Anfänge der menschlichen Gesellschaft. 19
auch, daß die Feucrländer ebensogut als der gebildete
Germane unendlich weit über die edelste Thierart sich er-
heben. Nie demnach wird cs einem Vernünftigen ein-
fatlen, die scharf gezeichnete Grenzlinie zwischen Thicr-
und Menschenwelt zu verrücken. Darauf also kommt cs
hier lediglich an, ob, was man bisher von Erfahrungen
gesammelt hat, mehr für die eine oder für die andre
Annahme spreche. Und da läßt sich nun keineswegs läug-
nen, daß die Abstammung von mehreren Paaren wahr-
scheinlicher ist, als der entgegengesetzte Fall. Denn der
Neger und Europäer weichen nicht blos in der Haut-
färbe, in der Beschaffenheit des Haars und der Bildung
des Gesichtes, sondern auch in einigen Parthicen der in-
ner» Organisation dergestalt von einander ab, daß es
schlechthin unbegreiflich scheint, wie das Eine ans dem
Andern entstanden seyn sollte. Wenn wir aber weiter
befragt werden, in wie viele Hauptstämme nach unsrer
Ansicht die Menschen einzutheilen seyen, so können wir
füglich davon absehen, ob die Malayen und die Papus,
die Hottentotten und die Samojeden, die Finnlappen und
die Urbewohner Amerika's eigne Stämme für sich oder
Unterabtheilungen andrer Stämme ausmachen: bei den-
jenigen Völkern, welche uns in der Geschichte vorherr-
schend beschäftigen, fällt sogleich ein dreifacher Unter-
schied vermöge seiner durchgreifenden Bestimmtheit auf,
nämlich der zwischen den Negern, den Mongolen
und den Menschen von kaukasischem Schlage. Die
Erster«, oder die Aethiopier, haben einen hohen Wuchs
und eine wohlgcbildcte Statur, dagegen kurze und wollige
Haare, einen an den Seiten eingedrückten Kopf, ein nach
unten vortretendes Profil, eine aufgestülpte Nase, dicke
und aufgeworfne Lippen, einen langen Vorderarm und
eine glänzend schwarze oder dunkel schwarzbraune Haut-
farbe. Nicht selten ist es der Fall, daß ein Neger, gleich
dem Affen, sechs Backenzähne hat; auch zeichnet bei die-
2 *
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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20 Erstes Hauptstück. Bildung des Weltkörpers.
sein Menschenschläge den Magen die runde und das weib-
liche Becken die schmale Form aus, wie solche bei den
Affen vorkommt. Einige andre Unterschiede, zu deren
Bezeichnung wir Ausdrücke der Anatomie entlehnen müß-
ten, werden füglich weggelassen. Wahrscheinlich sind sie
die ältesten Bewohner der Erde, und die Farbe ihrer
Haut mag heute noch von der Gluth zeugen, welche da-
mals den gährenden Körper unsers Planeten durchdrang.
Mehr als einmal werden sie uns auf dem Schauplätze
der Geschichte begegnen, immer jedoch nur in einer unter-
geordneten Rolle. Ob sie früher auch eine bewegte, groß-
artige Geschichte gehabt, oder von Anbeginn auf dersel-
den niedrigen Stufe gestanden haben, wird sich wohl
schwerlich je entscheiden lassen. Gewiß aber ist, daß die
mongolische Raec, zu welcher wir jetzt übergehen, auf
uns Europäer den Eindruck der vollständigsten Häßlichkeit
macht. Denn zu einem beinahe viereckigen Kopfe, einem
flachen Gesichte, einer platten Nase, einem hervorragen-
den Kinn, dürftigen Bart und schwarzen, steifen, dünnen
Haaren, kommen ein Paar weit von einander^abstehcnde,
schiefe Augen, mißgestaltete Beine, eine kleine, gedrungne
Statur und schmutzig gelbliche Gesichtsfarbe. Wie ange-
nehm sticht hiegegen die weiße, zarte Farbe, der schön
gewölbte Schädel, der stolze Wuchs und das Ebenmaß in
der ganzen Gliederung des Kaukasiers ab! Nicht mit Un-
recht führt derselbe diesen Namen, insofern die so eben
angedentcten Züge gerade bei den Anwohnern des kauka-
sischen Gcbirgs in ihrer vollen Reinheit hervortreten.
Uebrigcns gehören zu dem nämlichen Schlage mit den
Georgiern und Circassiern nicht nur die Tataren, Türken,
Perser, Armenier, Syrer, Araber und Hindus, sondern
auch sämmtliche Hauptstämme Europas und überhaupt
alle diejenigen Nationen, welche lauge und entscheidend
in das Triebrad der Begebenheiten eingegriffen haben.
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Die Chinesen. 39
ein. Müßiggänger wurden zu beschwerlichen Arbeiten
verurtheilt, Leute, die das Feld bauten, oder Seidewcbe-
rei oder ein andres Handwerk trieben, blieben von schwe-
ren Frohnen verschont; Manche, die gar nicht, oder mit
engherziger Eigensucht nur für sich arbeiteten, sah man
in die Sklaverei wandern; Mitglieder des Fürstenhauses,
die sich nicht durch eine Waffenthat auszeichneten, gicn-
gcn ihres Ranges verlustig; Kinder durften, so lange der
Vater lebte, in keinem andern Hause als dem seiuigen
wohnen. Kaum hatte Konsunyang zum Lohn für seine
Verdienste ein eignes Gebiet unweit Singanfu erhalten,
so erfolgte 538, im Jahre der Schlacht bei Chäronea,
Hiaokvngs Tod und der Minister ward sammt seiner
Familie vom Nachfolger hinweggeräumt. Da war es
wieder ein Philosoph, der, weil der neue König ihn ab-
gcwiesen hatte, ein furchtbares Bündniß wider Tsin zu
Stande brachte; sofort ein gewandter Unterhändler, der
durch seine Bercdtsamkeit das drohende Gewitter zu be-
schwören verstand, und darauf noch einmal ein Philosoph,
der durch Anwendung diplomatischer Künste die benach-
barten Fürsten zu einem Bündnisse mit Tsin vermochte,
wobei der Vorrang dieses Staates bereits deutlich genug
anerkannt wurde. Endlich wagte cs Tschaoschiangwang,
und zwar wiederum gestützt auf die Weisheit eines Mi-
nisters, das kaiserliche Land selbst anzugreifen. Ruhig
hatte N a n w a n g, der letzte aus dem Hause der T sch e n,
von seinem Erbgute aus zugcsehen, wie der Stern einer
neuen Dynastie cmpvrsticg: gcängstigt durch die Waffen
der Männer von Tsin, eilte er nun an den Hof seines
Feindes, huldigte ihm und nahm ans seiner Hand das
eigne Erbgut zu Lehen. Als Nanwang im Jahre 256
ohne Nachkommen gestorben war, zog Tschaosiangwang
das Lehen ein und legte sich den Titel eines Kaisers bei;
doch erst sein Enkel glänzt als wirklicher Begründer der
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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Die Indier.
57
in ein Paradies voll von Blüthen und Früchten uwge.
wandelt. Das umgekehrte Verhältnis' der Jahreszeiten
findet auf der Ostküste Koromanvcl Statt, wo durch das
am Westrand hinstreichende Gatgebirge und die breite
Hochfläche des Dckkan die Kraft des Südwest-Mussmrs
gebrochen wird, folglich mit dem Nordost im Oktober die
Regenzeit und mit dem April die trockne Hitze sich
cinstellt.
Die fo eben geschilderte Natur des Landes läßt uns
bereits einen Schluß auf seine Geschichte machen. Wie
China durch die Wüste, so ist Hindustan durch den Hi.
malih vom übrigen Asien abgeschnitten. Die Einwohner
hätten also im Falle des Bedürfnisses Mühe gehabt,
mit andern Völkern in Berührung zu kommen. Weil
nun aber Hindustan wie China mit allen Gütern der Erde
gesegnet ist, folglich die Hindus zum Verkehr mit Frem.
den keineswegs sich gedrungen fühlten, so haben sie ohne
Zweifel, unbekümmert um das ärmere Ausland, rein aus
sich selbst ihre Bildung geschöpft. Hiemit wirkte jene
Scheue vor der See zusammen, die wir bei den Bewoh-
*) Der gelehrte und scharfsinnige vo n Bohlen hat in diesem Punkte
geirrt. Er behauptet in seinem Werke ..das alte Indien und Ae-
gypten". Band Ii. Seite 265. der Nordostmusson bringe für Ben-
galen vom November an die Regenzeit. Dicß ist unmöglich; denn
wie kann ein Wind Regen bringen, der über eine Kontinentalfläche
von mindestens 1500 Stunden herwehr? Auf der Küste Koroman-
del dagegen verhält sich dieß anders; denn dorthin gelangt derselbe
Musson über den breiten Meerbusen von Bengalen. Die mittlere
Temperatur zu Cglcutta ist während des Aprils 52°. 2. im Zuni.
Zuli und August nur 22°. 8 Reaumur: zum deutlichen Beweise,
daß man in Calcutta Regenzeit hat, während wir Sommer haben.
Damit fällt nun aber v. Böhlens ganze Hypothese über Entstehung
des Thierkreiscs dahin; denn sic beruht auf der Voraussetzung,
daß man im Gangcsgcbict Regenzeit habe, wenn bei uns Winter
ist.
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TM Hauptwörter (100): [T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan]]
TM Hauptwörter (200): [T83: [Klima Winter Sommer Land Meer Wind Regen Niederschlag Zone Gebirge], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T20: [Indus Stadt Ganges Gang Hauptstadt Land Siam Indien Fluß Strom], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Extrahierte Personennamen: August
Extrahierte Ortsnamen: Ostküste_Koromanvcl Nordost China China Indien Bengalen Calcutta
60 Drittes Hauptstück.
des Regenten umgibt. Häufig aber stehen wieder meh-
rere Fürsten unter einem höher» Radscha, dem ste zur
Stellung vvn Kriegern und zur Entrichtung einer ge-
wissen Summe verpflichtet find, und der somit ihnen ge-
genüber die Würde eines Oberlehensherrn behauptet.
Ausserdem, daß der Radscha am Zolle Theil hat und Pro.
rente vom Handel bezieht, haften die Abgaben auf dem
Grundbesitze, und zwar so, daß der achte oder sechste
Theil des Ertrags gefordert wird. Die Abgaben werden,
anders als in Persien, unmittelbar an den Hof geliefert,
und die Besoldungen vom Schatze aus verabreicht. Vor
Gericht wird nur der Klagepunkt eingezeichnet, sonst aber
mündliches Verfahren beobachtet. In jeder Provinz be-
steht ein aus 10 Mitgliedern zusammengesetzter Gerichts-
hof, am Hofe ein Obertribunal: dem Fürsten steht das
letzte Votum zu, und Kriminalsachen gehören gänzlich
vor sein Forum. Sonst aber bildet, gleichwie jedes un-
tergcordnete Fürstenthum, so auch jeder Bezirk, jede
Stadt, jedes Dorf ein abgeschloßnes Ganze: man sieht
nur auf den nächsten Vorgesetzten, der über diesem sie-
hcnde tritt in den Hintergrund. Jede Dorfschaft betrach-
tet den Ackcrertrag als etwas Gemeinschaftliches: zuerst
geht der Antheil des Landesherrn, des Priesters im Di.
strikte und des Herrn der Gegend, dann der Antheil der
Ortsbeamtcn, endlich dasjenige ab, was dem Schmidt,
dem Schreiner, dem Töpfer, dem Wäscher, dem Bart-
scherer, dem Dvrfarzt, dem Tanzmädchen, dem Musikan.
ten und dem Dichter gebührt; was nach Abzug alles des-
sen übrig bleibt, wird nach Maßgabe des Ackerbesitzes
verthcilt. Die Gcmcindebcamten sind der Potail, der
die Ortspvlizei verwaltet und die Abgaben an den Staat
cinzieht; der Kurnum, der die Grund- und Rechnnngs-
bücher führt; der Tallier, der in Civilsachen erkennt; der
Totic, der unserm Dorfschulzen gleicht; der Grenzhüter,
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
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TM Hauptwörter (200): [T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T167: [Fest Tag Kirche Jerusalem Spiel Stadt Hofer Volk Jahr Zeit]]
62 Drittes Hauptstück.
durch ihre fak schwarze Hautfarbe von den Hindus un.
terschieden ist, so liegt die Vermuthung nahe, daß sie
von einer unterworfnen negerartigen Völkerschaft abstam.
men mochten. Hoch über den Parias steht die unterste
der vier Hauptlasten, die der Sudras, zu welcher alle
Krämer, Künstler, Handwerker, Fischer, die Bajaderen,
Säuger, Musiker, Zauberer und Wahrsager gehören. Sie
selbst zerfallen wiederum in Sudras der rechten und der
linken Hand, zwischen denen gleichfalls die Ehe verboten
ist. Manche, wie die Fleischer und Schuhmacher, gelten
sogar als unrein. Auf alle Sudras aber sehen mit,ver-
ächtlichen Blicken die Waisias oder Waischis herunter,
welche die dritte Kaste bilden, und theils Fabrikinhaber
und Kaufleute (Banjanen), theils Gutsherren, theils
eigentliche Landbauern sind. Da Gewerbfleiß und Wachs-
thum der Bevölkerung wesentliche Zwecke der alten Ein-
richtungen waren, da selbst der Fürst sich im Ackerbau
unterrichten lassen mußte, und Wisampatis, Beschützer
des dritten Standes, als ehrenvoller Beiname desselben
betrachtet wurde, so genießen die Mitglieder dieser Kaste
allerdings schon bedeutende Vorrechte. Doch über ihnen
wieder stehen die Krieger, Kschatriyas oder Schetriyes,
und weit über allen die Bramancn. Bei der Geburt
eines solchen werden Opfer dargebracht; schon im zweiten
Jahre wird ihm das Haar bis auf einen Zopf am Hin-
terhaupte abgeschnitten; vom achten an kann er mittelst
Umlegung der heiligen Schärpe in den Orden ausgenom-
men werden. Mit den Jahren der Reife hat er sogar
die Verpflichtung, zu heirathen; wiewohl die Frau nie
in seiner Gegenwart essen darf. Trachtet er nicht nach
einem der höhern Grade, so mag er jedes ihm beliebige
Geschäft, als Arzt, Krieger oder Kaufmann betreiben; im
andern Falle steigt er nach längerer Vorbereitung zur
Würde eines Doktors der Wissenschaften, oder eines Pa-
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Die Indier.
63
godendienerö, oder eines eigentlichen Priesters und Gurn
empor. Noch mit größrer Ehrfurcht wird er betrachtet,
wenn er als Einsiedler in Keuschheit lebt und nackt
auf nackter Erde schläft; und läßt er vollends vom 72sten
Jahre an Nägel, Haupthaare und Bart wachsen, um,
allem Irdischen entsagend, nur mit Gott beschäftigt zu
seyn, so fällt man, wenn er eine Wohnung betritt, vor
ihm nieder und glaubt, das; er, der Seelenwanderung über-
hvben, gleich nach seinem Tode in den wahren Himmel
gelangen werde. Ein Bramane darf nur Degetabilien
genießen, und seine Speise muß von Bramanen bereitet
seyn; Niemand, selbst der Fürst nicht, ist würdig, ihn zu
berühren. Der Mörder eines Bramanen muß auf zwölf-
jähriger Pilgerschaft in der Hirnschale des Gctödtetcn Al.
mvsen sammeln, und darf nur aus dieser Speise und
Trank zu sich nehmen. Wer einen Bramanen nur mit
einem Grashalme schlägt, hat schon die Hölle verdient.
Bramanen sind unverletzlich und über die Todesstrafe er«
haben; sie sind die Erzieher, Rathgeber und Minister
der Fürsten und mit Angehörigen ihres Ordens wird je«
der Gerichtshof besetzt. Von ihnen, den Weisen und
Lehrern des Volks, deren Ländereien abgabenfrei sind,
deren Flüche und Segnungen Wunder verrichten, heißt
es im Sprüchwvrte: „Die Götter lieben Gebete, Gebete
sprechen die Bramanen, also sind Bramanen nur Götter."
Einen vollendeten Pricsterstaat also haben wir hier
vor Augen, einen Staat, in welchem Alles darauf be-
rechnet ist, die höchste Klasse in Macht und Ehren, die
übrigen in Unterwürfigkeit zu erhalten. Darum zieht sich
ein Gewebe von Ceremonien durch alle öffentlichen und
Privatgeschäfte hin; darum wird die schaulustige Menge
stets durch den Pomp der Opfer und Feste zerstreut;
darum wird überall Milde und Weichlichkeit gefördert,
die allmählig auch die Sehnen des Kriegers geschmeidig
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TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Die Indier.
65
übereinander gethürmt. Durch eine Vorhalle von 133
Fuß Breite und 88 Fuß Tiefe, mit Säulenhallen und
Nebeukammeru, gelangt man in einen Portikus, von die-
sem an eine Brücke, durch die Brücke in eine Grotte,
die 247 Fuß breit, 150 Fuß 'lang ist, und in deren
Mitte als ausgehöhlte Felsmasse der dem Kailasa ge-
weihte Haupttempel steht: Von Obelisken 'und Sphinxen
umgebet,, von Skulpturen bedeckt, von vier Pilasterrei-
heu kolossaler Elcphanten getragen, strebt er mit seiner
Pyramideuscheitel 100 Fuß hoch empor; das Dach ist
mit einer Gallerie umgeben, von welcher einst Brücken
zu jetzt unersteiglichen Sciteugcwvlben geführt haben. Wie
lange Zeit mag welch' eine Menschenmenge uur au die-
sem einzigen Niesenbaue gearbeitet haben, und wie groß
muß die Macht des Standes gewesen seyu, in dessen
Dienst und zu dessen Verherrlichung solche Werke gedie-
hen sind! Gewiß aber verstoßen auch mehr als nur ei-
nige Jahrhunderte, bis die Herrschaft der Priesterkaste
zu dieser Vollendung und Höhe gelangt war. Die Haupt-
entwicklung scheint in der Epoche vor sich gegangen zu
seyn, welche zwischen die Entstehung der Weden und
des indischen Gesetzbuches fällt. .'
Das Gesetzbuch des Mauus beginnt mit der
Weltschöpfuug und einer ttebersicht der indischen Lehre,
schließt mit Abschnitten über Buße und Sühnen, Seelen-
wanderung und Seligkeit, und behandelt folgende Haupt-
rubriken: i' > '■ ‘
1) Schulden oder Anleihen zum Verzehren;
2) anvertrautes Gut oder Anleihe zum Gebrauch;
3) Verkauf, wenn man nicht Eigenthümer ist;
4) Gcsellschaftsuntcruehmungeu;
5) Entziehung dessen, was einmal gegeben war;
6) Nichtbezahlung von Lohn oder Miethe;
7) Nichterfüllung von Kontrakten;
Bauer's Gcsch. I. Bd.
5
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TM Hauptwörter (200): [T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
168
Achtes Hauptstück.
anzuknüpfen, weil an der Tochterstadt Manches klar wer-
den dürfte, was bei Betrachtung des Mutterlandes räth-
selhaft blieb, und weil es ein befondres Interesse ge-
währt, zu sehen, wie und warum in Karthago Man-
ches anders geworden ist als in Tyrus. Der gewöhn-
lichen Erzählung zufolge hat Dido, die Tochter des
Lyrischen Königs Belus, Karthago gegründet, indem sie
vor ihrem grausamen Bruder Pygmalion entfloh, der
ihren Gemahl Sichäus ermordet hatte. Also wäre ein
feindseliges Verhältniß zu Tyrus dem karthagischen Staat
zu Grunde gelegen. Allein der Erfolg zeugt für das
Gegentheil: die Tyricr verweigerten dem Pcrserkö-
nige Kambyses jede Theilnahme an einem Kriegszuge wi-
der Karthago; die Karthaginenser wollten bei Abschluß
eines Vertrages mit Nom ausdrücklich die Tyrier in das
Bündniß cingeschlossen wissen, öffneten, als Alexander
Tyrus belagerte, von dorther geflüchteten Weibern und
Kindern ihre Thore, und schickten alljährlich eine Gesandt-
schaft ab, welche der Mutterstadt Ehre erweisen und dem
Schutzgvtte Melkarth ein Opfer darbringen mußte. Mag
daher immerhin Dido eine historische Person seyn, wie
denn Silius Italiens den von Nadelholz umpflanzten
Tempel beschreibt, welcher ihr, als der Stifterin mitten
in der Stadt errichtet war, so ist es doch wahrschein-
licher, daß die Kolonisation auf friedlichem Wege erfolgt
ist, — übrigens ohne Zweifel nicht auf einmal, sondern
indem sich die Lyrische Schaar allmählig aus Tunis und
Utika verstärkte, welche Städte nur zwei bis vier Stunden
entfernt lagen. Woraus aber sollen wir es uns erklären,
daß Karthago die übrigen Pflanzstädte der Phönizier in
Nordafrika nicht nur eingeholt, sondern bald bei weitem
übertroffen hat? Es fehlt hierüber an genügenden Nach-
richten; der Hauptgrund aber muß wohl in der Lage der
Stadt gesucht werden, die im innersten Winkel der Bai
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Extrahierte Personennamen: Dido Pygmalion Alexander
Tyrus Alexander
169
Dle Phönizier und Karthaginenser.
zwischen dem Kap Bon und dem Kap Zibsi'b auf einer
weithingestreckten Landzunge erbaut, da, wo dieje mit
dem Kontinente zusammenhieng, durch eine dreifache
Mauer von 50 Ellen Höhe, sowie durch die ebenfalls
mehrfach ummauerte Festung Byrsa gedeckt und auf der
Seite gegen das Meer von steilen Ufern und Klippen
umgeben war. Ze sichrer man hier dem Grimme afrika-
nischer Horden Trotz bieten konnte, desto stärker wurde
der Zudrang von solchen, die ebenfalls sich hier niederzu-
lassen wünschten, und desto ruhiger und beharrlicher konnte
man Unternehmungen verfolgen, welche auf die Vergröße-
rung der Stadt abzweckten. Worin mögen nun diese von
Anfang herein bestanden haben? dürfen wir etwa glau?
den, daß ihr Ziel gleich ursprünglich der Seehandel ge-
wesen sey? Zn späterer Zeit sehen wir die Karthaginen-
ser lebhaft hierin begriffen, und wie die Phönizier ihre
Richtung über Malta und Sicilien nach Spaisien neh-
men : mit andern Worten, der wichtigste Zcheig des
Lyrischen Seehandels wurde nachmals auf Rechnung kar-
thagischer Kaufleute betrieben. Gewiß hatten die Phö-
nizier nicht gutwillig darauf verzichtet; aber auch nicht
entrissen konnte man ihnen diese Vortheile haben, weil
sonst das vorhin schon berührte freundliche Vernehmen
zwischen Tyrus und Karthago ein unbegreifliches Räthsel
wäre. Folglich sind wohl ohne Schuld der Tochterstadt
Ereignisse eingetreten, welche es den Tyriern unmöglich
machten, den Handel in die fernen Länder des Occidents
auf die frühere Weise fvrtzusctzcn, und die Einwohner
der indes; emporgeblühten Kolonie haben sich dann, als
natürliche Erben, der von Tyrus aufgegebnen Vortheile
bemächtigt. Vis dahin aber waren sie, wenn auch be-
günstigt und vorgezvgen, doch immer in einer abhängigen
Stellung zur Mutterstadt geblieben, hatten den Zug des
afrikanischen Handels in ihre Märkte geleitet und die hier
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Extrahierte Personennamen: Ellen_Höhe
Extrahierte Ortsnamen: Malta Sicilien Tyrus Karthago Tyrus