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Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
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Die Verschwornen machten hierauf der Königin die
bittersten Vorwürfe. Sie wollten, wie sie sagten, nicht
langer das Joch eines Auslanders tragen, der für Tausende
von ihnen zu schlecht zu einem Bedienten sey. Maria
aber gerieth in solchen Zorn, daß sie bald für gut fanden,
sich zu entfernen. Als sie fort waren, trocknete sie sich die
Augen und sprach zu ihrer Vertrauten: Ich will nicht
mehr weinen; nur auf Rache will ich denken.
Es waren nicht leere Worte. Sie sammelte Truppen,
verjagte die Mörder des Rizzio und ließ einigen den Kopf
abschlagen. Hierauf trat sie in eine wirklich straflige Ver-
bindung mit einem Grafen Bothwell, einem feinen und
arglistigen Bösewicht, einem Mann ohne Ehre, Redlichkeit
und Religion, der die unglückliche Fürstin zu den gröbsten
Lastern verleitete. Schon vorher wurde sie aber Mutter
eines Prinzen, der nachher als Jakob I. England und
Schottland unter dem Namen Großbritannien vereinigte.
Mit diesem Bothwell lebte sie in der innigsten Vertrau-
lichkeit und überhäufte ihn mit den prächtigsten Geschenken,
wahrend sie es ihrem verhaßten Gemahl an Allem fehlen
ließ. Am Ende gönnte sie ihm nicht einmal mehr das
Leben, und ließ ihm Gift beibringen, über welches aber des
Königs starke Natur siegte. Er empfand nur wüthende
Schmerzen davon in allen Gliedern und bekam kleine blaue
Blattern am ganzen Körper. Seine Gesundheit aber wurde
davon untergraben, und er konnte sich nie wieder ganz
erholen. Da ihm bei seiner Kränklichkeit das Hosgerausch
zur Last war, so beredete ihn Maria, die neue Liebe zu
ihm heuchelte, mit ihr ein abgelegenes Haus vor der Stadt
Edinburgh zu beziehen, und mit unbegreiflicher Leichtgläu-
bigkeit ließ er sich von der Treulosen, die ihn schon vorher
durch eine verstellte Aussöhnung getäuscht hatte, aufs neue
berücken. Sie wohnten nun wieder ganz traulich beisam-
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Extrahierte Personennamen: Maria Maria Maria Maria
Extrahierte Ortsnamen: England Schottland Edinburgh
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dem Himmel aussöhnen und Vergebung seiner Sünden erlangen
zu können, daß er einen zurückgefallenen Ketzer und einen Ver-
folger der heiligen, allein seligmachenden Kirche, wie König
Heinrich Iv., ermordete. Jesuitische Priester, denen er
sich anvertraute, bestärkten ihn in diesem Glauben.
Bald war er mit sich einig. Am 27. December 1594
war der König aus der Picardie zurückgekommen, und im
Louvre abgetreten, um die Großen zu empfangen, die am
Neujahrstage mit dem Orden des heiligen Geistes geschmückt
werden sollten. Diese Stunde benutzte Chatel. Unbe-
merkt drängte er sich Abends unter der Menge in das
Zimmer, wo schon Lichter brannten, nahm den Augenblick
wahr, wo der Marschall von Montigny dem König vor-
gestellt wurde, und wagte mit einem Messer, das er bei
sich hatte, einen gewaltigen Stoß nach Heinrichs Brust.
Der König beugte sich aber unerwartet vorwärts, um den
Marschall zu umarmen; der Mörder traf daher nicht die
Brust, sondern stieß ihm nur einen Zahn aus und ver-
wundete ihn ein wenig an dem Munde. H einrich glaubte,
e§ sei ein toller Streich einer Lustigmacherin, Namens
Mathurine, die am Hof geduldet wurde, und schrie un-
willig: zum Teufel mit der Narrin! Indessen hatte Cha-
tel schnell das Messer von sich geworfen, und man wußte
nicht, wer der Thater sei. Montigny aber wendete sich
um, packte ihn fest bei der Brust und rief laut: entweder
Du oder ich haben den König verwundet. Sogleich wur-
den alle Degen gezückt, den Bösewicht niederzustoßen.
Allein der König verbot es, und ertheilte Befehl, ihn nur
einstweilen zu verhaften.
Die Wunde war nicht gefährlich. Heinrich errieth
gleich, daß der Streich wieder von der Hand der Jesuiten
komme. Chatel laugnete es nicht, und gestand, daß er
die That für verdienstlich gehalten, ob ihn gleich sein Vater
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ter Katharinen zu seiner Thronfolgerin, und ließ sie
noch in demselben Jahre zu Moskau wirklich krönen. Nun
aber schien auch ihr die Sonne des Glücks untergehen zu wollen.
Sie wurde ihrem Gemahl untreu und ließ sich in ein Liebes-
verstandniß mit einem Kammerherrn Namens Mons ein.
Wenigstens glaubte es der eifersüchtige Peter, obgleich Ka-
tharina damals schon ihr achtunddreißigstes Jahr zurückgelegt
hatte, ließ seinen Nebenbuhler enthaupten, und nöthigte
Katharinen, die Hinrichtung mit anzusehen. Von dort an
wurde ihre Lage schrecklich, denn Peter behandelte sie
vor den Augen des Hofes ohne alle Achtung. Er schien ihr
ein Schicksal wie seiner ersten Gemahlin Eud oxia bereiten
zu wollen; allein schon im folgenden Jahre starb er, und
durch Menzikoffs Veranlassung wurde Katharina zur
Kaiserin ausgcrufen.
Nun war sie also Alleinherrscherin über ein Land von
300,000 Quadratmeilen; allein sie überließ die Regierung
meistens dem Fürsten Menzikoff und andern Günst-
lingen, und lebte nur ihrem Vergnügen. Im Sommer
brachte sie ganze Nachte mit ihren Gesellschaftern in freier
Luft zu, und that sich gütlich mit Tokaierwcin, den sie
liebte und öfters bis zur Berauschung trank. So zerrüttete
sie ihre sonst gute Gesundheit, und es entstand zugleich
Unzufriedenheit im Volk, aus unbekannten Ursachen auch
unter den Großen ihres Hofes. Sie hatte die Gewohn-
heit, diesen, wenn sie ihr die Aufwartung machten, ihre
Würde vergessend, an die Taschen zu greifen, ob sie ihr
nicht Naschwerk mitgebracht hatten? Auf diese Art fand
sie einst bei einem ihrer Höflinge vergiftete Feigen mit
Zucker überzogen; sie aß sie und starb schnell zwei Jahre nach
ihrem Gemahl dahin (1727). So erzählt wenigstens die
geheime Geschichte ihres Hofes, und cs ist nicht ganz
unwahrscheinlich, daß ein Freund des Hingerichteten Prinzen
Ui. 12
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nen Zug über unwegsame Gebirge und verschneite Schluch-
ten, in denen er an 4000 Mann verlor. Bald darauf ergab
sich Prag, und nun war ganz Böhmen wieder in östreichi-
schen Händen; noch überdies wurde zu Anfang des fol-
genden Jahres ganz Baiern erobert, und der Kurfürst,
jetzt Kaiser Karl Vii., der in einem günstigen Augen-
blick mit Hülfe der Franzosen nach München zurückge-
kommen war, mußte aufs Neue nach Frankfurt am Main
entfliehen.
Alles ging nun der Königin von Ungarn nach Wunsch.
Die Engländer hatten sich für sie erklärt. Sie unter-
stützten sie gegen die Franzosen mit Geld, mit Schiffen
und Truppen. König Georg Ii. erschien selbst mit ei-
nem gut gerüsteten Heere, schlug die Franzmänner unter
dem Marschall von Noailles bei Dettingen am Main,
und jagte sie bis über den Rhein zurück. Maria The-
resia erhielt auch neue Bundesgenossen an dem Könige
von Sardinien und dem Kurfürsten von Sachsen; in
Baiern, am Rhein, in Italien, überall lächelte ihr jetzt
das Glück.
Aber eben dieses Glück erregte die Besorgnisse des
Königs von Preußen. Er sah voraus, und mehrere
Wahrnehmungen machten es ihm zur Gewißheit, daß man
suchen würde, ihm mit überlegener Macht Schlesien wie-
der abzunehmen, so bald man die andern Feinde zum
Frieden genöthigt haben würde. Er verband sich daher
aufs neue mit Baiern, knüpfte auch noch andere Ver-
bindungen an, und siel im August 1744 mit 100,000 Preu-
ßen auf drei Punkten in Böhmen ein, vielleicht in der
Absicht, auch ein Stück von diesem Königreich an sich zu
reißen. Allein anstatt Böhmen zu gewinnen, verlor er
wieder ganz Oberschlesien. Zwar drang er schnell bis an
die Grenzen von Oestreich vor, aber noch schneller wurde
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Extrahierte Personennamen: Karl_Vii Karl Georg_Ii Noailles Maria_The- Maria August Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: München Frankfurt Main Ungarn Dettingen Main Rhein Sardinien Sachsen Baiern Rhein Italien Baiern Oberschlesien
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rina erschrak über diese armseligen Anstalten und erblaßte.
Indessen kamen auch die andern zum Vorschein. Die
Kaiserin sagte ihnen in einer Anrede, die sie hielt, sie
komme, sich in ihre Arme zu werfen und Schutz und
Rettung zu suchen vor ihrem Gemahl, der Befehl ertheilt
habe, sie und ihren Sohn zu tödten. Sie sprach nicht
vergeblich. Alle schrieen und schwuren, für sie zu sterben.
Die Ofsiciere eilten herbei und der Haufe vergrößerte sich
mit jeder Minute. Es wurde ein Priester gerufen, der
Allen beim Crucisix den Eid der Treue abnahm. Auch
sammtliche Häupter der Verschwörung fanden sich ein, und
der verhaftete Paffig wurde wieder frei gemacht. Or-
loff war zum Artillerieregimcnte geeilt, dessen Schatzmei-
ster er war. Bald sah sich die Kaiserin von 10,000 Mann
umgeben. Nun zog sie, von den Truppen und einer un-
zähligen Menschenmenge begleitet, nach der Hauptkirche
der Stadt, um ihre Andacht zu verrichten und ihrem Un-
ternehmen den Schein einer heiligen Pflicht zu geben.
Don da ging der Zug nach einem großen Palaste, der
mit Soldaten umstellt wurde.
Schon vorher hatte Orloff die Brücke verrammeln
lassen, die von Petersburg nach Oranienbaum führte,
damit Peter nichts von dem, was vorgegangen war, er-
fahren möchte; allein schon war es zu spat. Ein ehema-
liger Haarkräusler, Namens Bressan, der dem Kaiser
sein Glück verdankte, hatte einen Knecht, als Bauer ver-
kleidet, mit einem Schreiben an ihn abgeschickt, worin er
ihm Nachricht von den Ereignissen dieses Tages ertheilte,
mnd der Bote kam glücklich über die Brücke, ehe sie ab-
gebrochen war.
Indessen ließ die Kaiserin ihren Prinzen aus dem
Schlafe wecken und zu sich bringen. Von einem Balkon
herab stellte sie ihn den Soldaten und der zahllosen Volks-
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dem und Wäldern herum, und weideten Aecker und Wiesen
ab. Sie wurden sorgsam gehegt; wagte es Jemand, ein
Stück Wild zu schießen, so wurde der Mensch als Wild-
dieb auf der Stirn gebrandmarkt und rücklings auf einen
Hirsch geschmiedet, der mit ihm durch Dick und Dünn
daoonrannte und ihn zwischen den Aestcn der Baume jämmer-
lich zerfleischte. Bisweilen stach man auch den Wilddieben
die Augen aus, oder übergab sie dem Scharfrichter. So
wurden die Ritter in ihrer alten Rohheit unterhalten, und
des Trinkens entwöhnten sie sich noch schwerer als des
Jagens und des Schlagens. Ganze Nachte brachten sie
auf ihren Burgen in Saufgelagen hin, wo sie sich halbe
und ganze Humpen zutranken und eine Ehre darein setzten,
sich einander zu Boden zu saufen. Die nicht minder dur-
stigen Bürger wetteiferten hierin mit ihnen; und alle Ver-
ordnungen der Fürsten gegen dieses Unwesen blieben ohne
Wirkung.
Unmenschliche Prügeleien, Mord und Todtschlag waren
die Folgen davon. Sprach man mit den Trinkern über
dieses Laster, so sagten sie zu ihrer Entschuldigung: Laßt
uns immer trinken; wir sind zwar durstige, aber ehrliche
Leute; nur tückische Menschen trinken nicht, weil sie besor-
gen, im Trunk die Geheimnisse ihrer Bosheit zu verrathen;
wir wollen lieber lustige und ehrliche Zecher, als falsche
Schlangen seyn.
Schwelgten Abends die Bürger etwas mehr, als billig
war, in ihren Bier- und Weinhausern, so zeigten sie sich den
Tag über desto geschäftiger in ihren Werkstätten, denn vor
dem dreißigjährigen Kriege standen Handel und Gewerbe
in dem höchsten Flor. So erwarben sie sich die Mittel,
vergnügt und sorgenlos zu leben, und es sogar den Edel-
leuten an Kleidcrprachr und andern: Aufwand gleich zu
thun. Am Ende gingen gemeine Bürger wie fürstliche
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verstärkte den schauderhaften Eindruck. Tiefes Stillschwei-
gen herrschte um sie her. Sie bestieg die Blutbühne und
betrachtete ruhig den Block, das Beil, den Scharfrichter.
Man reichte ihr einen Stuhl, auf dem sie nochmals die
Vorlesung des Todesurtheils anhören mußte. Jetzt trat
der Dechant von P eters borough zu ihr hin und ermahnte
sie im Namen der Königin Elisabeth, die katholische Reli-
gion abzuschwören. Maria bat ihn, sie mit vergeblichem
Zureden zu verschonen, und wurde ungeduldig, da er nicht
aufhörte zu reden und mit dem ewigen Höllenfeuer zu
drohen. Entschlossen, in der Religion, in der sie geboren
war, zu sterben, warf sie sich auf die Kniee nieder und
rief laut die Jungfrau Maria und die Heiligen an, für sie
zu bitten, ohne weiter auf den Dechant zu achten. Am
Ende drückte sie das Crucisix an ihre Lippen, mit den Wor-
ten: O Jesu, breite auch nach mir die Arme aus, die du
zur Vergebung unserer Sünden am Kreuze ausstrecktest!
Ihre Kammerfrauen halfen ihr nun, sich auszukleiden,
die Hülfe des Scharfrichters aber wurde zurückgewiesen. —
Nun war sie bereit. Ihre Frauen und Diener brachen in
lautes Wehklagen aus; Maria aber legte den Finger auf
den Mund, damit sie schwiegen, und sagte ihnen das letzte
Lebewohl mit einem Lächeln, das, anstatt sie zu trösten,
ihre Herzen noch weit tiefer verwundete. Sogar der Scharf-
richter blieb nicht ungerührt und. bat sie auf den Knieen
um Verzeihung, wenn er sein schweres Amt an ihr verrich-
ten müsse.
Sie knieete jetzt nieder. Auf dich, o Herr, sprach sie
betend, setze ich mein Vertrauen, laß es nicht zu Schanden
werden! — Es wurden ihr die Augen verbunden, und
sie legte den Hals auf den Block. — In deine Hände,
o Gott, befehl' ich meinen Geist! — Dies waren ihre
letzten Worte. Der Scharfrichter hatte aber so ganz alle
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Extrahierte Personennamen: Maria Maria Maria Maria Maria
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Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
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eitelt. Ein Hauptmann, Namens Passig, sprach davon
vor einem Soldaten, den er kurz vorher geprügelt hatte.
Der erboste Krieger ging hin und gab ihn bei der Re-
gimentskanzelei an. Passig wurde verhaftet, und dem
Kaiser, der sich damals in Oranienbaum befand, sogleich
durch einen Eilboten Nachricht gegeben.
Kaum hatte die Prinzessin Aschekosf vernommen, was
vorgefallen war, so eilte sie in die Versammlung der Ver-
schworenen, sagte ihnen Alles, was sie wußte, und fo-
derte sie auf, keinen Augenblick langer zu saumen und
schnell loszubrechen. Alle gaben nach der ersten Betäu-
bung ihre Zustimmung. Die Kaiserin befand sich damals
auf dem Lustschloß Petershof, acht Stunden von Pe-
tersburg. Die Prinzessin schrieb an sie nur die wenigen
Worte: Kommen Sie, es hat Eile, und ein Bruder
Orloffs, der Narbige genannt, übernahm es, ihr das
Papier zuzustellen. Er weckte sie aus dem Schlaf, sagte
nichts zu ihr als die Worte: Eilen Sie, es ist kein Au-
genblick zu verlieren, und rannte fort, einen Wagen an-
spanncn zu lassen. Die Kaiserin, die sich auf das schnellste
angekleidet hatte, setzte sich mit einer Kammerfrau hinein
und rollte nach der Stadt zu. Unterwegs kam ihr auch
der andere Orloff zu Pferde entgegen, rief ihr zu, es
sey Alles in Bereitschaft, und sprengte wieder zurück.
Zwischen sieben und acht Uhr Morgens kam sie an
und ließ sich nach den Kasernen führen, wo die zwei
Compagnien des Regiments Jsmailosf lagen, die schon
Orloffen den Eid der Treue geschworen hatten. Mit zwei
Compagnien Soldaten ein Reich wie Rußland umkehren
zu wollen, war ein fürchterliches Wagestück. Die Krieger
schienen größtentheils noch gar nicht wach. In größter
Unordnung kamen nicht mehr als etwa 30 Mann heraus
und schlüpften erst vor der Thür in ihre Kittel. Katha-
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sonders in unfern Zeiten, wo so viel über das Recht des
Volkes auf eine landständische Verfassung gesprochen und
gestritten wird.
Hofstaat und Einkünfte der fränkischen Könige.
Schon vor Karln dem Großen hatten die fränki-
schen Könige einen förmlichen Hofstaat mit Hofamtern. Sie
hatten z. B. einen Pfalzgrafen oder Hofrichter, einen
Erzkaplan, der ihnen die geistlichen Angelegenheiten vor-
trug, einen Kanzler für die weltlichen Angelegenheiten,
der zugleich in ihrem Namen die ausgefertigtcn Befehle und
andern Urkunden unterschrieb; einen Marsch all oder Ober-
Aufseher über ihre Stalle; einen Truchseß zur Aufsicht
über das Küchen- und Tafelwesen, einen Kämmerer, ei-
nen Mundschenken, mehrere Jägermeister, einen
Falkenier, dann Höflinge, Nathe und Schreiber.
Einen andern als persönlichen Adel kannte man zu
Karls des Großen Zeiten nicht. Die Würde der Her-
zoge und Grafen war so wenig erblich, als zu unfern Zei-
ten die Würde eines Kreis- oder Obertribunalpräsidenten.
Erst in der Folge entstand aus den damaligen freien Guts-
besitzern der heutige Adel.
Die Einkünfte der deutschen Könige bestanden nicht in
Steuern, wie sie heut zu Tag ausgeschrieben waren, son-
dern in jährlichen Geschenken der Provinzen, in Lieferungen
an Korn, Viehfutter und andern Landesproducten. Lange
unterhielten die Kaiser und Könige ihren Hof mit dem Er-
trag ihrer Meierhöfe. Die Kriegsmannschaft wurde, wie
wir schon gesehen haben, von den Provinzen in das Feld
gestellt und mit Lebensmitteln auf sechs Monate versehen.
^ R e l i g i o n s g e b r ä u ch e-
So weit Karls des Großen Waffen reichten, wur-
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Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
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laut seine Unschuld betheuerte. Die Augen aller Anwesen-
den waren auf das Gesicht des angeblichen Mörders und
auf die Leiche des Gemordeten gerichtet, ob besonders an'
dieser keine Veränderung sichtbar werden würde. Bisweilen
geschah es, daß dem Getödteten Schaum vor den Mund
trat, oder sich gar ein Glied zu bewegen schien: in solchen
Fallen galt die That für so gut als erwiesen; regte sich
aber der Todte nicht, wie das meistens der Fall war, so
wurde der Beschuldigte freigesprochen. — Man sollte glau-
den, bei der Probe des Bahrrechts sei nie ein Unschuldiger
verurtheilt worden, weil in der Regel die Todten sich sehr
ruhig verhalten. Erfahrne Aerzte versichern aber, daß öf-
ters an Menschen, die keines natürlichen Todes gestorben
sind, noch gar manche seltsame Erscheinungen wahrgenom-
men werden.
Die Gottesgerichte waren im Ganzen bis ins vierzehnte
Jahrhundert im Gebrauche, wo sie ansingen seltener zu wer-
den. Das Bahrrecht aber blieb bis zum vorigen Jahrhun-
derte im Gange; mit der kalten Wasserprobe wurden auch
noch allzulange traurige Versuche gemacht, und manches
arme alte triefäugige Weiblein wurde auf dem Scheiterhau-
fen als Hexe verbrannt, weil sie im Wasser nicht unterge-
hen wollte.
* 1z. Das Lehenswesen.
Oesters geschah es, daß deutsche und andere Völker
von einem mächtigen Feind überwältigt, aber nicht so voll-
ständig besiegt wurden, daß sie ihre Freiheit ganz verloren
hätten. Sie behielten vielmehr ihre eigenen Fürsten, muß-
ten aber den Ueberwinder als ihren Oberherrn anerkennen
und ihm in seinen Kriegen gegen andere Völker beistehen.
Gleichen Beistand versprach dagegen auch der Oberherr sei-
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