§. 29. Die Herrschaft der hundert Tage. Napoleons Ende. 303
Mann", sodaß sie die meisten derselben zu Gefangenen machten und beinahe Napoleon selbst in ihre Gewalt gebracht hätten. Sie waren so dicht hinter ihm, daß er den Wagen samt Hut und Degen zurücklassen und ein Pferd besteigen mußte. Blücher nahm den Wagen mit Napoleons Mantel und Fernglas für sich, schenkte die darin befindlichen Kostbarkeiten seinen Soldaten und schickte des Kaisers Hut, Degen und Ordensstern seinem Könige. Die Engländer nannten die Schlacht nach ihrem letzten Hauptquartier Waterloo, die Franzosen nach Mont St. Jean, die Preußen nach den erstürmten Höhen von Belle-Alliance.
Blücher nutzte seinen Sieg bis zum äußersten aus und rückte rasch vor Paris. Napoleon entsagte bereits am 22. Juni zu Blois nach einer kurzen Herrschaft von 100 Tagen abermals dem Throne zu gunsten seines Sohnes, und eine Gesandtschaft überbrachte die Abdankung des Kaisers in das Lager der Verbündeten. Allein man erklärte, daß keine Unterhandlungen möglich seien, bis Napoleon ausgeliefert sei. Darum flüchtete er sich nach Rochesort und bestieg ein französisches Schiff, um nach Amerika zu entrinnen. Doch der Hasen war bereits von englischen Kreuzern gesperrt. In dieser Verlegenheit begab er sich an Bord des englischen Kriegsschiffes Bellerophon und trat zu dem Besehlshaber desselben, Kapitän Mail-land, mit den Worten: „Ich komme, um mich unter den Schutz der englischen Gesetze zu stellen." Allein für den Geächteten gab es kein Recht mehr. Die Landung bei Plymouth wurde ihm untersagt und der Befehl der Verbündeten vollstreckt, wonach „der General Bonaparte" als ihr gemeinsamer Gefangener nach St. Helena gebracht werden sollte. Alle Protestationen Napoleons waren vergeblich, man führte ihn auf den „Northumberland", welcher ihn mit seiner Begleitung, im ganzen 22 Personen, darunter die Generale Bertrand, Montholon, Gourgaud und Las Cases, nach dem Verbannungsorte brachte. Hier landete er am 18. Oktober 1815 und lebte noch über 5 Jahre unter der peinlichen Aufsicht des englischen Gouverneurs Sir Hudson Lowe. Seine Zeit brachte er damit hin, daß er seine Memoiren aufschrieb und die Kinder seiner treuen Generale unterrichtete oder den Garten hinter seinem Landhause Longwood bearbeitete. Ein Magenübel machte am 5. Mai 1821 seinem Leiden ein Ende; Blücher war ihm bereits zwei Jahre früher im Tode vorangegangen. Der Sohn Napoleons lebte mit dem Titel eines Herzogs von Reichstadt in Wien, wo er 1832 starb.
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleon Napoleons Jean Napoleon Napoleon Napoleons Hudson_Lowe Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Paris Amerika Kapitän_Mail-land Plymouth Napoleons Gourgaud Longwood Napoleons Wien
§. 29. Die Herrschaft der hundert Tage.
301
Brüssel und suchte die beiden gefährlichen Gegner zu trennen und einzeln zu beschäftigen. Ney sandte er gegen Wellington, während er selbst sich gegen Blüchers Heer richtete. Ney wurde am 16. Juni 1815 bei Quatrebras nach heftigem Kampfe, in welchem Herzog Wilhelm von Braunschweig fiel, im weiteren Vordringen aufgehalten. Am gleichen Tage drängte Napoleon bei Ligny Blüchers Armee zurück, der dieselbe noch nicht vollständig gesammelt hatte und vergeblich auf die zugesagte Hilfe Wellingtons rechnete. Blücher selbst wurde in der Schlacht verwundet und blieb unter feinem erschossenen Pferde besinnungslos liegen. Nur sein Adjutant, Graf von Nostiz, war bei ihm. Als die Preußen ihren geliebten Vater Blücher vermißten, schlugen sie die Franzosen zurück und hoben ihn unter der Last seines toten Pferdes hervor. Obwohl durch den Sturz hart erschüttert und verletzt, verlor der 73jährige Greis doch feinen Augenblick den Mut und die gute Laune.
Napoleon glaubte Blüchers Armee geschlagen und fürs erste vollständig kampfunfähig gemacht zu haben. Er übertrug daher die Verfolgung dem Marfchall Grouchy mit 82000 Mann, der sie jedoch höchst lässig und auf falschem Wege betrieb, während Napoleon sich gegen Wellington wandte. Dieser hatte, um die Verbindung mit Blücher nicht zu verlieren, fein Heer rückwärts geführt und südlich von Waterloo auf einem Höhenrücken aufgestellt, über den sich bei dem Vorwerk Mont St. Jean die Straße nach Brüssel hinzieht. Am Morgen des 18. Juni 1815 standen die Heere Napoleons und Wellingtons bei Belle-Miance einander gegenüber, und Napoleon schritt zum Angriff. Wellington hatte Blücher um Hilfe ersucht, und dieser hatte sie zugesagt, obgleich er am 17. Juni das Bett hüten mußte. Als Blücher am 18. früh aufstehen wollte, traf der Arzt Anstalten, die schmerzhaften Glieder des greisen Feldmarschalls einzureiben. Aber Blücher ließ es nicht zu, sondern sprach: „Ach, was noch
schmieren! Ob ich heute balsamiert oder unbalsamiert in die andere Welt komme, das wird wohl auf eins herauskommen." Er fetzte sich wohlgemut zu Pferde, obgleich ihn die Glieder heftig schmerzten. Als er sah, wie stark es regnete, scherzte er: „Das sind unsre
Alliierten von der Katzbach, da sparen wir dem Könige viel Pulver!" Blücher beschleunigte den Marsch so viel als möglich; aber es schien, als ob sich alles verschworen hätte, um die Preußen zurückzuhalten. Erst hemmte eine Feuersbrunst in dem Dorfe Wavre den Marsch, dann der vom Regen aufgeweichte Boden, die angeschwollenen Bäche und die schmalen Waldwege. Das Fußvolk und die Reiterei kamen
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Napoleon Blücher Graf_von_Nostiz Napoleon Napoleon Jean Napoleons Napoleon
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
— 189 —
kugeln durchbohrten meinen Helm, doch so, daß ich nur ein heißes Gefühl auf meinem Schädel spürte. Rittmeister von Heister stürzte, mit ihm andere: im nächsten Augenblicke waren wir in der Batterie, die nur mit 2 Geschützen zum Feuern gekommen war. Die Ehre, den Kommandeur zu holen, der den Revolver gegen mich hob, konnte ich feinem anderen überlassen, und ich glaube, ich habe ihn gefunden. Er sank vom Pferde. Es war mir sehr klar, daß es sich bet diesem Todesritt nicht darum handelte, Trophäen heimzubringen, sondern einfach alles zu werfen, was noch zwischen Wald und Chaussee aufrecht stand. In der Batterie war alles niedergehauen, und so ging es in rasendem Jagen aus eine Infanteriekolonne, die niedergeritten wurde. Erst als wir sie durchbrochen hatten, schickte sie uns Schüsse nach. Jetzt war das Regiment schon mit den Ulanen zusammengeschlossen. Eine zweite Batterie wurde attackiert, heruntergehauen, was nicht floh, und mit diesem fliehenden Teile ging es auf eine zweite Infanteriekolonne los. Kurz, ehe wir sie erreicht, brachen aus einer Waldlücke zwei französische Kürassierschwadroneu in die Lücken des nur noch kleinen Häufleins vor, und nachdem die letzte Kolonne Infanterie überritten, schwenkte das Häuflein rechts ab und jagte, vermischt mit den Ulanen und französischen Kürassieren durch das höllische Feuer der Ehassepots und Mitrailleusen in die Aufstellung bei Viouville zurück. Nie werde ich vergessen, wie ich, ungefähr an der Stelle, von der wir ausgeritten, dem ersten Trompeter, den ich fand, das Regimentssignal zu blasen befahl. Die Trompete war durchschossen, und es kam ein Ton heraus, der mir durch Mark und Bein ging."
— Ein Blutritt war es, ein Todesritt;
Wohl wichen sie unseren Hieben,
Doch von zwei Regimentern, was ritt und was stritt,
Unser zweiter Mann ist geblieben.
Die Brust durchschossen, die Stirn zerklafft,
So lagen sie bleich auf dem Rasen,
In der Kraft, in der Jugend dahingerafft. —
Endlich verbreitete sich die Kunde: Prinz Friedrich Karl ist angekommen! Neuer Mut belebte die Ringenden; denn nun konnte Hilfe nicht mehr fern sein. Um x/24 Uhr nachmittags griff bad 10. Armeekorps (Hannoveraner) den Feind von der linken Seite an. Hinter Mars la Tour hatten die Franzosen die Anhöhe besetzt und empsingen das andringende Korps mit verheerendem Feuer, jo daß es den Rückzug antreten mußte. Da stürmten die ihnen beigegebenen Gardedragoner aus den Feind, und obwohl im Augenblick ganze Reihen der kühnen Reiter mit ihrem Blute den Boden färben, sie bringen den Feind zum Stehen. Noch um 7 Uhr abends erhebt sich ein großartiges Kavalleriegefecht. In schrecklichem Handgemenge wüten 6000 Reiter gegen einander, klingend schlagen die Säbel zusammen, Pistolen und Karabiner krachen, die Lanzen der Ulanen bohren sich in die Leiber der Feinde, Staub und Pulverdampf umhüllen das entsetzliche Gewühl, bis endlich die Unsrigen als Sieger hervorgehen.
Bazaine mußte sich aus Metz zurückziehen. Zwölf volle Stunden hatte der Kamps gedauert, und entsetzlich war das Blutbad gewesen; 35 000 tapfere Männer lagen verwundet oder mit gebrochenen Augen auf der Wahlstatt.
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Extrahierte Personennamen: Heister Friedrich_Karl Friedrich Karl
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
— 147 —
Ein Fuß-Artillerie-Regiment besteht aus 2 Bataillonen, jedes zu 4 Kompagnieen. — Besondere Abzeichen lassen den Rang der Soldaten erkennen. Wir unterscheiden gemeine Soldaten, Gefreite, Unteroffiziere, Sergeant, Feldwebel (Wachtmeister), Leutnant, Oberleutnant, Hauptmann (Rittmeister), Major, Oberstleutnant, Oberst, Generalmajor, Generalleutnant und General der Infanterie oder Kavallerie. Jeder Soldat schwört im Fahneneide seinem Landesherrn und dem Kaiser Treue und schuldet seinen Vorgesetzten unbedingten Gehorsam. Wer 12 Jahre freiwillig im Heere dient, bekommt über 1000 Mark Belohnung und ist civilversorguugsberechtigt d. h. er kann eine Anstellung als Beamter je nach seinen Kenntnissen beanspruchen.
Der Zollverein. Wer zu jener Zeit eine Reise dnrch das Gebiet des dentschen Bundes machte, mußte an den Grenzen jedes einzelnen Ländchens sein Gepäck vorzeigen, ob er Sachen bei sich führte, die zollpflichtig waren; jeder Staat des deutschen Bnndes bildete nämlich ein Zollgebiet für sich, und so oft der Reisende die Grenze eines Bundesstaates überschritt, hatte er seine Waren zu verzollen. Dieses wiederholte Vorzeigen und Verpacken verursachte nicht nur Unkosten, sondern auch überflüssigen Aufenthalt. Dazu hatte jedes Ländchen eigene Münzen, Maße und Gewichte, so daß der Handel ungemein erschwert war. Friedrich Wilhelm Iii. einigte sich nun mit den meisten deutschen Staaten, daß diese Zölle fortfielen. Die Staaten, welche dieser Vereinigung beitraten, bildeten den preußisch-deutscheu Zollverein?) Alle einheimischen Erzeugnisse,, mit Ausnahme von Bier und Branntwein, welche eine sogenannte Übergangsabgabe hatten, gingen jetzt zollfrei durch das ganze Gebiet des Vereins. Nur fremde Waren mußten an der deutschen Grenze versteuert werden; die Zolleinnahmen flössen in eine gemeinsame Kasse und wurden von dieser aus an die einzelnen Staaten in gerechter Weise verteilt. Handel und Verkehr erhielten durch diese Einrichtung ganz bedeutenden Aufschwung. Die Zollstationen an den Grenzen der deutschen Staaten verschwanden, die Plackereien der Zollbeamten hatten ein Ende. Auch die Verschiedenheit der Münzen, Maße und Gewichte wurde wenigstens teilweise beseitigt und ein gemeinsames Zollgewicht geschaffen.
Dieser Zollverein hatte ferner eine wichtige staatliche Bedeutung, weil er ein Band der Einigung um die deutschen Staaten schloß. Es gelang, dieselben immer fester an die Großmacht Preußen zu fetten, und der Gedanke der Einigung unter Preußens Führung war näher gerückt. Wenn schon die wirtschaftliche Einigung so große Vorteile bietet — so mußte jeder denken —, dann wird die staatliche Einigung noch größeren Segen stiften.
Sorge für das Schulwesen. Dem frommen Sinne des edlen Monarchen lag das Wohl der Schule, die wahre Gottesfurcht in das Gemüt der Jugend senken soll, sehr am Herzen. Friedrich Wilhelm Ii! . hat dem preußischen Schulwesen die jetzige Einrichtung gegeben. Als höchste Schulbehörde errichtete er im Jahre 1817 in Berlin das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten; es hatte also auch die Kirchensachen und die
!) Der Zollverein umfaßte im Jahre 1842 ein Gebiet von 8245 Quadratmeilen mit 28,5 Millionen Einwohnern. Nur Hannover, Oldenburg, Brann-schweig, Mecklenburg und die Hansastädte traten dem Verein nicht bei.
10*
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Oldenburg Mecklenburg
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Geschlecht (WdK): Mädchen
— 87 —
Stunde vom Schlachtfelde entfernt waren. Wir vernahmen ganz deutlich das Kleingewehrfeuer und sahen das Aufblitzen der einzelnen Schüsse. Unsere Wagen wurden auf ein Feld gefahren und wir mußten dort eine feuchte, kalte Nacht zubringen.
Als der Tag zu grauen begann, brachen wir nach dem Schlacht-felde aus, konnten aber erst um Mittag St. Privat erreichen. Es stand noch in hellen Flammen; fast alles, auch die Kirche war ausgebrannt. Nach langem Hin- und Herirren fand ich eine große Scheune und mehrere daranstoßende Gebäude, in welche man die Verwundeten unterbringen kouute. Die Scheunen waren voll Geröll; ich hielt jeden Soldaten, der noch gesunde Glieder hatte, an, beim Ausräumen mit behilflich zu seilt, und ich habe keinen vergebens um Beistand gebeten. Auch das gegenüberliegende Pfarrhaus richteten wir zum Lazarett ein. — Wir hatten nicht wenig mitgebracht und doch war es so gut wie nichts dem gegenüber was wir brauchten. Außer Verbandzeug, Medikameuteu und den nötigsten Erquickungen enthielten unsere Kisten zum Glück Olivenöl, Laternen und kleine Lichtchen; hätten wir diese nicht gehabt, so hätten wir mit Tausenden von Verwundeten die Nacht im Finstern zubringen müssen. — Es war Mangel am Nötigsten; wir hatten kein Wasser und kein Brot. Um nur etwas Fleischextrakt oder Thee zubereiten zu können, mußten wir jedes Tröpfchen Wasser, das sich in den Systemen zusammengezogen hatte, benutzen; stundenweit im Umkreis war kein Wasser zu finden. Die Zahl der Verwundeten war unübersehbar. Eine grausenhafte Nacht! Brennende Häuser, tote Menschen und Pferde, wo man ging und stand; fortwährendes Ab- und Durchmarschieren der Truppen; dazu das Jammern der Verwundeten. Die Stunden der Nacht brachten die Bilder des Tages mit doppelt grellen Farben wieder vor die Seele. — — Ich dankte Gott als die Nacht vorüber war.
Am andern Morgen ging jede von uns mit mehr Mut daran, Hilfe zu bringen. Es kamen auch Wagenkolonnen, um die transportablen Verwundeten abzuholen. Offiziere und Soldaten kamen uns entgegen; selbst erschöpft, waren sie doch immer zur Hilfe bereit. Eine Kammer mit Mehl wurde entdeckt, Sauerteig herbeigeschafft, und nun wurde geschlachtet, gebacken, gekocht und unsere Thätigkeit bald geregelt wie eine Maschine; alles griff ineinander und wirkte Hand in Hand: Ich fühlte wieder Boden unter den Füßen; es war, als wenn Gottes Segen auf allem ruhte, was wir begannen."
Kaum hatte die thätige Samariterin in St. Privat die größten Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt, als sie schon wieder nach dem kaum drei Viertelstunden entfernten St. Marie berufen wurde, um dieselbe Riesenarbeit hier von neuem zu beginnen. Auch hier gab es fein Wasser, Eis noch viel weniger, und die Hitze war groß. Dazu überstieg der Krankenbestand an diesem kleinen Orte anfänglich 6000 Mann.
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233
entgegen und starb den Heldentod frs Vaterland. Wenige Tage spter, am 14. Oktober, erlitten die schlecht verpflegten und schlecht gefhrten Preußen bei Jena und Auerstdt eine gewaltige Nieder-lge. Ohne Widerstand ergab sich die Festung Erfurt. Die preuische Reservearmee, welche die Saalebergnge bei Merseburg und Halle sichern sollte, wurde von den unerwartet schnell vordringenden Franzosen zurckgeworfen. An Stelle der Siegeszuversicht trat nun die trostloseste Verzweiflung, besonders als Napoleon die Fliehenden unablssig ver-folgen lie. Die zersprengten Heerhaufen ergaben sich einer nach dem andern. Doch unvergessen sei der ruhmvolle Untergang des tapferen Regiments von Treskow bei der Halle-Crllwitzer Papierfabrik. Noch heute werden seine Fahnenjunker, welche todesmutig ihre Fahnen zu retten suchten, in Bild und Lied verherrlicht. Am 20. Oktober Verfgte Napoleon die Aufhebung der Universitt Halle, um der wieder arg ausgeplnderten Stadt und dem ganzen Staate einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Sie war ihm als der Sitz der Unruhe" grndlich zuwider.
Schon am 27. Oktober zog Napoleon in Berlin ein. Die Viktoria vom Brandenburgertor lie er nach Paris senden, vom Grabe Friedrichs des Groen nahm er Hut und Degen und gab so das Signal zur Plnderung.
Den alten preuischen Generalen und Beamten war es, als ginge die Welt unter. Sie verloren gnzlich den Kopf, und so ber-lieferten die meisten Festungskommandanten ihre Festungen ohne Kampf. Am schmachvollsten war die bergabe der starken, wiederholt so ruhmvoll verteidigten Festung Magdeburg mit einer Besatzung von 23 000 Mann. Ohne Schwertstreich ffneten sich die Tore dem mit 7000 Franzosen ankommenden Marschall Ney. Dieser sowie die nach-rckenden Feinde erpreten ungeheure Summen von der arg geplagten Brgerschaft. Schon am 28. Oktober besetzten die Franzosen Stendal und legten der Altmark 1 Million Franks Kriegssteuer auf. Uber nicht berall waren preuischer Mut und preuische Besonnenst abhanden gekommen. Der General Blcher hatte gezeigt, da er den alten Preuenmut nicht sinken lie. Bis nach Lbeck verfolgen 19n die Feinde mit groer bermacht. Dort setzte er sich fest und ergab sich erst, als ihm die Lebensmittel vollstndig ausgegangen waren und seine Soldaten weder Pulver noch Blei mehr hatten. Mehrere Festungen (so Danzig und Breslau) hielten eine lngere Be-agerung aus; andere (Grandenz, Kolberg Pillau) ergaben sich berhaupt nicht.
d) Friede zu Tilsit (9. Juli 1807). Die knigliche toat bor den nachrckenden Franzosen nach Knigsberg gefluchtet Mit Ausnahme von Ostpreuen und vereinzelten Festungen war bald das ganze Land von den Franzosen besetzt. Von den ver-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Treskow Napoleon Napoleon Friedrichs Marschall_Ney Blcher
Extrahierte Ortsnamen: Jena Merseburg Berlin Viktoria Paris Magdeburg Danzig Breslau Kolberg_Pillau Tilsit Knigsberg
124
ihr Gesang zum Himmel empor: „Ein' feste Burg ist unser Gott." Der
Kampf beginnt. An der Spitze der Pforzheimer steht ihr Bürgermeister
Deimling. Ein Musketenschuß zerschmettert ihm das rechte Bein; erknicet
aus das linke und schwingt die Fahne hoch empor. Eine Traubcnkugel
zerreißt ihm den rechten Arm, er nimmt die Fahne in die linke Hand. Noch
einmal hebt er sie empor und sinkt, von einer Kugel durchbohrt, zu Boden.
Ein Jüngling ergreift die Fahne. Furchtbar wüthet der Tod; Leichen
thürmen sich aus Leichen. Immer mehr schmilzt die Heldenschar zusam-
men ; aber ihre Fahne halt sie allezeit hoch. Siehe, noch einmal flattert
sie, noch einmal blitzt ihre goldne Inschrift: „Ein' feste Burg ist unser
Gott" über das Feld des Todes; da saust ein Schwert durch die Luft, die
Fahne sinkt: der letzte der Vierhundert ist gefallen.
So viel aus der Lebensgeschichte dieser köstlichsten Perle unter allen
evangelischen Liedern. Zum Schlüsse sei noch des alten Reimleins gedacht:
Ein' feste Burg ist unser Gott,
Half vor Alters, hilft noch aus Noth.
185. Das Feuer im Walde.
und knackten jede schöne Nusz
noch einmal in Gedanken auf. —
Da rauscht das dürre Laub empor,
und sieh’, ein alter Kriegesknecht
wankt durch den Eichenwald daher,
sagt: „Guten Abend!“ wärmet sich
und setzt sich auf den Weidenstumpf.
„Wer bist du, guter alter Mann?“
„Ich bin ein preuszischer Soldat,
der in der Schlacht bei Kunersdorf
das Bein verlor und, leider Gott’s !
vor fremden Thüren betteln musz.
Da ging es scharf, mein liebes Kind!
Da sauseten die Kugeln uns
wie Donnerwetter um den Kopf!
Dort flog ein Arm und dort ein Bein!
Wir patschelten durch lauter Blut
im Pulverdampf. „Steht, Kinder,
steht!
verlaszet euren König nicht!“
rief Vater Kleist; da sank er hin.
Ich und zwei Bursche trugen flugs
ihn zu dem Feldscher aus der
Schlacht.
Laut donnerte die Batterie;
mit einmal flog mein linkes Bein
Zwei Knaben liefen durch den Hain
und lasen Eichenreiser auf
und thürmten sich ein Hirtenfeu’r,
indes die Pferd’ im fetten Gras
am Wiesenbache weideten.
Sie freuten sich der schönen Glut,
die wie ein helles Osterfeu’r
gen Himmel flog, und setzten sich
auf einen alten Weidenstumpf.
Sie schwatzten dies und schwatzten
das,
vom Feuermann und Ohnekopf,
vom Amtmann, der im Dorfe spukt
und mit der Feuerkette klirrt,
weil er nach Ansehn sprach und Geld,
wie’s liebe Vieh die Bauern schund
und niemals in die Kirche kam.
Sie schwatzten dies und schwatzten
das,
vom sel’gen Pfarrer Habermann,
der noch den Nuszbaum pflanzen that,
von dem sie manche schöne Nusz
herabgeworfen, als sie noch
zur Pfarre gingen, manche Nusz !
Sie segneten den guten Mann
in seiner kühlen Gruft dafür
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273
*
schrecken zeigten. Das wollte der König nicht glauben, und nun schickte
der Landrath zum Beweis eine große Schachtel mit lebendigen Heu-
schrecken, die beim Oeffnen des Deckels lustig im Zimmer des Königs um-
herflogen. Friedrich ließ den Vorfall unbestraft, der Domänenkammer aber
schrieb er, man solle nicht naseweise junge Leute zu Landräthen machen,
sondern gesetzte Männer, die wüßten, was sich schicke und wie sie ihrem
König begegnen müßten. — Alten, verdienstvollen Generalen hielt er schon
was zu Gute. Dem General Seydlitz, welchem er vorzüglich den Sieg
bei Roßbach verdankte, sagte er einst bei einer Truppenschau: „Mein lieber
Seydlitz, ich dächte, sein Regiment ritte schlechter, als meine übrige Kaval-
lerie."— „Ew.majestät", erwiderte Seydlitz, „das Regiment reitet heute
noch wie bei Roßbach." Seitdem vermied es der König, Bemerkungen zu
machen, die den wackeren General kränken konnten. — Als der greise Zie-
then einmal an der königlichen Tafel einschlief, sagte Friedrich: „Laßt den
Alten ruhig schlafen, er hat ja oft genug für uns gewacht."
Geistesgegenwart und Muth besaß Friedrich, wie wenige Menschen.
In der Schlacht bei Eolliu führte er selbst mit dem Degen in der Hand
eine Kompagnie gegen eine österreichische Batterie. Die Leute flohen, als
sie in den Bereich der feindlichen Kugeln kamen; Friedrich aber achtete nicht
darauf und ritt immer weiter, bis einer seiner Adjutanten ihm zurief:
„Wollen denn Ew. Majestät die Batterie allein erobern?" Jetzt erst
erkannte Friedrich seine mißliche Lage, hielt sein Pferd an, betrachtete die
Batterie durch ein Fernglas und kehrte dann langsam wieder zu den Sei-
nigen zurück. — Am Abend des Schlachttages von Leuthen ritt er mit
wenigen Begleitern nach dem Schlosse zu Lissa, wo er wider Erwarten eine
große Anzahl österreichischer Offiziere findet. Seine Freiheit steht auf
dem Spiel; die Feinde hätten ihn unmittelbar nach seinem schönsten Siege
zum Gefangenen machen können. Aber der König schreitet mit der ruhig-
sten Miene von der Welt mitten durch sie hin und ruft ihnen zu: „Guten
Abend, meine Herren! Sie haben mich hier wohl nicht vermuthet? Kann
man denn auch noch unterkommen?" Da bücken sich die Offiziere, durch
seinen zuversichtlichen Ton irre gemacht, tief vor ihm und leuchten ihm
demüthig in sein Zimmer. Bald darauf erschien eine Abtheilung preußi-
scher Husaren und nahm die Oesterreicher alle gefangen. — Dieselbe Uner-
schrockenheit, welche Friedrich in allen Gefahren bewies, verlangte er aber
auch von seinen Offizieren. Einem seiner Pagen wurde bei der Belagerung
einer Festung das Pferd unter dem Leibe erschossen, und er selbst erhielt
eine bedeutende Quetschung. Mit schmerzlichen Geberden eilte er davon;
aber der König rief ihm zu: „Wo will Er hin? Will Er wohl den Sattel
mitnehmen?" Der Page mußte umkehren und den Sattel abschnallen und
durfte sich an die Kugeln nicht kehren, die ihn und den König umsausten.
Bis an sein Ende erfüllte Friedrich mit der größten Sorgfalt und
Treue alle Pflichten des königlichen Berufes. Auch als schon hohes Alter
seinen Körper krümmte, ließ er in seiner Thätigkeit nicht nach. Wie einen
Vater verehrten und liebten seine Unterthanen den „alten Fritz". Wenn
Vaterländisches Lesebuch. 18
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Muth Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Lissa Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
horchen mußte, ob die Flamme nicht schon im Dachgiebel knisterte. Eben
hatte ich mein Morgenlauten besorgt, guckte zum Schallloche hinaus, um
zu schauen, was uns an dem schrecklichen Tage wohl wieder bevorstehen
könne, und zog, zum Himmel blickend und Gott dankend, mein Mützchen
vom Kopfe, da mir alles ganz ruhig schien. Ehe ich es jedoch wieder auf-
gesetzt hatte, jagte ein alter schwarzer Husar zum Kirchhofe herein, warf sich
vom Pferde und band seinen Braunen an meinen Fensterladen. Wie mir
zu Muthe ward, kann man sich leicht vorstellen. Ich flog mehr, als ich
ging, die Thurmtreppe hinunter. Er aber ließ mir nicht einmal Zeit,
meinen „guten Morgen !" anzubringen, sondern rief mir im barschen Tone
zu: „Geb' er mir den Kirchenschlüssel, Schulmeister!" Ich erschrak;
denn obgleich das Bischen Kirchenvermögcn und der vergoldete Kelch mit
der Hostienschachtel in Sicherheit gebracht waren, so befand sich doch noch
eine ziemlich reiche Altarbckleidnng mit Tressen in der Kirche. Ich legte
mich ans Bitten und Vorstellungen; allein der alte Kriegsmann wollte
davon nichts wissen. Er sah mit einer so ganz eigenen Manier bald auf
mich, bald auf seinen Säbelgriff, daß ich, um Unglück zu verhüten, voran-
ging, um die Kirchthür zu öffnen. Meine Frau, die hinter der Hausthür
gehorcht hatte, und die vor der Gefahr immer verzagter, in der Gefahr aber
immer entschlossener war, als ich, kam ans Besorgniß um mich aus freien
Stücken hinter uns her.
Der Husar drängte sich in der Halle hastig voran, ging, ohne sich
umzusehen, an der Sakristei und dem Altar vorüber und schritt, so schnell
cs sein Alter erlaubte, klirr! klirr! die Chortreppe hinauf. Hier setzte er
sich, Athem schöpfend, auf eine Bank und ries mir gebieterisch zu : „Schul-
meister, mach' er die Orgel auf und geb' er mir ein Gesangbuch !" — Ich
that augenblicklich, was er verlangte; meine Frau mußte die Balge ziehen,
der Husar hatte ein Lied aufgeschlagen lind sagte nun in einem weit mildern
Tone: „Wie schön leuchtet der Morgenstern ! Spiel' er das, lieber Schul-
meister ; aber so recht fein und ordentlich, er versteht mich wohl!" —
Ich spielte mit Herzenslust, und nach geendetem Vorspiel fiel der Husar
mit seiner tiefen Baßstimme ein; meine Frau hinter der Orgel und ich
thaten ein Gleiches. Mein Herz wurde so muthig, daß ich mich oft nach
meinem Zuhörer umschaute und ihm ganz dreist in das Gesicht sah. Er
sang mit großer Andacht, hatte die Hände gefaltet, und die hellen Thränen
fielen über den eisgrauen Knebelbart auf das Buch hinab. Jetzt war das
Lied beendet; ich ging auf ihn zu; er schüttelte mir recht treuherzig die
Hand und sprach: „Großen Dank, Herr Kantor! Wo ist der Gotteskasten?"
Mein früherer Argwohn, daß es auf Plünderung abgesehen sei, war
nun gänzlich verschwunden. Ich holte unsere Armenbüchse, und der Husar
warf ein Achtgroschcnstück hinein. „Wir beide aber, wir theilen den Rest,
Herr Schulmeister", sagte er dann, indem er noch zwei Achtgroschcnstücke
aus der Tasche zog, „da nehm' er das eine für seine Mühe!" Ich schlug
es aus; aber er war so ungestüm, daß ich es schlechterdings nehmen mußte.
„Nehm' er, nehm' er," sprach er, „es klebt kein Blut daran!"
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19. Luther auf dem Reichstage zu Worms.
Nicht lange darnach hielt der Kaiser Karl V. einen Reichstag in der
Stadt Worms. Der war sehr groß und glänzend; beinahe alle deutschen
Fürsten waren auf demselben anwesend. In ihrer Mitte erschien ein Ab-
gesandter vom Pabste, der sprach: „Sehet ihr nicht, wie großes Unheil der
Mönch von Wittenberg durch seine Irrlehren anstiftet? Wohlan, laßt
seine Bücher verbrennen und übergebt den gebannten Ketzer den Handen des
Pabstes, auf daß er seine Strafe empfange!" Allein die Fürsten ant-
worteten: „Es ziemt sich in deutschen Landen nicht, daß jemand ungestört
verdammt werde." Und so dachte auch der Kaiser. Man beschloß daher,
den Doctor Luther nach Worms zu entbieten, daß er sich vor Kaiser und
Reich verantworte. Und Kaiser Karl schickte einen Herold mit einem Ge-
leitsbriefe nach Wittenberg, um ihn herüber zu holen.
Getrosten Muthes trat Luther die Reise in Gottes Namen an. „Es
ist nicht zu zweifeln, daß ich von Gott berufen werde", sprach er zu seinen
besorgten Freunden. Er fuhr in einem offenen Wagen, den ihm der Rath
von Wittenberg geschenkt hatte. In allen Orten, durch die er kam, lief
das Volk zusammen, den kühnen Mönch zu sehen, der gewagt hatte, cs mit
dem allgewaltigen Pabste aufzunehmen. Als er sich der Stadt Erfurt
näherte, kam ihm ein langer Zug Menschen zwei Meilen weit zu Pferde und
zu Fuß entgegen, und in der Stadt konnte der Wagen vor allem Gedränge
kaum aus der Stelle. In Eisenach wurde er krank; doch noch ehe er sich
ganz erholt hatte, reiste er weiter. „Herr Doctor, ziehet nicht fort," riefen
ihm die Leute zu ; „man wird euch in Worms gewiß flugs zu Pulver bren-
nen." Aber er antwortete herzhaft: „Wenn sie gleich ein Feuer machten
zwischen Wittenberg und Worms bis an den Himmel hinan, so will ich doch,
weil ich gefordert bin, im Namen des Herrn erscheinen, Christum bekennen
und denselben walten lassen." Als er endlich nahe bei Worms war, kam
ihm ein Bote von einem Freunde entgegen, der ihn warnte: „Gehe nicht
in die Stadt; dort stehet es sehr übel." Luther aber sprach : „Und sollten
zu Worms soviel Teufel sein, als Ziegel auf den Dächern, doch wollt' ich
hinein." Unter gewaltigem Zulaufe des Volkes zog er dann in die Stadt;
eine Menge von Reitern, die ihn eingeholt hatten, begleiteten seinen Wagen,
und mehr denn 2000 Menschen drängten ihm nach bis in die Herberge.
Dort wurde er von vielen Grafen, Rittern und Herren bis spät in die
Nacht besucht und angesprochen. Es kam auch der junge Landgrafphilipp
von Hessen zu ihm, gab ihm die Hand und sagte: „Habt ihr Recht, Herr
Doctor, so helfe euch Gott!"
Am folgenden Tage, 17. April 1521, ward er vor die Reichsver-
sammlung beschieden. Als er durch den Vorhof kam, wo mehrere Ritter
standen, klopfte ihm ein alter berühmter Kriegsheld treuherzig auf die
Schulter und sprach: „Mönchlein, Mönchlein, du gehest jetzt einen Gang,
dergleichen ich und mancher Oberster auch in der allerschwersten Schlacht
nicht gethan haben. Bist du auf rechter Meinung und deiner Sache gewiß,
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Karl Karl Gott