Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die staatliche Organisation und das politische Leben Deutschlands. 193
gesamte Zollwesen, über die Beglaubigung des im Bundesgebiete gewon-
neuen Salzes, Tabaks, Branntweins, Bieres, Rübenzuckers und Rübensirups.
Die Erträgnisse hiervon fließen nach Abzug der Erhebuugskosteu :e. (teilweise
auch mit 15 Proz. der Gesamteinuahme) in die Reichskasse (Art. 33—40).
Bayern, Württemberg und Baden haben die Besteuerung von Bier und Brannt-
wein ihrer Landesgesetzgebung vorbehalten.
Eisenbahnen, welche im Interesse der Verteidiguug Deutschlands oder
im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für notwendig erachtet werden, können
gegen den Widerspruch der Bundesmitglieder, deren Gebiet durchschnitten werden
soll, hergestellt werden. Das deutsche Eisenbahnnetz, die Eisenbahnreglements :c.
sollen einheitlich gestaltet werden. Das Reich hat die Kontrolle über das Tarif-
wesen und sorgt für entsprechende Ermäßigung hinsichtlich gewisser notwendiger
Gegenstände (namentlich Lebensmittel, Rohprodukte für die Industrie :c.).
Den Anforderungen der Behörden des Reichs in betreff der Benutzung der
Eiseubahueu zum Zwecke der Verteidiguug Deutschlands haben sämtliche Eisen-
bahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leisten (Art. 41—47).
Hinsichtlich der Gestaltung des Eisenbahnnetzes und der Tarifbestimmungen hat
sich Bayern gewisse Separatrechte gesichert.
Das Post- und Telegraphenwesen hat eine einheitliche Gestaltung und
Verwaltung und dereu Oberleitung kommt dem Kaiser sowie den von ihm ein-
gesetzten Behörden zu. Der Kaiser beruft alle Oberbeamten, die Landesregie-
ruugeu ernennen die Unter- und eigentlichen Betriebsbeamten (Art. 48—52).
Bayern und Württemberg haben Separatrechte, die besonders den inneren
Verkehr und den Verkehr mit denjenigen Nachbarstaaten derselben betreffen, die
nicht dem Reiche angehören.
Die Kriegsmarine ist eine einheitliche; der Kaiser ernennt die Offiziere
und Beamten und verpflichtet dieselben nebst den Mannschaften eidlich. Der
Kieler und Jadehasen (Wilhelmshaven) sind Reichskriegshäfen. Die Kosten
der Kriegsflotte werdeu aus der Reichskasse bestritten. Die ganze seemännische
Bevölkerung des Reichs ist zum Dienste in der kaiserlichen Marine verpflichtet.
— Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Han-
delsmarine. Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarz-weiß-
rot (Art. 53—55).
Das Reich bestimmt das Verfahren zur Ermittelung der Ladungsfähigkeit der
Seeschiffe, regelt die Ausstellung der Meßbriefe sowie der Schiffseertifikate und der
Bedingungen für die Erlaubnis zur Führung eines Seeschiffs. In den Seehäfen
und auf allen Wasserstraßen der einzelnen Bundesstaaten werden die Schiffe aller
Bundesstaaten zugelassen und Abgaben von denselben nur erhoben zur Deckung
notwendiger Kosten. Höhere Abgaben für fremde Schiffe und deren Lasten ein-
zuführen steht nur dem Reiche zu.
Das gesamte Konsulatswesen steht uuter der Aufsicht des Kaisers, der
die Konsuln nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrats für Handel
und Verkehr ernennt (Art. 56). Landeskonfulate fallen fort.
Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser
Pflicht nicht vertreten lassen. Die Kosten und Lasten des gesamten Kriegs-
wesens sind von allen Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu
tragen. Jeder wehrfähige Deutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel
vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, dem stehenden
Das Deutsche Reich. 13
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
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Rübezahlsagen. 157
Nübezahllagcn. Rübezahl erlöst einen Schuhmachergesellen vom
Galgen. In einem Städtchen am Riesengebirge hielt ein Schuhmachergeselle sich
bei einem Meister auf, dem er an den Arbeitstagen tüchtig beim Handwerk half.
Sonntags jedoch hielt den lustigen Gesellen nichts im Zimmer, dann streifte er gern
in Feld und Wald umher. Zu seinen Lieblingsgewohnheiten gehörte es, nach
dem Gebirge zu gehen und dort in seinem Übermut den Berggeist zu verhöhnen
und zu beschimpfen. Nichts aber konnte Rübezahl mehr erzürnen, als Spott-
lieder, die auf ihn gesungen, und Spottreden, die auf ihn gehalten wurden;
deshalb bestrafte er den kecken Gesellen stets mit einem plötzlichen Unwetter,
das demselben jedoch keinen großen Schaden brachte, da er niemals auf das
Gebirge selbst ging. Rübezahl strengte nun seinen Kopf an, um auf Rache für
den Übelthäter zu sinnen. Der Abschied desselben vom Meister sollte ihm Ge-
legenheit dazu geben. Ehe er fortwanderte, packte der Geselle alles, was ihm
gehörte, in sein Felleisen; Rübezahl aber nahm heimlich aus des Meisters
Schrank einen silbernen Becher, silbernen Löffel, viele schöne Schaupsenuige
und legte alles in das bereits verschlossene Felleisen, mit welchem der Geselle
bald darauf gutes Mutes fortzog. Nicht lange währte es,, so öffnete der Schuh-
macher seinen Kleinodienschrank, um zu den dort vorhandenen einen neuen Schau-
Pfennig hinzuzulegen. Wie groß war aber sein Schrecken, als er viele von seinen
Kleinodien vermißte; ohne Bedenken fragt er alle seine Hausgenossen aus, hält
strenge Untersuchung, findet jedoch alle unschuldig. Nun erst fällt ihm der Ge-
felle ein, der ihn erst vor kurzer Zeit verlassen hat; schnell macht er sich auf
den Weg, holt ihn bald ein und setzt ihn zur Rede, ob er vielleicht dieses oder
jenes von den verschwundenen Kleinodien gesehen habe. Mit gutem Gewissen
antwortet der Geselle, daß ihm nichts darüber bekannt sei und daß er ihm ehr-
lich und treu gedient habe; er möge sich selbst überzeugen, daß in dem Felleisen
nur sein Eigentum vorhanden sei. Ohne Umschweife öffnet er sein Ränzel,
nimmt seine Sachen heraus und hält plötzlich die vermißten Wertsachen des
Meisters in der Hand, der höchlich erfreut über den Fang ist. Vergebens be-
tenert der Geselle, der ganz starr vor Schrecken ist, seine Unschuld, sagt, daß
vielleicht ein andrer ihm aus Rache die Kleinodien hineingelegt habe; der Meister
glaubt ihm nicht, schleppt ihn zum Gericht, wo ihm der Prozeß gemacht und er
zum Tode verurteilt wird. Alle seine Beteuerungen, daß er unschuldig sei, helfen
ihm nichts; der Tag, an dem er gerichtet werden soll, wird festgesetzt. Bevor er
jedoch seinen letzten Gang antritt, erscheint Rübezahl bei ihm und fragt ihn,
was er hier mache, worauf er mit betrübter Miene erwidert, daß er heute noch
gehenkt werden soll eines Diebstahls wegen, den er nicht begangen. „Siehe",
sprach nun Rübezahl, indem er sich zu erkennen gab, „diese Schande habe ich dir
bereitet, weil du es nie unterlassen konntest, mich zu verhöhnen. Jetzt aber hast du
genug erduldet, und ich gebe dich wieder frei." Darauf löste er ihm die Ketten,
in die er sich selbst schloß, machte ihn unsichtbar und ließ ihn aus dem Gefängnis
entwischen. Nicht lange währte es, so erschien ein Pastor, um den Sünder beichten
zu lassen und ihm das Abendmahl zu geben. Auf alle Ermahnungen desselben
hatte Rübezahl jedoch nur Spott bei der Hand, den er auch beibehielt, als er zum
Thore hinaus nach dem Galgen geführt wurde, an den man ihn henkte. Wie groß
war jedoch das Entsetzen der Anwesenden, als sie, nachdem die Henkersknechte
von der Leiter heruntergestiegen waren, am Galgen nur ein Bund Stroh sahen!
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
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432 Im Regierungsbezirk Posen.
„Die jüdischen Gauner in Deutschland, ihre Taktik, ihre Eigentümlichkeiten und
ihre Sprache"), so müssen wir finden, daß das Städtebuch das Unwesen in
Betsche mit recht milden Worten charakterisiert. Thiele sagt: „Gleich einem
Krebsschaden griff die Kalamität immer weiter um sich, bis alle Schranken
zusammengestürzt waren und die Regierungsfürsorge sich nur noch darauf be-
schränken konnte, den sittlichen Brand soviel als möglich in den Kreis einzu-
dämmen, wo er, immer neue Nahrung findend, einmal nicht mehr zu dämpfen war.
Es war hier, wo man in einem Zeitraum von zehn Jahren vier Magistratsvorsteher
wegen der empörendsten Pflichtverletzungen dem Gesetze verfallen sah: es war
hier mit einem Worte der Zentralpunkt des gaunerischen Verkehrs nicht nur in
Preußen, sondern im ganzen östlichen Deutschland." Begnügen wir uns nicht
mit diesem Urteil, sondern gehen wir den Dieben ein wenig nach, suchen wir
ihrem Treiben und den Bemühungen der Polizei unter der Führung des ge-
nannten Buches zu folgen.
In Berlin wurden am 1. Januar 1826 einem Kaviarhändler aus Ruß-
land 6000 Thaler gestohlen mittels Nachschlüssels, ein Diebstahl, der damals
großes Aufsehen erregte. Der Verdacht lenkte sich auf den Bedienten des Be-
stohlenen, der zur Untersuchung und Hast gezogen wurde, aber freigesprochen
werden mußte. Noch in demselben Jahre wurden in Berlin mehrere freche
Diebstähle verübt, unter denen der von 2500 Thalern bei einem Tuchhändler
besonders hervorragte. Auch die folgenden Jahre brachten eine Reihe von
Diebstählen, deren Thäter nicht ermittelt werden konnten. Im Jahre 1830
wurden vornehmlich die Kassen der Buchhändler bestohlen. Nicht weniger als
33 Diebstähle, deren Thäter nicht aufzufinden waren, kamen in diesem einen
Jahre zur Anzeige; ungefähr 9000 Thaler waren gestohlen worden. Als nun
gar in der Nacht zum 23. Dezember desselben Jahres in der Quästur der könig-
lichen Universität mit erstaunlicher Kühnheit und Gewalt 2300 Thaler Gold
und Kurant gestohlen waren, ein Diebstahl, zu dessen Vollführung nicht weniger
als acht Thüren und zwei mit Eisen beschlagene Geldkasten erbrochen worden,
da schien in Berlin Eigentum überhaupt nicht mehr sicher zu sein. Nur der
unausgesetzten Thätigkeit der Polizei gelang es, die Diebe aufzufinden. Es
waren nämlich öfters zwei fremde Juden in Begleitung des in Berlin wohnenden,
als Nachschlüsseldieb bekannten Löwenthal gesehen worden. In Erfahrung wurde
gebracht, daß die Fremden schon wiederholentlich gestohlen hatten. Einige der
bestohlenen Buchhändler sagten aus, daß sie die beiden Fremden vor den bei
ihnen verübten Diebstählen in ihren Geschäften gesehen hätten. Nun wurde
bei Löwenthal Haussuchung gehalten. In seiner Wohnung war seine Ehefrau
Fanny, die Tochter eines berüchtigten Diebes aus Betsche, sein elfjähriger
Sohn Louis und ein Dienstmädchen, die Tochter eines sehr verrufenen Diebes
aus Potsdam.
Zunächst fiel es den Polizeibeamten auf, daß sie bei Löwenthal rot-
buchenes Holz fanden, dasselbe Holz, aus dem ein zugespitzter Keil in dem
Lokale der Universitätsquästur gesunden war. Der Verdächtige hatte ein nicht
unbedeutendes Warenlager, und als er gefragt wurde, wie er zu den Waren
gekommen fei, holte er aus einer Rocktasche eine Rechnung über dieselben hervor
und steckte bei dieser Gelegenheit seiner Frau zwei zugleich aus der Tasche ge-
zogene Nachschlüssel zu. Lange suchten die Beamten noch nach weiteren verdächtigen
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Extrahierte Personennamen: Thiele Fanny Louis
Extrahierte Ortsnamen: Posen Deutschland Deutschland Berlin Berlin Berlin Berlin Potsdam
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Die Betscher Gauner. 433
Gegenständen vergeblich, bis ein am Fenster stehender Blumentopf die Auf-
merksamkeit eines Beamten auf sich zog. Der Topf wurde zerschlagen und es
fanden sich in einem Läppchen in der Erde 29 doppelte, 15 einfache und 12
halbe Friedrichsdor Geld, das nach der Aussage des Löwenthal schon lange
dort von ihm aufbewahrt wurde. Weil nun schon mehrere Thatsachen gegen
Löwenthal sprachen, wurde er, seine Frau, sein Sohn und sein Dienstmädchen
verhaftet. Weitere Nachsuchungen brachten eine Börse mit 64 Lonisdor zum
Vorschein, von denen der bestohlene Qnästor einige als ihm entwendet erkannte,
und einen Nachschlüssel, der in einem Vogelbauer versteckt war und der, wie sich
bald herausstellte, das Gewölbeschloß in der Quästur öffnete. Als der Gefangene
einsah, daß ihm kein Leugnen seine Freiheit wiedergeben würde, daß zu viele
Thatsachen gegen ihn sprachen, da gestand er ein, daß er einer wohlorganisierten
Diebesbande angehöre und gestehen werde, wenn ihm Ungestraftheit zugesichert
würde. Die Behörden waren anfänglich wohl im Zweifel, ob einem so ge-
fährlichen Menschen ein solches Zugeständnis gemacht werden könne. Da man
aber kein Mittel fand, der Diebe habhaft zu werden, so wurde dem Löwenthal
Begnadigung versprochen, wenn er alles gestände und jeden Dieb namhaft machen
würde. Nun gestand Löwenthal, daß er eigentlich ein Nepper, d. h. ein Be-
trüger, sei, erst 1828 ein Gannew, d. h. ein Dieb, geworden sei und sich einer
Chawrusse, d.h. einem Diebesverein, angeschlossen habe und bei 37 Diebstählen
beteiligt sei. Nenn sehr gefährliche Diebe wurden von ihm namhaft gemacht
und von der Polizei verhaftet, er selbst in Freiheit gesetzt.
Unter den Verhafteten befanden sich auch zwei Polizeivigilauteu, Jonas
und Rosenthal. Solche Vigilanten sind Menschen, die meist wegen Diebstahls
mehrere Male bestraft worden, dann aber in den Dienst der Polizei getreten
sind, um ihr beim Auffinden der Diebe behilflich zu sein; sie bekommen, wenn
sie Diebe aussindig machen, für ihre Thätigkeit vom Staate eine Vergütigung;
ihre Dienste sind, weil solche Menschen mit den Schlichen der Diebe am besten
bekannt sind, oft von großem Nutzen.
Die Gauner wußten Rosenthal und Jonas allmählich auf ihre Seite zu
ziehen, so daß diese zwar meist nicht persönlich stahlen, aber die Aufmerk-
samkeit der Polzei von den Dieben ablenkten und für diesen Dienst einen Teil
der Beute erhielten. Rosenthal verstand sich außerdem vorzüglich auf das
Baldowern, d. h. er wußte Gelegenheiten zum Stehlen auszukundschaften und
diese den Gaunern anzugeben. Leider konnte die Polizei mit den Verhafteten
nichts anfangen, da kein einziger gestand, und schon war man nahe daran, die
Menschen frei zu geben, als Mißgunst eines Gefangenen die Angelegenheit in
ein andres Fahrwasser brachte. Wohlauer nämlich wußte, daß er von Löwenthal
verraten worden und daß dieser für den Verrat in Freiheit gesetzt war; zugleich
war es ihm nicht unbekannt geblieben, daß der Angeber nur unter der Be-
dingung eines vollständigen Bekenntnisses begnadigt war, dieser aber einige
Diebe aus seiner Verwandtschast verschwiegen hatte. Nun wünschte anch er die
Freiheit zu erhalten, wenn er alles entdecken würde. Als ihm dies nicht ge-
währt wurde, rächte er sich an Löwenthal, indem er erklärte, daß dieser kein
vollständiges Bekenntnis abgelegt habe. Der entlassene Schuft und andre Diebe
wurden eingezogen. Wiederum gestand niemand; vor allen Dingen leugnete
der Vigilant Rosenthal, auf dessen Aussage alles ankam, hartnäckig. Wohlauer
Deutsches Land und Volk. Viii. 23
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Extrahierte Personennamen: Löwenthal Jonas Rosenthal Rosenthal Jonas Rosenthal Rosenthal Wohlauer
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436 Im Regierungsbezirk Posen.
deren Stammtafeln nichts als Räuber und Diebe nachweisen. Eine wahre Geißel
aller öffentlichen Kassen und begüterten Privatpersonen, hatten sie es verstanden,
seit einer Reihe von Jahren, ja seit einem Menschenalter ihr verbrecherisches
Treiben fortzusetzen, größtenteils nur von und durch Diebstahl zu leben und
oft zahlreiche Familien zu erhalten, ohne von der strafenden Gerechtigkeit mehr
als höchstens oberflächlich berührt zu werden."
Von den in der Verhandlung erörterten Verbrechen bestehen 506 aus
Raub und gewaltsamen oder sonst beträchtlichen Diebstählen, durch die 46 öffent-
liche Kassen und 460 Privatpersonen, soweit sich der Betrag hat feststellen lassen,
um mehr als 210 000 Thaler bestohlen worden sind: die Akten bestehen aus
2050 Bänden. An Zuchthausstrafe wurde in erster Instanz erkannt auf 1264
Jahre, an körperlicher Züchtigung auf 1380 Streiche. Zu 10 Jahren und
darüber sind 56 Individuen verurteilt, das höchste Strafmaß ist 30 Jahre;
freigesprochen find von den Angeschuldigten nur fünf Personen.
Merkwürdige Resultate hat die Untersuchung des gaunerischen Banden-
Wesens zu Tage gefördert, von denen nur einiges angeführt werden soll. Die
Diebe sind vollständig organisiert, jeder hat bestimmte Aufgaben, die zu lösen
er am meisten geeignet erscheint, jeder hat seinen Spitznamen, mit dem er ge-
rufen wird, nm nicht verraten zu werden; die Diebe sprechen ihre eigne Sprache,
in der vieles aus dem Hebräischen entlehnt ist; sie wenden dieselbe an, um von
unbemerkten Lauschern nicht verstanden zu werden. Mehrere Diebe vereinigen
sich zu einer Chäwre oder Chawrnsse, d. h. zu einer Diebesbande. Jede Ge-
sellschast hat einen Bohnherrn oder Balmassematten, d.h. einen Anführer; seine
Wahl hängt von der Größe seiner Geschicklichkeit'im Einbrechen, im Öffnen von
Schlössern oder dergleichen ab. Jede Chawrusse besitzt ihr gemeinschaftliches
Schränkzeug (d.h. das zum Einbrechen erforderliche Werkzeug), ihre Klamoniß
(d. h. Nachschlüssel) und ihr Fuhrwerk. Die Diebe zerfallen in verschiedene
Klassen. Diejenigen, welche mittels nächtlichen Einbruchs stehlen, heißen Schrän-
ker; Nachschlüsseldiebe werden Taltalmifch, auch Kuffer, Latthener genannt. Die
bei Tage stehlen, heißen Jommakkener; ein Schottenseller betreibt den Diebstahl
auf Messen, Märkten und in Kaufläden; ein Torfdrucker oder Seifensieder ver-
übt den Taschendiebstahl ans Messen und Märkten, im Theater und bei Volks-
festen; Chalseu sind Leute, die beim Umwechseln des Geldes stehlen; Kitten-
schieber sind solche, die sich in Häuser einschleichen, besonders in den Morgen-
stunden, dann in die Zimmer treten und, wenn sie keinen Menschen in denselben
finden, Geld und Wertsachen entwenden; Goleschächter pflegen von Reise- und
Frachtwagen Koffer oder Warenballen abzuschneiden; die Tchillesgänger gehen
in den Abendstunden oder in der Dämmerung auf Diebstahl aus; die Nepper
prellen besonders die Landleute, indem sie ihnen falsche Ware für richtige, un-
echte für echte ausgeben, z. B. Tombak für Gold, Neusilber für echtes Silber.
Eine wichtige Rolle fpielt in der Bande der Baldower, oft alte und schwache
Leute, die selbst nicht mehr stehlen können; sie haben die günstige Gelegenheit
zum Diebstahle auszukundschaften, ihnen gebührt dann ein bedeutender Anteil
an der Beute.
An vielen Stellen haben die Diebe ihre Chessen Spiesen oder Ehesten
Pennen (d. h. ihre Diebesherbergen), in denen sie zusammen ihre verderblichen
Pläne schmieden und das geraubte Gut verprassen.
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28 Aus Schlesiens Vergangenheit.
Da alle gefundenen edlen und unedlen Metalle zu dem Regale des Fürsten
gehörten, so mußten die gewonnenen edlen Metalle an den fürstlichen Brenn-
gaden abgeliefert werden, wo sie geschmolzen und gereinigt, gewogen und pro-
biert wurden. Der Brenngaden stand unter dem Münzmeister, dem auch die
Münzer untergeben waren. Da nun die Münze ein fürstliches Recht war. so
mußten auch edle Metalle, die zum Verkauf in die Stadt gebracht wurden,
zuerst dem Münzmeister zum Kauf angeboten werden. Man konnte an der
Münzstätte aus feinem eignen Gold und Silber das nötige Geld gegen Ent-
fchädigung prägen lasten. Diese Entschädigung wurde zuweilen durch die Gnade
des Herzogs erlassen, z. B. dem Kloster Trebnitz für monatlich eine Mark
Silbers in der Breslauer Münze.
Zu einem festen Gebrauch war es geworden, daß in jedem Jahre dreimal
neue Münzen geprägt wurden, nachdem vorher die alten verrufen worden waren,
welche dann gegen neue ausgewechselt, aber zu einem niedrigeren Satze an-
genommen wurden. Natürlich hatte diese häufige Verrnsung und Verschlagung
der Münzen große Unbequemlichkeiten und Nachteile für den gewöhnlichen Ver-
kehr und Handel, besonders da die Münzen nur in dem engen Gebiete Geltung
hatten, welches dem Münzherrn uuterthau wor.
Deshalb scheint allmählich die landesübliche Umprägung abgeschafft und
als Ersatz für den aus derselben geflossenen Gewinn eine allgemeine Steuer
auf alle liegenden Gründe eingeführt worden zu sein, welche den Namen
„Münzgeld (pecunia monetalis)" erhielt, während das Münzregal des Herzogs
und die Verwaltung durch dessen Münzer oder auch die Verpachtung der
Münze fortbestand.
Das Gold stand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, aus der
wir Nachweise haben, also wohl auch früher und später, zu dem Silber im
Wertverhältnis von 10 zu 1, d. h. eine Mark Goldes war so viel wert wie
zehn Mark Silbers. Man rechnete einerseits nach Marken, Vierdungen, Loten
und Skoten, anderseits nach Pfunden und Schillingen, in beiden Fällen zu-
gleich nach Pfennigen und später auch nach Obolen.
Über die Ausdrücke Mark und Pfund ist zu bemerken, daß der letztere der
ältere, jener der jüngere ist. Ursprünglich war das Pfund (libra) ein Gewicht
von 12 Unzen, welches von den Römern auf die Franken und von diesen auf
die Deutschen überhaupt und andre Nationen überging. Allmählich fing man
an, die Münzen, deren eine bestimmte Zahl aus einem Pfunde geprägt werden
mußte, dem Gewichte nach zu verringern, so daß bald dieselbe Zahl Münzen,
die früher ein Pfund gewogen hatte, nur noch zwei Drittel Pfund oder 8 Unzen
ausmachte.
Um eiue weitere Verringerung des Wertes der Münzen zu verhüten, setzte
man das Gewicht eines Pfundes auf 8 Unzen oder 16 Lot fest und versah
außerdem die Gewichte mit einem Zeichen, einer Marke, woher der Name Mark
(niarca) entstanden ist. Gleichwohl blieb der Name Pfund noch lange im Ge-
brauch, während die Mark als das eigentliche Münzgewicht (marca auri und
rnarca argenti) angesehen wurde. Bald genügte dieser Unterschied nicht mehr,
als man anfing, die Münzen in dem Gehalte (Korn) zu verringern, indem man
dem Silber allmählich immer mehr Kupfer zusetzte, so daß die Münzen zwar
weniger wert waren, aber das gesetzlich bestimmte Gewicht (Schrot) behielten.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral]]
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
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Der Ring und das Rathaus. 295
einen hölzernen Pflock in die Thür, und solche Pflöcke trug er in der Tasche
stets bei sich. Zur rechten Seite steht ein Gewappneter mit der Überschrift:
„Ich bin des Rats geharnischter Mann,
Wer mich anfaßt, der muß ein Schwert han."
Diese Figur stellt einen Beamten, des Rates reisigen Knecht, dar, der die
Pflicht hatte, in voller Rüstung, besonders zur Nachtzeit, die Nachbarschaft der
Stadt zu durchlaufen und alles Verdächtige zu berichten.
Marktplatz in Breslau.
Im ersten Stock befindet sich der Fürstensaal, der nicht groß, aber schön
gewölbt ist, dessen Gewölbe in der Mitte von einer Säule getragen wird. Auf
der rechten Seite an der Wand führt ein Wappen die Inschrift:
Felix 1 . . s timet,
Infelix f civ"as <luae tempore pacis bella < .
d- H-:
Unglümch } ^ bic Stadt, welche zur Zeit des Friedens Kriege {
Hier in diesem Saale wurden die schlesischen Fürstentage abgehalten, auf
denen das Recht hatten zu erscheinen die Fürsten und Standesherren, die De-
putierten des Adels der Erbfürstentümer und der Stadt Breslau, die Ab-
geordneten von acht Städten mit zusammen einer Stimme. Hier huldigten im
Jahre 1741 die Schlesier feierlich Friedrich Ii. Auf einem drei Stufen hohen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Felix Felix Friedrich_Ii Friedrich
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
246 Die schleichen Gebirgspässe und ihre Riegel.
Brennend und mordend kamen die Hussiten im Jahre 1423 auch in die Gegend
von Schweidnitz, verwüsteten die Vorstädte, konnten aber die Stadt selbst nicht
erobern. Wie so manche Bürger schlesischer Städte, hatten auch die Schweid-
nitzer damals ihre ganze Kraft aufgeboten, die Feinde der Ruhe und Ordnung,
die Verwüster des Vaterlandes in ihre Schranken zu verweisen. Sigismund
bedachte daher mit dankbarem Sinne reichlich mit Freiheiten die Bürger, welche
ihm den Thron hatten zurückkämpfeu helfen, und begünstigte vor vielen Bürgern
die Schweidnitzer. So gereichte es der Stadt zum Vorteil, daß sie treu zum
Fürsten in unruhigen Zeiten gehalten hatte. Handel und Gewerbe blühten bald
wieder. Den größten Nutzen brachte im 15. Jahrhundert den Schweidnitzern
ihr Bier, das sich weit und breit des besten Rufes erfreute. Die Keller, in
denen das Schweidnitzer Bier ausgeschenkt wurde, in denen die angesehenen
Bürger ihre Erholungsstunden beim Glase verlebten, mehrten sich in den Städten
Deutschlands. Weil von Jahr zu-Jahr mehr Bier in Schweidnitz gebraut
wurde, hob sich auch die Böttcherzunft, die sich mit der Verfertigung der
Braubütten und Bierfässer beschäftigte, zu ungeahnter Wohlhabenheit.
Belagerung infolge eines Münzstreites (1522). Ein interessantes
Stück mittelalterlichen Städtelebens spielt sich im Jahre 1522 in Schweidnitz ab.
Im 15. und 16. Jahrhundert brachte das Münzwesen in Schlesien viel Wirren
hervor, weil mit dem Münzen des Geldes manche Schwierigkeit verbunden
war (S. 28). Jährlich wurden dreimal neue Münzen geprägt, die alten ab-
geschafft, und die neuen hatten oft andern Wert als die früheren. Der König
Ludwig suchte durch königliche Befehle und Beschlüsse der Fürstentage den
schlechteren Münzen (zwölf neue Münzen im Wert von acht alten) Geltung und
Verbreitung zu verschaffen. Mit dieser Verordnung waren mehrere Städte'
unzufrieden, und diese machten Gebrauch von ihrem alten Rechte, selbst prägen
zu dürfen. Da diese Münzen aber vom Hose nicht anerkannt wurden, so
entstanden ernste Unruhen. Am weitesten gingen die Schweidnitzer in ihrer
Unzufriedenheit. Der König richtete in Schweidnitz eine eigne Münzoffizin
ein und empfahl den Ratleuten und Ältesten der Stadt, dieselbe zu fördern.
Zum Münzmeister bestellte er Paul Monan, einen Schweidnitzer Patrizier,
und gab ihm das Privileg, halbe Weißgroschen (S. 30) nach dem von ihm für
die neue Münze angegebenen Werte zu schlagen.
Der Münzmeister gehörte zu den Patriziern, die sich durch ihre Anmaßungen
in der Handhabung des Stadtregiments die Liebe und das Vertrauen der von
ihnen geleiteten Bürgerschaft längst verscherzt hatten. Deshalb regte sich in
den Handwerkern der Stadt großer Unwille gegen ihn, der immer heftiger
wurde, während die Patrizier es mit Paul Monau hielten, der fogar das Amt
eines Bürgermeisters oder Consul dirigens erhielt. Die Bürger beklagten sich
beim Polenkönig, der durch Monau meinte in seinen Rechten verletzt zu sein,
und dieser Fürst forderte die Verhaftung des Münzmeisters. Der Rat hatte
Not, die Innungen (Zechen) in ihre Schranken zurückzuweisen; die Schusterzeche
stürmte besonders gegen Monau an, so daß die Rädelsführer derselben gefangen
genommen und erst für eine Bürgschaft von 200 Gulden aus der Haft eut-
lassen wurden. Die Spannung zwischen beiden Parteien wurde noch größer,
als der Rat von Schweidnitz sich an Friedrich H. von Liegnitz um Unterstützung
gegen die Zechen wandte, und dieselbe erhielt. Der Herzog von Liegnitz hemmte
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T198: [Friedrich Schlacht Heer Schlesien Sachsen Armee Sieg General Mann Feind], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Sigismund Ludwig Ludwig Paul_Monan Paul_Monau Friedrich_H._von_Liegnitz Friedrich
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Betscher Gauner. 435
Trotz der größten Vorsicht, die von den Behörden beobachtet wurde,
hatten die Diebe Nachricht bekommen von dem Streiche, den man gegen sie vor-
hatte, und wären die Beamten nur 24 Stunden später erschienen, so hätten
sie das ganze Nest leer gefunden, denn der nächstfolgende Tag war von allen
Gaunern in Betsche zur gemeinschaftlichen Flucht bereits festgesetzt worden,
wie sie dies später selbst gestanden haben. Die Kommissarien trafen am
21. Januar früh um 4 Uhr mit Gendarmen und zuverlässigen Meseritzer
Bürgern in Betsche ein, sämtliche Häuser, in denen zu verhastende Ver-
brecher wohnten, wurden in aller Stille mit Zuziehung des herbeigekommenen
Bürgermeisters umstellt, vorläufig jeder Einwohner, der sich auf der Straße
sehen ließ, festgenommen zur Verhütung von Verdunkelungen der Thatsachen,
dann wurden die Verhaftungen der Diebe vorgenommen. Es wurde ans Fenster
gepocht. Die Leute, welche noch im tiefsten Schlafe lagen, erwachten, fragten,
wer da sei, und der Bürgermeister sagte dann, es solle geöffnet werden, er habe
eine schleunige Mitteilung zu machen. Der Schlaftrunkene öffnete alsbald Thür
oder Fenster und wurde von den Gendarmen ergriffen und gefesselt. So ging es
von Haus zu Haus. Die unternehmendsten Verbrecher wurden gefaßt, nicht
einem einzigen Gauner gelang das Entkommen. Alle Verhafteten wurden am
nächstfolgenden Tage geschlossen nach Berlin abgeführt. In derselben Nacht
erfolgten auch Verhaftungen in andern Orten der Provinz Posen, wie in
Rostarczewo, Rackwitz, Bentschen, Schermeisel, Grätz und andern Städten „Es
gewährte im Monat Januar und Februar eiueu eignen Anblick, täglich die
Transporte jener berüchtigten, oft ergrauten Übelthäter durch die Straßen
Berlins kommen zu sehen, die, auf Bauernwagen geschlossen, mit finsterem Trotze
in den verdächtigen bärtigen Gesichtern ihrem Verhängnisse entgegenfuhren,
das sie sich denn freilich wohl so schwer nicht vorstellen mochten, wie es sich
doch in der That für sie gestalten sollte." Da sich die Diebesbande weit über
das Posensche Gebiet hinaus ausgedehnt hatte, mußten auch in andern Pro-
vinzen Verhaftungen vorgenommen werden. Zu Anfang des Monats Juni
waren im Posenschen 59, im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. 22. im ganzen
also 81 Personen verhaftet. Durch die Haussuchungen, die sich den Verhaftungen
anschlössen, waren ungefähr 12 000 Thaler in Beschlag genommen und Sachen
im Werte von einigen tausend Thalern mit Beschlag belegt worden. Infolge
der Eingeständnisse wurde die Ausdehnung der Untersuchung beispiellos. Bald
waren 197 Menschen zur Haft gezogen, andre verdächtige Personen mußten
auf freiem Fuße gelassen werden, weil es an ausreichendem Gesängnisraume
mangelte. Dazu kam, daß die Untersuchung dem Staate in wenigen Monaten
schon 11 000 Thaler gekostet hatte, die Kosten also bei noch größerer Aus-
dehnnng der Angelegenheit unerschwinglich werden mußten. Als daher im
Sommer 1834 der Abschluß der Untersuchung erfolgte, ohne daß alle Ver-
dächtige verhaftet waren, fanden sich in dieselbe verwickelt 520 Personen, von
denen nur 204 zur Untersuchung gezogen waren. So wurden viele sehr ge-
fährliche Diebe und Diebeshehler aus längere oder kürzere Zeit für die mensch-
liche Gesellschaft unschädlich gemacht. „Der größte Teil der in die Untersuchung
verflochtenen Individuen", sagt Thiele in dem bereits angeführten Buche, „ge-
hört der Klasse jener unverbesserlichen Gauner an, die, den Gesetzen aller Länder
hohnsprechend, keinen andern Lebenszweck kennen als die Vermögensbeschädigung,
28*
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz]]
TM Hauptwörter (200): [T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg]]
Extrahierte Personennamen: Rackwitz Thiele
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Posen Rostarczewo Berlins Posenschen Frankfurt_a._O.
Autor: Keussen, Hermann, Kaiser, W., Keller, J., Heinzerling, Jakob, Preiser, F., Köppen, Fedor von, Nover, Jakob, Klöden, Gustav Adolf von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Femgericht. 365
Kaiser Friedrichs Hi. Später jedoch erwirkten sich sowol Fürsten wie Städte
Befreiung von der Verantwortlichkeit den Femgerichten gegenüber.
Anfangs besaßen die Freigerichte keine geschriebenen Gesetze. Um diesem
Mißstand abzuhelfen, traten im 15. und 16. Jahrhundert sogenannte General-
kapitel zusammen und erließen Vorschriften (Reformationen). Trotzdem kamen
noch Mißbräuche genug vor, meistens aus Habsucht der Richter und Schöffen,
da Strafsummen und Sporteln sehr hoch angesetzt waren. Durch den all-
gemeinen Landfrieden 1493 und die verbesserte Justizpflege ward die Gerichts-
barkeit der Freigerichte auf ein Minimum beschränkt.
Die Femlinde bei Dortmund.
Dennoch behaupteten sie sich bis in unser Jahrhundert (bis 1811). Noch in
den dreißiger Jahreu existirte wenigstens dem Namen nach ein Freigraf in Werl.
Trotz der späteren Ausschreitungen und Mißbräuche ist nicht zu leugnen, daß die
Femgerichte in ihrem Anfang und in der Blütezeit ein segensreiches Institut ge-
wesen sind, ein Institut unparteiischer Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person, ein
strenger Wächter der alten guten Sitten, ein unerbittlicher Richter über alle Ver-
brechen. Die Ehre war der Grundpfeiler, Gott, König und Recht der Wahlspruch.
Wie im Alterthum die unentrinnbaren Rachegeister, die Erinnyen, so ereilte die
heilige Feme den geheimen Verbrecher. Wie ein Blitzstrahl traf ihn der Fluch,
der Arm des Rächers. Zittern und Angst befiel ihn, erblickte er als Zeichen
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]