürzt hatte.
Das wurde dem Kurfürsten bald klar, und er pries die Arbeiter glücklich, weil ihnen
in ihrem Arbeitsleben jede Mahlzeit schmecke. Noch heute will uns diese Wahrheit
das bergische Sprüchlein zurufen: .
lver sich vor Arbeit nicht tut schrecken,
Dem wird's wie dem Jan lvilhelm schmecken.
(M o n t a n u s.)
wie man in Düsseldorf das Recht zu Grabe läutete.
Einstmals ging der Narr des Herzogs zu Düsseldorf am Rheine spazieren. Da
kam ihm ein Bäuerlein aus der Stadt entgegen, das trug ein Bündel Papier unter
dem Arme und schlich gar betrübt seines Weges einher. „Wohin geht die Reise?"
fragte der Narr. „An den Bettelstab," antwortete der Bauer, „ho, ho," sagte der
Narr, „das ist ein Stab, der für so wohlbeleibte Leute, wie Ihr seid, schlecht taugt." —
„Danach haben die da drinnen in der Stadt nicht gefragt," erwiderte der Bauer, „ich
muß an den Bettelstab von Rechts wegen." — „So seid Ihr also ein Nichtsnutz und
Kaulenzer, wenn Ihr von Rechts wegen an den Bettelstab kommt?" — „® nein,"
schrie der Bauer, „wenn das wäre, so geschähe mir mein Recht, aber leider ist es ganz
anders!" Und nun erzählte er dem Narren, wie sein Nachbar, ein habsüchtiger und
böser Junker, ihm Prozeß auf Prozeß an den hals gehängt, bis er ihm wider sein klares
und gutes Recht den letzten Acker und die letzte Kuh abgenommen habe, „hier habe
ich meinen Besitz verbrieft und versiegelt," schloß er endlich, „und ich armer Mann
kann ihn doch nicht gegen den mächtigen Junker und die ungerechten Richter behaupten."
Damit warf er das Bündel Papier, das er unter dem Arme trug, auf die Erde.
„Laßt doch sehen," sagte der Narr, nahm die Papiere, setzte sich auf einen Stein
und fing an, darin zu lesen. Er schüttelte dabei oft mit dem Kopfe und rief einmal
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Extrahierte Personennamen: Johann Johann Johann Johann
Xix. Städte am Niederrhein und ihre Bedeutung.
89
über das andere aus: „Die Schelme, die Schelme!" Endlich sprach er zu dem Bauer:
„hört, guter Freund, ich will Euch helfen, wenn Ihr mir folgen wollt."
va gingen die beiden zu allen Glöcknern der Stadt, und der Lauer bezahlte sie
mit seinem letzten Gelde, daß sie alle zu Mittag die Totenglocken läuten sollten. Oer
Bauer aber stellte sich auf den Hof des Schlosses, wo der Herzog sein Mittagsmahl zu
halten pflegte.
Als er nun bei Tische saß und hörte, wie alle Glocken der Stadt läuteten: Bum — kam,
bum — bam! da fragte er seine Hofleute, was denn für ein vornehmer Mann gestorben
Kbb. 44. Düsseldorf, Uunsthalle. (Nach: „Km Rhein". Verlag der photogr. R.=®. Siegburg bei (Töln.)
sei. Da rief der Narr laut über den Tisch hinüber: „Ja, Herzog, das ist fürwahr ein trauriges
Geläute, drob heut' und immerdar viele Augen weinen werden,' deines Landes Zierde
ist nicht mehr,- das gute Recht liegt auf der Bahre und wird heute zu Grabe getragen!"
Oer Herzog fuhr empor und versetzte zornig: „wie wagst du solches zu sagen,
Narr?" — Oer Narr antwortete: „Herr Herzog, weil die Narren die Wahrheit sagen,
wenn die weisen sie aus Klugheit verschweigen." Und nun erzählte er, wie der
Junker mit Hilfe der Gerichte den Lauer von Haus und Hof vertrieben, ließ ihn herauf-
kommen und belegte alles mit Urkunden. Da gingen dem Herzog die Augen auf,' er
vernichtete den Urteilsspruch, jagte die Nichter davon und gab dem Bauer alles, was
sein eigen war, wieder zurück. (Leibling.)
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Bilder aus der Geschichte.
117
touröe Cleve, Mark und Ravensberg und Ravenstein zugesprochen. Diese Lande
bildeten den Kern der preußischen Besitzungen am Rhein. Neuburg erhielt
Jülich und Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf.
10. Wie Lrefeld und Mörs preußisch wurden.
König Friedrich I. von Preußen hatte die Grafschaft Zttörs und mit ihr
auch die Stadt Erefeld in rechtmäßigen Besitz genommen, Aber die Holländer
wollten ihm das Land nicht abtreten und machten allerhand Schwierigkeiten.
Oa beschloß Friedrich, das Land mit seinen Truppen zu besetzen und die
holländische Verwaltung aufzuheben. Nun war Erefeld damals mit starken
Mauern umgeben, und da die Bürger von dem Plane Friedrichs Kenntnis hatten,
waren sie auf ihrer Hut. Oeshalb ersannen die Preußen eine List.
Es war am 3. Februar 1703. Eben dämmerte der Morgen. Aus den
umliegenden Wiesen stieg der Nebel wie eine weiße Rauchwolke empor. Oa
wischte der Torwächter Nicolaus Blentschen am Niedertore mit dem Rockärmel
über die beschlagenen Scheiben seines Turmfensters und schaute die Landstraße
hinunter. Rein Mensch war zu sehen und zu hören, nur weit drunten bewegte
sich eine Fuhre schwerfällig der Stadt zu. Sie war hoch mit Stroh beladen.
Oer Fuhrmann im blauen Kittel schritt neben dem Gaul. Er hatte die Hände
in der Tasche und die Peitsche unter den linken £rm geklemmt. Als die Karre
vor dem Tore stand, riß der Torwächter den schweren Schlüssel vom Nagel und
eilte hinunter. Bald knarrte das Tor in seinen Ingeln. Oer Fuhrmann trieb
sein Roßlein an, und der Wagen schwankte durch den Torbogen. Nichts ahnend,
sah der Torwächter dem Fuhrwerk nach. Wie erstaunte aber der gute Nicolaus,
als es plötzlich in dem Stroh lebendig wurde. Preußische Uniformen wurden
sichtbar. Ehe er sich noch recht von seinem Schrecken erholt hatte, war er zu
Boden geworfen und geknebelt. Ahnlich erging es der Wache. Oann rückten
die übrigen Truppen, die der Fuhre von weitem gefolgt waren, in die Stadt
ein. vie bestürzten Bürger wagten keinen Widerstand zu leisten, und wohl
oder übel mußte der Bürgermeister Johannes Reiners die Preußen einquartieren.
Km 16. Februar wurden alle Bürger in die reformierte Kirche befohlen, um
dem Stellvertreter des Königs den huldigungseid abzulegen. )u derselben
Zeit nahmen die Gesandten des Königs die Huldigung zu Friemersheim und
auf der Hochstraße zu Mörs von den Bewohnern der Oörfer und Ortschaften
entgegen. — Die Bürger Ersfelds und der Grafschaft Mörs leisteten den Eid
nicht gern, aber sie brauchten den Wechsel der Herrschaft nicht zu bedauern.
Unter dem Schutze der hohenzollernfürsten ist die Stadt zu ihrer heutigen
Bedeutung emporgeblüht. (Keußen.)
11. vie Schlacht bei Lrefeld.
Im Siebenjährigen Kriege sind auch die Rheinlande nicht verschont ge-
blieben. Als Friedrich der Große die Franzosen bei Roßbach geschlagen hatte,
zogen sie sich nach Westen, in hannöversches und westfälisches Gebiet zurück,
Goerrj-Cickert-Institut
für internationale
Schulbuchforschung
Braunschweig
Jirhi il!inr*hhfk!irtlliäl/
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_I._von_Preußen Friedrich_I. Friedrich Friedrich Friedrichs Friedrichs Nicolaus_Blentschen Fuhrmann Fuhrmann Nicolaus Johannes_Reiners Friedrich_der_Große Friedrich
30
Heimatkunde für die Provinz Rheinland.
In einer halbverfallenen, doch idyllischen, wundersam verträumten Wald-
kapelle, umrauscht von uralten Tannen, dem geheimnisvollen Flüstern des
Waldes und dem frohen und klagenden Gesänge der Vögel wurde der Jäger
aus Thurpfalz zur letzten Ruhe gebettet. „Wie oft mag wohl der fröhliche,
doch auch kernig-fromme Weidmann auf seinen Hitteri an der Ruine und
an den Gräbern seiner Lieben hier sinnend gehalten, der Geistersprache gelauscht
und sich den stillen Schlummerwinkel für die letzte Ruhe ausgesucht haben!
Ob er wohl zu denken wagte, daß aus den verfallenen Ruinen einst ein freund-
liches Kirchlein wieder erstehen werde? Ob er in jenen ernsten Kriegszeiten,
als er sich, seiner verantwortungsvollen und schweren Amtstätigkeit, in welcher
er sich als starker Schutzherr für Land und Leute erwiesen hatte, müde, zur ewigen
Ruhe legte, ob er wohl damals ahnen konnte, daß 120 Jahre später seine Nach-
kommen sein Grab so herrlich schmücken und sogar der mächtige deutsche Kaiser
Wilhelm Ii. und seine Jäger dem Patriarchen des Soort einen Gedenkstein
setzen würden — in dem Wald, in dem er das Wild gehegt und jene Bäume
gepflanzt, die heute noch manch heiteres und ernstes Geschichtlein aus seinen
Zeiten herüberrauschen." (hoeller, „Oer Jäger aus Churpfalz".)
5. Die Bewohner und ihre Beschäftigung. Ein kräftiges, genügsames
Völkchen bewohnt den hunsrück. Oer Waldreichtum ihrer Heimat weist die
Bewohner auf die Forstwirtschaft hin. Oa es nicht an holz mangelt, wird die
Holzschnitzerei eifrig betrieben- auch durch Bürsten- und Besenbinderei, Korb-
und Stxohflechterei muß manche Familie ihren Lebensunterhalt gewinnen.
Während des Sommers arbeitet ein Teil der männlichen Bevölkerung des hoch-
waldes in den Bergwerken, Schmelzhütten und Fabriken des südwestlichen Hügel-
landes. Oaheim gehen dann'die fleißigen Krauen und Nlädchen hinter dem
mit Ochsen oder Kühen bespannten Pfluge einher. Weit günstiger gestellt als
die armen Bewohner der Hochflächen ist die Bevölkerung der Täler. Oie saftigen,
gut bewässerten Wiesen erleichtern die Viehzucht. Oer Getreidebau liefert
lohnenden Ertrag. Besonders reicher Gewinn wird durch den Anbau des
Flachses erzielt. An den langen Winterabenden kommen Frauen und Nlädchen
in den Spinnstuben zusammen. Lustig schnurren alsdann die Rädchen, auf
denen der Flachs zu feinem Garn gesponnen wird. Oie gesegnetsten Teile
des hunsrück sind die untersten Talstrecken. Oort gedeihen die schönsten Obst-
sorten, und reicher Weinsegen lohnt hier des Winzers eifriges Bemühen. In
den Tälern und auf den Bergen grüßen zahlreiche Burgruinen und künden
von stolzen Rittergeschlechtern, die einst hier ihren Wohnsitz hatten. So trotzten
im Hochwald die Türme und Zinnen der Burg Tronecken- hier soll der grimme
Hagen gehaust haben, der heimtückisch den edlen Held Siegfried erschlug. Oer
Hauptort ist die Kreisstadt S i m m e r n.
Vii. Oie Eifel.
1. Überblick. Vom Nloseltale aus erklimmen wir die nördlich von diesem
Flusse aufsteigenden Berge und befinden uns in der Eifel. Oer Name Eifel
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Extrahierte Personennamen: Weidmann Wilhelm Hagen Siegfried Siegfried Überblick
Xiii. Die Vergischen höhen.
57
zahlreiche Keinde hinter sich. Oer Ritter verzagte und wollte sich ergeben. Oer knappe
aber flüsterte ihm zu: „Herr, fürchte dich nicht,- ich weiß in der Nähe eine Zurt durch
den Rhein. Ich führe dich sicher hinüber." So entgingen sie beide der Gefangenschaft.
Oer Feind stand indes drohend am anderen Ufer und hielte den treuen Unecht für einen
bösen Geist, der den Ritter gerettet habe.
Nicht lange danach erkrankte die Gemahlin des Ritters. Oie Arzte vermochten
die Krankheit nicht zu heilen. Sie sprachen: „Wenn einer Löwenmilch brächte, so
würde die Kranke wohl wieder genesen." Kaum hatte der treue Knappe die Worte
gehört, so eilte er von dannen. Nach einer Stunde war er wieder zur Stelle und hatte
die Milch in einem Gefäße. Oie Burgfrau trank davon und genas zur Zreude ihres
Gatten.
Nun aber mißtraute auch er dem treuen Oiener und hielt ihn für einen bösen
Geist. Er wollte den Knecht nicht länger im Hause dulden,- denn er fürchtete sich
vor ihm.
Oer Knecht war sehr traurig darüber. Als er seinen Herrn verließ, forderte er
nur fünf Mark als Lohn seiner treuen Oienste. Zür dieses Geld kaufte er ein Glöcklein,
das er an der schönsten Stelle im Walde aufhängen ließ.
Bald tat es jedoch dem Ritter leid, daß er seinen Knecht hatte ziehen lassen?
denn nie mehr diente ihm ein Knappe so treu. So oft er sein Roß bestieg, um in den
Kampf oder auf die Jagd zu ziehen, gedachte er des guten Oieners. Oer Oiener kehrte
jedoch nie wieder. Er war ein guter Geist oder ein Elfe gewesen. Oie Stelle des
Waldes aber, wo er das Glöcklein gestiftet hatte, hieß das Elfenfeld oder Elbenfeld.
Oie Wanderer hörten gar oft das Glöcklein im Elbenfelde erklingen. Wenn sie dann
das herrliche Wiesental am rauschenden Zlusse erblickten, wenn sie die süße Melodie
der Nachtigall im hohen Buchenwald ertönen hörten, und wenn ihnen die blauen
Sterne des Vergißmeinnichts so anmutig entgegenleuchteten, dann mochten sie den
Drt nicht wieder verlassen. Sie bauten hier ihre Hütten, und so entstand auf dem
Elfenfelde allmählich eine Stadt, die später den Namen Elberfeld erhielt.
Vicht an Elberfeld geschmiegt, so daß ein Fremder kaum merkt, wo die eine
aufhört und die andere anfängt, liegt ihre Schwesterstadt Barmen. Ursprünglich
bestand sie aus 36 Höfen, die zerstreut auf beiden Ufern des Zlüßchens lagen,
vor etwa 100 Iahren vereinigte man diese Gehöfte zu einer Stadt, die dank
des Gewerbefleißes ihrer Bewohner schnell emporblühte, daß es schien, als
wollte sie das ältere Elberfeld bald übertreffen, von der Hardt, einem auf
dem rechten Wupperufer gelegenen steilen Berg, kann man so recht die ungeheure
Ausdehnung der beiden Städte ermessen. So weit das fluge schaut, ein gewaltiges
Häusermeer, in dem die Fabriken den breitesten Raum behaupten. „Kuf weite
Strecken umsäumen sie ganz allein das Zlüßchen und beanspruchen es beider-
seitig nur für sich. Wie das da unten hastet und lärmt! Welch ein Gewirr von
Schuppen und hallen, von Binnenhöfen und Gängen! Oie Schornsteine, hier
vereinzelt emporragend, dort vereinigt zu Gruppen und ganzen Schwärmen,
sind die Merkzeichen in dieser Welt der Großgewerbe."
Bleichereien von Leinen, Baumwolle, Wolle und Seide, Spinnereien,
Webereien, Zärbereien, Möbelstoff- und Teppichfabriken haben in Elberfeld
ihren Sitz, während Barmen vorzugsweise Bänder, Kordeln, Litzen, Spitzen
und Knöpfe herstellt. Ferner fehlt es den Schwesterstädten auch nicht an
Maschinenfabriken, Kleineisen- und Stahlindustrie, selbst Pianos, Orgeln, Leder-,
Papier- und Pappwaren werden hier angefertigt. Mit Recht rühmen sich die
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
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§ 145, 146.
Afrika.
64
stehende Ohren, kleine, mandelförmige, zum Nasenbein geneigte Schlitzaugen,
ein flaches, etwas eckiges Gesicht mit hervorstehenden Backenknochen, eine flache,
breite und stumpfe Nase, einen breiten Mund und dicke Lippen, ein kurzes Kinn,
einen kurzen dicken Hals, schwarzes, straffes Kopfhaar, wenig Bartwuchs, eine
gelbliche Hautfarbe und eine kräftige, untersetzte Gestalt. Die Malaien sind
mit den Mongolen verwandt; sie zeigen ähnliche Gesichtszüge; jedoch haben sie
eine braune Hautfarbe und eine geringere Körperlänge; besonders zeichnen sie
sich durch sehr geschmeidige Glieder aus.
Religion. Die Bewohner Asiens sind größtenteils Heiden. 210 Millionen
gehören dem Brahmanismus an; es sind vorzugsweise die Hindus, die
Bewohner Indiens. Mit ihrer Religion ist das Kastenwesen innig verknüpft.
Ihre Anhänger teilen sich streng in 4 Stände oder Kasten: 1. Priester oder
Brahmanen, 2. Krieger, 3. Landbauer, 4. Handwerker. Wer sich den An-
ordnungen seiner Kaste nicht fügen will, wird ein Paria; er muß die nie-
drigsten Arbeiten ausführen, darf niemand anrühren, noch mit ihm essen
und trinken. — 365 Millionen sind Anhänger Buddhas; dieser wandte
sich gegen das Kastenwesen und lehrte Nächstenliebe und die Gleichheit aller
Menschen. Unter den Völkern, die seine Lehre annahmen, wurde daher auch
das Kastenwesen sehr gemildert. Der Buddhismus hat sich besonders in
Hoch- und Ostasien ausgebreitet. An dritter Stelle folgt nach der Anzahl
seiner Bekenner der Mohammedanismus oder Islam; er zählt 180 Millio-
nen. Er hat sich mit Feuer und Schwert durch ganz Vorderasien, Turan
und Ost--Turkestan verbreitet; aber auch in Indien hat er viele Anhänger.
Christen gibt es nur etwa 20 Millionen; einige alte Christenvölker haben
sich vor der Überflutung des Islams uoch in Kaukafien, in Armenien und im
Libanon gerettet.
Aufgaben: 1. In welchen Staaten wohnen Kankasier, Mongolen, Malaien? 2. In
welchen Staaten wohnen Brahmanen, Buddhisten, Mohammedaner, Christen?
Afrika.
(30 Milliouen qkm, 170 Millionen Einwohner.)
§ 146. Bodengestaltung. So gewaltige Unterschiede Asien in seiner
Bodengestaltung aufweist, so einförmig zeigt sich Afrika. Vom 8 bis zum X
erstreckt sich durch den ganzen Erdteil ein fast überall gleichförmiges Tafel-
land. Der lange Lauf des Nils sagt uns, daß sich die Tafel etwas nach N
neigt. Jedoch ist die Neigung keine gleichmäßige, sondern durch weite flache
Beckenbildnngen zu einer wellenförmigen geworden. Wir unterscheiden 7 Land-
schaften. 1. Am höchsten ist das Südafrikanische Tafelland (durchschnittlich
1200 in), das nach 8 und 0 von hohen Randgebirgen eingefaßt wird. Diese brechen
in einzelnen Stufen zum Meere ab. Der Süden heißt das Kapland. Nördlich davon
breitet sich die Kalahariwüste aus. Der südliche Teil des Südafrikanischen Tafel-
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima], T83: [Klima Winter Sommer Land Meer Wind Regen Niederschlag Zone Gebirge]]
Extrahierte Personennamen: Landbauer
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Asiens Indiens Buddhas Ostasien Indien Kaukafien Armenien Afrika Afrika
§ 158, 159.
Australien.
78
Marianen und Marshallinseln, südöstlich die Samoainseln, im
Nordosten die Hawaiinseln.
Aufgaben: 1. Füge die wichtigsten Inselgruppen der Skizze des Festlandes hinzu!
2. Vergleiche die Inseln des inneren Gürtels mit denen des äußeren!
§ 159. Die Besiedelung Australiens ist sehr schwach; auf einen
Flächenraum von 9 Mill. qkm, die Festland und Jnselslnr einnehmen, kommen
nur 7 Mill. Ew. Selbst das für die Besiedelung so günstige Neuseeland zählt
nur 3 Ew. auf 1 qkm; auch der gesegnete südöstliche Bezirk des Festlandes ist
nicht viel stärker bewohnt. Die Urbewohner bilden auf dem Festlande nur den
kleinsten Teil der Bevölkerung. Aus Tasmanien und Neuseeland sind sie sogar
völlig ausgestorben. Auf dem Festlande leben nur noch etwa 150—200 000
Wichtige Hafenplätze:
1. Sydney, 2. Melbourne, 3, Adelaide, 4. Herbertshöhe, 5. Friedrich-Wilhelms-Hafen, 6. Jap,
7. Ponape, 8. Jaluit, 9. Apia.
Australneger. Sie sind meist dunkelbraune, hagere Gestalten von Mittelgröße und
geringer Körperkraft. Sie kennzeichnen sich besonders durch pechschwarzes Haar,
starken Bartwuchs, weit vorspringende Augenbrauen, braune Augen, stumpfe
und breite Nase, großen Mund. Die spärliche Nahrung, der zeitweise Mangel
an Wasser haben die Urbewohner zu einem nomadisierenden Leben als Jäger,
Fischer oder Vogelsteller gezwungen. Dadurch sind sie auch in ihrer Bildung auf
der niedrigsten Stufe stehen geblieben. Von Religion kann man kaum eine
Spur bei ihnen entdecken. Die Menschenfresserei ist bei ihnen noch sehr ver-
breitet. Waffen und Geräte sind aus Stein oder Holz verfertigt. Da ihnen
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
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Extrahierte Personennamen: Sydney Melbourne Fischer
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des Pastors von Bodelschwingh zu Wilhelmsdorf in der Senne und der
Trappisten zu Maria Venn nördlich von der Hohen Mark.
Noch ärmer als die Heiden sind die Moore. Trotz ihrer Unfruchtbar-
keit hat die Not ums tägliche Brot die Menschen auch in diese Einöden ge-
trieben und sie gelehrt, den Boden ertragsfähig zu machen. Die älteste Art
der Bearbeitung ist das Moorbrennen. Der Moorbauer durchzieht eine
weite Fläche mit niedrigen Gräben längs und quer, damit das Wasser ab-
läuft. Darauf hackt oder Pflügt er die obere Schicht um. Den so umgerissenen
Boden läßt er den Winter über liegen. Im Frühjahr trocknen ihn die
Sonnenstrahlen und die Winde aus. An einem schönen Mai- oder Junitage
geht der Bauer auf das Feld und streut glühende Kohlen auf die ausgedörrte
Erde, und gar bald schwelt das ganze Feld. Gewaltige Nauchmasseu steigen
auf und verhüllen das Antlitz der Sonne. Da das Moorbrennen meist bei
trocknen Nord- und Nordostwinden geschieht, werden die brandig riechenden
Nebel weit nach Süden getrieben. Sie sind als Haar- oder Höhenrauch be-
kaunt. In die verbrannte Torferde sät nun der „Moorbauer" Buchweizen,
auch elwas Hafer; darein pflanzt er auch seine Kartoffeln.
Eine andere Erwerbsquelle hat der „Moorker" in der Gewinnung des
Torfes. Dazu entwässert er erst ein Stück Moor. Die obere lockere Decke
sticht er ab. Sie gibt gute Streu für das Vieh. Die untere schwarze, klebrige
Masse löst er in Klumpen los. Daraus formt er mit den Füßen breite
Kuchen, läßt sie von Sonne und Wind trocknen und zerteilt sie dann in
ziegelsörmige Stücke. So kommt der schwarzbraune Tors in den Handel. Er
bietet für weite Gegenden Norddeutschlands das wichtigste Heizmittel nicht
allein für Öfen, sondern sogar für Lokomotiven. Aus Torfstücken baut der
Moorker auch die Wände seiner armseligen Wohnstätte, der Moorkate, deren
Dach mit Schilf gedeckt ist. Das Innere bietet meist nur einen einzigen
fensterlosen Raum, der Licht und Luft nur durch die Tür erhält. Darin
wohnen die Familie, eine kleine Moorkuh und einige zottige Moorschafe ein-
trächtig zusammen. Auf einem Sandhaufen, der gleichsam als Herd dient,
glühen Tag und Nacht einige Torfstücke, deren unangenehmer Rauch sich
durch die Tür einen Ausweg sucht.
Die Fehnkultur. Doch diese Bebauung der Moore wird in nicht zu
ferner Zeit vorbei sein; auch sie werden immer mehr in fruchtbares Acker-
land verwandelt. Zu diesem Zwecke graben oder baggern die „Moorker" vom
nächsten Flusse aus einen tiefen Graben durch das Moor. Dieser dient zu-
nächst zur Entwässerung des Moores, dann als Verkehrsstraße; denn es ist
mit zu großeu Schwierigkeiten verbunden, eine Landstraße anzulegen. An
beiden Seiten beginnt nun die Bearbeitung. Die obere lockere Moorschicht
wird aufbewahrt, die untere festere Masse zu Torf verarbeitet und auf Kähnen
verschickt. Sie bringen dafür allerlei Dünger, z. B. Straßenkot, Marschschlick
(vom Meere angeschwemmten Boden) zurück. Unter dem Moore befindet sich
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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Extrahierte Personennamen: Bodelschwingh Maria_Venn Maria