Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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fort, deren Landesherren das privilegium de non appellando
(S. 42) verliehen worden war.
Eine einheitliche Regelung des Rechts von Reichs wegen
ist nur hinsichtlich des Strafrechts und des Strafverfahrens zu-
stande gekommen. Das darauf bezügliche Reichsgesetz, das einzige
Gesetzbuch des Reiches, ist die peinliche Gerichtsordnung Karls V.
(die Carolina). Auf dem Gebiete des Privatrechts hat die
Reichsgesetzgebung fast nichts geleistet. (Über dessen Regelung
in den Territorien siehe Seite 69). Es können nur genannt
werden die Reichsnotariatsordnung von 1512, die Reichspolizei-
ordnungen von 1530, 1548 und 1577, die Reichsabschiede von 1498
(Freiburg), 1500 (Augsburg), 1521 (Worms), 1529 (Speier) be-
treffend Fragen des Erbrechts, der Reichsschluß von 1731 über
Handwerkermißbräuche und einzelne Bestimmungen über Münz-
wesen, Wucher, Zession von Forderungen, Wechsel, Juden, Zins-
fuß und Rentenkauf.
Ein stehendes Reichsheer hat das alte deutsche Reich nicht
besessen. Wenn ein Krieg bevorstand, wurde die Aufstellung
eines Heeres aus Truppen der Reichsstände und die Bestreitung
der Kosten auf einem Reichstag beschlossen. Im übrigen half
man sich mit Söldnertruppen. Für die Zahl der von den Reichs-
ständen zu stellenden Truppen blieb die Wormser Matrikel von
1521 maßgebend, in der für einen Römerzug Karls V. die Stärke
des dem Kaiser bewilligten Heeres angegeben war. (4000 Reiter
(Reisige), 20 000 Fußknechte.) Seit 1681 übertrug man die Ver-
teilung der Truppenkontingente und deren Zusammenstellung zu
Regimentern den (10) Reichskreisen. Die Gesamtstärke wurde
auf 12 000 Reiter und 28 000 Fußknechte erhöht. Jede Mann-
schaft eines Kreises bildete ein besonderes Korps, das unter einer
eigenen Kreisgeneralität stand. Außerdem hatte jeder Kreis
einige technische Truppen und das Artilleriematerial zu be-
schaffen. An Stelle unserer heutigen Kriegsartikel bestand für
die Fußtruppen ein „Artikulbrief" und für die Reisigen die
„Reuterbestallung", die gleichfalls zu beschwören waren.
Mit den fremden Kriegsvölkern, die Deutschland über-
schwemmten, kam auch die fremde Kunstsprache zur Anwendung
im Heerwesen. Der Oberstwachtmeister wurde zum Major, der
Heerführer zum General usw.
Die Einnahmequellen des Reichs waren fast sämtlich ver-
siegt, d. h. auf die Reichsstände übergegangen. Zur Unterhaltung
des Reichsgerichts wurde eine ordentliche Steuer, die schon er-
wähnten „Kammerzieler", erhoben, bei Reichskriegen eine außer-
Engelhardt, Deutsches Staatsleben einst und jetzt. 5
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Oberrechnungskammer und das Eeneralfiskaliat, das die Be-
achtung der Gesetze seitens der Beamten zu beaufsichtigen hatte.
Der schon 1604 organisierte „Geheime Staatsrat" auch
„Geheimes Staatsministerium" genannt, der aus sämtlichen
Ministern bestand, hatte keinen besonderen Geschäftskreis und
kam unter Friedrich d. Gr. ganz außer Übung.
Infolge der immer größer werdenden Anforderungen für
Heereszwecke nach Einführung des Söldnerwesens erfuhr auch
das Finanzwesen der Territorien eine Umgestaltung. Im
Mittelalter hatte der Landesherr mit den Erträgnissen seiner
Domänen an Zinsen, Fronden und dergleichen, mit dem „Erafen-
schatz", der Steuer der Landsassen für Befreiung vom Kriegs-
dienst, mit den Gerichtserträgen und anderen Gefällen die Kosten
des Hofhalts und die Bedürfnisse öffentlicher Natur bestritten.
Alle diese durch Steuern von den Landsassen geforderten
Leistungen wurden unter dem Namen „Bede" zusammengefaßt.
Als aber die Ansprüche größer wurden und der Landesherr zu Not-
beden gezwungen wurde, d. h. zu außerordentlichen Landessteuern
greifen mußte, war das nicht ohne Mitwirkung und Bewilligung
der Landstände möglich, und in Verbindung damit vollzog sich
eine Trennung der landesherrlichen Kammer von der Landes-
finanzverwaltung, indem die Einkünfte aus den Domänen und
etwaigen Regalien (Salzregal, Bergregal) für die Kosten des
Hofhalts und der Regierung aufkommen mußten, die Beden —
überwiegend Grund- und Eebäudesteuern — dagegen unter Mit-
wirkung der Stände, ursprünglich sogar nur durch sie mit Aus-
schließung der Landesherrn, verwaltet und verwendet wurden.
Zn Brandenburg wurde die getrennte Verwaltung selbst nach
Beseitigung des ständigen Steuerbewilligungsrechts noch eine
geraume Zeit beibehalten, 1713 wurden von Friedrich Wilhelm I.
aber sämtliche Domänen für Staatseigentum erklärt. Für die
persönlichen Bedürfnisse des Königs wurde ihm eine Summe
aus den Jahreserträgen der Domänen ausgesetzt, aus der sich
später der Kronfideikommißfonds entwickelt hat.
Zn dem alljährlich aufzustellenden Staatshaushaltsetat
wurden die Einnahmen und Ausgaben des Staates ordnungs-
mäßig zusammengestellt, deren Nachprüfung der nur vom König
abhängigen Oberrechnungskammer oblag.
Selbständige Gebiete mit eigener Verfassung und eigenem
Recht (Stadtrecht) bildeten auch die
Freien Reichsstädte,
die den übrigen Reichsständen jetzt im wesentlichen gleichstanden.
Ungeachtet der Abhängigkeit, die zur Zeit des Westfälischen
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_d Friedrich Friedrich Wilhelm_I.
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
79
1814 dauernd eingeführt. Alle Wehrfähigen, die das 20. Lebens-
jahr vollendet hatten, waren künftig wehrpflichtig.
Auch in der Folgezeit ward an dem inneren Ausbau des
Staates auf der Grundlage der Stein-Hardenbergfchen Reformen
weitergearbeitet. Durch Verordnung vom 26. Mai 1818 wurden
die Provinzialzölle für den ganzen Staat aufgehoben. Alle
Zölle wurden an die Grenze verlegt. Durch hohe Durchgangs-
zölle wurden die norddeutschen Staaten, die in der Nähe des
preußischen Gebiets lagen oder davon umschlossen wurden, ge-
zwungen, sich an die preußische Zollpolitik anzuschließen. Auch
Süddeutschland sah sich hierzu gezwungen, da Preußen den Rhein,
diese wichtige Verkehrsstraße, beherrschte. So erfolgte denn auf
wirtschaftlichem Gebiet der erste Schritt zur Einigung aller deut-
schen Stämme. Am 1. Januar 1834 trat der deutsche Zollverein
in Kraft.
Die erhöhten Staatsausgaben forderten neue Einnahme-
quellen. Neben der bestehenden Grundsteuer ward für das ganze
Land eine klassifizierte Personensteuer (Einkommensteuer) als
direkte Steuer, und eine Verbrauchssteuer auf inländische Er-
zeugnisse (Salz, Tabak, Wein, Branntwein) als indirekte Steuer
festgesetzt.
So hatte der Preußische Staat unter Friedrich Wilhelm Iii.
eine vollkommene innere Neugestaltung erfahren. Dem Ver-
langen des Volkes nach größerer innerer Freiheit widerstrebte
aber der alternde König mehr und mehr. Um so größere Hoff-
nungen setzte man auf seinen Nachfolger, den ideal veranlagten
und hochbegabten Kronprinzen, späteren König Friedrich Wil-
helm Iv. —
Zwar hatte schon König Friedrich Wilhelm Iii. in den
Jahren 1808 und 1810 die Einrichtung ständischer Vertretungen
in den Vezirksregierungen und sogar eine „zweckentsprechende
Vertretung der Nation in den Provinzen und für das Ganze"
zugesagt; die Unruhe der damaligen Zeit ließ es aber zu keiner
ernstlichen Ausführung dieser Verheißungen kommen. Ebenso
kam die im Anschluß an den Wiener Konkreß im Jahre 1815 zu-
gesagte Einführung einer Volksvertretung nicht zustande. Da-
gegen ward durch Gesetz vom 5. Juni 1823 eine ständische Ver-
tretung für die einzelnen Provinzen angeordnet. Die in der
berühmten Denkschrift vom 7. September 1840 niedergelegte Bitte
der ostpreußischen Stände um eine moderne Landesverfassung
lehnte Friedrich Wilhelm Iv. ab, entschloß sich jedoch im Jahre
1842, die ständischen Ausschüsse aller Provinzen nach Berlin zu
berufen, damit sie ihr Votum über allgemeine Staatsangelegen-
heiten und Regierungsvorlagen abgäben, eröffnete ihnen aber zu-
gleich, „daß sie nur Vertreter ihrer eigenen Rechte und der Rechte
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wil- Friedrich Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Wiener_Konkreß Berlin
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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stattungen unrichtig erhobener Zölle und der Erhebungskosten,
wird von den Bundesstaaten an die Reichskasse abgeführt.
Die Höhe der Zölle ist in dem Zolltarifgesetz vom Jahre
1902, in Kraft getreten am 1. März 1906, festgesetzt; der Tarif
enthält 946 Positionen.
Um die Ausfuhr der gewerblichen Erzeugnisse nach anderen
Ländern für eine Reihe von Jahren rechtlich zu sichern und gegen
Zollerhöhungen zu schützen, hat das Deutsche Reich mit einer
Reihe von Staaten, so mit Belgien, der Schweiz, Italien, Öster-
reich-Ungarn, Serbien, Rumänien, Rußland, Schweden Handels-
verträge abgeschlossen, meist auf die Dauer von 10—12 Jahren.
In manchen dieser Verträge ist die Höhe der zulässigen Einfuhr-
zölle für die verschiedenen Warengattungen einzeln bestimmt, in
anderen ist in dieser Hinsicht nur die sogenannte Meistbegünsti-
gungsklaüsel aufgenommen, eine Bestimmung, nach der alle Rechte
und Vergünstigungen, die der eine Vertragsstaat einem dritten
Staate eingeräumt hat oder künftig einräumt, ohne weiteres auch
dem Vertragsstaate zugestanden sein sollen.
Die Handelsgesetzgebung ist Sache des Reichs.
Das deutsche Handelsrecht ist in dem Handelsgesetzbuch nieder-
gelegt, das jedoch keine selbständige Rechtsordnung bildet, sich
vielmehr im wesentlichen auf Änderungen und Zusätze zum
Bürgerlichen Gesetzbuch beschränkt. Es behandelt in vier Büchern
den Handelsstand, die Handelsgesellschaften, die Handelsgeschäfte
und das Seerecht und findet in Handelssachen vor dem Bürger-
lichen Gesetzbuch Anwendung.
9. Eisenbahnwesen.
Die Eisenbahnen im Deutschen Reiche sind Eigentum der
Einzelstaaten, deren Verwaltung sie auch unterstehen; das Reich
übt nur Aufsichtsrechte aus. Eigentum des Reichs sind die 1871
von Frankreich erworbenen elsaß-lothringischen Bahnen, die dem
„Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen" unter-
stellt sind. Seit 1872 ist auch der Betrieb der luxemburgischen
Eisenbahnen in deutsche Hände übergegangen.
Zwecks einheitlicher Gestaltung des Eisenbahnwesens im
Deutschen Reiche setzt Artikel 41 der Verfassung fest, daß Eisen-
bahnen, die im Interesse der Verteidigung Deutschlands oder im
Interesse des allgemeinen Verkehrs für notwendig erachtet
werden, kraft eines Gesetzes auch gegen den Widerspruch der
Bundesstaaten, deren Gebiet sie durchschneiden, für Rechnung des
Reichs angelegt oder an Privatunternehmer konzessioniert und
mit dem Enteignungsrecht ausgestattet werden können.
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Extrahierte Personennamen: März
Extrahierte Ortsnamen: Belgien Italien Serbien Schweden Frankreich Deutschlands
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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14. Reichsfinanzen.
Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen nach
Artikel 69 für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichs-Haus-
haltsetat gebracht werden. Dieser Etat wird vor Beginn eines
jeden Etatsjahres nach folgenden Grundsätzen festgestellt:
Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen
zunächst die aus den Zöllen und den gemeinschaftlichen Steuern J),
aus dem Eisenbahn-, Post- und Telegraphenbetrieb sowie aus deu
übrigen Verwaltungszweigen fließenden gemeinschaftlichen Ein-
nahmen. Insoweit die Ausgaben durch diese Einnahmen nicht
gedeckt werden, sind sie durch Beiträge der einzelnen Bundes-
staaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, die sog.
Matrikularbeiträge. Insoweit diese Beiträge in den Über-
weisungen des Reiches an die Bundesstaaten keine Deckung finden,
sind sie ihnen am Jahresschluß in dem Maße zu erstatten, als die
übrigen ordentlichen Einnahmen des Reichs dessen Bedarf über-
steigen.
Etwaige Überschüsse aus dem Vorjahre dienen, insoweit das
Gesetz über den Reichs-Haushaltsetat nichts anderes bestimmt,
zur Deckung gemeinschaftlicher außerordentlicher Ausgaben.
Die Einnahmequellen des Reichs sind also
3) Zölle,
t>) Verbrauchssteuern,
c) sonstige Reichssteuern,
d) Post-, Telegraphen- und Eisenbahnbetrieb,
e) Reichsbank- und Reichsdruckereibetrieb,
f) Verschiedene Verwaltungseinnahmen,
g) Matrikularbeiträge der Bundesstaaten.
Aus diesen Einnahmen hat das Reich zu bestreiten Aus-
gaben für
a) die Reichsverwaltung,
b) die Schutzgebiete,
c) die Verzinsung und Tilgung der Reichsschuld,
Das Reich erhebt Verbrauchssteuern auf Zucker, Salz, Vier,
Branntwein, Tabak, Zigaretten, Schaumwein, Leuchtmittel und Zünd-
waren. Weitere Reichssteuern sind die Erbschaftssteuer, die Wechsel-
stempelsteuer, die Spielkartensteuer und die im Reichsstempelgesetz aus-
geführten Steuern auf Aktien und sonstige Schuldverschreibungen, Ee-
winnanteilscheine und Zinsbogen, Kauf- und sonstige Anschaffungs-
geschäfte über Wertpapiere, ausländische Banknoten, Papiergeld und
Eeldsorten, Lotterielose, Frachturkunden, Personenfahrkarten, Kraft-
fahrzeuge, Tantiemen, Schecks, Erundstücksübertragungen, Fidei-
kommisse, Lehn- und Stammgüter und auf den Wertzuwachs bei Erund-
stücksübertragungen.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
96
d) das Reichsheer,
e) die Marine,
f) die Schutztruppe, ferner
g) die Überweisungen an die Bundesstaaten,
h) Zahlungen aus dem allgemeinen Pensionsfonds.
Für außergewöhnliche Fälle ist das Reich zur Aufnahme
von Anleihen befugt.
Die R e i ch s f ch u l d beträgt gegenwärtig 4,8 Milliarden
Mark. Sie besteht in Reichskassenscheinen (für 120 Millionen
Mark ä 5 und 10 Mark), Schatzanweisungen und Reichsschuld-
verschreibungen zu 3, 31/2 und 4 %. Ihr gegenüber besitzt das
Reich in seinen 1871 erworbenen elsaß-lothringischen Eisen-
bahnen, in dem Reichskriegsschatz, dem Reichsinvalidenfonds,
seinen Dienstgebäuden usw. ein Vermögen von etwa 1 Milliarde
Mark. Die Reichsanleiheschuld ist vom 1. April 1911 ab all-
jährlich in Höhe von 1,9 % von Anleihen für werbende Zwecke,
im übrigen von 3 % des jeweiligen Schuldbetrages zu tilgen.
Die Verwaltung der Reichsschulden ist der Preußischen
Hauptverwaltung der Staatsschulden übertragen. Die Prüfung
des Reichs-Haushaltsetats erfolgt durch den „Rechnungshof des
Deutschen Reiches", der mit der preußischen Oberrechnungskammer
zu Potsdam verbunden ist.
15. Die Rechtspflege.
Nach Artikel 4 übt das Reich die Gesetzgebung über das
gesamte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche
Verfahren aus.
Die entsprechenden Gesetze sind
das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. August 1896, in Kraft
getreten am 1. Januar 1900. Erst seit dieser Zeit also
besitzt das deutsche Volk ein gemeinsames Privatrecht
nach jahrhundertelanger Unsicherheit und Verschieden-
heit des geltenden Rechts;
das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai
1871, durch das auf dem Gebiete des Strafrechts nach
drei Jahrhunderten die Einheit wiederhergestellt wurde;
das Gesetz vom 6. Februar 1875 betreffend die Beur-
kundung des Personenstandes und die Eheschließung;
das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877;
die Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877;
die Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877;
die Konkursordnung vom 10. Februar 1877;
die Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878;
das Gerichtskostengesetz vom 18. Juni 1878.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
101
führung den Einzelstaaten überlassen bleibt. Die übrigen Auf-
gaben der Polizei werden durch die Landesgesetzgebung geregelt.
Das Paßwesen ist geregelt durch das Bundesgesetz vom
12. Oktober 1867. Danach ist der ehemalige Paßzwang für den
Aufenthalt und für Reisen innerhalb Deutschlands sowie für das
Verlassen des Reichsgebiets aufgehoben. Auch von Ausländern
werden in der Regel keine Reisepapiere gefordert. Doch muß sich
jedermann über seine Person, und wenn er die daraus fließenden
Rechte, z. V. das Wahlrecht, geltend machen will, auch über seine
Staatsangehörigkeit ausweisen. Im Falle eines Krieges, innerer
Unruhen oder wenn sonst die öffentliche Sicherheit und Ordnung
bedroht sind, kann durch Kaiserliche Verordnung der Paßzwang
überhaupt oder in bestimmtem Umfange wieder eingeführt
werden.
Die Fremdenpolizei wird durch die Einzelstaaten
wahrgenommen (S. 113),
Die Heimats - und Niederlassungsverhält-
nisse sind in den schon erwähnten Gesetzen über die Reichs- und
Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, über die Freizügigkeit
vom 1. November 1867 und über den Unterstützungswohnsitz vom
6. Juni 1870, das mehrfach ergänzt worden ist, geregelt.
Der Gewerbebetrieb ist im allgemeinen frei und nur
mit Rücksicht auf Leben und Gesundheit der Einwohner in
mancher Hinsicht beschränkt durch die mehrfach geänderte und er-
weiterte Gewerbeordnung vom 21. Juli 1869.
Das Versicherungswesen ist von Reichs wegen ge-
regelt durch das Gesetz vom 12. Mai 1901, das die Privatversiche-
rungsunternehmungen der Staatsaufsicht unterwirft, und durch
das Gesetz über den Versicherungsvertrag, dessen Bestimmungen
darauf abzielen, die Vertragsfreiheit auf diesem Gebiete einzu-
schränken und in den wichtigsten Fragen der Privatversicherung
feste, für den Versicherer wie für den Versicherungsnehmer bin-
dende Grundsätze aufzustellen.
In das Gebiet der Medizinalpolizei fallen:
das Reichsimpfgesetz vom 8. April 1874, das eine Impfung
aller im ersten und zwölften Lebensjahre stehenden Per-
sonen vorschreibt;
das Gesetz betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank-
heiten vom 30. Juni 1900, das die Anzeigepflicht bei an-
steckenden Krankheiten (Cholera, Aussatz, Pocken, Fleck-
fieber und Pest) und die Maßnahmen gegen ihre Ver-
breitung durch Absperrung und Desinfektion vorschreibt;
das Gesetz betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genuß-
mitteln und Eebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879,
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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das über deren Beschaffenheit mit Rücksicht auf gesund-
heitfchädigende Wirkungen bestimmte Grundsätze auf-
stellt;
das Gesetz betr. den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz
und deren Ersatzmittel vom 15. Juni 1897, das die
Käufer vor Benachteiligung schützen will;
das Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz vom 3. Juni 1900,
das die Untersuchung der zum Genusse bestimmten Fleisch-
waren vorschreibt;
das Süßstoffgesetz vom 7. Juli 1902, das die Verwendung
des Saccharins im Interesse des Zuckerkonsums ein-
schränkt, und
das Weingesetz vom 7. April 1909 zum Schutz der Wein-
konsumenten gegen Fälschung usw. der Weine.
In das Gebiet der Veterinärpolizei fallen:
das Gesetz betr. die Rinderpest vom 7. April 1869;
das Gesetz betr. die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei
Viehbeförderung auf Eisenbahnen vom 25. Februar 1876;
das Viehseuchengesetz, in neuer Fassung unter dem 26. Juni
1909 veröffentlicht, das bei Seuchenkrankheiten von
Tieren die Anzeigepflicht und die Maßnahmen zur
Unterdrückung vorschreibt (Milzbrand, Tollwut, Rotz
der Pferde, Maul- und Klauenseuche des Rindviehs, der
Schafe und Schweine, Lungenseuche des Rindviehs, Rot-
lauf der Schweine, Eeflügelcholera);
das Gesetz zur Abwehr und Unterdrückung der Reblaus-
krankheit vom 6. Juli 1904.
Das Pressewesen ist durch das Preßgesetz vom 7. Mai
1874, das im allgemeinen die Preßfreiheit begründet, das Ver-
eins- und Versammlungsrecht durch das Reichs-
vereinsgesetz vom 19. April 1908, das im allgemeinen die Ver-
eins- und Versammlungsfreiheit begründet und nur für politische
Vereine und Versammlungen einschränkende Bestimmungen trifft,
geregelt.
Von Reichspolizeigesetzen sind noch zu nennen: das Gesetz
vom 1. Juli 1868, durch das die öffentlichen Spielbanken
ohne Entschädigung aufgehoben wurden und die Konzessionierung
oder Duldung von neuen verboten worden ist; das Gesetz vom
4. Juli 1905, durch das die geschäftsmäßige Vermittlung von
Wetten bei öffentlichen Pferderennen verboten worden ist;
das Jesuitengesetz vom 4. Juli 1872, dessen § 2, der die
Ausweisung der ausländischen und Aufenthaltsbeschränkungen
für die inländischen Angehörigen der Gesellschaft Jesu zuläßt,
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Dem Könige stehen eine Reihe von Ehrenrechten zu; die
Königliche Amtsbezeichnung Majestät, Allerhöchst, Wappen,
Halten eines Hofstaats, Fürbitte im Kirchengebet und allge-
meine Landestrauer beim Tode, ferner das Recht der Verleihung
von Orden und anderen nicht mit Vorrechten verbundenen Aus-
zeichnungen. Der König beruft, eröffnet, vertagt und schließt die
Sitzungen der Kammern.
Die Krone des preußischen Königshauses ist erblich im
Mannesstamm des Geschlechts der Hohenzollern nach dem Recht
der Erstgeburt und der agnatifchen Linealfolge. Der König wird
mit Vollendung des 18. Jahres großjährig.
Die Einnahmen des Königs beruhen auf dem ererbten
Krön- und Familienfideikommiß. Aus Staatsmitteln fließt in
den Kronfideikommißfonds ein Betrag von 19 */4 Millionen
Mark. An einer Anzahl von Parks und Schlössern steht dem
König das Nutzungsrecht zu.
Die Verwaltung der persönlichen und Vermögensangelegen-
heiten des Königs und des Königlichen Hauses geschieht durch
das Hausministerium. Es bildet den ordentlichen Gerichtsstand
in nicht streitigen Angelegenheiten, einschließlich der Standes-
amtssachen.
Für vermögensrechtliche Streitigkeiten mit dem König oder
Mitgliedern des Königlichen Hauses ist in Berlin beim Kammer-
gericht ein besonderer Gerichtshof, der Geheime Justizrat, ge-
bildet.
Von Steuern und Abgaben, Porto- und Telegraphen-
gebühren ist der König befreit.
7. Die Kammern.
Die gesetzgebende Gewalt wird, wie gesagt, gemeinschaftlich
durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Über-
einstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Ge-
setz erforderlich.
Während also im Reich der König von Preußen als Deut-
scher Kaiser auf das Zustandekommen der Gesetze keinen unmittel-
baren Einfluß hat — die Übereinstimmung von Bundesrat und
Reichstag ist hier ausreichend und erforderlich —, bedürfen die
preußischen Gesetze nach Annahme durch die beiden Kammern der
Zustimmung des Königs. Ist sie durch Vollzug der Unterschrift
mit Gegenzeichnung des Staatsministeriums erteilt, so wird das
Gesetz in der Preußischen Gesetzsammlung veröffentlicht und er-
hält damit verbindliche Rechtskraft. Sowohl dem König, als
auch beiden Kammern steht das Recht zu, Gesetze einzubringen.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Hofgerichten oder an ihrer Stelle entstanden zumal in den Kur-
fürstentümern, die das Privileg besaßen, daß ihre Untertanen
nicht an das Reichshofgericht appellieren konnten, als höchste Be-
rufungsgerichte fürstliche Kammergerichte, in denen der
Landesherr oder der Hofmeister den Vorsitz führte, die Räte
aber meist dem Stande der Rechtsgelehrten angehörten.
Nachdem die niederen Landgerichte, beschränkt auf die nicht-
ritterlichen Grundbesitzer und die übrigen freien Bauern, an die
Stelle der Erafengerichte getreten waren, bildeten sich für Zwecke
der niederen Gerichtsbarkeit neue Untergerichte — Kirchspiel-
oder Dorfgerichte —, an deren Spitze ein Schulze (Zentgraf,
Vauermeister) stand, der entweder vom Eerichtsherrn eingesetzt
wurde oder (namentlich im Nordosten) erblicher Lehnschulze war.
Die niederen Gerichte verloren allmählich ihre Verbindung mit
dem Staat und wurden zu Patrimonial- (Guts-) Gerichten.
In den höheren sowohl als auch in den niederen Gerichten
wirkten Schöffen bei der Urteilsfindung mit, hier wie dort gab
es echte und gebotene Dinge.
Als Landes ft euer wurde von den freien Grund-
besitzern eine „Bede", der frühere Erafenschatz, eine in Geld zu
entrichtende Grund- und Gebäudesteuer eingezogen. Die Heer-
pflichtigen Adeligen, die Ritterschaft, zum größten Teil auch der
geistliche Grundbesitz waren bedefrei. Bei besonderen Anlässen
wurden als außerordentliche Landessteuer Notbeden erhoben,
bei denen es keine Befreiungen gab; sie bedurften aber jedesmal
der Bewilligung durch die Landstände. In den Städten, häufig
auch auf dem Lande, wurde die Bede gemeindeweise umgelegt.
Daneben waren noch Naturalabgaben und -dienste zu leisten.
In den Städten wurde als indirekte Steuer eine Verbrauchs-
steuer von Lebensmitteln, das „Ungeld" oder die „Akzise"
erhoben.
Ebenso wie im Reich der Kaiser, zogen auch die Fürsten
— zunächst nur die Herzöge und Markgrafen — die Großen ihres
Landes zu Beratungen, „Hoftagen" heran. Auch hier ward aus
dieser Übung ein Recht der Großen, mit Sitz und Stimme auf
Landtagen zu erscheinen; sie wurden Landstände genannt
und dehnten ihre Wirksamkeit bald auf die gesamte Landes-
gesetzgebung aus. Sie benutzten, ganz nach dem Vorbild des
Reiches, ihre Rechte, namentlich das Steuerbewilligungsrecht,
um bei Geldnot der Fürsten oder in politische bewegten Zeiten
Freiheiten und Zugeständnisse von Rechten zu erlangen. Neben
den Prälaten, Grafen, Edlen und Ministerialen erlangten auch
die Landstädte die Landstandschaft. —
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]