Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
74 Die Niederländer in Java und auf den übrigen ostindischen Inseln.
kommenden Befugnis, an die Stelle der Regierung zu"treten und einen
Staat im Staate zu bilden. Die reich gewordenen Kaufleute, in deren
Solde die in Indien kämpfenden Krieger standen, schauten verachtend auf
diese herab; daher kam es, daß dem Militär in Ostindien die Seele seines
Standes, der Ehrgeiz, fehlte. Nur verkommene Individuen oder wegen
schlechten Betragens aus dem Dienst entlassene Beamte und Offiziere
meldeten sich für deu ostindischen Dienst, so daß es am Ende niemand zur
Ehre gereichte, sich diesem Gesindel des In- und Auslandes anzuschließen.
Die für den Dienst des Vaterlandes in Holland durch Aushebung zur
Fahne gerufene Jugend konnte nicht wie das geworbene Heer in England
auch für den Dienst in den Kolonien verwendet werden, sondern man
überließ es der Kompanie, sich Söldnertruppen anzuwerben.
Der Militärdienst wurde in Indien mit einer beispiellosen Nach-
lässigkeit und Treulosigkeit betrieben. Das Heer bestand nur aus aben-
teueruden, aus aller Herren Länder zusammengelaufenen Gesellen, die an
und für sich schon nicht an strenge Ordnung und Zucht gewöhnt waren, in
den heißen Gegenden Javas aber noch viel mehr erschlafften. Noch bis
in die neuere Zeit ist die Heeresverfassung eine der wundesten Stellen in
Niederländisch-Jndien gewesen, welcher Umstand durch die Werbungen von
Soldaten im Auslande herbeigeführt worden ist, denn kaum der vierte
Teil aller Truppen in jenen Gegenden bestand bis vor kurzem aus Nieder-
ländern. Diese fanden es stets für angemessener und einträglicher, Fremde,
welche für Geld zu habeu waren, zum Dienst zu verwenden, als ihn selbst
zu thun. Seit sich im Jahre 1860 aber unter den ausländischen Truppen
bedenkliche Meutereien gezeigt haben, sind die Verhältnisse etwas anders
geworden. Wie das Militärwesen sich in einem durchaus zerrütteten Zu-
stände befand, so war dies auch mit dem Beamtentum der Fall. Die
Beamten hatten nur ihre eigne Bereicherung im Auge und erpreßten daher
von den Einwohnern allerlei ungerechte und ungesetzliche Abgaben. Trotz-
dem hatte die Handelsgesellschaft ihrem ungeheuren Beamtenheere außer-
ordentlich hohe Besoldung zu zahlen. Hierzu gesellten sich noch die
Jahresgehalte, welche den inländischen pensionierten Fürsten gewährt
werden mußten. Auch die Gesandtschaften, die Geschenke an die Nachbar-
könige und die immerwährenden kleinen Kriege gegen aufständische Va-
sollen und Fürsten verschlangen große Summen, daß selbst der gewinn-
reichste Handel dieselben nicht zu decken vermochte. Daher war es als
kein besonderer Verlust für die Mitglieder der Handelsgesellschaft anzusehen,
daß am 15. März 1795 die Batavische Republik die Holländisch-ostindische
Kompanie aufhob und ihre Besitzungen für Staatseigentum erklärte.
In den ersten Jahren des Bestandes der Handelsgesellschaft, als es
sich noch darum handelte, gegen den Nationalfeind als mächtiges Volk auf-
zutreten und festen Fuß in Indien zu fassen, hatte die Sache eine ganz
andre Bewandtnis. Damals galt es eine Nationalangelegenheit; der
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Extrahierte Ortsnamen: Indien Ostindien Holland England Indien Javas Niederländisch-Jndien Nieder- Batavische_Republik Indien
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
100 Die Engländer in Ostindien.
Bombay, wurde unter dem Nameu Sir Josiah Child von Surate zum
Barouet und zum Oberkommandierenden aller englischen Truppen im
Osten erhoben; daher kam es, daß unter allen servilen Genossenschaften die
Ostindische Kompanie durch Willfährigkeit gegen den Thron am meisten
hervortrat. Sie gab dem Handelsstande des Königreichs das gesetzwidrige
Beispiel bereitwilliger Steuerzahlung, als ohne Zustimmung des Parla-
ments König Jakob Ii. bei seinem Regierungsantritt gewisse Abgaben
ausschrieb. Sobald indessen der Monarch nach kaum vierjähriger Will-
kürherrschast aus dem Lande Vertrieben, und der blutige Lord-Oberrichter
Jeffreys, welcher die übermäßigen Monopolanfprüche der Ostindischen
Gesellschaft für gesetzmäßig erklärt, ein Gefangener geworden war, vereinigten
sich die alten Feinde der Kompanie, verstärkt durch die ehemaligen, von
Child aus dem Ostmdiahanse vertriebenen Direktoren und ihren Anhang,
mit den mächtigsten whigistisch gesinnten Kaufleuten der City und forderten
von dem freiheitlich gesinnten Hause der Gemeinen, welches Wilhelm Iii.
von Oranien aus den Thron erhoben hatte, Gerechtigkeit und Wiederver-
geltuug. Am heftigsten gebürdete sich Papillon, obgleich derselbe einige
Jahre früher als eifrigster Vorkämpfer für den Freibrief der Kompanie
gestritten. Ein guter Teil der Gegner der Kompanie aber bestand aus
Leuten, welche ihr gram waren, weil sie sich von einem Mann hatte be-
herrschen lassen, der seinen Einfluß dazu angewendet, um vor allem seine
Interessen und die seiner Kreaturen zu fördern. Als Heilmittel für alles
schreiende Unrecht und gegeu zukünftige Übergriffe dieser Art verlangte
man von der Krone das Monopol zu einer neuen Gesellschaft auf einem
besseren Fundamente, wodurch mau hoffte, die Wiederkehr einer engherzigen
und tyrannischen Oberleitung auf immer fern zu halten. Die neu zu be-
gründende Kompanie, unter der sich einige der ersten Großhändler der
City befanden, wählte zur Wahrnehmung ihrer Interessen ein Komitee
und beauftragte dasselbe, vom Parlamente und der Regierung ein Privileg
zum Handel nach dem Osten auszuwirken.
Nachdem das Ostindiahaus sich im Jahre 1693 gegeu jeden Vergleich
ausgesprochen hatte, baten die Gemeinen den König Wilhelm Iii., demselben
eine dreijährige Vorausverkündigung der Aufhebung seines Freibriefes zu-
stellen zu lassen. Sir Josna Child, welcher befürchtete, durch seine Person
im Vordergrunde die Interessen seiner Kompanie noch mehr zu gefährden,
machte in der rechten Stunde einem neuen Gouverneur, dem Sir Thomas
Cook, scheinbar Platz. Dieser, mit dem bisherigen allmächtigen Leiter
des Direktorenhofes nahe verwandt, gehörte zu den angesehensten Kauf-
leuten Londons; auch fehlte es ihm als Mitglied des Parlaments nicht
an Einfluß. Er wußte in der That binnen kurzer Zeit vermittelst wohl-
angewandter 100 000 Pfd. Sterl. die ärgsten Gegner zu besänftigen.
Infolgedessen wurde ohne Mitwirkung des Parlaments von feiten der
Regierung am 7. Oktober 1693 der Freibrief und das Monopol der alten
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Personennamen: Josiah_Child_von_Surate Jakob_Ii Jeffreys Wilhelm Wilhelm Josna_Child Thomas
Cook
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Handelsmonopol nach Ostindien. 101
Ostindischen Kompanie durch die Krone von neuem bestätigt, unter der
Bedingung, den Kapitalstock um 1v2 Million zu vermehren und jährlich
sür 100 000 Psd. Sterl. britische Waren auszuführen. Das Haus der
Gemeinen stellte die Berechtigung unbehinderter Monopolverleihung durch
die Krone in Frage und bestimmte, „daß es das Recht jedes Engländers
Aurengzeti, »mgetien von den Würdenträgern seines Hofes. (3m Hinlergmnd der 2p('an des
Uj'anenlhrones.) Nach indischen Vorlagen.
sei, nach Ostindien oder irgend einem Teile der Welt Handel zu treiben,
außer wenn es durch eine Akte des Parlaments verboten worden wäre."
In solchem Verhältnis standen Regierung und Volk.^
Fast um dieselbe Zeit, als die erste indische Kompanie im Jahre 1698
jenes Territorium, aus welchem sich gegenwärtig Kalkutta, die Hauptstadt
des Jndo-britischen Reiches, ausdehnt, und weiterhin die Stadt Tschatamntti
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die französische Mississippi-Gesellschaft. 27
Ein merkwürdiger Umstand, wie er sich kaum jemals in ähnlicher
Weise wiederholt hat, trug zum Gedeihen der von den Franzosen gegrün-
deten Kolonie Louisiana bei. Zwei Reisende, die vom französischen
Kanada aus nach dem Innern von Nordamerika vorgedrungen waren,
hatten noch bei Lebzeiten Ludwigs Xiv. den Mississippi entdeckt. Ihre
Schilderungen von der Üppigkeit und dem natürlichen Reichtum des Landes
regten zu weiteren Untersuchungen an, und Herr de la Salle erhielt Voll-
macht zur Erforschung und Besitznahme jener Gegenden. Derselbe gelangte
bis zur Mündung des Mississippis und gab dem Lande zu Ehren des Königs
den Namen Louisiana. Die ersten Niederlassungen hatten keinen rechten
Erfolg, auch die Unternehmungen des reichen Kaufmanns Crozat, welchem
1712 das Privilegium des ausschließlichen Handels dahin sowie das
Eigentumsrecht aller neuentdeckten Minen zuerteilt worden war, scheiterten.
Derselbe bot daher sein Privilegium dem durch sein rasches Emporkommen
ebenso bekannten wie durch seinen jähen Fall berüchtigten Schwindler
John Law an.
Letzterer hatte schon 17 Jahre früher dem schottischen Parlament die
Gründung einer großen Handelsgesellschaft mit ausgedehnten Befugnissen
vorgeschlagen. Der Antrag Crozats kam ihm deshalb sehr willkommen,
und er entwarf behufs Ausbeutung des Privilegiums den Plan zur
Gründung einer Aktiengesellschaft, welche mit dem für die damalige Zeit
gewiß sehr bedeutenden Kapital von 100 Millionen Livres arbeiten sollte.
Das mit großen Vorrechten ausgestattete Privilegium, mit welchem auch
das Recht des Alleinhandels mit kanadischen Biber- und andern Fellen
vereinigt wurde, verlieh der Gesellschaft das volle Eigentumsrecht über
alle in Louisiana entdeckten und noch zu entdeckenden Ländereien. Alle
daselbst vorhandenen Forts, Vorräte?c. wurden ihr überwiesen und ihr
dafür nur die Verpflichtung auferlegt, jährlich 6000 Europäer und
300 Neger einzuführen sowie für Geistliche und Kirchen zur Bekehrung
der Indianer zu sorgen.
Anfänglich fand das Unternehmen sehr laue Aufnahme. Die Erinnerung
an ähnliche fehlgeschlagene Versuche, die Art der Kapitalbeschaffung, das
Mißtrauen des Parlaments, alles stand einer raschen Beteiligung ent-
gegen. Es dauerte fast ein Jahr, ehe die 200 000 Aktien gezeichnet
waren. Mit dieser Unternehmung brachte Law jedoch nach und nach eine
Menge andrer Handelsspekulationen und großer Geldgeschäfte in Ver-
bindnng. Es gelang ihm, den gesamten indischen Handel Frankreichs in
den Händen einer einzigen Gesellschaft zu vereinigen, welche nun den
Namen „Indische Kompanie" annahm. Auf Kosten dieser Gesellschaft
wurden dann Ansiedelungen am Mississippi in großem Maßstab eingeleitet,
eine Menge Leute durch Anpreisung der Reichtümer des erworbenen Ge-
bietes zur Auswanderung verlockt und der französische Adel durch Ver-
leihung von Herzogtümern und Baronien bewogen, der überseeischen Kolonie
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs John_Law
Extrahierte Ortsnamen: Louisiana Kanada Nordamerika Louisiana Louisiana Frankreichs Mississippi
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Der niederländische Handel in Ostindien. 73
Jetzt erst trat die niederländische Staatsregierung durch Übernahme
der Verwaltung der indischen Besitzungen in ihre natürlichen Rechte, die
sie viel zu lange einer Gesellschaft von Kaufleuten überlassen hatte. Die
Finanzen Niederländisch-Jndiens waren zerrüttet, der Handel nach Abzug
der großen administrativen Ausgaben nicht mehr einträglich, und es be-
durfte eine Zeit der politischen Ruhe, verbunden mit einer weisen und
ehrlichen Verwaltung, um die zerrütteten Zustände wieder zu heben.
Hätte die Fruchtbarkeit des Bodens den Fleiß des Landmannes nicht stets
Eigentümliche Segepellung hinlerindifcher Hüllen- und Fluftfahi zeuge.
durch reichlichen Ertrag belohnt und den wenigen Bedürfnissen des be-
scheidenen Bewohners überflüssig Genüge geleistet, so wäre das reiche
Indien infolge der vielen Abgaben und Erpressungen in Not und Elend
geraten. Aber die Armut der öffentlichen Kassen und der Mangel an
Silber berührte den Inländer wenig, dem die gütige Natur alles zum
Leben Notwendige lieferte.
Fragt man nach der Ursache des Verfalls der im ersten Jahrhundert
ihres Bestehens so blühenden Handelsgesellschaft, so müssen wir dieselbe
ganz vorzüglich in der schon erwähnten unnatürlichen Stellung zum Staate
suchen, ebenso in der außergewöhnlichen, einer Privatgesellschaft nicht zu-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
86 Die Niederländer in Java und auf den übrigen ostindischen Inseln.
begabt sind. Dabei nimmt deren Seelenzahl mit Riesenschritten zu;
Handel und Industrie sind in fortwährendem Steigen begriffen, die Ge-
sittung und Moralität heben sich, und dabei wird weder die Sprache noch
die Religion der Väter aufgegeben; die alten Sitten sind, insofern sie nicht
durch die Fortschritte als veraltet erscheinen, geehrt; die Geschichte und die
Denkmäler früherer Zeiten werden sorgfältig gepflegt. Man läßt die
Nationalität nicht nur als ein Gegebenes bestehen und sucht sie nicht zu
unterdrücken, sondern man faßt sie als einen lebendigen organischen Be-
standteil des Völkerlebens auf und sucht ihr Wachstum und ihre Ent-
Wickelung zu fördern. Der Javanese hat nicht aufgehört Mohammedaner
zu sein: er ist es jetzt nur in einem besseren Sinne als früher, indem er
weniger abergläubisch, dafür intelligenter und moralisch besser geworden
ist als ehedem. Hat es auch bei aller Ruhe und allem Fortschritt, die
sich überall in den holländischen Kolonien offenbaren, keineswegs an
Zwischenfällen gefehlt, die besonders durch religiöse Schwärmerei hervor-
geruseu wurden, so haben doch diese nur vorübergehende Störungen verursacht.
Die religiöse Schwärmerei und der Aberglaube äußern sich allerdings
bei den Javanesen nicht selten durch sonderbare Handlungen, die jedoch
schon seit langer Zeit keine politische Gefährlichkeit mehr haben, oder denen
die Regierung durch kluges Verhalten zuvorzukommen weiß.
Hat auch das Kultursystem und dessen Durchführung anfänglich
manche Härten mit sich geführt, so sind dieselben doch allmählich aus-
geglichen worden. Die Zwangskulturen haben nach und nach aufgehört
und beschränken sich nur noch auf Zucker und Kaffee. Die Frondienste
sind auf das geringste Maß festgesetzt, und es wird auch für dieselben
schon ein billiger Lohn gezahlt. Die Häuptlinge brauchen nicht mehr zu
Erpressungen ihre Zuflucht zu nehmen, und die Landbevölkerung gelangt
zu immer fortschreitendem Wohlstande.
Die Sklaverei hat längst ausgehört, und der Javanese versöhnt sich
mit der Arbeit. Man erfreut sich dort einer Herrschaft, die um so weniger
empfindlich ist, als sie sich den herkömmlichen Anschauungen anschließt.
Die Niederländer haben ihren Beamten den Eid aufgelegt, die Ein-
geborenen zu schützen und für deren Wohl nach allen Kräften zu sorgen.
Daher wird auch jetzt ein beträchtlicher Teil der Jahreseinnahmen auf
Verminderung der Steuern, auf die geistige Hebung des Volkes und auf
Förderung ihres Handels und Verkehrs verwendet. Mit unermüdlichem
Eifer ist man mit dem Bau von Eisenbahnen und Telegraphen vor-
gegangen. Mag auch das Kultursystem eine Bevormundung in sich schließen,
so haben doch die besten Kenner jener Völker es für das einzig richtige
Mittel erkannt, ein Naturvolk, wie die Malaien der ostindischen Inseln,
auf eine höhere Stufe der Bildung zu erheben.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Sir Josua Child, 99
Bis nach diesem Hauptplatz der Kompanie in Indien hatte sich also
der Kampf der doppelt erbitterten Parteien hinverpflanzt. Der Kommandant
der Besatzung. Kapitän Keigwin. sagte sich in Übereinstimmung mit seinen
Truppen von der Autorität der Kompanie los und proklamierte die des
Königs (1683). Hierbei blieb es jedoch nicht, die Aufrührer schritten zur
Gewalt vor und kerkerten den mißliebigen Stellvertreter des Gouverneurs
ein. Nicht ohne Schwierigkeiten ward man des Aufruhrs Herr, und erst
nach Hinrichtung mehrerer der Rädelsführer konnte die Gefahr als beseitigt
angesehen werden. Die Regierung würde sonst wahrscheinlich das Ver-
halten der Aufständischen gebilligt haben, und den Freibrief, auf welchem
das Monopol beruhte, hätte ein gleiches Schicksal, wie es mehreren andern
Gesellschaften widerfuhr, getroffen. Gerade noch in der rechten Stunde
war aber eine vollständige Wandlung im Ostindiahaufe eingetreten.
Sir Josua Child, der damalige Gouverneur, trennte sich plötzlich
von seinen politischen Freunden, schloß sie von der Direktion aus und
unterhandelte wegen eines engeren Anschlusses mit dem Hose. Wahr-
scheinlich trug zum Wechsel seiner politischen Ansichten seine Verwandtschaft
mit der angesehenen Toryfamilie der Beanforts bei. Papillon, Barnardi-
stone und ihre Anhänger verkauften ihre Stammaktien, die Komiteestelleu
wurden mit Anhängern Childs besetzt, und dieser war von nun an so
wenig beschränkter Gebieter im Ostindiahaufe, daß ihm dessen Mittel zur
freiesten Verfügung standen und die wichtigsten Papiere nicht in den
Bureaus der Leadenhallstraße, sondern in seinen Wandschränken zu Wan-
stead aufbewahrt wurden. Die Wichtigkeit, welche jene außerordentliche
Stellung verlieh, erhob ihn bald zu einem Günstling im Königspalaste
von Whitehall, wodurch wiederum feine Macht im Ostindiahaufe um so
mehr befestigt wurde. Ein Geschenk von 10 000 Guiueen aus seiner
Hand nahm König Karl huldvollst entgegen, weitere 10 000 Pfd. Sterl.
dessen Bruder Jakob, welcher mit Freuden der Reihe der Aktieninhaber
sich zugesellte. Alle, die am Hofe irgend welches Einflusses sich erfreuten,
suchte man durch Geschenke von Shawls und Seidenzeugen, von indischen
Vogelnestern, durch Diamanten und Säcke voll Gnineen in guter Laune
zu erhalten. Die Bestechungssummen, welche der Direktor mit kluger
Verschwendung verteilte und die er seinen Kollegen gegenüber nicht einmal
zu verrechnen brauchte, hatten bald den gewünschten Erfolg in einem Um-
fange, daß der Direktorenhof fast allmächtig im Staate, Child selbst es
aber am Hofe wurde. Lord-Oberrichter Jeffreys gab eine Entfchei-
dung zu gunsten des Monopols der Kompanie und der strengsten An~
Wendung der Gesetze zur Verteidigung desselben ab; König Jakob Ii. ließ
auf den neuen Freibrief, welcher alle Privilegien der Kompanie bestätigte
und erweiterte, sein Staatssiegel drücken; alle Kapitäne von Ostindien-
fahrern erhielten ihre Bestalluug von der Krone und durften die königliche
Flagge aufhiffen. John Child, Sir Jofuas Bruder, Gouverneur von
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T49: [König Königin Herzog Peter Hof Elisabeth Minister Tod Graf Regierung]]
Extrahierte Personennamen: Childs König_Karl Karl Jakob Jeffreys Jakob_Ii John_Child Jofuas
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
310 Die schlesische Hauptstadt und ihre Umgebungen.
anzuerkennen und seine Interessen selbst denen des gewerblichen Verkehrs voran-
gestellt zu sehen; es war schon der Zwang eines schnellen und pünktlichen
Gehorsams, den man in der österreichischen Zeit nicht gelernt hatte. Man
mußte durchaus den alten Gewohnheiten entsagen, man durfte sich nicht mit
den Beamten der Regierung in Unterhandlung einlassen, sondern sollte pünktlich
und schnell gehorchen. Diese Zerstörung der alten Sitten und Gewohnheiten
erzeugte zunächst ein lebhaftes Gefühl der Unbehaglichkeit; man fing an, wie
ein Berichterstatter aus damaliger Zeit schreibt, einzusehen, daß die branden-
burgischen Hosen doch noch enger säßen als die böhmischen. Friedrich gab den
Breslauern in der Person des Kriegsrates Blochmann einen neuen Ratsdirektor,
der den Bürgern bald zeigte, daß das Ende des freistädtischen Breslau heran-
gekommen war. Einrichtungen, die beinahe ein halbes Jahrtausend bestanden
hatten, erloschen jetzt; die alte Form der Verfassung, die einst unter den Pia-
stischen Herzogen sich gebildet und allen Wechsel der Dynastien überdauert hatte,
zerbrach fast geräuschlos in der Hand des großen Hohenzollern. Wie die Bres-
lauer Stadtverfassung verschwand um dieselbe Zeit die schlesische Ständeverfassung,
ein gleichfalls altes, ehrwürdiges Gebäude. Die ganze Besitzergreifung fand
ihren Abschluß in der feierlichen Landeshuldigung, welche im Fürstensaale des
ehrwürdigen Breslauer Rathauses stattfand. Am Abend der Huldigung (am
7. November) wurde in der Stadt illuminiert, was, da es ohne jede offizielle
Anregung zustande kam, immerhin als ein Zeichen günstiger Gesinnung, der
Einwohnerschaft angesehen werden darf.
Auch eiue Medaille zur Erinnerung an die Huldigung wurde geschlagen.
Sie zeigte auf der einen Seite das Brustbild Friedrichs mit der Umschrift:
„Fridericus Borussorum Supremus Silesiae Inferioris Dax". Aus der andern
Seite war Schlesien als eine mit dem schlesischen Adler geschmückte Frauens-
Person dargestellt, die dem König von Preußen eine Krone anbietet; diese Seite
hat die Umschrift: „Justo Yictori". Von diesen Medaillen wurde eine größere
Anzahl verschenkt; auch erhielten sie mehrere Offiziere, besonders diejenigen,
welche bei Mollwitz mitgefochten hatten, und Friedrich der Große ließ ihnen
sagen, er schicke ihnen diejenige Medaille, zu welcher sie den Stempel gemacht hätten.
Die Gesinnung des Königs trat in jenen Tagen deutlich und charakteristisch
hervor. Er verbot die Kanonensalven, weil man Pulver sparen müsse; er ver-
warf die Ausschmückungen des Huldigungssaales als unnötig; er wies das ihm
angebotene Geschenk von 100 000 Thalern zurück, um zu zeigen, daß für der-
gleichen „Geschenke", die entschieden in das Gebiet der Bestechlichkeit fielen, im
preußischen Rechtsstaate kein Raum sei; er richtete am Tage nach der Huldigung
an die höchsten geistlichen und weltlichen Würdenträger der neuen Provinz eine
Ansprache, durch welche er seine neuen Unterthanen über seine Absichten be-
lehrte. Mit fester Energie und ohne Schonung machte sich der König daran,
Schlesien, und besonders Breslau, mit seinen alten Staaten aufs engste zu
vereinigen. Die Breslauer wurden aus einer gewissen Gedankenlosigkeit in eine
srische Bewegung auf allen Gebieten hineingetrieben. Friedrich der Große gab
auf diese Weise den Breslauern ein Vaterland. Gleichgültig kehrten sie in der
Stunde der Gefahr der alten Verbindung mit Österreich den Rücken; aber an
Preußen haben sie stets treu festgehalten, wenn auch schwere Drangsale über
die Monarchie hinzogen.
TM Hauptwörter (50): [T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Blochmann Friedrichs Friedrich_der_Große Friedrich Friedrich
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Polen.
395
verdankte. Der Bauer weiß, daß der Adel das Land zu Grunde richtete, und
deshalb sang er auch schon bald nach 1772 vom Adel:
Jeder Versuch zur Aufreizung findet im polnischen Bauer einen sehr nn-
empfänglichen Boden. Die Masse der Polen gehört also keineswegs zu den
unruhigen, stets zu Revolutionen geneigten Unterthanen Preußens. Zu den
beklagenswerten Unruhestiftern gehört in der Provinz Posen nur ein äußerst
geringer Teil der polnischen Bevölkerung, der es sich aber — leider — zur
Lebensaufgabe gemacht zu haben scheint, die an Zahl vielleicht das Zweihundert-
fache überwiegende Masse seiner Landsleute durch beständige Aufstachelungen
zum Treubruch gegen den Herrscher, ja bis zur Revolution zu treiben; der
gleichzeitig an das wenig unterrichtete Ausland seinen Schmerzensschrei richtet,
der sich unglücklich und grausam unterdrückt nennt, um Mitleid, womöglich
thätige Teilnahme zu erregen. Diese Unruhestifter gehören meistens dem Adel
an, einige sind Litteraten und einige Bürger kleiner Städte. Wollte man die
Unzufriedenen zählen, so würde man vielleicht 2000 Seelen finden, die in
Preußen noch für die Wiederherstellung des Polentums schwärmen — und
diese wenigen Menschen wagen es unausgesetzt, mit den maßlosesten, durchaus
unberechtigten, ja völlig ungesetzlichen Ansprüchen der Regierung und dem
Träger der Krone entgegenzutreten.
Der polnische Edelmann (es gibt natürlich auch ehrenvolle Ausnahmen)
sehnt sich zurück nach den polskie czasy, nach den polnischen Zeiten, in denen
der Grundbesitz seines Vaters viel größer war als jetzt der seinige, in denen
es noch keine freien Bauern gab; er haßt die neue Regierung, die allein sein
Herunterkommen verschuldet hat, weil sie allen Wohlstand von Gesetz und Ord-
nuug, von Fleiß und Mäßigkeit abhängig macht. Als 1848 ein adliger Frei-
heitsapostel in einen Krug kam und einen alten Mann für die dawna Polska,
für das alte Polen zu begeistern suchte, da öffnete dieser das Hemd und mit
den Worten „dzgkujg, pan, za waszq, wolnosc, ich danke, Herr, für Eure Frei-
heit" zeigte er ihm die vielen Narben der Wunden, die ihm einst der Kurbatsch
des Woiwoden geschlagen hatte. — Damals behauptete auch der polnische Bauer
Pruszak und rief seinen Landsleuten zu: „Nicht eher wird in Polen Ruhe
werden, bevor nicht alle Edelleute hängen!" — Im Jahre 1859 schrieb ein
polnisches Blatt: „Der Adel ist der Feind des Volkes, der die Thränen und
das Blut des Volkes trinkt, der zuerst aus dem Wege geräumt werden muß?"
Ju den ersten Jahren nach der preußischen Besitzergreifung von 1315
folgte eine gewisse Abspannung auf die Anstrengungen und Enttäuschungen der
napoleonischen Zeit. Man hatte genug des politischen Haders und freute sich
des friedlichen Gedeihens und Aufblühens der Provinz unter dem neuen Regi-
ment. In Posen entwickelte sich eine wahrhaft glänzende Geselligkeit, zu welcher
der Statthalter Fürst Autou Radziwill das Beispiel gab, an welcher der pol-
nische Adel und das preußische Beamtentum und Militär gleichmäßig teilnahmen.
Die liebenswürdigen Eigenschaften der Polen, der Luxus des Adels verliehen
dieser Geselligkeit einen hohen Reiz; Deutsche und Polen drehten sich gemeinsam
„Panowie! Panowie!
Coscie mieli wglowie
Zescie nas zdradzili
I kraj swöj zgubili?"
„Ihr Herren! Ihr Herren!
Was hattet ihr im Kopfe,
Daß ihr uns verrietet
Und unser Land verspieltet?"
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Autor: Keussen, Hermann, Kaiser, W., Keller, J., Heinzerling, Jakob, Preiser, F., Köppen, Fedor von, Nover, Jakob, Klöden, Gustav Adolf von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
140 Die Entwicklung der Krefelder Seiden- und Sammtindustrie.
Die heimischen Fabrikanten waren unter solchen Umstünden gezwungen,
auf andere Artikel zu sinnen oder sich auf die Anfertigung von Sammtwaaren
zu beschränken so daß die Gebrüder vou der Leyeu Jahrzehnte lang das Gebiet
der Seidenindustrie fast uneingeschränkt beherrschten. Allerdings erwuchsen ihr
aus der andern Seite des Rheines allmählich neue Nebenbuhler, die um so
gefährlicher wurden, als die preußische Regierung hier nicht beispringen und
auch nicht verhindern konnte, daß Arbeiter den Krefelder Fabriken abspenstig
gemacht wurden.
Durch große Versprechungen wurden die geschickten Arbeiter von jenen
verlockt, ihnen ihre Dienste zu widmen und ihnen die Geheimnisse der Fabrika-
tion zu verrathen. Die Fabrik von Andreä in Mülheim a./Rh. wagte es
sogar, durchreisende italienische Arbeiter, welche die von der Leyen engagirt
hatten, in ihrem Dienste festzuhalten; aber bald nöthigte die energische Erklä-
rnng, welche Friedrich der Große an den Landesfürsten erließ, diesen, den Mül-
heimer Fabrikherrn aufzufordern, die Arbeiter ruhig weiter ziehen zu lassen.
Andreä mußte Folge leisten. — Die Andreä'sche Fabrik in Mülheim ward wieder-
holt der Verlockung der Arbeiter beschuldigt.
Einen Einblick in die Bedeutung der von der Leyen'schen Fabrik gewährt
uns ein an den König gesandter Bericht aus dem Schluß der sechziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts. Hiernach wurden im Gauzeu nahezu 3000 Arbeiter
beschäftigt, 175 Webstühle beschäftigten sich ausschließlich mit der Anfertigung
von seidenen Schnupftüchern, 140 mit Sammt, 125 mit Damast und faconnirten
Stoffen, andere mit Gros de Tours und Atlas, 97 kleinere Stühle mit brochirten
Bändern und figurirtem Sammtband; 197 große Bandmühlen fertigten all-
wöchentlich gegen 8000 Stück Bänder aller Art. Daneben unterhielt die Fabrik
zwei eigene Seidefärbereien und eine eigene Appretur. Der Lohu, welcher
jährlich gezahlt wurde, wird auf 175,000 Rthlr. angegeben. Um jene Zeit
war die Weberei fchon nicht mehr auf die Stadt beschränkt; in den benach-
barten Orten bis nach Tanten, Goch und Viersen hin waren für die Fabrik
Stühle iu Thätigkeit. Alle Maschinen und Stühle waren dazumal noch Eigen-
thum der Fabrikherren. Es läßt sich hieraus ermessen, ein wie riesiges Kapital
in deren Händen sein mußte, zumal auch die Rohseide in großen Vorräthen
entweder direkt in Italien oder in bedeutenden Posten in Amsterdam ein-
gekauft werden mußte. Es erklärt sich hieraus zugleich, wie wenig erfolgreich
eine finanziell nicht sehr leistungsfähige oder schwache Konkurrenz hiergegen
ankämpfen konnte; ohne ein bedeutendes Kapital war das, von allem Anderen
abgesehen, gar nicht möglich.
Die Arbeiter, in großer Abhängigkeit von den Fabrikherrn, hatten ver-
hältnißmäßig gleichwol eine erträgliche Existenz, indem sie von den Geschäfts-
krisen wenig berührt wurden. Freilich, es wurde in schlechten Zeiten mitunter
die Arbeitszeit beschränkt, auf der andern Seite wurde aber auch für wohlfeiles
Brot gesorgt; entlassen wegen mangelnder Nachfrage wurde kein Arbeiter. Mit
furchtsamem Herzen indeß erschien der Weber aus der Lieferkammer, denn streng
wurde die Arbeit untersucht, und neben scharfen Redensarten gab es selbst für
kleine Mängel Kürzung des Lohnes. Erzählt man sich doch, daß die Arbeiter
auf dem Gange zur Fabrik es nicht unterließen, unterwegs die Kirche zu betreten,
um hier gnädige Behandlung bei der Einlieseruug des Werkes sich zu erbitten.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_der_Große Friedrich