Erzählungen.
Der Meister aber schalt den Dreisten,
Gab ihm zu knacken die harte Nuß,
Zu verehren den König Hironymus,
Und sagte: ,,Bleib bei deinem Leisten!
Wer kaum den Pfriemen regieren kann,
Was gehn den Säbel und Flinte an?"
Da glühten dem Wilhelm beide Wangen,
Und er sprach mit keck erhabenem Muth:
,.Mir fließt in den Adern Soldatenblut!
Wie sollte mich nicht danach verlangen,
Den gottlosen Feind zu schlagen aufs Haupt,
Der unserm König sein Halle geraubt?"
Und tapfere Preußen und Russen zogen,
Von Kleist, dem Helden, geführt, in die Stadt
Die langst solche Gaste gewünscht sich yat;-
Allein, wie unglückschwangere Wogen,
Zog auch. ein feindliches Heer heran,
Weit stärker an Waffen, und Roß, und Mann!
Damit der Feind herein nicht dringe,
Wird draußen am Strome fleißig geschanzt
Und manche Kanone ausgestanzt.
Schon messen sich blutig Pik' und Klinge;
Doch immer näher und näher erscheint
Der übermächtig gerüstete Feind.
Kanonendonner beginnt zu brüllen,
Und Jägerbüchsen knallen darein.
Der Frühlingssonne heller Schein
Muß in Pulverdampf verhüllen;
Und bang und bänger athmet die Stadt,
Die eben so fröhlich gejauchzt noch hat.
Dem Meister sinken Pfrietnen und Leder
Aus seiner sonst so fleißigen Hand;
Die gelehrteste Weisheit hält nicht Stand,
Es zittert die geschickteste Feder;
Und tief im Keller weint sich blind
Manch Juden-und manch Christenkind.
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Extrahierte Personennamen: König_Hironymus Wilhelm Muth
66
Erzählungen.
5g. Harras.
Noch harrte im heimlichen Dämmerlicht
Die Welt dem Morgen entgegen,
Noch erwachte die Erde vom Schlummer nicht,
Da begann sichs im Lhale zu regen.
Und es klingt herauf mit Stimmengewirr^
Wie flüchtiger Hufschlag und Waffengeklirr,
Und rief aus dem Wald zum Gefechte
Sprengt ein Fähnlein gewappneter Knechte.
Und vorbei mit wildem Ruf fliegt der Troß,
Wie Brausen des Sturms und Gewitter,
Und voran auf feurig schnaubendem Roß,
Der Harras, der muthige Ritter.
Sie jagen, als gält es dem Kampf um die Welt,
Auf heimlichen Wegen durch Flur und Feld
Den Gegner noch heut zu erreichen,
Und die feindliche Burg zu ersteigen.
So stürmen sie fort in des Waldes Nacht
Durch den fröhlich aufglühenden Morgen,
Doch mit ihm ist auch das Verderben erwacht,
Es lauert nicht länger verborgen.
Denn plötzlich bricht aus dem Hinterhalt
Der Feind mit doppelt stärkrer Gewalt,
Das Hüfthorn ruft furchtbar zum Streite
Und die Schwerdter entfliegen der Scheide.
Wie der Wald donnernd wieder erklingt
Won ihren gewaltigen Streichen!
Die Schwerdter klingen, der Helmbusch winkt.
Und die schnaubenden Rosse steigen.
Aus tausend Wunden strömt schon das Blut,
Sie achtens nicht in des Kampfes Gluth,
Und keiner will sich ergeben,
Denn Freiheit gilts oder Leben.
Doch dem Häuflein des Ritters wankt endlich die
Kraft,
Der Uebermacht muß es erliegen,
Das
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26z
Poetische Lesestücke.
Cr fallt besiegt und doch als Sieger! —
Laut schreit der Feinde wilder Troß.
Er jubelt? — Thörichtes Entzücken!
Die Römer brechen zürnend los,
Die Reue spricht aus ihren Blicken,
Die Wuth verdoppelt Hieb und Stoß.
Nichts wiedcrstehet ihrem Stahle,
Rings fliehet der Lateiner Macht,
Und bei dem frohen Siegermahle
Tönt's: „Decius und seine Schlacht!"
A. W. M ö l l e r.
4. Hannibal.
Es rufen die Zinken, zum Sturme, zum Kampfe!
Saguntum *) zerprasselt im feurigen Dampfe.
Haß und Feindschaft hat geschworen
Hannibal dem Römervolke ,
Und von branderfüllter Statte
Trägt der Schwur ihn durch die Gaurn
Spaniens, durch Felsenthäler
Schneebekrönter Pyrenäen
Durch die wilden Völkerschwärme
Galliens, zum Alpenfuße.
Riesenberge, ihre Scheitel
In des Himmels Wolken hebend,
Prangend in des Winters Mantel
Und im Eisgeschmeive glänzend, —
Ströme, ihrer Brust entrauschend
Durch gezacke Klippentyaler, —
Felsen, schwindelnd aufgethürmet, —.
Schrecken hier dem besten Krieger.
Doch
*) Saguntum, bei dem heutigen Murvkndro, jenseit des
Ebro, war den Römern verbündet, und seme Zerstörung
gab die Losung zum -ten Karthag,nens. Kriege.
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Brütkgherß, und nicht zu schwer,
Gab den Cicrn Leben.
Wnb es kroch ein Küchlein vor.
Gelb und dreitgefchnäbelt,
Adler Zog vie Strr.'e kraus,
Sah das Thier mit halbem Graus,
Blick und Sinn umnebelt.
„Ist mir doch zu keiner Zeit
Solch ein Schimpf begegnet l
War ich nicht mit edler Brut, ' .
Voller Kraft und Heldenmut!)
Immer sonst gesegnet k
Und nun sieh das schlaffe Ding,
Das da schwappt und latsche^
Und auf breitem Fuße hinkt,
Und aus jeder Pfütze trinkt,
Und im Meere patschet." --
Also sprach die Königin
Auf dem Wolkensitze.
Doch, als ob's ihr eigen sey.
Füllen sie das Göschen treu,
Lehrts mit Adlerwitze.
Drunten lag derweilen froh
Mutter Gans im Grase,
Sah zum Horst des Aars empor^
Lauschte hin mit leisem Dhr,
Hob die stumpfe Nase.
Dacht' in ihrem tiefen Sinn:
„Wunder werd' ich sehen I
Adler führt die junge Schaar-
Seiner Brut zur Sonne gar,
In des Himmels Höhen."
Ach, rvre wird mein süßes Kind
Ruhm und Preis erringen l ^
Keiner je von seiner Art
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308
Poetische Lesestücke.
Da drückt ans Herz, mit nassem Blick,
Der Ritter den Befreier.
Du Guter, Lieber, Treuer,
Du führst mich aus dem Grab zurück!
Dich loh'n die treuste Pflege,
Bis ich zur Ruh mich lege.
In Oswalds Kirche zeigt ein Schild
Des Ritters Grab; er stellte
Ein Denkmal auf, gesellte
Zum eignen seines Retters Bild,
Daß er den Fido ehre,
Und Treu die Menschen lehre.
Uster h
27. Walter vom Thurm und sein Lüwe^
Waller vom Thurm in mancher Schlacht
Ruhmvoll durch Muth und Sieg,
Zog mit.des Christenheeres Macht
Ins heilge Land zum Krieg.
Das Grab, worin der Heiland schlief.
Auch ihn zur frommen Kreuzfahrt rief.
Einst irrt' er da durchs Feld allein,
In sich versenkt, umher.
Ihn zogö zum dunkeln Wald hinein,
Hinein, fernab vom Heer.
Horcht, was mit Staunen und mit Graun
Des Ritters Augen hier erschaun.
In wildem Streit ein Löwe rang,
Mit dumpfen, brüllendem Laut,
Auf eine Schlange riesenlang
Die grimmigen Klaun er haut.
Sie bäumt sich hoch im heißen Kampss
Und spriet zischentz gift'gen Dampf.
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316
Poetische Lesestücke.
Ein Wink, und zwanzig Knechte lausen,
Und schleppen Sacke her, und ihürrncn sie zu Haufe
Schon zwei und vierzig. Achte fehlen doch,
Und Saladin: die geb' ich noch;
Bringt sie, setzt sie zu diesen nieder!
Wohlan, spricht Toron, Saladin!
Hier ist die Summe. Nimm sie hin.
Sgl. Wie schimpflich! Nimmt ein Ritter wieder,
Was er geschenkt, die Gaben Ändrer? Nein!
Frei bist du, Loren, und Las Geld ist dein.
Dies, spricht der Held, hab ich vorhergesehen.
Ach nehm' es an, doch um es dir
Zurückzugeben. Laß dafür
Zehn andre los. — Sal. du willst an Großmuth
mich bestehen?
Nimm noch zehn Ritter, und kas Geld dazu.
Doch warlich, Toron! bötest du
' Mix nun die ganze Summe wieder,
Für einen an, kein elfter würde frei. —
Gefesselt kömmt die Schaar herbei.
Der Held umarmt die edlen Brüder,
Wählt die vergönnten Zehn heraus,
Und theilt das Geld den andern aus.
Dann Saladin: Ich schwurs, ihr müßt zurücke
' bleiben.
Doch, Toron, nun genug! der Edlere bist du.
Wollt' ich das Spiel noch weiter treiben,
Go reichten keine Schätze zu»
. v v. Nikolay
3i» Das Schicksal»
D Mensch! was strebst du doch den .Rathschluß zu
' ' e ergründen.
Nach welchem Gott die Welt regiert ?
Mit endlicher Vernunft willst du die Absicht finden.
Die der Unendliche bei seiner Schickung fuhrt : ^
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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iug Dritter Abschnitt.
Gerechte von der Hand des Ungerechten fallen?'
Der Cherub verstummte. — Adam aber fuhr fort
in feinen Klagen und sprach: Was bleibt mir denn
nun in meinem^ Jammer auf der blutbefleckten Er-
de ? — Der Cherub antwortete und sprach: Der
Blül gen Himmel! — Darauf verschwand er.
Adam aber stand bis nach Sonnenuntergang. Und
als die Sterne aufgegangen waren, da breitete er
seine Arme empor gegen Orion und den Wagen,
und rief: O ihr glanzenden Wächter an den Tho-
ren des Himmels, warum wandelt ihr so schwei-
gend ? Darf ein Sterblicher den Laut eurer Stimme
vernehmen, o, so redet von dem Lande, das jenseits
ist, und von Abel, dem Geliebten! -r- Da ward
es noch stiller rings umher, und Adam warf sich
auf sein Antlitz und betete an. Und er vernahm in
seinem Herzen ein leises Wort! Siehe, Abel dein
Sohn lebet! — Da ging er getröstet von dannen,,
und seine Seele war still und voll Wehmuth.
19. Die Reue.
Ein Landmann hatte mit eigenen Handen eine
Reihe edler Obstbaumchen gezogen. Zu seiner groß-
ßen Freude trugen sie die ersten Früchte, und er war
begierig, zu sehen, von welcher Art sie seyn möchten.
Da kam der Sohn des Nachbars, ein böser
Bube, in den Garten, und lockte das Söhnlein des
Landmanns, also daß sie hingingen, und die Bäum-
chen allesiunmt ihrer Früchte beraubten, ehedenn
sie völlig gereift waren. Als nun der Herr des Gar-
tens herzutrat, und die kahlen Bäumchen erblickte,
da ward er sehr bekümmert und rief: Ach, warum
hat man mir das gethan? Böse Buben haben mir
meine Freude verdorben! Diese Worte gingen
dem Söhnlein des Landmanns sehr zu Herzen,^ und
er lief zu dem Sohne des Nachbars und sprach:
Ach, mein Vater ist bekümmert um die That, welche
wir verübt haben. Nun hab' ich keine Ruhe mehr
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Dramatische Darstellung. 161
Iber, bei uns, die ihr Barbaren nennt, nur die
Räuber mit ihrem Raube.; prahlen selbst dann nur
damit, wenn sie sich in Sicherheit wissen. — S. (mir
gelaßner Hoheit) Du trägst, wie ich sehe, Allucius,
die Hitze, die man im Gefecht an dir bewundert,
auch auf deinen Umgang und auf dies Gespräch jetzt
über. Ich würde zürnen, wenn ich deine Vorwürfe
verdiente. Jetzt, da sie mich unschuldig treffen,
vergeb' ich sie dir. — Kannst du nun hören?
A. Muß ich nicht. S. Nur höre mich aus; und
dann, hoff' ich, sollst du glimpflicher deine Verglei-
chungen wählen; selbst römische Treue nicht mehr
mit punischer verwechseln. Ja, Prinz, als ich das
erste Mal Ildegerden sah, da, ich leugn' es nicht,
wandelte auch mich die Leidenschaft an, die jetzt in
dir so heftig tobt. Da rief ich mit Entzücken: Wie
schön ist sie ! da - -- A. (wieder einfallend) O daß
sie es .nie gewesen wäre! Aufgewachsen mit ihr
von frühster Jugend an hatt' ich ihre schönere Seele
auch im unscheinbarsten e Körper lieb gewonnen.
Sie, die Glücklichere, hatte nie der Feinde gieri-
gen Augen gefallen, nie deine Lüste gereizt. —
S. (ihn bei der Hand fassend) Und Hort dieser Aetna
wirklich nimmer zu toben auf? — Jüngling, deine
von Zorn glühenden Wangen werd' ich doch viel-
leicht mit Schaamröthe noch starker färben, wenn
ich dir sage: deine Braut ist frei? S. Ist frei und
sey dein! A. Frei und mein! Scipio, du betäubst
mich. S. (lächelnd) Muß ich das nicht, um nur
ruhiger sprechen zu können? Junger Mann, als
man meine Gefangene mir darstellte, da entzückte
mich — ich wiederhol' es dlr — ihr Reiz; da
würd' ich, nicht als ein, schweigender Gebieter, als
ein werbender Liebhaber vielmehr ihr Herz und
Hand angeboten haben, hatt' ich nicht rasch einen
Blick auf das Vaterland, das meiner noch unge-
teilt betzarf, geworfen. Doch indem ich noch
wankte, indem ich schon auf Vereinigung von Bür-
gerpflicht und Männerliebe dachte, vernahm id},
daß' sie bereits durch Werbung und Versprechen
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Fabeln. 6g
Der Löwe sprach: jenseit dem Berge liegt eine
Mühle, wer am ersten dahin kömmt, willst du un-
ten hin, oder über den Berg laufen? Der Esel
sprach: lauf du über den Berg. Der Löwe, als im
letzten Kampf, lief, was er aus Leibeskräften lau-
fen konnte. Der Esel blieb still stehen und dachte:
ich werde doch zum Spott, und mache mir nur
müde Beine, so ich laufe; ich merke auch wohl, der
Löwe gönnet mir die Ehre nicht, so Willrich auch
nicht umsonst arbeiten. Als der Löwe über den
Berg kömmt, so siehet er einen Esel vor der Mühle
stehen: Ei! spricht er, hat dich der Teufel bereits
her geführet? Wohlan! noch einmal zurück an un-
sern Ort! Da er aber wieder hinüber kömmt, siehet
er den Esel da stehen, und mußte dem Esel gewon-
nen geben, und bekennen, daß mit dem Kr?uz nicht
zu scherzen ist. Also blieb der Esel Kölckg, und re-
gierete sein Geschlecht bis auf diesen Tag gewalti-
gkich in der Welt unter den Thieren.
v. Martin Luther.
»
‘ ‘ T* í
D . , . ; , !*. Xtisí
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer]]
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