3. Geschichtl. Überblick üb. b. Wirtschaftsleb. u.d. Finanzwesen in Preußen u. Deutscht. 51
Förderung. Der Weichselhandel sollte durch den Bromberger Kanal nach
Stettin gezogen werden, der Plauesche und Finowkanal sollte den Elb-
handel in die Oder lenken. Die Weichselregulierung erfolgte zugunsten
Elbings und des Hafens Neufahrwasser. Swinemünde wurde Stützpunkt
gegen den schwedischen Handel. Eine Ostasiatische und Levantische Handels-
gesellschaft in Emden sollte den Blick aufs hohe Meer lenken. Das Mer-
kantilsystem hatte unter Friedrich seine schärfste und folgerichtigste Aus-
bildung gefunden.
d) Friedrich Wilhelm Ii. und Iii.
Friedrich Wilhelm Ii. verharrte bei dem System seines großen Vorgängers, wenn
auch die neue Theorie der Physiokraten schon Eingang fand. Tabak- und Kaffee-
monopol fielen, aber die Einnahmen der Akzise gingen zurück.
Unter Friedrich Wilhelm Iii. kam es trotz größerer Sparsamkeit zu keinerlei
Fortschritten auf den Gebieten des Finanzwesens und Wirtschaftslebens, bis 1806 der
große Zusammenbruch eintrat.
I)) Das neue Preußen seit 1807 und das Reich.
cc) Die Reformen nach 1806. Stein und Hardenberg.
Die Stein-Hardenbergische Reform brachte auf dem Gebiete des
Finanzwesens ein eigenes Ministerium. Die Steuerfreiheiten hörten auf. ix, m
Die Einkommensteuer war die feste Grundlage, dazu kam die Grundsteuer,
die vom Lande auf die Städte ausgedehnt wurde. Eine Stempel-, Erb-
schafts- und Zeitnngssteuer vervollständigten das System. Die Städte er-
hielten die Aufhebung des Zunftzwanges, der Verkaufsmonopole und die
Gewerbefreiheit, also größere Beweglichkeit in Handwerk, Handel und In-
dustrie. Der Unterschied zwischen Stadt und Land wurde gemildert. Die Qu. n, 69
ländlichen Verhältnisse wurden umgestürzt durch die Bauernbefreiung. Die
Erbuntertänigkeit wnrde aufgehoben, die besonders da drückend war, wo
sie mit nichterblichem (lassitischem) Grundbesitz verbunden erschien. Ein Qu. 11,70
freier Bauernstand mit freiem Eigentum war im Werden. Es entstand Qu. 1, 13
aber neben ihm ein ländliches Proletariat, da die ärmsten Bauern als
Jnstleute zu Gutstagelöhnern wurden; sie waren verpflichtet, gegen Geld-
lohn oder Ernte- und Dreschanteile zu arbeiten und lebten in dürftigen ix, 179
Wohnungen mit etwas Acker- und Gartenland. Alle Frondienste wurden
abgelöst, der Gemeindebesitz verfiel der Aufteilung durch Generalkom-
missionen.
ß) Der Ausbau des Reformwerkes bis 1840. ix, 202
Der Ausbau dieser Einrichtungen wurde nach dem Kampfe mit Na-
poleon fortgesetzt.
Ein Schuldenverwaltungsfonds sollte zur Erleichterung der großen Schuldenlast
dienen. Durch die Reform der Steuerverwaltung sowie die Durchführung einer Klassen-
steuer gelang es, die Staatsschuld zu beseitigen. Ein neues Münzgesctz bestimmte, daß
eine feine Mark — 14 Talern, zu je 30 Silbergroscheu, zu je 12 Pfennig sein sollte.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn]]
TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T157: [Friedrich Wilhelm Iii Kaiser König Karl groß Preußen Kurfürst Jahr], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Hardenberg
4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen
53
mit der französischen Automobilindustrie auf. Alle Handwerksbetriebe wuchsen ins
Große und Fabrikmäßige. Das Handwerk mußte in die kleinen Städte abwandern, ix, 28i
hielt sich aber mit veränderten Aufgaben auch in den Großstädten. Die Großbanken,
Deutsche Bank, Dresdener Bank, Nationalbank für Deutschland, gingen mit dein
Großunternehmertum Hand in Hand.
Verkehr und Handel wuchsen mächtig empor.
Das Eisenbahnnetz wuchs auf über 60 000 Irrn. Das Kanalnetz wurde seit 1870
um das Vierfache erweitert. Neben dem Kaiser-Wilhelm-Kanal ist hier der Groß- ix, 28a
schiffahrtsweg Berlin-Stettin zu nennen. Elektrischer Bahn- und Kraftwagenverkehr
nahm zu und trat in die Dienste des Handels und Gewerbes. Die Telegraphie und
der Fernsprecher waren im Verkehrs- und Wirtschaftsleben in Stadt und Land un- ix, 28t
entbehrlich. Die Post entwickelte sich auf dem Gebiete der Brief- und Paketbeförderung
nach dem Grundsätze der Schnelligkeit und Billigkeit, sie nahm am Weltverkehr teil.
Eine einheitliche Maß- und Münzordnung schuf Sicherheit im Handel. Es gilt die
Goldwährung (Gold ist einziger Wertmesser) und seit 1876 die Markwährung. Das
Kreditwesen steigerte sich gewaltig, ihm diente die Deutsche Reichsbank sowie die ix, 28t
Seehandlung als preußische Staatsbank. Der Scheckverkehr wurde durch die Einrich-
tung von Postscheckämtern gefördert. Die großen Schiffahrtsgesellschaften (Lloyd, Ham-
burg-Amerikalinie) nahmen teil am Weltverkehr, die deutsche Welthandelsflotte nahm
in der Welt die zweite Stelle ein.
In der Landwirtschaft wirkte die ausländische Überlegenheit an Vieh
und Getreide preisdrückend, die inländische Industrie entzog dem Lande
die Arbeitskräfte. Allerdings wurde die Lage der Landwirtschaft seit dem
verstärkten Anziehen der Schutzzölle (nach dem Abgang Caprivis) besser.
Man arbeitete mit allen Errungenschaften der Wissenschaft (Agrikultur-
chemie) und Technik (landwirtschaftliche Maschinen), man hob dadurch den
Ertrag des Bodens. Auch der Wert des Bodens steigerte sich erheblich.
So konnten 7/8 des Bedarfs an Brotgetreide und 95 vom Hundert an Fleisch
in Deutschland selbst gedeckt werden. Damit war die Landwirtschaft in der
Lage, im Kriegsfälle einer Aushungerung zu begegnen.
4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen und Deutschland,
a) Die preußischen Finanzen.
a) Die Behörden.
Das Finanzministerium in Preußen besteht seit 1810. Ihm
untersteht die Generallotteriedirektion, die Münze in Berlin, die Verwal-
tung der direkten Steuern sowie der indirekten Stenern und Zölle.
Zur Verwaltung des letzten Gebietes gehört das Hauptstempelmagazin. Der Ab-
teilung für indirekte Steuern im Finanzministerium sind die Oberzolldirektionen unter-
geordnet. Der Finanzminister leitet die Generalstaatskasse und die Verwaltung der
Staatsschulden. Er hat die Seehandlung als preußische Staatsbank unter sich, der
wieder das königliche Leihamt untersteht.
Die Kontrolle führt die Oberrechnungskammer.
ß) Einnahmen des Staates.
Die Einnahmen des Staates ergeben sich aus dem Staatsbesitz
und Staatsbetrieb.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
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Extrahierte Personennamen: Lloyd Caprivis
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Deutschland Berlin
4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen
55
Die sogenannten Matrikularbeiträge, auf Grund eines Verzeichnisses festgestellte
Beiträge der Einzelstaaten, sollten ursprünglich als Ergänzung dienen für die durch
Steuern nicht gedeckten Bedürfnisse des Reiches. Sie sind von den Einzelstaaten nach
Maßgabe der Kopfzahl zu entrichten. Ihre Wirksamkeit wurde lahmgelegt durch die
Frankensteinsche Klausel, wodurch Mehrerträge aus indirekten Steuern au die Einzel-
staaten zurücküberwiesen wurden.
y) Die indirekten Steuern.
Die wichtigsten Einkünfte ergeben sich ans den in direkten Stenern,
die dem Reiche nahezu ganz überlassen sind. Sie gehen mittelbar ans
Grenzzöllen, Verbrauchsabgaben, Stempelabgaben hervor. Die Grenz-
zölle sind reine Finanzzölle, wenn sie vom Auslande getragen werden.
Sie liegen auf Leuchtöl, Benzin, Schmieröl, Kaffee, Kakao, Tee, auslän-
dischem Tabak.
Sie sind weiterhin reine Schutzzölle. Die Landwirtschaft wird durch
Getreide-, Vieh- und Holzzölle geschützt, die Industrie durch Eisen-, Leinen-,
Baumwollen-, Wollen- und Seidenzölle. Als Verbrauchssteuern be-
zeichnet man die Abgaben von Schaumwein, Branntwein, Zucker, inländischem
Tabak, Salz, Leuchtmitteln sowie die Braustener. Die R eichsstemp el-
fte uern betreffen den Wechselverkehr, Aktien und Schuldverschreibungen,
Lotterielose, die Börse, Frachturkunden, Eisenbahnfahrkarten, Spielkarten.
d) Die Reichsschuld.
Weitergehende Bedürfnisse des Reiches werden durch Anleihen ge-
deckt, durch die die Reichsschuld auf 61/i Milliarde stieg.
Für den Heeresbedarf wurde 1913—16 ein einmaliger Wehrbeitrag erhoben.
Die Verwaltung der Reichs schulden führt die Reichsschuldenverwal-
tung unter Überwachung der Reichsschuldenkommission. Das Reichsver-
mögen, das den Reichsschulden gegenübersteht, besteht aus den Reichs-
eisenbahnen in Elsaß-Lothringen, dem Reichskriegsschatz (mehr als eine
halbe Milliarde), dem Reichsinvalidenfonds.
e) Die Landwirtschaft.
«) Behörden.
An der Spitze des Landwirtschaftswesens steht in Preußen das Mini-
sterium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Die oberste Be-
hörde für das landwirtschaftliche Vereinswesen ist das Landesökonomie-
kollegium, unter dem in allen Provinzen Landwirtschaftskammern
eingerichtet sind.
ß) Der Ausbau der Agrargesetzgebung.
Die Agrargesetzgebung ist seit der Zeit Steins weiter ausgebaut
und zum Abschluß gebracht worden. Sie erstreckt sich im wesentlichen auf
die Ablösung und die Gemeinheitsteilungen.
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TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
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4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen
57
Den Privatpvstanstalten ist damit der Boden entzogen worden. Das
Briefgeheimnis ist unverletzlich.
Die Postsendungen müssen von der Eisenbahn für Packereien bis zu 10 kg in
einem zur Verfügung gestellten Wagen unentgeltlich befördert werden. Für weitere
Wagenstellung tritt Vergütung ein.
Das Porto ist gesetzlich festgestellt und die Portofreiheiten grundsätz-
lich geregelt. Der Verkehr im Jnlande ist erleichtert durch das einheitliche
Porto und die Herstellung einer täglichen alle Orte berührenden Postver-
bindung. Durch die Einführung des Postscheckverkehrs soll dem Mittel-
stände in Landwirtschaft und Gewerbe der Vorteil des Überweisungssystems
wie beim Giroverkehr der Reichsbank gewährt werden.
Jeder kann ein Postscheckkonto bei der Post errichten und Überweisungen an dies
Konto durch Vermittlung der Postbehörde vornehmen lassen.
Die Reichspost ist dem Weltverkehr durch Anschluß an den Welt-
postverein dienstbar gemacht worden. Die Telegraphie gehört dem
Internationalen Telegraphenverein an. Das Weltpostporto und
die Telegraphengebühren für das Ausland stellen durch Einheitlichkeit und
Niedrigkeit der Taxen eine gewaltige Berkehrserleichternng her.
y) Die Eisenbahnen.
Das Eisenbahnwesen ist für alle wichtigen Linien staatlich geworden.
Die Eisenbahnverwaltung ist im Reiche unter den Bundesstaaten verteilt.
Die Bahnen zerfallen in Hauptbahnen, Nebenbahnen, Kleinbahnen. Die
Nebenbahnen zum Teil und die Kleinbahnen sind privater Anlage über-
lassen.
Die elektrischen Bahnen in den Städten sind in der Hand der Stadtgemeinden oder
der Privatgesellgeschaften.
Die Eisenbahntarife erstreben Gleichmäßigkeit und Billigkeit. Der wirt-
schaftliche Verkehr, die Bedürfnisse von Handel, Landwirtschaft und In-
dustrie sollen möglichst berücksichtigt werden. Besonders ist das der Fall
bei größeren Entfernungen für die unentbehrlichen Roherzeugnisse wie
Kohlen, Erze, Düngemittel. Der Fracht- und Güterverkehr ist die Haupt-
einnahmequelle für die Bahn, der Personenverkehr kommt erst in zweiter
Linie.
e) Kapitalspflege, Handel, Gewerbe (Industrie).
a) Behörden.
Große Zweige des Wirtschaftslebens umfaßt in Preußen das Mini-
sterium für Handel und Gewerbe.
Es sorgt für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen, den Handel und die Ge-
werbe. Es führt die Gewerbeaufsicht und leitet das Gewerbeschulwesen.
Im Reiche ist dieser Zweig des Wirtschaftslebens dem Reichs amt
des Innern zugewiesen.
Seine zweite Abteilung ist für Versicherungswesen und Aktiengesellschaften, Ge-
nossenschaften, Gewerbesachen zuständig, die dritte für Bank- und Börsenwesen, Pa-
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4. Finanzen und Wirtschaft in Preußen
5s)
Sie sott den Geldumlauf im Reiche regeln, die Zahlungsausgleichungen erleichtern
und verfügbares Kapital nutzbar machen. Für die Deckung der ausgegebenen Bank-
noten muß Vs des Betrages in Geld, Kassenscheinen, Barren oder Münzen als Deckung
vorhanden sein.
Die Kapitalsbildung vollzieht sich gegenwärtig in der eigenartigen Form
der Beweglichmachung des Kapitals. In früheren Zeiten wandte sich
der Staat an Geldleute, die ihm etwa gegen Verpfändung von Steuern
das nötige Kapital zur Verfügung stellten. Bei den sehr großen Geld-
bedürfnissen der Neuzeit wurde der Bankier aus dem Geldgeber zum Ver-
mittler zwischen dem Staat und zahlreichen Geldgebern. Das Haus Roth-
schild in London schloß zuerst mit dem preußischen Staate eine Anleihe
ab, teilte sie in kleinere Abschnitte runder Beträge und verkaufte diese an
alle, die nach einer sicheren verzinslichen Anlage ihres erworbenen oder
ersparten Geldes suchten. Die Zinszahlung an die Inhaber der Anteile
wurde später wesentlich vereinfacht. Jeder erhielt einen Zinsschein(Coupon-)-
bogen. Von diesem wurden am Fälligkeitstermin die Zinsscheine abge-
trennt und durch Vermittlung der Banken eingelöst. So wurde das Kapital
durch seine Versinnbildlichung mit Hilfe des Papiers beweglich gemacht.
Auch der Wechsel macht den Geldverkehr beweglicher, weil er das Hin-
und Hersenden größerer Geldmengen beseitigt. Ein Kaufmann hat eine
Forderung an einen entfernten Schuldner. Er schreibt in gesetzlich vorge-
schriebener Form einen Wechselbrief an seinen Schuldner und läßt sich von
seinem Bankier gegen Auslieferung des Briefes den Betrag nach Abzug
der Zinsen (des Diskontes) auszahlen. Der Schuldner bestätigt aus dem
Briefe sein Einverständnis, und der Wechselbrief kann bis zum Fälligkeits-
tage als Geldersatz durch die Welt gehen. Der Staat und die Gemeinden
können große Anleihen durch Vermittlung der Banken aufnehmen, die
in kleine Verschreibungen eingeteilt von zahlreichen Gläubigern über-
nommen werden. Vielfach befreit sich der Staat von der Vermittlung und
tritt mit der Anleihe unmittelbar an die Geldgeber heran. Großen Unter-
nehmungen auf dem Gebiete des Bankwesens oder der Industrie dienen
die Aktiengesellschaften.
Die Aktiengesellschaft bedarf der staatlichen Genehmigung nicht. Es ist eine
Gesellschaft, an der die Mitglieder mit Einlagen ohne persönliche Haftung beteiligt
sind. Das Einlagekapital ist in unteilbare Aktien zerlegt, die gewöhnlich auf den
Inhaber lauten, also ohne Förmlichkeit weiter gegeben werden können. Die General-
versammlung und der Aufsichtsrat nehmen die Rechte der Gesellschaft wahr. Nach
außen hin wird sie durch den Borstand vertreten. Für die Bildung und Verwal-
tung einer solchen Gesellschaft find durch das Handelsgesetzbuch genaue gesetzliche
Grundlagen geschaffen.
y) Der Handel und die Börse.
Streitigkeiten zwischen Kaufleuten und ihren Angestellten werden durch Kauf-
mannsgerichte entschieden. Handelskammern vermitteln zwischen den Behörden
und den handeltreibenden Kreisen. Das deutsche Handelsgesetzbuch befaßt sich mit dem
Kania, Bürgerkunde 5
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2. Allgem. geschichtl. Durchblick auf dem Gebiete des Wirtschaftslebens u. d. Finanzen 41
schaftsmarktes auf die ganze Welt erheischen neue Zahlungsmittel, und Er-
leichterungen des Geldverkehrs müssen hinzutreten. Diesen Anforderungen
entspricht der Kredit; Wechsel, Papiergeld, Banknoten, Schecks, Überwei-
sungen, Depositen, Wertpapiere kommen im Kreditverkehr zur Anwendung.
d) Tie Staatseinkünfte.
Mit dem Wirtschaftsleben des Staates sind die Finanzen eng ver-
bunden. Die Staatseinkünfte fließen aus eigener Wirtschaftstätigkeit
des Staates, Staatsbetrieben und Grundbesitz, aus den direkten und in-
direkten Steuern.
Direkte Steuern werden vom Staate unmittelbar erhoben, Grundsteuer, Einkom-
mensteuer. Indirekte kommen durch Vermittlung, also mittelbar, an den Staat. Die
indirekten Steuern werden im Anschluß au Vorgänge des Verbrauchs oder Verkehrs
ermittelt und von dem Steuerzahler auf den Verbraucher als Steuerträger abgewälzt.
Hierher gehören die Zölle, die Stempelsteuern, die Verbrauchssteuern auf inländische
Erzeugnisse (Bier, Branntwein, Zucker).
2. Allgemeiner geschichtlicher Durchblick auf dem Gebiete
des Wirtschaftslebens und der Finanzen.
a) Altertum-
«) Natural- und Geldwirtschaft, Finanzen. Athen.
Alexander und die Diadochen.
Das Altertum steht, wie uns die Homerischen Epen zeigen, zunächst
auf der Stufe der Naturalwirtschaft. Die Assyrer und Babylonier so-
wie die Phönizier kennen bereits eine entwickelte Geldwirtschaft. Diese hat
wohl auf Griechenland eingewirkt, wozu die Entwickelung von Gewerbe
und Handel in den griechischen Seestädten beitrugen. Die Steuerklassen
Solo ns zeigen, daß in Athen die Stufe der Naturalwirtschaft überwunden vn, 78
ist, der alte Agrarstaat wird mit dem neuen Gewerbe- und Handelsstaat,
der auf Geldwirtschaft beruht, verschmolzen. Für den Handel ist eine feste,
einheitliche Währung sehr wichtig.
Das alte Talent von Ägina, bei dem Gewicht und Münze dasselbe abgewogene
Stück war, wurde durch das euböische, nicht ausgeprägte ersetzt. Dies erleichterte den
Handel durch Übertragung des asiatischen Goldgewichtssystems auf Silber und durch
seine einheitliche Geltung im korinthisch-chalkidischen Handelsgebiet. An Stelle des
alten Systems traten zur Erleichterung des Handelsverkehrs die Drachmen (78 Pfg.)
und Obolen (13 Pfg.), wobei der Obolos in Teilstücken in Silber ausgeprägt wurde,
die Hauptmünze des Staates wurde das Vierdrachmenstück. Die Goldwährung (Da-
reiken 22 Mk.) übernahm man von den Persern. Die Stufe der alten Gewichtswäh-
rung war damit überwunden. Am schnellsten setzte sich die Geldwirtschaft in den
Kolonien durch. Die Landwirtschaft reichte nicht aus, die Bedürfnisse zu decken, man
sah sich auf Einfuhr angewiesen. Da aber Bodenerzeugnisse nicht als Austauschwerte
in genügender Menge vorhanden waren, so griff man zur Industrie, die durch Sklaven
betrieben wurde.
Der endgültige Sieg der Geldwirtschaft ist dann zur Zeit des Pe- Qu. Ii, l
rikles entschieden durch den Reichtum an Edelmetall, der aus Persien und
Karthago einströmte.
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TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
42
Vii. Wirtschaftsleben und Finanzen
Qu. i, i Die Staatseinkünfte flössen aus den Staatsbetrieben, den Gold- und Silberminen,
vii, 76 den Steuern und Zöllen, den Gerichtsgebühren. Hinzu kamen die Bundestribute und
der Tempelschatz der Athene. Der Staat wurde kapitalistisch. Kapital war nötig für
die großen Handelsunternehmungen, so entstand Bank- und Kreditwesen. Athen wurde
die wichtigste Handelsstadt und beherrschte den Güteraustausch vom Schwarzen Meer
nach Italien und Sizilien. Ton- und Metallindustrie sowie Erzeugung von Luxus-
gegenständen gewannen große Bedeutung. Freier Handel herrschte im ganzen, nur
Ausfuhr von Getreide, solche von Ausrüstungsgegenständen für Kriegsschiffe war ver-
boten. Der Großkaufmann, der Reeder, der Bankier gaben später dem Staate das
Gepräge.
Unter Alexanders Herrschaft gerieten dann erst die großen Handels-
wege nach dem Orient über Byzanz, Antiochia und Ägypten in ihrer ganzen
Ausdehnung in die Hand der Hellenen. Diese beherrschten damit den Welt-
handel. Das Wirtschaftsleben und die Finanzen entwickelten sich unter den
Diadochen zu höchster Blüte. Staatsdomänen und Monopole, Grund-
und Vermögenssteuern schufen feste Einkünfte. Reichsbanken und Privat-
banken regelten den regen Geldverkehr. Verpachtungen von Steuern und
Domänen traten schon jetzt auf. Reiche Stiftungen sorgten für die Volks-
ernährung. Der Ackerbau blühte nur in Ägypten, sonst war man auf Ein-
fuhr angewiesen. Große Handelsmittelpunkte, Antiochia, Alexandria, Sy-
rakus, kamen hoch. Die Industrie wuchs ins Große. Der Gegensatz zwischen
reich und arm wurde stärker und stärker.
ß) Rom, Finanzen und Wirtschaft von der Republik bis zur
Kaiserzeit.
vii, ns An Stelle des Hellenentums traten die Römer. Rom war ursprüng-
lich ein Bauernstaat, auch die gewerbe- und handeltreibenden Kreise wid-
meten sich vorwiegend der Landwirtschaft. Der eigenwirtschaftlichen Stufe
entsprach das Tanschmittel des Viehs (xoeunia). Bei der Ausdehnung des
römischen Staats auf Italien bildete sich ein Großgrundbesitz durch die
Austeilung von Staatsland. Gewerbe, von Bürgern und Freigelassenen
betrieben, führten zur Arbeitsteilung. Handwerk, Gewerbe und Handel
aber kamen im römischen Ackerbürgerstaate erst in zweiter Linie in Be-
tracht. Die Geldwirtschaft drang nach und nach ein.
Tauschmittel war das gewogene Kupfer, zunächst in roher Form (aes rüde), daun
als Barren (aes signatum), schließlich gemünzt (aes flatum) seit 350 (As und Unzen).
269 begann die Silbcrwührung, der Denar (70 Pfg.) und die Sesterzen (17 Pfg.).
Goldprägung wurde wahrend des zweiten Panischen Krieges eingeführt. Die Gold-
münze Cäsars galt etwa 17,5 Mk.
Qu. ii. o Die Landwirtschaft ging infolge der unbegrenzten Getreideeinfuhr
zugrunde. Der Großgrundbesitz trat an ihre Stelle und ging zur Vieh-
wirtschaft mit Hirten und Sklaven über. Die Sklavenwirtschaft ergriff
auch das städtische Gewerbe und verdrängte den selbständigen Gewerbe-
treibenden. Grvßkaufleute und Bankherren betrieben den Handel mit dem
vii, i6i. i62 Osten im großen Stil und pachteten die Staatsgefälle in den Provinzen.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert]]
2. Allgein. geschichtl. Durchblick auf dem Gebiete des Wirtschaftslebens u. d. Finanzen 43
Umfangreiche Geldgeschäfte, Gesellschaften mit Anteilscheinen kennzeichneil
das Aufkommen einer entwickelten Geldwirtschaft. Die Finanzen
der Kaiferzeit waren durch Augustns geregelt worden.
Das Steuerwesen wurde geordnet, kaiserliche Prokuratoren führten die Aufsicht, vn, 195
Alles Land wurde vermessen, und allgemeine Schätzungen fanden statt. Neben den
Staatsschatz (aerariuna publicum), in den Einkünfte aus den Senatsprovinzen flössen,
trat der Kriegsschatz (aerarium militare), dem die Erbschaftssteuer als regelmäßige
Quelle zugewiesen wurde. Die Einkünfte aus den kaiserlichen Gütern und Provinzen Q». 11. 13
bildeten die kaiserliche Kasse (fiscus Caesaris). Gold- und Silberprägung waren kaiser-
liches, Kupferprägung Seuatsrecht. Zur besseren steuerlichen Erfassung wurde häufig
das römische Bürgerrecht an die Provinzialen verliehen. Unter Caracalla erhielten sie
es insgesamt (212 Loustitutio Antoniniana).
Der Rückgang des Ackerbaus hielt weiter an. Man war ganz auf über- Vh, 212
seeische Lieferungen angewiesen. Viehzucht, Gartenbau und Weinbau hoben
sich. Das Pachtwesen eroberte sich das ganze Reich, aber die Kolonen sanken Qu. n e
in Unfreiheit. Handwerk und Gewerbe lagen in den Händen des Staates
und nahmen die Formen des Großbetriebes an. Es bildeten sich Handels-
genossenschaften mit Anteilscheinen, Schiffer- und Fuhrmannsgilden. Da
dem Handel der Einfuhr nur eine geringfügige Ausfuhr gegenüberstand,
trat Geldnot ein. Münzverschlechterungen und Steuernachlässe zeigten den Qu. u, 13
Verfall der Finanzen an.
Im Osten beherrschten die Römer die drei großen Welthandelsstraßen, aber zwei
von ihnen, über das Schwarze Meer und durch Syrien, waren von den Parthern,
später den Neupersern ernstlich bedroht. Das Wirtschaftsleben erfuhr eine staatliche vn, 220
Regelung seit Diokletian. Die Landbevölkerung zahlte eine Kopfsteuer, die Städter
ihre Steuerauteile nach Korporationen. Münzeinheit wurde der konstantinische Gold-
solidus (12 Mk.). Eine feste Preisordnung für Erzeugnisse und Arbeitsleistungen
ordnete die Besitz- und Erwerbsverhültnisse. Das Schwinden des Edelmetalles im
späteren Römerreich leitete den wirtschaftlichen und politischen Verfall ein. Im by-
zantinischen Reiche kehrte man zum Teil zur Naturalwirtschaft zurück. vn, 30
b) Das Mittelalter.
a) Die Germanen.
Wiederum mit der Eigenwirtschaft beginnt das Wirtschaftsleben
der Germanen. vm, g
Alle Gaugenossen sind in ihrer Gesamtheit Besitzer des Landes. Die Markgenossen-
schaft teilte jedem Familienvorstande seinen Anteil am Ackerboden zu. Der Hof war
Eigenbesitz; die Allmende, Wiese, Wald, unbebautes Land gehörten der Gesamtheit.
Der Sonderbesitz kam erst mit der Erwerbung römischen Bodens auf. Ursprünglich
herrschte die Feldgraswirtschaft, ein Wechseln zwischen Gras- und Ackerland. Gerste,
Hafer, Roggen wurden angebaut. Die Rinder- und Pferdezucht blühte. Der Handel
war nur geringfügig, Gewerbe selbständiger Art fehlten.
ß) Das Frankenreich.
Die Naturalwirtschaft hielt auch im Frankenreiche und später-Qu. 1, 7
hin bei dem Mangel an Edelmetall an. Auf ihrer Grundlage entwickelte vm, 37
sich das Lehnswesen. vm, 54.55
Kaniä, Bürgerkunde
4
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet]]
40 Vii. Wirtschaftsleben und Finanzen
Handelsbilanz durch Überwiegen der Ausfuhr gegenüber der Einfuhr wurde angestrebt.
Nur die nötigsten Rohstoffe durften eingeführt werden. Durch Einfuhrverbote und
Schutzzölle wurde die fremde Industrie und der Handel vom Ausland her ausge-
schlossen (Prohibitivsystem). Gewerbe wurden begünstigt, staatlicher Großbetrieb ein-
gerichtet, fremde Industrien ins Land verpflanzt. Feine Tuche, Seide, Brokat und
Spitzen, Spiegel, Glas, Porzellan, kunstgewerbliche Gegenstände (Möbel, Nippsachen)
erzeugte man im Lande und machte auf diesem Gebiete Paris zum Weltmärkte. Die
Binnenzölle wurden zur Erleichterung des Handels aufgehoben, Land- und Wasser-
straßen gebaut und Seehäfen angelegt. Monopole und Handelsgesellschaften kamen
hinzu. Die einen ermöglichten dem Staate größere Einnahmen, die anderen ver-
werteten das Kapital zu größeren Unternehmungen und kamen mittelbar den Staats-
sinanzen zugute.
ß) Der Physiokratismus vor und während der Revolution.
Eine neue Form des wirtschaftlichen Lebens entwickelte sich seit der
ix. ms Revolution, es stand im Zeichen der Freiheit. Der Physiokratismus
oder Ökonomismus, begründet von Quesnay, sah den Grund und Boden
Qu. i, 12 als Quelle des Nationalreichtnms an.
Die Landwirtschaft war vom Merkantilismus ganz vernachlässigt worden, er ver-
bot die Ausfuhr des Getreides und zwang dem Lande niedrige Getreidepreise auf.
Jetzt erblickte man im produktiven Bauernstand die feste Grundlage des Staates und
suchte vor allem ihn zu heben. Turgot war mit einer Steuerreform durch Tarifie-
rung der Taille auf Grund einer neuen Bodenvermessung (Kataster) vorangegangen,
es gelang ihm aber nicht, den Verfall der Finanzen und den Niedergang der Land-
wirtschaft aufzuhalten. Die Münzverschlechterung Ludwigs Xv., die Gründung einer
Schwindelaktiengesellschaft durch den Schotten Law hatten den Kredit unheilbar ge-
troffen. Die Revolution schuf durch die Beschlagnahme des Kirchenbesitzes einen
lebenskräftigen Bauernstand, aber die auf das beschlagnahmte Land hin ausgegebenen
Anweisungen (Assignaten) verfielen bald durch maßlose Ausgabe fast völliger Ent-
wertung.
Napoleon förderte dann Handel, Industrie und Landwirtschaft in gleicher Weise,
ix, 175 sah sich aber durch den Kampf mit England zu einem Prohibitivsystem größten
Maßstabes genötigt. Innerhalb des Sperrgebietes aber wurde Frankreich gegen die
Qu. ii, 69 abhängigen Staaten mit einer Schutzzollmauer umgeben, so daß zur politischen Ab-
hängigkeit noch die wirtschaftliche Ausbeutung durch den Herrenstaat trat.
y) Adam Smith und die Freihandelsschule in England.
Adam Smith stand im Gegensatz zu den Physiokraten. Er erblickte
nicht im Grund und Boden den Nationalreichtum, sondern in der werte-
schaffenden Arbeit. Er forderte völlige Freiheit der Gütererzeugnng und
ix, 143 weitgehende Teilung der Arbeit. Freiheit der persönlichen Arbeit bedinge
die ungestörte Förderung des eigenen Wohles. Die Förderung des eigenen
Wohles aber diene am besten dem Gemeinwohle. Ans diese Grundsätze
griff die Freihandels- oder Manchesterschule zurück. Sie forderte
ix, 244 die Beseitigung aller Schranken für die Gütererzeugung und den freien
Handel. Der Einklang des wirtschaftlichen Lebens ergebe sich schließlich
von selbst aus dem Wettstreit gegeneinanderstehender Interessen. Diese
Ansicht beruhte auf dem Glauben an das schließliche Überwiegen, die Selbst-
behauptung der tüchtigsten Kräfte im Kampfe ums Dasein.
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs_Xv. Ludwigs Napoleon Adam_Smith Adam_Smith
Extrahierte Ortsnamen: Paris England Frankreich England
50
Vii. Wirtschaftsleben und Finanzen
Zur steuerlichen Erfassung der Rittergüter diente ein neuer Kataster (Vermes-
snngsplan), aber der geplante Generalhufenschoß an Stelle der alten Lehnskontri-
bution des Adels drang nicht überall durch. In einigen Provinzen mußte der König
zu einer festen Steuer für jedes Lehnspferd greifen.
Ix>87 Auch die Landwirtschaft fand weitere Pflege, obwohl der König aus
Rücksicht auf den Adel hier nicht zu weit gehen konnte.
Auf den königlichen Domänen wurden die Bauern aus der Hörigkeit entlassen,
die Hofdiensttage verringert. Neue Ansiedler erhielten Erbrecht und Freiheit. Die
innere Kolonisation förderte Friedrich Wilhelm in der Kurmark und Ostpreußen durch
die Ansiedlung der Salzburger.
Als überzeugter Merkantilist zog der König Kaufleute und Handwerker
ins Land, unterstützte die Manufakturen, die Vorläufer der späteren Fabri-
ken. Leinwand, Leder, vor allem das durch hohe Zölle geschützte Tuch
wurden die wichtigsten Ausfuhrgegenstände. Der Verkehr auf der Ostsee
war feit der Erwerbung Stettins ein wichtiger Faktor im preußischen Handel.
y) Friedrich der Große.
Des Vaters Spuren folgte auf dem Gebiete der Finanzen, des Han-
ix, i25 dels, der Industrie der Große König. Er mußte die Einnahmen bei den
gewaltigen Ansprüchen seiner europäischen Politik erheblich steigern, daher
wurde die Akzise ausgebaut.
Den Grundbesitz wollte Friedrich nicht noch mehr belasten. Er schuf eine neue
Verwaltungsordnung der Akzise, wodurch die Luxusartikel schärfer gefaßt wurden,
vor allem durch eine Zollkette eine schärfere Absperrung erzielt werden sollte. Ein-
zelne Genußmittel wurden zur besseren Ausbeutung Staatsmonopole, wie Tabak-
und Kasfeeverkauf. Die Industrie Rheinlands und Westfalens stand außerhalb des
Systems, und ihre Erzeugnisse wurden in Brandenburg-Preußen als Einsuhrgegen-
stände betrachtet und unterlagen der Steuer. Der außerordentliche Aufschwung der
Finanzen ermöglichte den Wiederaufbau des Staates nach dem Siebenjährigen Kriege,
ix, i26 Auf dem Gebiete der Landwirtschaft strebte er die Aufhebung der
Erbuntertänigkeit an, erreichte eine Beschränkung der Frondienste. Er
unterstützte den Adel durch ritterschaftliche Kreditbanken. Oder-, Warthe-
Qu. Ii, 97 und Netzebruch, den Drömling in der Altmark, die ostprenßische Seenplatte
machte er urbar; 50000 Kolonistenfamilien siedelte er an. Der Sandboden
wurde verbessert durch Anpflanzung und Aufforstung. Veredlung der Vieh-
zucht, die Durchführung des Kartoffelanbaus, die Magizinierung von Ge-
treide kamen hinzu. Die Industrie hob sich mächtig durch Einführung
der Seidenraupenzucht, durch die königliche Porzellanfabrik. Bergwerk-und
Hüttenwesen nahmen großen Umfang an. Oberschlesien ersetzte die schwe-
dische Eiseneinfuhr. Steinkohlen lieferte die Grafschaft Mark, die Graf-
schaft Mansfeld Kupfer. Das Bankwesen erscheint jetzt zuerst in Preußen,
es zeigen sich die Anfänge der Kreditwirtschaft. Die Giro-Diskonto-
Leihbank, auch Preußische Staatsbank genannt, diente industriellen An-
leihen. Die „Seehandlung" erhielt die Monopole für Wachs und Seesalz
und ermöglichte überseeische Unternehmungen. Ihr zur Seite trat eine
Versicherungsgesellschaft für den Seeverkehr. Das Kanalnetz fand weitere
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