Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): München
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 152 —
Süßigkeit geschenkt. So gehe ich zu Grunde, ohne jemand
Labung und Nutzen gebracht zu haben. Wie gut haben es
unsere Blumenschwestern in den Anlagen! Die sind mit Zaun
und Draht und durch grimmige Wächter vor euern barbarischen
Händen geschützt". „O verzeiht, verzeiht," flehte Thedy, und
bettete mit bebenden Händen die sterbenden Blnmenelfen be-
hutsam ins Gras neben den Weg. „Damit ihr wenigstens
einen leichten Tod auf kühlem Grunde habt. Verzeiht, ich wills
nie wieder tun!"
Von Gewissensbissen und Angst gefoltert, jagte er weiter.
Da streckte sich ein gespenstischer Arm über den Weg. „Halt,
Bube!" Thedy schrie auf. Grau und verwittert reckte sich eine
riesige Gestalt vor ihm auf, die mächtigen Glieder umhüllte
ein Gewand von braun und grünem Tuch. Ein rotes Mal
zog sich an der Seite hin, in Fetzen hing das Tuch herab und
rotes Blut sickerte zur Erde. Dumpf fühlte Thedy im Schlaf,
daß es nur ein Trugbild war, was der Traum ihm vorgaukelte,
nichts anderes als der alte Buchenbaum war die sonderbare
Erscheinung, aber er konnte dem Zauber nicht entrinnen. Ent-
setzt rief er aus: „Was ist dir geschehen? Warum blutest du?"
„Du bist schuld an meinen Wunden, du böser Geselle. Du
hast mir mit aller Kraft ein Glied meines Körpers weggerissen
zum Spielzeug deiner kindischen Laune. Weißt du nicht, daß
wir fühlen und leben wie ihr Menschen, daß jeder Zweig ein
Teil von uns ist, uns lieb und unentbehrlich, wie dir Hand,
Arm und Fuß. Auf dem Zweig, den du im Staube nachge-
schleift hast und achtlos liegen ließest, hätten sich lustige Vögel
geschaukelt, es wäre das Ziel des ersten Ausflugs für die
junge Brut gewesen, bunten Faltern, goldnen Käfern wäre er ein
willkommener Rastplatz gewesen. Nun muß er elend verderben
und ich bin schwer verletzt und der Riß brennt wie Feuer."
Kaum war das letzte Wort verklungen, beugte sich Waldgeist
Haselbusch vor. Wie Pelzmärtel sah er aus im graugrünen
Gewand, mit grauem Pelz verbrämt. Mit erhobenen Armen
und drohender Miene forschte er: „Wo verschmachten meine
Nüsse, die du gedankenlos weggezupft, trotzdem sie uoch unreif,
klein und grün und weich waren? Wie hätten die reifen Kerne
dem Eichhorn geschmeckt, wie froh hätte sie ein armer Reisig-
sammler verzehrt, wie gerne sie St. Niklans für brave Kinder
aus dem Sack geschüttelt! Wie gut haben es unsere Brüder,
die Bäume und die Büsche in den Anlagen? Ein strenges
Gesetz verpönt das Abreißen von Zweigen, Laub und Blüten,
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— 184 —
vögeln. Der kurze Schnabel, nicht so stark wie bei den aus-
schließlichen Körnerfressern, doch kräftiger wie bei Insekten-
fressern, ist geeigenschaftet, ihre Nahrung rasch aufzunehmen.
Die Lerchen leben in der Freiheit von Grasspitzen, Getreide-
körnern, Käfern, Heuschrecken, Spinnen, Schmetterlingen. Im
Käfige werden sie zunächst mit Mehlwürmern, Ameiseneiern und
gelben Rüben gefüttert."
„Warum ist sie so unruhig?" rief ein Kind.
„Das kommt daher, weil sie sich vor so vielen Kindern
fürchtet," war die Antwort. Übrigens, wußte Auguste beizu-
fügen, können die Lerchen die Gefangenschaft sehr wenig ertragen.
Sie trippeln beständig hin und her und fahren gegen die Decke,
die deshalb im Käfig auch aus Leinwand besteht, damit sie sich
den Kopf nicht verletzen. Sie meinte, eine Lerche in einen
Käfig zu sperren, sei recht grausam. Sie kann ja im Käsig
nicht mehr gegen das Firmament emporfliegen, was ihr eine
große Qual sein müsse, auch habe sie gewiß Verlangen nach
der Reise, die ihre Schwestern im Herbst antreten.
Der Herr Lehrer bestätigte die Aussage und eine kleine
Weile wurde nichts mehr gesprochen. Die Kinder schauten auf
deu kleinen Hans, dem die Lerche gehörte. Ihn selbst überkam
so etwas wie Beschämung.
Endlich zeigte Wilhelm wieder den Finger. „Ich weiß, daß
die Lerche ein sauberes Nest, das schwer zu finden ist, aus
Wurzeln und Hälmchen in kleine Bodenhöhlen oder zwischen
Stauden baut und mit welken Blättern und dürrem Grase aus-
füttert. In dasselbe legt das Weibchen sechs gelbliche oder röt-
liche, so wie die Farbe der Erde, mit Pünktchen und Flecken ver-
sehene Eier, die vierzehn Tage bald von dem Männchen, bald
von dem Weibchen bebrütet werden. Ich habe auf dem Felde
schon oft ein Lerchennest mit Eiern oder Jungen gesehen. Können
letztere das Nest verlassen, dann müssen sie schon für sich selbst
sorgen, denn das Weibchen legt bald zum zweiten Male und
dann beginnt das Brutgeschäft von neuem."
Nachdem der Herr Lehrer dem kleinen Hans zu erkennen
gab, daß er es möglich machte, daß die Kinder heute eine Lerche
besichtigen konnten, wofür ihm ein Dank gehörte, teilte Hans
sofort den festen Entschluß mit, die Lerche wieder frei zu lassen.
Der Herr Lehrer belobte ihn deshalb und die übrigen Kinder
hatten ihn nur desto lieber.
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- 154 —
und golden leuchteten die Augeu, die durchdringend auf ihm
ruhten: „Hat dir die Mutter nie von der Kornfrau erzählt?
Meine armen Kornkinder hast du mit deinen schweren Stiefeln
zertreten, als du dem Schmetterling nachjagtest! Dem hättest
du mit ungeschickten Händen den Farbenschmelz zerstört und
ihn dann häßlich und flügellahm seinem traurigen Los über-
lassen. Er entkam dir glücklich, aber meine hilflose Saat knickte
dein Tritt und sie kann sich nicht mehr erheben. Und doch war
sie bestimmt zu wachsen, sich golden zu färben und reichliche
Frucht in ihren Ähren zu trageu. Wer weiß,'ob dem schlimmes
Tun nicht einen Armen seines Stückleins Brot beraubt hat.
Merke, was dir die Kornfrau sagt: Wer das Getreide zertritt,
ist nicht wert, sich satt zu essen?" „Du hör mich, wilder Junge
du," wisperte ein zartes Stimmchen vom Waldsaum hinter ihm.
Ein putziges Bauernmädchen, Heidelbeerlein im grünen Rock
und zartlila Mieder stand vor ihm: „Hast du mein armes
Schwesterchen wenigstens zu Hause eingepflanzt, damit es nicht
verdurstet und verhungert? Es wollte durchaus uicht mit dir
gehen und klammerte sich an seinem Plätzchen fest, da zerrtest
du es mit Gewalt heraus. Nun ist das Fleckchen leer, wo es
so munter und keck um sich geschaut und kein neues Keimleiu
kann sprießen, du hast ja die Wurzelfüßcheu ausgerissen. So
lange wir mit denen in der lieben Erde stehen und ihren Saft
trinken, körnten wir atmen, gedeihen, neue Triebe ansetzen.
Ohne Würzelchen sind wir verloren wie der Mensch, dessen
Herz nicht mehr schlägt, dessen Lunge nicht mehr atmet. Wären
alle Kinder von deiner Art, dann wäre bald der Boden öd
und kahl!" Zu Hause! Wie eiu Schlag hat ihn das Wort
getroffen. Er hat ja auch Blumen heimgebracht, die schmachten
nach Lust und frischem Wasser und ersticken in der Enge der
dumpfen Büchse. „Haltet mich nicht auf! Laßt mich heim!"
ächzte er.
„Was ist dir, mein Kind? Wach auf!" Besorgt beugte
sich die Mutter über ihn, die frühesten Sonnenstrahlen drangen
ins Zimmer. „Mutter, meine armen Blumen!" „Ich tat sie
gestern uoch ins Wasser, weils mein schläfriger Junge ver-
geffen hat." „Aber die auderu, die Ärmsten draußen, Blumen,
Zweig und Korn! Ich wills nimmer, nimmer tun", schluchzte
er und schlang die Arme um den Hals der Mutter. „Nein,
du wirst mein braver Bub werden!" tröstete Mütterlein und
küßte ihn? die Tränen aus den Augeu.
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— 168 —
halt der Knecht den Boden. Eben schüttet er eine Ladung
Wasser über die Steinfließen, der Besen hilft kräftig nach.
Einen großen Spaß macht mir der zweite Stall; ein lautes
Grunzen der Rüsseltiere begrüßt uns, wenn wir den Trank in
die Tröge schütten, bald weicht der Lärm einem befriedigten
Schlürfen und Schmatzen. Noch erinnere ich mich des ersten
Mals, als mich, 'den noch nicht Sechsjährigen, der Vetter über
die niedrige Bretterabteilung schauen ließ. „Aber Vetter, die sind
ja gar nicht schmutzig," das war meine erste Äußerung, erst
dann beobachtete ich mit Erstaunen die fetten Mutterschweine,
die wie unbewegliche Klumpen auf dem Boden des Kobens
lagen. Der Schafstall war leer. Die wolligen Bewohner nach-
tigen im Sommer im Pferch auf der Wiese droben am Walde.
Aber auch auf dem Hofe ist reges Leben. Auf dem Platz,
den Haus, Stall und Scheune begrenzen, tummelt sich Geflügel
aller Art. Der Misthaufen, der wie ein regelrechtes Viereck
neben dem Stall aufgeschichtet ist, gibt eine reiche Fundgrube
fürs Hühnervolk. Da kräht der stolze Hahn und gackern die
sorglichen Hennen. Hart an *der Hühnersteige, die zur Osfuuug
des Hühnerstalles führt, scharrt die Gluckhenne mit ihren Küch-
lein. Die Bäuerin geht durch den großen Stall ins Hühner-
Hans, um die Eier zu holen. Im dunkelsten Winkel hat die
Bruthenne ihr Nest. Die Stangen sind die Schlafstätten des
Hühnervolks. Ein besonderer Stolz der Base ist der Brut-
apparat, in dem durch künstliche Wärme die Eier ausgebrütet
werden. So erhält die Base Küchlein das ganze Jahr hindurch,
auch zu den Zeiten, wo die Hühner nicht brüten. Mitten im
Hof steht noch ein Hans mit Türmchen und Schnitzereien, aber
hoch auf einer Stange. Ihr solltet sehen, wie das Taubenvolk
flattert und schwirrt, wenn die Magd mit dem Futter kommt.
Einen gehörigen Teil des Lärmes verursachen die Enten und
Gänse, die sich schnatternd in der großen, teichähnlichen Pfütze
baden. Sie begehren auf, daß die Magd, die eben am Brunnen
die Wäsche schwenkt, sie vertrieben hat. Abends wackeln sie in
den Raum neben der Hühnersteige und sorgsam verschließt die
Magd Geflügelstall und Taubenschlag vor Fuchs und Marder.
Wenn auch mein Vetter die Wasserleitung in die Küche richten
ließ, der laufende Brunnen mit seiner Holzröhre und seinem
breiten Steintrog ist doch unentbehrlich. Der obere höhere
Teil wird von dem durstigen Vieh aufgesucht, das von der
Weide und zur Weide getrieben wird. Der tiefer gelegene,
niedrige Teil, in den das Wasser durch eine Rinne hinunter--
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— 202 —
fett Augen der Knaben haben den Kameraden rasch erspäht.
Er steht mit ängstlichem, verlegenem Gesichte, die Tasche kramps-
Haft in der Hand haltend, regnngs- und ratlos unter der hasten-
den Menge. Tief aufatmend begrüßte er die Bekannten: „Gott-
lob, daß ich nicht mehr allein bin. Mir war so bange. Ist
das ein Gedränge! Wohnen so viele Menschen in München?
Das sind ja mehr als drei unserer Dörfer! Warum jutd
heute alle Leute der Stadt auf dem Bahnhofe? Ist etwa ein
fremder Prinz angekommen?" Die Knaben lachten: „Warte
nur, in den Straßen der Stadt wirst du viel mehr Leute sehen,
das ist nur ein kleiner Teil der Münchner." „Warum sind
so viele Geleise und so viele Wagen da?" fragte Matthies.
„Bei uns anf dem Dorfe ist der Bahnhof viel, viel kleiner und
eine so große Halle gibt es nicht."
Vater erzählte ihm, daß von der Stadt aus Eisenbahn-
linien nach allen Richtungen führen. „Siehst du, hier reist man
nach Berlin, hier nach Paris, hier nach Wien. Der Zug, der
jetzt hereindampft, ist ein Vorortzug und kommt von Schleiß-
heim!" Auch die ausgedehnten Wartesäle erregten Matthies
Erstaunen: „In ein solches Zimmer kann man die ganze Hütte
des Kräutersepp hineinstellen! Ist's da alle Tage so voll von
Reisenden?" Nun traten sie auf die Straße. „Da ist ja
Tageshelle! Diese großen, großen Lampen! Bei uns auf dem
Dorfe muß man nachts eine Laterne mittragen, damit man den
Weg findet. Diese Häuser! Wohnen da oben unter dem Dach,
ganz nahe beim Himmel, auch Leute? Die müssen noch höher
steigen als unser Kirchturm ist. Wie viele Bauernhäuser könnte
man wohl aus einem Stadthaus machen?" Das Fahren in
der elektrischen Straßenbahn gefiel Matthies gar wohl: „Das
fährt wie eine Eisenbahn. Ich habe gemeint, wie schnell man
mit der Postkutsche vom nächsten Markt nach der Station
kommt, aber das ist schou etwas ganz anderes!"
Zaghaft betrat er mit den Freunden das große Haus, in
dem sie wohnten. Dort fiel es ihm auf, daß auf den Gängen
der Stockwerke verschiedene Türen mit Namensschildern waren.
„In einem Stadthause", hieß es, „sind mehrere Familien ein-
gemietet, die ihre abgeschlossenen Wohnungen haben. Auf einem
Dorfe freilich hat jeder Bauer sei eigenes Haus, dessen Zimmer
auf den Flur münden und dessen Ein- und Ausgang das Haus-
tor ist." Nach dem Abendessen fragte Kurt: „Soll ich dir den
Brunnen zeigen?" „Hier oben in der Wohnung? Bei uns
ist er im Hof und hat einen steinernen Trog sür's Vieh! Ich
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Extrahierte Personennamen: Matthies Matthies Matthies Kurt
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Geschlecht (WdK): koedukativ
— 205 —
der Kirche verlesen und für die Ordnung, sowie für Eintrag
der Geburten, Heiraten und Todesfälle in die Kirchen- und
Gemeindebücher sorgen der Wirt, der nebenbei Bürgermeister
ist, der Herr Lehrer und der Herr Pfarrer. Sagt, was für
ein schwarzer Wagen ist das?" „Das ist der Leichenwagen; er
holt einen Toten ins Leichenhaus. In der Stadt dürfen die
Gestorbenen nicht im Hause bleiben. Sie müssen in eines der
Leichenhäuser am südlichen oder nördlichen Friedhof, in Sendling,
Haidhausen, in der Au oder in den Waldfriedhof." Auch von
anderen Fahrzeugen wollte der Fremdling wissen. Die elektrische
Bahn hatte er selbst benützt. Nun beredete er vor allem die
Sanitätswagen. Mitleidig hörte er den Bericht von den vielen
Unfällen, bewundernd von der segensreichen Tätigkeit der wackern
Männer, die plötzlich Erkrankten und Verwundeten die erste
Hilfe leisten und sie in ihre Wohnung oder ins Krankenhaus
schaffen. „Krankenhaus? Das kenne ich nicht," sagte Matthies,
und als die Kinder vor dem Gebäude standen, streifte sein Auge
beinahe fcheu über die langen Reihen der Fenster, hinter denen
die Leidenden der Genesung oder dem Tode entgegengehen.
Stolz belehrten ihn die Führer über die vorzüglichen Einrich-
tungen, besonders über die Vorsorge bei ansteckenden Krank-
heiten. So gab es jeden Tag Neues zu sehen. Er, der nur den
einen kleinen Platz mit der Dorflinde vor der Kirche kannte,
bewunderte die weiten Plätze der Stadt mit ihren Anlagen,
Brunnen und Denkmälern. Der Knabe aus dem Dorfe, für
desseu gesamten schriftlichen Verkehr mit der Außenwelt ein
einziger hölzerner Briefkasten am Schulhaus und der Landbrief-
böte genügten, staunte über die große Hauptpost, die Postwagen,
Briefschalter in allen Straßen und das mächtige Telegraphen-
amt. Auch das Telephon und sein Gebrauch war eine Quelle
des Staunens und Matthies war sehr geneigt, an Zauberei zu
denken. Welcher Jubel, als die Wachparade kam! Den Soldaten
mußte Matthies natürlich durch alle Straßen nachlaufen. Er
hatte bis jetzt nur einen einzigen gesehen, des Hosbanern Knecht,
der aus Urlaub kam. So verlebte der Knabe eine fröhliche
Woche bei seinen freundlichen Wirten, dann hieß es, wieder
zurückreise:, in die Heimat. Beim Abschied riefen die Städter
und der kleine Landbube einander zu: „Auf frohes Wiedersehen
im Sommer auf dem Dorfe!"
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— 206 —
74. Ausflug auf die Theresien- und
Sendlingerhöhe.
Mein lieber Freund!
Schon der dritte Wochenbrief ist es, den ich Dir heute
schreibe, seit Du an Scharlach zu Hause liegst und ich Dich
wegen der Ansteckung nicht besuchen darf. Noch nie habe ich
Dein Kranksein so bedauert wie letzten Dienstag. Der wunder-
bare Frühlingstag veranlaßte uusern Herrn Lehrer mit uns
einen Spaziergang zu machen. Durch die Straßen der Stadt
ging es im raschen Schritte. Als wir ans der Theresienhöhe
waren, wurde unser Gang langsamer. Herr Lehrer hatte gesagt,
wir sollteu von da an recht auf alles merken, was wir sähen.
Aber denk Dir, der Herr Lehrer sagte uns nicht, was wir be-
sonders beobachten sollten. Er wollte alles hören, was uns auf-
gefalleu war. Das Stimmendurcheinander unterwegs hätte Dich
auch belustigt wie viele Vorübergehende, die über uns lachten
und uns freundlich ansprachen. Wir hatten uns aber auch gar
zu viel mitzuteilen und auf gar zu viel aufmerksam zu machen.
Wir zogen an schattigen Biergärten und stattlichen Häusern
vorbei und freuten uns der Parkanlagen hinter der Bavaria,
deren frischgrüne Wiesenplätze und prächtige Baumgruppen uns
noch viel besser gefielen, dürften wir sie als Tummelplätze für
unsere Knabenspiele benützen. Die Zugführer halten still und
wir drängen nach zu feheu, was sie fesselt. „Da schaugts her!.
Dös sau d'häuselu von der Ausstellung. I woaß no guat,
wia da grad bloß a große Wiesn war!" „Ja und i woaß no
wias dös große Haus da vorn baut worn is. Da Hab i zua-
gschaut, wie tief s eiuigrabn habn; dö gnati schwarzi Erdn,
dias da anßibracht ham!" erzählt der Wagner Hans. „Dös
ivoaß i aa no," ruft der Müller Peterl, „felbismol habm mer
ja mit die Roß unser Brot toalt, weil die gar so mühsam mit
eahnerne Wagn voll gelbem Loam daherkeucht sau." „Uh je"
fährt der Simmerl Taver drein, „an Loam Hab i a außergrabu
segn, wiar i z' Woadhausu in d' Schui ganga bi, da san mer
a amal mitn Herrn Lehra spaziern ganga. Da san der Flecker
wia die größtn Wiesn, dös san lauter Loamgruabu. Du, do
wenn d' eiui tappst, da bleibst der so dumm stecku in dera
pappign Gschicht, und dia Schuach und dia Hosu und dia Wir
vom Vodau!" Weißt Du: wenn Du wieder gesund bist, gehn
wir einmal miteinander dahin, statt zum Fischen in die Isar.
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— 210 —
mühle und der Maria Einsiedler Froschteich," lachte der Hilmer
Hermann, „da bin ich auch schon herumgewatet! Da hinüber
geht es ins Jsarbad!" Weiter vorne liegen Fabriken und die
Elektrizitäts-Jsarwerke. Villen und Wiesen wechseln ab. Wir
sind am Wald. Am sonnigen Rande ist der Boden trocken,
wir lagern uns und verzehren, was uns die Mutter zum Vespern
mitgegeben hat. „Das ist der Wald vor Solln," erklärte während
der Rast der Settler Heinz. „Da geht es nach Ludwigshöhe,
die Straße weiter nach Großhesselohe. Dann wandern wir
über die Eisenbahnbrücke und durch den Wald nach Menter-
schwaige und können auf dem Heimweg von drüben nnsern
Hinweg herüber betrachten." „Und können die gezähmte Isar
sehen, die durch allerlei Bauwerk nicht mehr so wild und
regellos dahinstürmen oder sich in so und so viel Rinnen teilen
darf!" „Ich erkenne den Weg," fuhr Hermauu fort, „erst
gehts durch den Wald. Schade, daß er durch Stachelzäune
abgesperrt ist! Wann an Wiesen und Getreidefeldern vorbei auf
die Giesinger Höhe." „Dann durch Haidhausen an die Lehm-
gruben. Lieber ist mir aber der Weg durch die schönen Bogen-
hauser Anlagen, die Brücke und den Englischen Garten in die
Stadt." „Da dies aber sogar für meine wandertüchtigen Jungen
zu viel fein dürfte, so steigen wir jetzt bei Maria Einsiedeln
abwärts und gehen den unteren Weg heim. Ihr sollt die
Wiesen und Gärten in der Nähe sehen. Die Reisenden unter
euch, die die Füße doch nicht mehr recht heben können, mögen
sich vorsehen, der Weg ist nicht gut und Stolpern und Fallen
tut weh!" scherzte der Herr Lehrer. Ein frohes Lachen; so was
gabs bei uns nicht. Glücklich erreichten wir unser Daheim.
Da erzählte mir die Mutter, daß es Dir besser geht und daß
ich Dich bald besuchen darf. Wie freue ich mich darauf.
Alle Mitschüler habeu mir Grüße an Dich aufgetragen
und unser lieber Herr Lehrer sagte, er habe noch manchen
Ausflug mit uns vor und hoffe Dich recht bald frisch und
lustig mit uns zu sehen.
Dein Freund
Oskar.
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Extrahierte Personennamen: Maria Hilmer
Hermann Heinz Maria