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Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
Geschlecht (WdK): Mädchen
418
Dieser Aufruf sprach nur aus. was alle mehr oder weniger
gefühlt hatten. Sogleich gab das weibliche Geschlecht alles her.
worauf es sonst hohen Wert legt: jede Art von Schmuck, jedes
Kleinod, jedes Ersparte. Witwen gaben einen Teil ihrer dürftigen
Pension her. die Ärmste doch noch irgend etwas, die meisten ihre
Arbeitskräfte. Auch die dienende Klasse blieb nicht zurück.
Ein glänzendes Beispiel gab in der Nähe von Breslau ein
junges Mädchen. Ferdinande von Schmettau. Der Vater. Oberst
außer Dienst, lebte mit 11 Kindern von 600 Taler Pension in
Bergel nahe bei Ohlau in bedrängten Umständen. Als nun die
öffentliche Aufforderung kam, opferte der Vater seine aufbewahrte
Staatsschabracke. Mutter und Schwester gaben ihre Ringe und
kleinen Schmucksachen. Ferdinande, damals 16 Jahr alt. hatte
gar nichts zu geben und war darüber untröstlich. Sie sann nach.
was sie darbringen könnte. Sie war im Besitze eines reichen,
schönen Haares, das man ihr oft hatte abkaufen wollen: sie opferte
es, um das gelöste Geld den Freiwilligen zukommen zu lassen.
Ihr edler Zweck wurde vollkommen erreicht: denn diese schöne
Tat blieb nicht verschwiegen. Es erstand jemand das verkaufte
Haar und ließ daraus allerlei Zierat, Ringe. Ketten usw. an-
fertigen. nach denen der Begehr so groß war. daß durch den Ver-
kauf derselben vier Freiwillige eingekleidet und überhaupt nicht
weniger als 1200 Taler gelöst wurden.
Goldene Trauringe wurden aus allen Gegenden des Landes
zu mehreren Tausenden dargebracht. Es war die Veranstaltung
getroffen, daß man dafür eiserne Ringe mit dem Bilde der
Königin Luise und der Inschrift: „Gold gab ich für Eisen" zurück-
erhielt. Frauen und Mädchen aus allen Ständen, selbst aus den
höchsten, nähten Kleidungsstücke, wie Mäntel. Hosen und Hemden,
zupften Wundfäden und strickten mit Emsigkeit für die Frei-
willigen. und nicht wenige waren es. die. nicht imstande wie andre.
Geld und Kleinodien darzubringen, auf solche Weise dem Vater-
lande den innigsten Tribut zollten. Das weibliche Geschlecht war
von einem Feuer für die Sache des Vaterlandes entbrannt, dem
an Glanz und Gut kaum etwas gleichkommt, was irgend die Ge-
schichte berichtet.
Selbst das schwerste Opfer, das der Kampf für das Vaterland
fordern kann, brachte man in jenen großen Tagen leichter als zu
andrer Zeit. Deutsche Frauen fühlten und dachten damals wie
jene heldenmütigen Mütter des Altertums, welche die Nachricht
von einer verlorenen Schlacht schmerzlicher traf als der Tod
ihrer Söhne. Als ein Lützower Jäger im Sommer 1813 von
Berlin nach Perleberg kam, fand er in dem Orte Kletzke die
Wirtin in Trauer. Sie machte sich schweigend um den East zu
tun und sagte endlich, mit der Hand nach der Erde weisend: „Ich
habe auch einen dort unten: aber die Peters hat zwei." Sie
fühlte das bessere Recht der Nachbarin.
Nach Heinrich Beihke und Gustav Freytag.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Beihke Heinrich Gustav_Freytag Gustav
Extrahierte Ortsnamen: Breslau Bergel Ohlau Berlin Perleberg
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Geschlecht (WdK): Mädchen
419
238. Preußens Frauen.
1. Frau'n Preußens, nehmt für eure Opfergaben
das Opfer an des Lieds, das ich euch bringe;
ihr. die ihr gabt vom Finger eure Ringe,
sowie ihr gabt vom Busen eure Knaben
2. dem Vaterland! Zn Erzschrift sei gegraben
eu'r Preis, daß ihn kein Mund der Zeit bezwinge!
Des Ruhms, den eurer Männer blut'ge Klinge
erfechten wird, sollt ihr die Hälfte haben.
3. Denn wenn sie selbst im Sturm des Feindes Wunden
erbeuteten, so habt ihr mit dem Kleide
von euren Schultern ihnen sie verbunden.
4. Und wenn der Freiheit Tempel aus dem Leide
nun steigt durch sie. so soll's die Welt erkunden,
daß, ihn zu schmücken, ihr gabt eu'r Geschmeide.
Friedrich Rückcrt.
239. Annette von Droste-Äülshoff.
Ihr Leben. Annette Elisabeth Freiin von Droste-Hiilshoff.
dem altwestfälischen katholischen Geschlechte von Droste entstam-
mend. wurde am 10. Januar 1797 auf dem väterlichen Rittergute
Hülshoff bei Münster geboren. Von breiten Gräben um-
schützt. liegt das Schloß ihrer Väter, eine stattliche Burg mit
grauen Türmen, zwischen Weiher und Wald inmitten eines aus-
gedehnten, seit fünfthalb Jahrhunderten der Familie gehörigen
Besitzes. In diesem stillen Erdenwinkel verlebte Annette ihre
erste Jugend, von der Mutter und einem Hauslehrer unterrichtet;
des Mädchens Spielgenossen waren und blieben fast nur die Ge-
schwister, eine zwei Jahre ältere Schwester und zwei jüngere
Brüder. Früh schon zeigte sich in dem Kinde eine eigenartige
seelische Mitgabe: lebendig zu empfinden und durch Gebärden
und Worte auszumalen, was es empfand. Als sechsjähriges
Mädchen schrieb sie schon die Schiefertafel voll Reime, und im
Alter von 14 Jahren verfaßte sie zum Geburtsfeste ihrer Mutter
ein längeres Gedicht. An dem Unterricht ihrer Brüder nahm sie
eifrig teil; ihr besondres Interesse erregten Mathematik. Natur-
kunde, Geschichte und Sprachen. Zeichnen und Musik. So wuchs
sie im wohlbewahrten Frieden des Hauses und der Landesart. im
kirchlichen Glauben und in einfach strenger Sitte auf. Noch in
„ihrer grünsten Jugendzeit", d. h. an der Grenze der Zwanzig,
entstand ihr erstes größeres Gedicht, ein Heldenepos. Zu ihrer
Lebensschulung gehörte ein kurzer Liebestraum, die Neigung zu
einem jungen Arzte, der sie nicht folgen durfte.
Im Jahre 1826 starb ihr Vater, an dem sie mit ganzer Seele
27*
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Rückcrt Friedrich Annette_von_Droste-Äülshoff Annette_Elisabeth_Freiin_von_Droste-Hiilshoff Droste Hülshoff Annette
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429
umhüllt vom ew'gen Todesflor: —
wie manche Lippe wär' verschmachtet,
wenn nicht das Kreuz auf weißem Grund
gelabt den fast erstarrten Mund:
3. wenn nicht den blut'gen Strom der Wunden
gestillt die Samariterhand.
wenn nicht ein heilender Verband
Balsam gebracht den Folterstunden,
und in der dunklen Schmerzensnacht
nicht Liebe hielt die treue Wacht.
4. Still blüht ihr segensreiches Walten,
wo rings der Krieg Verderben sät:
wo Kraft und Jugend kalt er mäht.
strebt sie, das Leben zu erhalten,
und hoch und niedrig, arm und reich,
ihr sind im Elend alle gleich.
5. Als Nächsten hilft sie allen, allen,
ob Feind, ob Jude oder Christ.
sie rettet, wo zu retten ist:
mag sie im Ordensschleier wallen —
trägt sie das Johanniterband —
Gott hat für alle sie gesandt.
6. Unscheinbar fast sind ihre Werke,
kein Lorbeerkranz wird einst ihr Lohn.
doch glänzt die Tat vor Gottes Thron
mit ihrer Opfer Heldenstärke.
und bei des Wiedersehens Glück
lohnt ihr der Dank im feuchten Blick.
7. Sieht dann der Gattin Aug' sie glänzen,
weil ihr noch schlägt des Gatten Herz.
hat sie gestillt der Eltern Schmerz: —
da tauscht sie nicht mit Lorbeerkränzen
und nimmt beim deutschen Siegesglanz
voll innern Glücks den Palmenkranz. Marie ohermq.
243. Das Wirken der Frauen im Kriege 1870 71.
i.
Als im Jahre 1870 der von dem Machthaber Frankreichs
mutwillig heraufbeschworene Krieg ganz Deutschland unter die
Waffen rief, wurde der freiwilligen Krankenpflege der Frauen
eine so hohe Bedeutung beigelegt, daß der Kaiser alsbald eine Art
Ministerium dafür bestellte, während die Kaiserin Augusta das
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Extrahierte Personennamen: Augusta
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Frankreichs Deutschland
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Geschlecht (WdK): Mädchen
243
3. Verdreifacht hält der Liebe Posten
vor ihrem Stübchen seine Wacht.
und keine Mühe. keine Kosten
erschüttern seine Heldenmacht.
4. Und weiter atmet, lebt die Kranke,
nun ist sie dreizehn Jahre schon.
doch immer bleibt dieselbe Schranke,
versagt ist ihr der Menschenton.
5. Der Mutter heißeste der Bitten,
der Wünsche heißester ist nur.
bevor ihr Liebling ausgelitten.
eh' abgelaufen ihre Uhr:
6. Daß sie ein einzig Mal nur sage,
ein einzig Mal das eine Wort
„Mutter!" — und wegfegt alle Klage,
und alle Trübsal ist verdorrt.
7. Das Mädchen starb. Mit reinem Herzen
sank oben sie an Gottes Brust,
die Mutter blieb im Land der Schmerzen
und gab sich schwer in den Verlust.
8. Dann starb auch sie nach vielen Jahren,
nach Plag' und Arbeit, wie's so geht:
wir alle müssen's ja erfahren,
wie scharf der Wind auf Erden weht.
9. Als sie nun schritt auf Himmelswegen,
bei Gottes Thron am heil'gen Ort.
trat ihr das Töchterlein entgegen,
und — „Mutter!" jauchzt ihr erstes Wort.
Detlev von L liencron.
138. Schule und Elternhaus.
Es gibt kaum eine menschliche Einrichtung, die so sehr das
Leben in der Familie beeinflußt wie die Schule. Ob wir selbst
Kinder zur Schule schicken, oder ob wir keine Nachkommen haben,
das Interesse für diese Institution ist doch in einem Kulturstaate
bei jedem Menschen in hohem Maße vorhanden.
Aber eben weil der zukünftige Mensch ein Produkt der beiden
Haupterziehungsfaktoren — Schule und Haus — ist, ist es not-
wendig, daß sich diese beiden Erzieher bei ihrer Tätigkeit in voller
Übereinstimmung befinden. Leider ist das aber sehr oft nicht der
Fall. Oft ist das Verhältnis zwischen Schule und Haus recht ge-
16'
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Geschlecht (WdK): Mädchen
420
gehangen hatte, bald darauf der jüngste und geliebteste Bruder.
Die zwiefache Erschütterung warf Annette auf ein schweres
Krankenlager, und es entwickelte sich in der Folge ein Herzübel.
das fte zeitlebens nicht wieder verlassen hat. Nach dem Tode ihres
Vaters lebte sie auf dem Gute R ü s ch h a u s bei Münster, dem
schlichten, noch einsamern Witwensitze der Mutter. Hier führte
sie zwischen Heideblumen und Hecken ein zurückgezogenes und
häusliches Leben; ihre Hauptbeschäftigung war die Poesie und die
Wissenschaft. Die angenehmste Erholung fand sie im Umgänge
mit der Natur, für deren Schönheiten sie einen tiefempfänglichen
Sinn hatte. Sie durchstreifte gern allein die einsamen Heiden
und Moorgründe der Umgegend und versenkte sich in das Klein-
leben der Natur. Zeder Käfer und Schmetterling, jede Libelle
und Wasserspinne, jede Pflanze und jeder Stein erregte ihre Auf-
merksamkeit. An einen knorrigen Eichenstamm gelehnt, konnte sie
stundenlang sitzen auf ihrem ausgebreiteten Tuch und hinaus-
blicken in die weite, lautlose Heide; oder sie lagerte sich an ver-
steckten Waldplätzen neben stille, tiefe Teiche, bis die Abendnebel-
schleier die Wasserlilien vor dem Auge verdämmern ließen und
der Mond darüber heraufkam. Was sie da wachend geträumt,
brauchte sie nur niederzuschreiben, und es war ein Gedicht, schön
wie die Äolsharfe.
Als Annettes ältere Schwester sich verheiratete und mit
ihrem Manne südwärts an den Vodensee zog. wurde die Einsam-
keit von Rüschhaus noch größer. Die Mutter weilte oft monate-
lang bei ihrer verheirateten Tochter, und die Dichterin lebte dann
in größter Abgeschiedenheit wie eine Einsiedlerin in der Klause.
Von Münster kehrten wohl von Zeit zu Zeit Freunde bei ihr ein,
mit denen sie auch im lebhaften Briefwechsel stand.
Ihr altes Leiden, vor allem ein lästiger Husten, der an ihrem
schwächlichen Körper schon von Jugend auf nagte, zwang auch
Annette, das geliebte Rüschhaus zu verlassen und ein milderes
Klima aufzusuchen; sie zog mit ihrer Mutter an den V o d e n s e e
zu ihrem Schwager. Dort gab sie eine Sammlung ihrer Gedichte
heraus. Von dem Ertrage kaufte sie sich ein Landhaus. So wurde
ihr der Gedanke leichter, ihre geliebte Heimat auf immer verlassen
zu müssen. Aber es war ihr nicht beschieden, in der Schweiz
heimatlich festzuwurzeln. Vorübergehend besserte sich wohl ihre
Gesundheit, aber dann trat eine schlimme Wendung ein; die
Atemnot, die sie früher schon gequält, nahm aufs neue zu, und
am 24. Mai 1848 erlöste die Fünfzigjährige ein Herzschlag von
aller irdischen Qual.
Ihre dichterische Bedeutung. Annette von Droste-Hüls-
hoff ist die begabteste und originellste deutsche Dichterin: von
echter Weiblichkeit, zart und milde, anmutig und liebenswürdig
und doch durch die Tiefe und markige Kraft ihrer Gedanken und
eine staunenswerte Kühnheit der Sprache an den Mannesgeist
erinnernd.
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Zum 15. Juni 1888
Weh Deutschland dir, weh deinem Lserrscherthrone,
Ls traf dich heut' eiu neuer herber Schmerz.
Ls brach die zweite j)erle deiner Krone,
Dir starb das zweite große Heldenherz!
Auch ,,unser Fritz" ist seinem Volk genommen,
Nach schwerem Kampf ist er zur Nuh' gekommen*
G, bittres Schicksal! Lr, der alle Zeiten
Zn heißer Schlacht das Siegesbanner schwang,
Der unverwundbar schien im blut'gen Streiten,
Des Heldenarm stets jeden Feind bezwang,
Den Feind der Krankheit konnt' er nicht besiegen,
Der herrliche, er mußte unterliegen.
Als Kämpfer hat er voller Kraft gestritten,
Als Mensch erwarb er sich den höchsten Ruhm,
vergiß es nie, mein Volk, wie er gelitten,
Das war des Melden größtes Heldentum,
Lin leuchtend Beispiel gab er: ohne Klagen
Das schwerste Leid mit Seelengröße tragen.
Schlaf nun in Ruh', schlaf aus von deinen Schmerzen,
Du edler, teurer Hohenzollernheld!
Als Vorbild lebst du fort in deines Volkes Kerzen,
Als königlicher Dulder in der ganzen Welt.
Schlaf nur in Ruh'! Deutschland wird nicht verzagen,
Solange Hohenzollern seine Krone tragen.
Sb alter, Kaiser Friedrich Iii.
1
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich
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24
forcejagden, Truppenmanöver wechselten miteinander ab, was
aber den Prinzen nicht abhielt, die reichen Kunstschätze auch dieser
Stadt in Augenschein zu nehmen.
Die Kaiserin Eugenie sagte damals zu einem ihrer Ver-
trauten: „Der Prinz ist ein großer, schöner Mann, fast einen
Kopf größer als der Kaiser (Napoleon), schlank, blond, mit stroh-
farbenem Schnurrbart, ein echter Germane, von ritterlicher
Höflichkeit. Sein Begleiter, ein Graf Moltke, ist ein wortkarger
Herr, aber nichts weniger als ein Träumer, immer gespannt und
spannend; er überrascht durch die treffendsten Bemerkungen.
Es ist eine Achtung gebietende Rasse, diese Deutschen. Der
Kaiser sagt: Die Rasse hat eine Zukunft. Ach was, so weit
sind wir noch nicht!"
Nein, ganz so weit war's noch nicht! Aber doch waren die
Schwerter vielleicht schon geschmiedet zum Waffentanz von Wörth
und Weißenburg, von Sedan und Paris.
Unser Held sah die Kaiserin nach 1856 noch einmal
gelegentlich der Weltausstellung in Paris, dann bei der Eröffnung
des Suezkanals; als er aber 1870 nach Paris kam, war sie
bereits geflohen, und Napoleon saß wohlgeborgen im Schlosse
Wilhelmshöhe bei Kassel.
Für die nächsten Jahre mußten größere Reisen unterbleiben.
Es erfolgte die Vermählung des Prinzen Friedrich, dann die
Thronbesteigung seines Vaters und darauf der schleswig-hol-
steinsche und deutsch-österreichische Krieg. Nach 1866 aber, sobald
der Friede hergestellt war, erwachte die alte Wanderlust beim
Kronprinzen von neuem. Nach kleineren Reisen im Jnlande
begab er sich 1868 zunächst nach Italien, um dort der Ver-
mählung des Kronprinzen Humbert beizuwohnen. Sein Empfang
dort war ein so großartiger, wie bisher noch nirgend. Italien
verdankte Preußen die Erwerbung von Venedig im Jahre 1866;
beide waren Bundesgenossen gewesen, und der Kronprinz Friedrich
Wilhelm hatte sich in diesem Feldzuge einen ruhmreichen Namen
erworben. Seine Reise in Italien nach Turin und Florenz glich
deshalb einem Triumphzuge. Leider mußte er sehr schnell zurück-
kehren nach Berlin, da ihn dorthin wichtige Geschäfte riefen.
Der Sommer dieses Jahres aber brachte noch mancherlei Ab-
wechselungen, besonders die Reisen nach Worms zur Enthüllung
des Lutherdenkmals und nach Bonn zur Jubelfeier der Universität.
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Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Weißenburg Sedan Paris Paris Paris Kassel Italien Venedig Italien Turin Berlin Worms Bonn
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66
und seine drei Knaben, den hohen Herrn erkennend, militärische
Ehrenbezeugungen machten. Freundlich dankend trat der Kron-
prinz an den stramm stehenden Invaliden mit den Worten heran:
„Sie waren Soldat, ich sehe es, haben Sie noch mehr solche
Jungen?" „Nein, Kaiserliche Hoheit, bin Invalide und infolge
der Strapazen beim Feldpostdienst 1870 und 71 Jahre lang
bettlägerig gewesen. Meine Knochen sind morsch, und das häus-
liche Elend raubt mir den Mut!" Fest dem so Klagenden in die
Augen sehend, fragte der Kronprinz weiter: „Wo verwundet?"
„Gefecht bei Soor, am 28. Juni 1866, Schuß durch die Schulter,
linker Arm gelähmt!" „Reichen Sie mir Ihre Hand, bedaure
Ihr Schicksal, schreiben Sie sofort an mich, legen Sie Ihre
Papiere bei und schreiben Sie auf den Briefumschlag: Soor."
Sprachlos stand der Invalide vor dem hohen Herrn, der ihm
herzlich die Hand schüttelte und sich dann entfernte. Nach einigen
Tagen ging das geforderte Gesuch ab, und nach Verlauf von
weiteren fünf Tagen befand sich der Absender im Besitze einer
bedeutenden Geldsumme mit dem erfreuenden Bescheide, daß
dem M. in kürzester Zeit eine seinem körperlichen Zustande ent-
sprechende Stellung nachgewiesen werden solle. Große Freude
herrschte natürlicherweise in der sonst so armen, jetzt beglückten
Familie.
Eine Reiseunlerstützung.
Im Schulgarten zu Langensulzbach in Elsaß liegt ein
Schlesier, der Lehrer Püschel, welcher an seinen bei Wörth em-
pfangenen Wunden starb, begraben. Er war der einzige Sohn
seiner Eltern, die gern den Ort besucht hätten, wo ihr Kind
gebettet lag, aber es fehlten ihnen dazu die Reisemittel. Als
dies der Kronprinz erfuhr, schickte er dem Vater vierzig Thaler
Reisegeld, und bald standen die alten Eltern im Schulgarten
zu Langensulzbach und weinten sich am Grabe ihres geliebten
Sohnes aus.
Die Inspizierung.
Welchen Ernst der Kronprinz Friedrich Wilhelm als militärischer
Befehlshaber zeigte, wie sehr ihm das Wohl der Mannschaft am
Herzen lag, beweist folgende Geschichte aus dem Jahre 1878,
welche damals in der ganzen deutschen Armee Aufsehen erregte.
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Extrahierte Personennamen: Wörth Ernst Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: M. Langensulzbach Elsaß Langensulzbach
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85
Der Wipfel ist gebrochen,
Gott brich den Baum uns nicht!
Deutschland braucht Hohenzollern,
Sowie der Mensch das Licht.
Ihn selber aber, den Schwerleidenden, litt es nicht mehr im
fernen Italien. Gott der Herr selbst hatte, indem er den
91jährigen Greis zur ewigen Ruhe abberufen, ihm, dem Kron-
prinzen, den Thron der Preußenkönige und des deutschen Kaisers
angewiesen; dahin gehörte er nun auch. An die Spitze seines
treuen Volkes gestellt, wollte er llun auch in seiner Mitte leben und
— sterben. Nichts hielt ihn deshalb mehr in San Remo. Mit
echt hohenzollernschem Pflichteifer bestieg der todkranke Kaiser
Friedrich am 10. März den Extrazug, und brausend ging's den
Alpen entgegen, durch Deutschlands Fluren dahin, bis nach 36-
stündiger, anstrengender Fahrt der Zug in den Bahnhof von
Charlottenburg einlief.
Es war wohl ein arges Schneewetter und eisige Kälte,
aber Tausende harrten doch des geliebten neuen Herrschers, der
weit und breit im Vaterlande und im Auslande sich durch sein
leutseliges und biederes Wesen die Herzen von jung und alt
erobert, um ihn mit Jubelruf zu empfangen.
Ach, er hatte das Schmerzenslager nur gewechselt! Auf dem
Haupte die Krone, im Herzen die heilige, treue Liebe zu seinem
Volke und Vaterland, aber drinnen in den edlen Organen da
wütete die heimtückische Krankheit, zehrend an dem Lebensmark
des ritterlichen Helden. Das Charlottenburger Schloß war vom
11. März bis zum 1. Juni 1888 Zeuge von dem Mute und
Gottvertrauen eines Helden, wie ihn kein Schlachtfeld je geschaut.
Unter den fürchterlichsten Qualen und Beängstigungen, im An-
gesichte des mit Riesenschritten sich nähernden Todes kam keine
Klage über die Lippen des königlichen Dulders, und niemand
konnte mit größerem Rechte dem geliebten Sohne zurufen: „Lerne
zu leiden ohne zu klagen!"
Am 1. Juni trug ein kleiner Dampfer den hohen Kranken
von Schloß Charlottenburg die Havel hinab nach Schloß Friedrich-
kron bei Potsdam, dem ehemaligen „Neuen Palais". Dahin
zog's den todkranken Kaiser. Es war die Stätte seiner Geburt,
seiner freundlichen, fröhlichen Kindheit. Hier wollte der edle
Dulder sein Haupt zur Ruhe legen. Vierzehn Tage hat er seirr
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Deutschlands Charlottenburg Potsdam
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grüßung hatte sich am Bahnhöfe eine große Menschenmenge ein-
gefunden. Da der Kronprinz eigene Wagen nicht mitführte, so
hatte die Kaiserliche Postverwaltung in Schlangenbad zwei Wagen
gesandt, und zwar eine große Postkutsche mit erhöhtem Bocksitze
und einen gewöhnlichen Mietwagen. Das erstere, zur Aufnahme
des Kronprinzen bestimmte Gefährt wurde von einem Postillon
in Galauniform voni hohen Sitze herab gelenkt, während das
zweite ein bescheidener Postknecht führte. Bon der harrenden
Menge stürmisch begrüßt, war der Kronprinz soeben dem Zuge
entstiegen und begab sich, vom Staatsminister von Stosch geleitet,
zu dem für ihn bestimmten Postgalawagen mit dem erhöhten
Postillon. Im Begriffe, einzusteigen, wandte sich der Kronprinz
zu Herrn von Stosch mit den Worten: „Wir wollen in den
zweiten Wagen einsteigen; der Erhöhte da benimmt uns am Ende
die herrliche Aussicht." Alsbald stieg er mit dem Minister in den
bescheidenen Mietwagen. Unser Postillon vom hohen Bocksitze
wandte seinen Blick enttäuscht und wehmütig nach dem bevor-
zugten Postknechte, welcher ihn um die Ehre gebracht hatte, unsern
Kronprinzen zu fahren, und vielleicht auch um sein Trinkgeld.
Der Kronprinz aber, welchem dieser traurige Blick nicht entgangen
war, rief dem Postillon treuherzig zu: „Freund, beruhige dich
nur, du sollst mich zurückfahren und erhälst dann doch dein
Trinkgeld!"
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