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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 12

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
12 I. v. Treitschke, Belle Alliance. mußte zu Pferde davonjagen, obgleich er sich kaum im Sattel halten konnte. Nur um die Fahnen scharten sich immer noch einige Getreue; ihrer vier waren in der Schlacht verloren gegangen, die übrigen wurden allesamt gerettet. Niemals in aller Geschichte war ein tapferes Heer so plötzlich aus allen Fugen gewichen. Nach der übermenschlichen Anstrengung des Tages brach alle Kraft des Leibes und des Willens mit einem Schlage zusammen; das Dunkel der Nacht, die Übermacht der Sieger, der umfassende Angriff und die rastlose Verfolgung steigerten die Verwirrung. Entscheidend blieb doch, daß diesem Heere bei all seinem stürmischen Mute die sittliche Größe fehlte. Was hielt diese Meuterer zusammen? Allein der Glaube an ihren Helden. Nun dessen Glücksstern verbleichte, waren sie nichts mehr als eine zuchtlose Baude. Die Sonne war schon hinter dicken Wolken versunken, als die beiden Feldherren eine Strecke südlich von dem Hofe von Belle Alliance mit einander zusammentrafen; sie umarmten sich herzlich, der bedachtsame Vierziger und der feurige Greis. Nahebei hielt Gneifenau. Endlich doch ein ganzer und voller Sieg, wie er ihn so oft vergeblich von Schwarzenberg gefordert; endlich doch eine reine Vergeltung für allen Haß und alle Schmach jener entsetzlichen sieben Jahre! Es sang und klang in seiner Seele; er dachte an das herrlichste der friderieiani-schen Schlachtfelder, das er einst von seiner schlesischen Garnison aus so oft durchritten hatte. „Ist es nicht gerade wie bei Leuthen?" — sagte er zu Bardeleben und sah ihn mit strahlenden Augen an. Und wirklich, wie einst bei Seuchen bliesen jetzt die Trompeter das Nun danket Alle Gott! und die Soldaten stimmten mit ein. Aber Gneisenau dachte auch an die Schreckensnacht nach der Schlacht von Jena, an jene Stunden beim Webichtholze, da er die Todesangst eines geschlagenen Heeres, die dämonische Wirkung einer nächtlichen Verfolgung mit angesehen. Noch gründlicher als einst an der Katzbach, sollte heute der Sieg ausgebeutet werden. „Wir haben", rief er aus, „gezeigt wie man siegt, jetzt wollen wir zeigen wie man verfolgt." Er befahl Bardeleben mit einer Batterie den Fliehenden auf den Hacken zu bleiben, immer aufs Geratewohl in das Dunkel der Nacht hineinzuschießen, damit der Feind nirgends Ruhe fände. Er selber nahm was von Truppen zur Hand war mit sich, brandenbnrgische Ulanen und Dragoner, Infanterie vom 15. und 25. und vom 1. pommerfchen Regimente; Prinz Wilhelm der Ältere, der die Reservereiterei des Bülowschcn Corps geführt, schloß sich ihm an.

2. Geschichtliches Lesebuch - S. 26

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
26 Ii. v. Sybel, Erste Jahre des Bundestags. nehmen Anlaß haben. Eigentlich war es Preußen allein, wo der thatsächliche Zustand zwar bei der Knappheit der Finanzen hinter den Anforderungen der Landesgesetze zurückblieb, immer aber erheblich mehr leistete, als die Vorschriften der Bundesverfassung begehrten. Fürst Metternich hatte diese unliebsamen Dinge, die er nicht hindern konnte, gehen lassen. Man darf wohl vermuten, daß ihm selbst eine straffere Bundesverfassung, die ihn genötigt hätte, 90 000 Mann für einen, vielleicht preußischen Bundesfeldherrn jederzeit verfügbar zu halten, wenig genehm gewesen wäre. Denn noch mehr als in Preußen drückte hier die Finanznot, so daß der Friedensstand des Heers bei doppelter Bevölkerung kaum stärker als der preußische war. Um so mehr war Metternich darauf bedacht, auf dem in Teplitz und Karlsbad gelegten Grunde weiter zu bauen und damit die preußische Politik in der Abhängigkeit von der Hofburg festzuhalten. Trotz der Vereitlung seiner Wünsche hinsichtlich der innern deutschen Politik und der führenden Stellung Preußens auf den letzten Wiener Konferenzen hoffte er auf eine günstige Wendung der politischen Verhältnisse in Berlin selbst, welche den Hohenzollernstaat wieder unter die Flügel des kaiserlichen Doppeladlers zurückführen würde. Er hatte Grund dazu. Auch für uns verlohnt es sich, der damaligen Abwandlung der preußischen Politik etwas näher zu treten, da die hier wirksamen Elemente für die weitere Entwicklung der deutschen Gesamtverfafsnng eine große Bedeutung gewonnen haben. Während Graf Bernstorff in Wien sich anstrengte, die künftige preußische Verfassung vor jedem Eingriff der Bundesgewalt zu sichern, begann in Berlin der König über die Ausführung des Gesetzes vom 22. Mai zweifelhaft zu werden. Noch am 17. Januar 1820 hatte er das von Hardenberg zum Abschluß gebrachte Gesetz über Steuerreform und Staatsschulden und darin die Bestimmung unterzeichnet, daß künftig keine neue Anleihe ohne Zustimmung der Reichsstände gemacht, und über den Stand der Staatsschuld den Reichsständen jährlich Rechnung gelegt werden sollte. Etwas beunruhigt hatten ihn freilich schon vorher die Klagen der süddeutschen Bundesfürsten über das unbändige Treiben ihrer Kammern, und nun folgten sich im Laufe des Jahres 1820 die Schreckensnachrichten: Revolution in Spanien und in Portugal, in Neapel, in Piemont und in Griechenland. Halb Europa schien durch ein fortdauerndes Erdbeben erschüttert: war dies eine Zeit, um das Fundament der preußischen Monarchie, die Vollgewalt der Krone, zu ändern? Ein großer Teil der höheren Beamten

3. Geschichtliches Lesebuch - S. 42

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
42 Iii. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. und gleich sind; Urfeinde unseres deutschen Volkstums waren von jeher Drei: die Römer, Möncherei und Soldaterei." Dadurch ward freilich der gesamtdeutsche Charakter des Festes von vornherein getrübt. Die katholischen Universitäten des Oberlandes, die ohnehin mit den norddeutschen noch keinen regelmäßigen studentischen Verkehr unterhielten, konnten keine Einladung erhalten; die Freiburger Burschen mußten für sich allein am 18. Oktober auf dem Wartenberge bei Donaueschingen ihr Siegesfeuer anzünden. Von den österreichischen Hochschulen war nicht die Rede, da sie dem deutschen Studentenbrauche ganz fern standen, auch, mit Ausnahme der Siebenbürger Sachsen und weniger Ungarn, noch fast kein Österreicher in Deutschland studierte. Aber auch auf den preußischen Universitäten hatte die Burschenschaft noch so wenig Anhang, daß allein Berlin der Einladung Folge leistete. So war denn bei der Feier der Völkerschlacht gerade die Studentenschaft der beiden Staaten, welche allein schon bei Leipzig für die Sache der Freiheit gefochten, fast gar nicht vertreten; und alle die wundersamen Märchen, womit die Liberalen der rheirtl)(indischen Länder die Geschichte des Befreiungskrieges auszuschmücken liebten, fanden freien Paß. Schon lange zuvor hatte die Presse mit mächtigen Trompetenstößen den großen Tag angekündigt. Eine freie Zusammenkunft von Deutschen aller Länder allein um des Vaterlandes willen war diesem Geschlechte eine so erstaunliche Erscheinung, daß sie ihm fast wichtiger vorkam als die weltbewegenden Ereignisse der letzten Jahre. Im Lause des 17 Oktobers langten an fünfhundert Burschen in Eisenach an, etwa die Hälfte aus Jena, dreißig aus Berlin, die übrigen ans Gießen, Marburg, Erlaugen, Heidelberg und anderen Universitäten der Kleinstaaten; die rüstigen Kieler hatten nach Turnerbrauch den weiten Weg zu Fuß zurückgelegt. Auch vier der Jenenser Professoren fanden sich ein: Fries, Oken, Schweitzer und Kieser. Jede neu eintreffende Schar ward schon am Thore mit stürmischer Freude begrüßt und dann in den Rautenkranz geleitet, um dort vor den gestrengen Herren des Ausschusses auf dreitägigen Burgfrieden Urfehde zu schwören. Anderen Tags in der Frühe stieg „der heilige Zug" bei hellem Herbstwetter durch den Wald hinauf zu der Burg des Reformators: voran der Burgvogt Scheidler mit dem Burschenschwerte, darauf vier Burgmänner, dann, von vier Fahnenwächtern umgeben, Graf Keller mit der neuen Burschenfahne, welche die Jenenser Mädchen ihren sittenstrengen jungen Freunden kürzlich gestickt hatten, dann endlich die

4. Geschichtliches Lesebuch - S. 119

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Viii. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. 119 zeichnender Kraft. Das Bild, das er von der „Schmach" dieses Waffenstillstandes und den Schrecken seiner Folgen entwarf, beruhte auf lauter willkürlichen Auslegungen und unhaltbaren Behauptungen; von den Thatsachen aber, welche für jedes besonnene Urteil entscheidend ins Gewicht fielen, war dabei keine einzige gewürdigt. Ruhmvoll war der Waffenstillstand freilich nicht, aber das konnte er auch nicht sein, denn die Dänen waren unbestritten Herren der See und der Inseln geblieben; folglich himmelweit davon entfernt, „niedergekriegt" (debellati) zu fein. Aber er war auch nicht „schmachvoll" und nicht schädigend für die gute Sache. Denn erstens war dem Recht der Herzogtümer in keiner Weise vergeben, die Ansprüche und Rechte Deutschlands vielmehr ebenso wie die Dänemarks für den der-einstigen Friedensschluß ausdrücklich vorbehalten, und zweitens war ausgemacht, daß während der sieben Monate des Waffenstillstandes in Schleswig und Holstein wohl schleswig-holsteinische, aber keine dänischen Truppen sein dürften, und damit war gesagt, daß auch die neu zu bildende Regierung, die übrigens aus lauter Notabeln des Landes bestehen mußte, von jedem Druck der Dänen frei blieb. Die Rückgabe aber der geraubten Schiffe, deren Gesamtwert auf 6 Millionen Thaler angeschlagen ward, und das Aushören des Seekrieges und der Küstensperre war für den deutschen Handel überhaupt und die Ostseeländer Preußens und Deutschlands im besondern ein geradezu rettendes Ereignis. Nur eins war unbestritten: die neue Centralgewalt hatte bei dieser Gelegenheit eine völkerrechtliche Anerkennung nicht gefunden, und wenn das erwartet und verlangt worden war, dann hatte das Reich der Paulskirche allerdings eine Niederlage erlitten. Die Bedingungen der Vollmacht, welche der Erzherzog-Reichsverweser dem preußischen Ministerium sür den Abschluß ausgestellt, waren zum Teil nicht erfüllt, zum Teil nicht strenge innegehalten worden, und der Abgesandte des Reichsverwesers, Max v. Gagern, war zu gar keiner Teilnahme an dem Geschäfte gekommen; aber hier kam eben in Betracht, worauf der Minister Camphausen in seiner Zuschrift an das Reichsministerium hinwies, daß dem König von Dänemark die Errichtung der neuen Reichsgewalt noch gar nicht angezeigt und Preußen weder beauftragt noch berechtigt war, diese Anzeige zu bewirken; folglich war der Reichsverweser für den Hof zu Kopenhagen völkerrechtlich gar nicht vorhanden, und es war durchaus zutreffend, wenn es in dem Eingang der Übereinkunft hieß: der König von Preußen handle „im eignen wie im Namen des deutschen Bundes", weil der letztere eben für

5. Geschichtliches Lesebuch - S. 130

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
130 Ix. Oncken, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser. einen Augenblick länger will ich hier sitzen, wenn Österreich nicht dabei ist." (Stürmisches Bravo auf der linken Seite des Hauses.) Das Todesurteil, das Veuedey für das Gagernsche Programm verlangt hatte, erfolgte nicht; vielmehr ward es in die Abteilungen verwiesen, um durch einen neugebildeten Ausschuß begutachtet in das Haus zurückzukehren. Berichterstatter der Mehrheit dieses Ausschusses war Venedey, der es fertig brachte, in einem Aufsatz von zehn Spalten Umfang sich mit einem einzigen Gedanken um sich selbst zu drehen, dem Gedanken nämlich, daß in dem Arndtschen Liedspruch: „Das ganze Deutschland soll es sein", das Geheimnis der österreichisch-deutschen Frage geborgen sei. In der Verhandlung, welche über diesen Bericht am 11.Januar 1849 begann, haben Wilhelm Jordan und der Reichsmiuister der Finanzen Hermann v. Beckerath zur Klärung der Lage am meisten beigetragen. Der erste wies mit Thatsachen nach, daß während der ganzen Zeit, da der Kaiser von Österreich noch deutsches Bundeshaupt war, Österreich selbst doch nie Bundesland, sondern immer Ausland gewesen sei und daß die Regierung Österreichs diese „Sonderstellung" in neuester Zeit wo möglich noch schärfer betont habe, trotz aller Verbrüderung der Deutschen und Österreicher im Parlament. Österreich trage nichts bei zu den Kosten dieser Versammlung und des Reichsverwesers, es nehme nicht Teil am Reichskrieg in Schleswig<Holstein, lasse vielmehr seinen Gesandten ruhig weiter amten in Kopenhagen und mit dem Reichsfeind verkehren wie mit einer befreundeten Macht; es habe, während halb Deutschland durch die Seeblockade im Norden gelähmt ward, die Landblockade seines Geldausfuhrverbotes ruhig fortbestehen lassen, trotz zweimaliger Beschlüsse der Versammlung, die seine Aufhebung forderten. Es habe jeden Beitrag znr Flotte rundweg abgeschlagen, weil — es ja selber ein Marinematerial von anderthalb Millionen Wert besitze, — ein offenbarer Hohn, wie denn ein solcher auch in der steten Versicherung gefunden werden müfse, es werde „fortfahren", seine Bundespflichten treulich zu erfüllen, während es damit noch nirgends einen Anfan g gemacht habe. Kurz, wenn hier von einer „Trennung" oder gar „Ausstoßung" gesprochen werde, so liege die Schuld daran augenscheinlich auf Seite Österreichs, aber nicht wegen des bösen Willens einzelner Minister, sondern wegen der Natur der Dinge, die einem nndeutscheu Staatsweseu gar keine andre als eben eine undeutsche Politik gestatte. Und nur der Vorwurf treffe Österreich allerdings, daß es so unaufrichtig sei, beständig anders zu reden, als es handle

6. Geschichtliches Lesebuch - S. 309

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Xxi. Rede des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck. 309 reichischer Seite wie auf der unserigen. (Bravo!) Keine Großmacht kann auf die Dauer in Widerspruch mit den Interessen ihres eigenen Volkes an dem Wortlaut irgend eines Vertrages kleben, sie ist schließlich genötigt, ganz offen zu erklären: die Zeiten haben sich geändert, ich kann das nicht mehr, — und muß das vor ihrem Volke und vordem Vertrag schließenden Teile nach Möglichkeit rechtfertigen. Aber das eigene Volk ins Verderben zu führen an dem Buchstaben eines unter anderen Umständen unterschriebenen Vertrages, das wird keine Großmacht gutheißen. Das liegt aber in diesen Verträgen in keiner Weise drin. Sie sind eben — nicht nur der Vertrag, den wir mit Österreich geschlossen haben, sondern ähnliche Verträge, die zwischen uns und anderen Regierungen bestehen (hört! hört! rechts), namentlich Verabredungen, die wir mit Italien haben, — sie sind nur der Ausdruck der Gemeinschaft in den Bestrebungen und in den Gefahren, die die Mächte zu laufen haben. Italien sowohl wie wir sind in der Lage gewesen, das Recht, uns national zu konsolidieren, von Österreich zu erkämpfen. Beide leben jetzt mit Österreich in Frieden und haben mit Österreich das gleiche Bestreben, Gefahren, die sie gemeinsam bedrohen, abzuwehren, den Frieden, der dem einen so teuer ist wie dem anderen, gemeinsam zu schützen, die innere Entwickelung, der sie sich widmen wollen, vor Angriffen geschützt zu sehen. Dieses Bestreben und auch dabei das gegenseitige Vertrauen, daß man die Verträge hält, und daß durch die Verträge keiner von dem anderen abhängiger wird, als seine eigenen Interessen es vertragen, — das alles macht diese Vertrüge fest, haltbar und dauerhaft. (Bravo!) Wie sehr unser Vertrag mit Österreich der Ausdruck des beiderseitigen Interesses ist, das hat sich schon in Nikolsburg und hat sich 1870 gezeigt. Schon bei den Verhandlungen in Nikolsburg l) waren wir unter dem Eindruck, daß wir Österreich — und ein starkes aufrechtes Österreich — auf die Dauer doch nicht missen könnten in Enropa. 1870, als der Krieg zwischen uns mit Frankreich ausbrach, war ja die Versuchung für manches verletzte Gefühl in Österreich außerordentlich naheliegend, diese Gelegenheit zu benutzen, um dem Feind von 1866 gegenüber Revanche zu üben; aber die besonnene und voranssichtige Politik des österreichischen Kabinetts mußte sich fragen: was ist dann die Folge? in welche Stellung geraten wir, wenn wir jetzt beit Franzosen beistehen, um Preußen, respektive Deutsch- 1) Juli 1866.

7. Geschichtliches Lesebuch - S. 134

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
134 Ix. Oncken, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser. Reichsverweser sei." Ein Antrag, der mit 377 gegen 80 — meist österreichische — Stimmen verworfen ward. Das Ergebnis war, daß am 19. Januar, nach Verwerfung aller Gegenanträge, der Ausschußantrag: „Die Würde des Reichsoberhauptes wird einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen" mit 258 gegen 211 Stimmen angenommen ward. Am 22. Januar kam die Frage der Erblichkeit der Oberhauptswürde zur Beratung, und da bekannte sich zum erstenmal ein Württembergs ganz unumwunden gegen Ludwig Uhlaud und für den Bundesstaat unter dem preußischen Erbkaiser. Es war der Abgeordnete Rümelin aus Nürtingen, der sogleich einleitend bedauerte, daß sein Landsmann Paul Pfizer nicht hier sein könne, um Zeugnis abzulegen für eine Idee, „welche er ein Recht habe sein Eigentum zu nennen und worin er schon vor Jahren mit staatsmünnischer Voraussicht die künftige Form der deutschen Einigung gesunden habe". Der Redner gab Empfindungen und Erwägungen Ausdruck, die auch von national gesinnten Süddeutschen noch nicht ausgesprochen worden waren. „Wir Schwaben, sagte er, haben den Fluch der Zerstückelung und Schwäche Deutschlands schwerer getragen, als irgend ein andres Volk. Wir, deren Herzoge einst des Reiches Fahne trugen und vorangegangen bei den Römerzügen, wir sind im letzten Jahrhundert zu Söldlingen herabgesunken und zu jener verräterischen Politik genötigt worden, die dem Glück des Siegers zu folgen hat, wir haben das zweideutige Lob, auf allen Schlachtfeldern Europas für oder gegen alle großen Armeen des Festlandes gekämpft zu haben. Es hat uns bei allen diesen Kämpfen niemals an Mut und Tapferkeit gefehlt, aber niemals haben wir für ein Vaterland gekämpft. Und wenn es sich heute wiederholt, wenn heute die Franzosen über den Oberrhein kommen, so haben wir abermals nur die traurige Wahl, ob wir unser Land allen Drangsalen des Kriegs, aller Willkür eines übermütigen Feindes hingeben, oder ob wir Verräter werden wollen am deutschen Volke. Das muß ein Ende nehmen und wird es auch, weuu Süddeutschland mit einem starken Norddentschland verbunden ist. Geschieht das, dann wird der Kriegsschauplatz zwischen dem mittleren Rhein und der Maas sein, und ein Krieg zwischen Österreich und Frankreich wird entweder in Deutschland gar nicht geführt werden können, oder es wird zugleich ein Krieg gegen Deutschland sein. — Der deutsche Buudesstaat kann nur ein Haupt haben, und das Haupt muß Preußen sein. Die Gegner unserer Ansicht sind in Einem sehr stark, nämlich darin, uus

8. Geschichtliches Lesebuch - S. 153

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
X. Aus der Frankfurter Nationalversammlung. 153 glauben Sie, meine Herren, daß der Mann, der das alles erlebt hat, der so viele Erfahrungen unseres vaterländischen Lebens durchgemacht hat, daß der weiß, wie tief die Übel in Deutschland wurzeln, weiß, was zu heilen ist, und daß wir die rechte Zeit der Heilung nicht dürfen vorübergehen lassen. Aus diesen schweren Lebensjahren habe ich die Erfahrung geschöpft, daß wir vor allen Dingen einer einheitlichen Gewalt bedürfen, einer Einheit, der das Ganze des Vaterlandes Eins und Alles ist. Alles, was ich früher in Deutschland erblickte, alle jene sogenannten kleinen Ganzen, die waren nur dazu da, um das große deutsche Ganze gründlich totzuschlagen. Uns thut ein Herrscherhaus not, welches sich gänzlich unserm Deutschland widmet, gänzlich in Deutschland lebt und in nichts anderem. Ein solches Herrscherhaus sann Österreich uns nicht sein, es sann es nicht, denn es hangen diesem Österreich, bei all seinem verdienten Ruhme, zu viel außerdeutsche Sorgen an. Österreich krankt an seiner Stärke ebenso sehr wie andere Staaten an ihrer Schwäche. Die schwersten Sorgen Österreichs werden erst dann beginnen, wenn es den langen Lanf seiner Siege vollendet hat. Österreich kann uns, wie die Dinge gegenwärtig stehen, nicht vollständig angehören, es kann es nicht. Jene von Ihnen beschlossene Unterhandlung mit Österreich, sie kann ein Großes leisten, denn ein Großes ist schon enthalten in der glimpflichen Verständigung zweier so nahe verwandter Mächte miteinander; aber ich bezweifle, daß sie zu einem praktischen Ziele wird führen können in einer langen Dauer der Zeiten. An den Hohenzollern Preußens können wir ein solches Herrscherhaus nicht nur haben, sondern mit dem schlechtesten und dem besten Willen kann es kein Sterblicher dahin bringen, daß wir es nicht an ihm hätten. Es ist gar keine Zukunft für Deutschland möglich ohne Preußen. Hier kommt es also durchaus nicht barauf an, eine Wahl zu treffen, fonbern lediglich uns dieses Hauses von Anfang an dergestalt zu versichern, daß wir die Gewißheit haben, es widme sich gänzlich dem deutschen Vaterlande, alle seine Kraft und Sorge, nicht bloß als Nebengeschäft. Das ist aber keineswegs so leicht, wie viele unter uns glauben wollen. Nicht wenige und einflußreiche und in ihrer Art auch hochverdiente Männer in Preußen sind der Meinung, daß Preußen durchaus nicht wohl thue, seine sichere Große, seinen festen Bestand an eine unsichere deutsche Zukunst zu geben; viele solcher Männer sinb der Meinung, Deutsch-laub als Ganzes sei einmal dem politischen Elenbe geweiht, es sei einmal, wie ein alter Dichter sagt, „unglückselig von Natur," Preußen

9. Geschichtliches Lesebuch - S. 261

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Xvi. v. Sybel, Die Schlacht bei Königgrätz. 261 preußische Armeekorps acht feindliche in beinahe vernichtender Weise geschlagen. Die Straße nach Wien lag schutzlos dem Sieger offen. Ich habe, soll Benedek ausgerufen haben, alles verloren, nur leider das Leben nicht. In der That waren die Einbußen seines Heeres ganz außerordentlich: 5600 Tote, 7600 Verwundete, 9300 verwundet Gefangene, 12 800 unverwundet Gefangene, 6100 Vermißte, im ganzen 41400 Mann. Dazu der sächsische Verlust von 15oo Mann gerechnet, ergiebt die schreckenvolle Summe von beinahe 43 000 Mann. An Material waren über 6000 Pferde, 187 Geschütze und 641 sonstige Fahrzeuge verloren gegangen. Die frühern Gefechte hatten, wie wir uns erinnern, den Austro- Sachsen 32000 Mann gekostet; in einer einzigen Kriegswoche war mithin mehr als ein Viertel der mit so hohem Stolze ausgezogenen Nordarmee zu Grunde gegangen. Preußen hatte den Sieg von Königgrätz ebenfalls mit kostbarem Preise bezahlt. Die erste Armee hatte 1065 Tote und etwas über 4000 Verwundete (davon mehr als die Hälfte die Division Fransecky), die Elbarmee 328 Tote und 1200 Verwundete, die zweite Armee 500 Tote und 1550 Verwundete (davon über 1000 die erste Garde-Division), Gesamtverlust also etwas über 9000 Mann. Als der König am späten Abend in Sadowa am Lazarett der Johanniter vorüber kam, sagte er in tiefer Bewegung: da ist die Kehrseite des Glücks, doch sie bluten nicht umsonst, sondern zur Verherrlichung des Vaterlandes. Am folgenden Morgen flog die große Kunde durch Europa. Der Eindruck war überall ungeheuer, dieser beispiellose Triumph einer Armee, deren größter Teil seit fünfzig Jahren nicht im Feuer gewesen, einer Armee, wie die verschiedenen Parteien hundert Male erklärt hatten, von Paradesoldaten, von Milizen, von unbärtigen Knaben! In Preußen erfüllte eine erquickende Genugthuung die Herzen der überwältigenden Mehrheit im Volke; der langjährige Hader, der gerade infolge der Schöpfung dieser Armee aufgeflammt war, wurde durch die bewundernswerte Leistung derselben ausgelöscht: mochte sie entstanden sein, wie sie wollte, sie hatte sich jetzt als festen Schirm und stolzen Schmuck des Vaterlandes erwiesen. Die eifrigen Fortschrittsmänner im Osten waren betreten über die Zukunft ihres Verfassungsstreits; die großdeutschen Ultramontanen am Rhein waren erfüllt von schmerzlichem Groll über die Niederlage des katholischen Kaisers: aber weder die einen noch die andern vermochten den Strom der allgemeinen freudigen Begeisterung zu trüben oder abzulenken.

10. Geschichtliches Lesebuch - S. 67

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
V. Pfizer, Kosmopolitismus und Nationalität. 67 Unbefangenheit unseres Blickes trüben müßten! Hören wir endlich auf, jeden Vorwurf wegen unsrer politischen Erbärmlichkeit mit der albernen Entschuldigung: wir sind eben keine Nation! zu beantworten. Kann diese Entschuldigung gelten, so darf mit gleichem Recht der Träge sich auf seine Faulheit, der Wüstling auf seine Begierde, der Trunkenbold aus seinen Durst berufen. Wenn wir keine Nation sind, warum werden wir keine? Eben weil wir keine Nation sind, möge alles, was deutscher Zunge ist, sich vereinigen zur Wiedergeburt und Erneuerung des gemeinschaftlichen Vaterlands! Auch dies ist eine Pflicht, und wahrlich keine der geringsten. Denn es giebt auch eine Pflicht, sein Eigentum zu retten und auf Anerkennung seiner Rechte zu bestehen. Selbst der Stifter unserer duldsamen Religion hat diese Anerkennung gefordert, wo der Zweck seiner Sendung es erheischte; und wo er duldete und Duldung predigte, geschah es nicht aus Nachgiebigkeit und Feigheit, sondern um der Liebe willen. Zu dieser Einsicht muß das deutsche Volk gelangen, daneben aber auch das Vorurteil ablegen, daß die Deutschen von Natur auf ein rein innerliches Leben angewiesen seien. Die menschenscheue Zurückziehung auf sich selbst, die krankhafte Richtung nach innen, die Zaghaftigkeit und das linkische Wesen im Handeln ist lediglich Folge ihrer Zerrissenheit und der davon unzertrennlichen, bodenlosen Armseligkeit ihrer staatsbürgerlichen Verhältnisse, der absoluten Nichtigkeit und Spießbürgerlichkeit alles öffentlichen Treibens, wobei ein minder lebenskräftiges Volk schon lange ganz verkommen wäre. Bis zum dreißigjährigen Kriege waren die Deutschen eine Nation voll Lebensmut und Lebensfrische, voll hinausstrebender Kraft und Tüchtigkeit. Der Ungestüm der Deutschen (furore tedesco, fieros Alemanes) war sprichwörtlich geworden, und auch jetzt trifft man einen Charakterzug des kriegerischen Nordens, jenen den Tod herausfordernden Lebensübermut, dem es beim Kampfe nicht um Ruhm oder Frauengunst, sondern um die Lust des Kampfes selbst zu thun ist, gewiß am häufigsten noch bei dem deutschen Soldaten, wie sich denn auch in dieser Beziehung in den Revolution^ und Kaiserheeren die Deutschen Kleber, Rapp und Ney besonders ausgezeichnet. Allerdings hat aber seit der Reformation das geistige Princip in Deutschland sich mit entschiedenem Übergewichte geltend gemacht, und je mehr der Kampf der neuen Zeit mit der alten eine geistig sittliche Wendung nimmt, um so mächtiger und entscheidender muß der Einfluß Deutschlands werden; es wird wieder erstehen ans der Asche der
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