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Noch heut' so reich, als du bist gewesen ewiglich; mein Ver-
trauen steht ganz zu dir," und mit dem Vers aus Paul
Gerhard's Liede: „Schickt uns Gott ein Kreuz zu tra-
gen, dringt herein Angst und Pein, sollt' ich drum verza-
gen?" Ober sie sagte zu der sorgenden Mutter: Liebe Mut-
ter, weine nur nicht; wir wollen recht beten und arbeiten;
wenn ich aus der Schule komme, will ich fleißig Strohhüte
flechten; der liebe Gott wird uns nicht verlassen!" — So
verging fast ein Jahr nach des Vaters Tode; die Wittwe
hielt mit ihrem einzigen Kinde sparsam und treulich Haus,
und Beide hatten durch Gottes Segen keinen Mangel. Das
Magdlein ging fleißig zur Schule, flocht-nach der Schule
eben so fleißig Stroh zu Hüten; seine einzige äußerliche Un-
terhaltung und Freude war eine Henne, die sich die kleine
Waise vom Küchlein auferzogen und mit den abgesparten
Brotkrumen ernährt hatte. Eines Tages, in der Erntezeit,
geht die Mutter zu einem Bauer in dem nächsten Dorfe,
um bei diesem Hafer rechen zu helfen; das Mägdlein aber
geht nach seiner Gewohnheit in die Schule, und setzt sich,
sobald es nach Hause gekommen, vor die Thür seiner Hütte
hin, um Stroh zu Hüten zu flechten. Da kommt ein Nach-
barsmädchen von zwölf Jahren, ein Kind von sehr wilder
Art, und will Rosinen nöthigen, mit ihr herumzusprin-
gen und Muthwillen zu treiben. Die kleine, fromme Waise
will das nicht. Hierüber erzürnt, reißt sie das stärkere Nach-
barsmädchen zu Boden, und knieet ihr auf den Leib, bis das
Kind vor Schmerzen laut aufschreit. Als die Mutter des
Abends von der Arbeit nach Hause kommt, klagt ihr die
Kleine, was ihr geschehen sei. Die Mutter aber meint, es
werde ihr wohl nicht viel Schaden gethan haben, und geht
mit dem Kinde schlafen. Am Morgen aber klagt dieses sehr
über Schmerz in seinem Leibe, kann schon nicht mehr auf-
stehen, und auch durch die von einem guten Arzte in Dres-
den gebrauchten Arzeneimittel werden die Schmerzen nicht
gelindert, sondern immer nur größer. Da bittet das Mägd-
lein seine Mutter, sie solle ihm doch den Seelsorger holen
lassen, daß er mit ihr bete wie mit ihrem Vater, denn sie
werde sterben. Die Mutter sagt: „Mein liebes Kind, wen
hätte dann ich? Du bist noch mein Trost. Du wirst ja nicht
sterben wollen!" — Das Kind antwortet: „Liebe Mutter,
Gott muß Euer Trost sein; vertrauet nur ihm! Wisset Ihr
nicht, wie wir singen: „„Weil du mein Gott und Tröster bist,
dein Kind du wirst verlassen nicht?" " Lasset nur den Herrn
20*
»
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Extrahierte Ortsnamen: Paul
Gerhard's Gottes Dres-
317
reich werden möchten, als langsam. Also leuchtet ihm das
Anerbieten des Zirkelschmieds ein. Doch wollte er vorsichtig
sein. „Macht mir morgen früh einen heitern Himmel,"
sagte er, „zur Probe, und ein Paar leichte weiße Wölklein
dran, den ganzen Tag Sonnenschein und in der Luft so
zarte glanzende Fäden. Auf den Mittag könnt Ihr die er-
sten gelben Sommervögel los lassen, und gegen Abend darf's
wieder kühl werden." Der Zirkelschmied erwiederte: „Auf
einen Tag kann ich mich nicht einlassen, Herr Schulz. Es
trägt die Kosten nicht aus. Ich unternehm's nicht anders,
als auf ein Jahr. Dann sollt Ihr aber Noth haben, wo
Ihr Eure Frucht und Euren Most unterbringen wollt!"
Auf die Frage des Schulzen, wie Viel er für den Jahrgang
forderte, verlangte er zum Voraus Nichts, als täglich einen
Gulden und freien Trunk, bis die Sache eingerichtet sei,
es könne wenigstens drei Tage dauern, „hernach aber von
jedem Eimer Wein, den Ihr mehr bekommt," sagte er, „als
in den besten Jahren, ein Viertel, und von jedem Malter
Frucht einen Sester." — „Das wär' nicht Veil," sagte der
Schulz. Denn dort zu Lande sagt man Veil statt Viel,
wenn man sich hochdeutsch erpliziren will. Der Schulz be-
kam Respekt vor dem Zirkelschmied und erplizirte sich hoch-
deutsch. Als er nun aber Papier und Feder aus dem
Schränklein holte, und dem Zirkelschmied das Wetter von
Monat zu Monat vorschreiben wollte, machte ihm der Zir-
kelschmied eine neue Einwendung: „Das geht nicht an,
Herr Schulz! Ihr müßt auch die Bürgerschaft darüber hö-
ren. Denn das Wetter ist eine Gemeindesache. Ihr könnt
nicht verlangen, daß die ganze Bürgerschaft Euer Wetter an-
nehmen soll." Da sprach der Schulz: „Ihr habt Recht!
Ihr seid ein verständiger Mann!"
Der Leser aber ist nun der Schelmerei des Zirkel-
schmieds auf der rechten Spur, wenn er zum Voraus ver-
muthet, die Bürgerschaft sei über die Sache nicht einig ge-
worden. In der ersten Gemeindeversammlung wurde noch
Nichts ausgemacht, in der siebenten auch noch Nichts, in der
achten kam's zu ernsthaften Redensarten, und ein verständi-
ger Gerichlsmann glaubte endlich, um Fried' und Einigkeit
in der Gemeinde zu erhalten, wär's am besten, man zahlte
dem Wettermacher aus, und schickte ihn fort. Also beschied
der Schulz den Wetlermacher vor sich: „Hier habt Ihr Eure
neun Gulden, Unheilstifter, und nun thut zur Sache, daß
Ihr fort kommt, eh' Mord und Todtschlag in der Gemeinde
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324
74. Der Geiger in der Wolfsgrube.
Vor nicht so langer Zeit gab es auch noch in unsern
deutschen Wäldern viele Wölfe, und mancher Bauer weiß
noch die Geschichte von jenem Geiger in der Wolfsgrube
so gut, als wäre sie gestern geschehen, obgleich sie ihm sein
Großvater erzählt hat. Es ging nämlich einmal ein Geigers-
mann von einer Kirchweihe nach Hause, auf welcher er den
Leuten bis tief in die Nacht aufgegeigt hatte. Das Männ-
lein ging ohnehin nicht gern auf gradem Wege und kam
daher auch in dem dicken Forste, durch den er mußte, bald
so weit zur Seite ab, daß er am Ende in eine Grube fiel,
welche der Jäger zum Wolfs fange gegraben hatte. Der
Schreck war schon groß genug für den Geiger, da er so
ohne Weiteres von der ebenen Erde hinunter in die Tiefe
fuhr, wurde aber noch größer, da er unten auf etwas Le-
bendiges fiel, was wild aufsprang; und er merkte, daß es
ein Wolf sei, der ihn mit glühenden Augen ansah. Der
Mann halte Nichts in der Hand als seine Geige, und in
der Angst fängt er au, da vor dem geöffneten Wolfsrachen
alle seine Stücklein aufzugeigen, die ihm aber diesmal selber
gar nicht lustig vorkamen. Dem Wolf mußte aber diese
Musik ganz besonders schön und rührend vorkommen, denn
das dumme Vieh fing an überlaut zu heulen, was wohl,
wie bei unsern musikalischen Hunden, wenn sie Sang und
Klang hören, gesungen heißen sollte. Die andern Wölfe
draußen im Walde, da sie ihren Kameraden drinnen in der
Grube so singen hörten, stimmten auch mit ein, und ihr
Geheul kam manchmal so nahe, daß das Geigerlein, an
welchem kaum ein einziger Wolf satt geworden wäre, ge-
schweige zwei, jeden Augenblick fürchten mußte, es käme
noch ein anderer, auch wohl ein dritter und vierter Gast zu
seinem bischen Fleisch in die Grube herein. Unser Kapell-
meister in der Wüste guckte indeß einmal übers andere in
die Höhe, ob's noch nicht Tag werden wallte, denn das
Geigen war ihm sein Lebtag noch nicht so lang geworden,
und so sauer vorgekommen, als da vor dem Wolfe, und er
hätte lieber Holz dafür hacken wollen, zwanzig Jahre lang
alle Wochentage. Ehe aber der Morgen kam, waren schon
zwei Sauen an seiner Geige zerrissen, und da es Tag wurde,
riß die dritte, und der Geiger spielte nun blos noch auf der
vierten und letzten, und wäre die auch noch zerrissen, so
hätte ihm der Wolf, der durch das viele Heulen die ganze
Nacht hindurch nur noch hungriger geworden war, keine
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332
'
!
fleckt, weit schöner als die verlorene. Jauchzend führten sie
die Kinder in den Stall, und trugen mit Mühe das Korn
in die Hütte; die Mutter weinte heimlich. Am andem
Morgen kam der Geber, ein Landmann, selbst zu der Wittwe
und sagte: „Ihr habt gestern in der Kirche dem Herrn Eure
Thränen dargebracht, dafür hat er Euch getröstet? Ich war
ihm schon lange ein Opfer meines Dankes schuldig für seinen
reichlichen Segen. So seid so gut und nehmt cs ohne Dank
an, als eine Schuld, die ich gern abtrage. Ich danke dem
Herrn, daß er in der Kirche mein Herz erweckt hat, Euch
zu helfen.
Eine Stunde von 23*** wohnte ein alter Schullehrer
auf dem Lande, der einen verheiratheten Sohn in 23***
hatte, welcher ebenfalls Schullehrer war. Dieser hatte ein
Söhnchen von 2 Jahren, an dem der alte Großvater mit
besonderer Freude hing. An einem Abend bekam der alte
Schullehrer einen starken unwiderstehlichen Trieb, noch nach
der Stadt zu gehen und seinen Enkel, diesen kleinen Lieb-
ling seines Herzens, zu sehen. Da es aber schon ziemlich
spät war, so kämpfte er mit sich selbst, ob er wirklich noch
gehen, oder diesen Gang auf den folgenden Tag verschieben
solle. Allein der innere Trieb wurde so mächtig, daß er
nicht vermögend war, demselben länger zu widerstehen.
Er machte sich also auf den Weg, und kam in der Nacht
um 10 Uhr bei seinem Sohne an. „Wo ist der kleine Karl?"
war seine erste Frage. Die Schwiegertochter antwortete
ihm: „Lieber Großvater, Karl schläft schon über eine Stunde
drüben in der Schlafstube." Der Alte erwiederte: „Holt
ihn mir doch her; ich will und muß ihn sehen." Die
Schwiegertochter sowohl als ihr Mann sprachen dagegen,
und wollten das Kind nicht aus seinem Schlafe aufwecken;
aber der alte Mann ward unwillig und bestand darauf, er
müsse das Kind sehen, er sei deßwegen so spat noch hieher
gelaufen.
Nun ging die Mutter, nahm ihr Kind im Schlaf aus
dem Bette, und gab es dem Großvater. Dieser setzte es
auf seinen Schooß, liebkosete und herzte es, indem es immer
noch schlief; und kaum hatte er dieses einige Minuten ge-
than, fo hörte man in der Schlafstube ein auffallendes Ge-
raffel und Gepolter. Alles lief hinüber, um zu sehen, was
vorgegangen fei, und siehe da! mit Schrecken und Erstau-
81. Kindesrettung.
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333
nen sehen sie, daß die Zimmerdecke gerade über der Bett-
stelle des Kindes heruntergestürzt ist, und diese ganz zer-
trümmert hat. „Nun," sagte der Großvater, „weiß ich erst,
warum ich so spat noch habe kommen müssen; ich sollte
nach Gottes Willen das Werkzeug zur Rettung dieses Kin-
des werden. Gepriesen sei die Gnade des Herrn, die mir
keine Ruhe ließ, bis ich noch in der Nacht den Weg hieher
machte, um die Dienste eines Schutzengels zu verrichten."
Wie des Herrn treues Sorgen Tag und Nacht für mich
wacht, das zeigt jeder Morgen. Ja kein Augenblick ver-
schwindet, der mich nicht, Gott mein Licht, dir zum Dank
verbindet.
82. Der junge Norweger.
„So," sagte eine Mutter in Norwegeit zu ihrem zehn-
jährigen Söhnlein, „so nimm das Fleisch und bring's dem
armen Weibe, daß es sich auch freuen kann zu Weihnachten,
wo man kein Christenherz betrübt lassen soll." Und der
Knabe nimmt das Fleisch auf seinen Schlitten und fährt
getrosten Muthes der Hütte des armen Weibes zu. Da er
aber in den tiefen Hohlweg kommt, sieht er auf einmal
einen großen Hund hinter seinem Schlitten. Dem dünkt
das Fleisch zu appetitlich, und mehr als einmal macht er
Miene, darnach zu schnappen. Aber so oft der Junge das
wahrnimmt, bleibt er stehen, droht dem Hunde mit dem
Finger und sagt: „Schäm' dich, du großer Hund, das ge-
hört meiner Mutter!" Endlich da, wo der Hohlweg auf
die Straße von Moß nach Christiania ausläuft, wird der
Hund aus einmal durch das Geschelle eines herannahenden
Schlittens verscheucht, und läuft zurück. Aber die Reisen-
den, die in dem Schlitten sitzen, halten mit entsetzten Gesich-
tern vor dem Knaben und rufen: „Um Gottes Willen,
Kind! hat Dir der Wolf Nichts gethan?" Da sieht sie der
Junge verwundert und treuherzig an und sagt zu ihnen
ruhig: „Nein! — Ja, ist das ein Wolf gewesen? Ich
meinte, es sei ein Hund." „Aber," denkt er nachher in seinem
Herzen, „laßt's auch immer einen Wolf sein; was könnte er
mir denn thun, wenn Gott mit mir ist?" — und fährt
fröhlich seine Straße weiter.
83. Ein Brief!)?. Luthers an seinen kleinensohnhans.
Gnade und Friede in Christo, mein herzliebes Söhn-
tein! Ich sehe gar gerne, daß Du wohl lernest und fleißig
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261
möchten sich nur nichts aus der Prügelsuppe machen und sich
immer fleißig im Lesen üben. Der Erfolg aber war der, daß
nicht weniger als 600 Neger von dem armen Ned lesen gelernt
hatten, welche später von der englischen Bibelgesellschaft alle mit
Bibeln beschenkt wurden. Daran sollten alle Christenkinber ein
Exempel nehmen und sich ja nicht mehr strafen lassen, weil sie
faul sind zum Lesen, da diese armen Neger sich vielmehr schlagen
ließen, weil sie das Lesen nicht lassen wollten.
, 13. Die Versuchung.
Ein armer Jüngling übernachtete einst in einer Mühle,
eine Bank diente ihm zum Lager. Um Mitternacht erwachte er,
er schaute auf und erblickte im Mondschein eine schöne Taschenuhr,
die an der Wand hing. Und der Versucher trat zu ihm und
sprach: Die könntest du ja nehmen, es ist Nacht, niemand siehet
dich! Aber eine Stimme in seinem Innern sprach dagegen:
Es siehet dich doch Einer, deß Augen sind wie Feuerflammcn.
Und ein Kampf begann fin seiner Seele, der aber durch Gottes
Gnade damit endete, daß er die Flucht ergriff durch's Fenster,
denn er fürchtete, der Versuchung zu erliegen, wenn er bliebe.
Als er aber einige hundert Schritt gegangen war, kehrte der
Versucher wieder, und es fing ihn an zu gereuen, daß er die
schöne Uhr im Stich gelassen. Schon wollte er umkehren, aber
er gedachte wieder des flammenden Auges und schneller eilte er
hinweg. Und der Mond ging unter, und es ward finsterer und
finsterer; er kam ab vom Wege, gerieth in Sümpfe und Moräste,
erreichte zuletzt aber eine Anhöhe, auf der er sich todtmüde nie-
derlegte und einschlief. Mit Anbruch des Tages ward er von
einem gräßlichen Geschrei geweckt; und als er seine Augen auf-
schlug, erblickte er über sich einen Galgen, und daran hing ein
Leichnam, um den sich eine große Schaar schreiender Raben ver-
sammelt hatte. Darob entsetzte er sich, und kniete nieder und
dankte Gott, daß er ihn in der Versuchung bewahrt hatte, denn er
gedachte, solch Ende hätte es auch mit ihm nehmen können, wenn
er aus der Hand des Versuchers nicht errettet wäre.
Merke: Man soll allezeit bitten: Führe mich nicht in Ver-
suchung, sondern erlöse mich von dem Uebel.
14. Die drei Goldfischchen.
Ein guter Mann hatte drei Goldfischchen, die niedlichsten
kleinen Fische von der Welt.
Er hatte sie in einen klaren Teich gesetzt und hatte großes
Wohlgefallen an ihnen. Oft setzte er sich am User hin und
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314
geschüttelt hatte, antwortete endlich: „O, William, was
können wir thun? Ich bin ein schwaches Weib und Du
ein Knabe. Selber gehen können wir nicht, und Etwas
geben können wir auch nicht. Sieh, da liegen 26 Pence
auf dem Tisch. Diese 12 brauchen wir für Brot, diese
6 zum Pachtgeld für die Sandgruben, diese 2 zum Haus-
zins, diese 3 für Kleider und Schuhe, diese 2 für Steinkoh-
len und diesen letzten zu den Sandsäcken und zu den Huf-
eisen der Jenny. Und für die armen Heiden bleibt leider
Nichts als der leere Tisch." So sprach das Weib und
trug die 26 Pence, welche sie nach und nach mit der rechten
Hand in die linke gestrichen hatte, in die Kammer hinaus.
William folgte ihr bald und legte sich nachdenklich auf sei-
nen Strohsack.
Was er aber mit seinem Nachdenken herausbrachte,
wird der freundliche Leser bald merken. Den andern Tag
stand er eine Stunde eher auf als gewöhnlich, und sagte
zu seiner Eselin, indem er ihr das Morgenfutter in die Krippe
warf: „Von nun an, Jenny, müssen wir jeden Tag zwei
Mal in die Stadt, das eine Mal für unsere Mutter und
das andere Mal für die armen Heiden. Und darum darfst
du auch nicht mehr so langsam gehen, wie die alte Lady
Dungal in die Kirche, sondern mußt machen, daß du vom
Wege kommst. Ich will mich auch nirgends mehr länger
aufhalten, als es nöthig ist." William hielt auch Wort.
Sonst blieb er an jeder ^Straßenecke stehen, und ging nicht
eher, als bis er gesehen oder, wo möglich, gelesen hatte,
was auf den neuen Anschlägen stand; sonst begleitete er oft,
wenn er seinen Sand schnell abgesetzt halte, die kleinen Sa-
voyarden und ihre Murmelthiere von Gasse zu Gasse; sonst
war er bei jedem Ausrufen der Erste und Letzte; von nun
aber ging er vor alle dem vorüber, wie ein Candidai, der
seine erste Predigt im Kopfe hat. Und wenn seine zweite
Ladung Sand keinen rechten Abgang mehr finden wollte,
so rief er desto lauter: „Kauft Sand für die armen Hei-
den!" so fanden sich immer wieder Käuferinnen, und da-
zwischen Eine und die Andere, die einen Penny mehr gab,
als er forderte, meist dem Knaben zu lieb, der, wo man
es verlangte, nach seiner Weise von dem Heidenthum Das
erzählte, was er sogleich nach seiner Anwesenheit in dem
großen Hause seiner Jenny mitgetheilt hatte.
So trieb er es vierzehn Tage und bemerkte in seinem
Eifer für die Heiden nicht, wie seine Eselin ihren Kopf
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Extrahierte Personennamen: William Jenny William Jenny Lady
Dungal William Jenny
347
stutzte, sah ihm steif ins Gesicht, und wußte nicht, woher
die Bekanntschaft kam. „Ist Er nicht der junge Wanderer,"
fragte der Schulze, „der diesen Abend da außen am Wege
das Brett einer Gartenthüre fest gemacht hat?" — „Ja, der
bin ich." — „Nun gut, so kommt, Nachbar Hans," sagte der
Schulze zu dem Eigenthümer des Gartens, der zufällig
auch da war, „kommt und bedankt Euch bei dem wackern
Fremdling. Er hat im Vorbeigehen Eure zerbrochene Gar-
tenthür reparirt." — Nachbar Hans schmunzelte, sagte sei-
nen Dank, setzte sich nebst dem Schulzen traulich zu dem
Fremdling, und alle Gäste lauschten auf ihr Gespräch. Es
betraf das Handwerk, die Wanderungen und Kundschaften
desselben, und in Allen erwachte der einmüthige Wunsch,
ihn zum Gemeinschmied zu bekommen, weil Allen der Zug
von gemeinnütziger Denkart gefallen hatte. Hämmerlein
mußte bleiben; und da er schon am folgenden Morgen
einen Beweis von seiner Geschicklichkeit in der Vieharznei-
kunst und im Beschläge gab, so war nur eine Stimme für
ihn: Dieser und kein Anderer soll Gemeinfchmied werden!
Man schloß den Kontrakt mit ihm ab, und Meister Häm-
merlein war unvermuthet Schmiedemeister eines großen Dor-
fes, das er wenig Stunden zuvor auch nicht einmal dem
Namen nach gekannt hatte. Sage mir nun noch Einer:
wer ungebeten zur Arbeit geht, geht unaedankt davon! Zu
seiner Besoldung gehörte unter andern ein Grundstück, das
er alljährlich mit Kartoffeln oder andern Länderciwaaren
bestellte. Da er den Acker zum ersten Mal in Augenschein
nahm, bemerkte er auf dem Fahrwege verschiedene Löcher,
in welche die Wagen bald rechts, bald links schlugen. —
„Warum füllt Ihr doch die Löcher nicht mit Steinen aus?"
fragte Nachbar Hämmerlein die Nachbarn, welche den Acker
ihm zeigten. „Je," sagten diese, „man kann immer vor an-
dern Arbeiten nicht dazu kommen." — Was that aber Mei-
ster Hämmerlein? So oft er auf seinen Acker ging, las
er von ferne schon Steine zusammen und schleppte deren
oft beide Arme voll bis zu den Löchern. Die Bauern lach-
ten, daß er, der selbst kein Gespann hielt, für Andere den
Weg besserte; aber ohne sich stören zu lassen, fuhr Meister
Hämmerlein fort, jedes Mal wenigstens ein Paar Steine
auf dem Hin- und Herweg in die Löcher zu werfen, und in
etlichen Jahren waren sie ausgefüllt. — „Seht Jhr's," sagte
er nun, „hätte Jeder von Euch, der leer die Straße fuhr, auf
dem Wege die Steine zusammengelesen, auf den Wagen ge-
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Extrahierte Personennamen: Hans," Hans Hämmerlein Meister
Hämmerlein
wahr ward, lief er zu ihm mitsprach: „Warum trübest du mir
das Wasser, daß ich nicht trinken kann?" Das Lämmlein ant-
woriele: „Wie kann ich dir's Wasser trüben? trinkst du doch
über mir, und möchtest du es mir wohl trüben!" Der Wolf
sprach: „Wie? fluchest du mir noch dazu?" Das Lämmlein ant-
wortet: „Ich fluche dir nicht." Der Wolf sprach: „So hast
du mir aber meine Wiesen und Aecker abgenaget und verderbet."
Das Lämmlein antwortet: „Wie ist das möglich, hab' ich doch
keine Zahne!" „Ei," sprach der Wolf, „und wenn du gleich
Viel ausreden und schwätzen kannst, will ich dich dennoch heut
nicht ungefressen lassen;" und würget also das unschuldige
Lämmlein und fraß es.
Hadre nicht mit jemand ohne Ursach, so er dir kein Leid ’
gethan hat (Sprüchw. 3, 30.). Ein bittrer Mensch trachtet
Schaden zu thun; aber es wird ein grausamer Engel über ihn
kommen (Sprüchw. 17, 11.).
22. Peter Romming, der Thierquäler.
Peter Romming, der Sohn eines wohlhabenden Bauern,
war durch die Schuld seiner Eltern schon in früher Jugend
so verwildert, daß es seine Freude war, Thiere zu quälen.
Jeden Sperling, den er fangen konnte, marterte er langsam
zu Tode, jedem Käfer, den er fand, riß er die Flügel aus,
Würmer, Schmetterlinge, Fliegen, Frösche zerhackte er, um
sich an ihren Schmerzen zu weiden. Katzen und kleinen O
Hunden schnitt er Schwanz und Ohren, ja oft zwei Beine W
ab, oder begoß sie mit siedendem Wasser, und ihr Geheul
war seine Lust. Die Vogelnester zerstörte er und quälte die
Jungen zu Tode. Konnte er die Alten fangen, so rupfte
und spießte er sie lebendig und freute sich, wenn sie erbärm-
lich zappelten. Dies trieb er bis in sein dreißigstes Jahr; ß
da verdingte er sich bei einem Bierbrauer. Eines Tages fiel
sein Hut in eine Kufe, in welcher gerade das Bier siedete.
Er wollte ihn wieder heraus holen, bekam aber das Ueber-
gewicht und stürzte selbst hinein. Zum Glück hatte er mit
den Händen noch den Rand der Kufe ergriffen und konnte
um Hülfe schreien. Man zog ihn heraus, aber seine Füße
waren im siedenden Biere ganz verbrannt. Lange lag er .
unter unbeschreiblichen Schmerzen. Er brüllte vor Qualen ^
und fluchte schrecklich. Nach einiger Zeit hörte er jedoch auf.
zu fluchen, wurde in sich gekehrt und bat um einen Geist-
lichen, dem er mit verzweifelnder Reue bekannte: „Ich habe
Sünden begangen, die nie wieder gut gemacht werden kön-
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278
leins Schreibzeug wäre. Also schrieb erbos Recept und be-
lehrte die Frau, in welche Apotheke sie es schicken müsse,
wenn das Kind heim komme, und legte cs auf den Tisch.
Als er aber kaum eine Minute fort war, kam der rechte
Doctor auch. Die Frau verwunderte sich nicht wenig, als
sie hörte, er sei auch der Doctor, und entschuldigte sich, es
sei schon einer dagewesen und habe ihr Etwas verordnet,
und sie habe nur auf ihr Büblrin gewartet. Als aber der
Doctor das Recept in die Hand nahm und sehen wollte, wer
bei ihr gewesen, und was für einen Trank oder was für Pillen
er ihr verordnet habe, erstaunte er auch nicht wenig, und sagte
zu ihr: „Frau, ihr seid einem guien Arzte in die Hände ge-
fallen ; denn er hat euch fünf und zwanzig Goldstücke ver-
ordnet, beim Zahlamte zu erheben, und unten an steht Jo-
seph, wenn Ihr ihn kennt. Eine solche Arzenei hatt' ich
Euch nichr verschreiben können." Da that die Frau einen Blick
gegen den Himmel und konnte Nichts sagen vor Dankbar-
keit und Rührung, und das Gelb wurde hernach richtig und
ohne Anstand von dem Zahlamte ausgezahlt, und der Doc-
tor verordnete ihr einen Trank; und durch die gute Arzenei
und durch die gute Pflege, die sie sich jetzt verschaffen konnte,
stand sie in wenig Tagen wieder auf gesunden Beinen. Also
hat der Doctor dle kranke Frau geheilt, und der Kaiser die
arme. Hebel.
30. Geiz ist die Wurzel alles Uebels.
Wenn im Winter die Fenster gefroren sind, dann drücken
die Kinder wohl manchmal Geldstücke in den Reif und in
das Eis und nehmen sie wieder ab. Jedes Geldstück läßt
dann sein Wappen oder seine Schrift auf dem Eise zurück.
Solch Fenster sieht dann gar bunt aus, und auf einer Scheibe
commandiren viele Potentaten. Eben so sieht auch das Herz
eines Geldgierigen aus. Jeder Thaler und Friedrichsd'or
hat sein Wappen'zurückgelassen. Aber es komniandirt doch
nur ein Polentat darin, näinlich Desideritis oder Gierharb l.
Das ist aber ein gar strenger Herr. Wenn die Güter verloren
gehen, dann stößt er häufig seinen Unterthanen das Herz ab.
Die Jahre 1779, Nu und 81 stehen uns noch als Was-
ser- und Hungerjahre im Gedächtniß, uns freilich nur durch
Hörensagen; unsern Großeltern standen sic aber aus Erfah-
rung darin. In jenen Jahren lebte in den Odergegendcn
ein Mailn, deß Feld war Höhenland und hatre gut getra-
gen. Uud sein Feld war groß, so daß er eine gewaltige
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