Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Slawen an der Ostsee und in Rußland. 37
slawischen Osten. Allein die kurze Nachblüte wurde von den Dänen zerstört,
die unter König Waldemar im Jahre 1172 die Herrlichkeit für immer
vernichteten. Zur Ohnmacht und Verschollenheit verdammt, ragte Vineta
fortan wie sein eigner Schatten aus dem herumliegenden Getrümmer, um
welches die Sage rasch ihre üppigen Ranken flocht. Der pommersche Fischer,
der im Kahne leise auf der glatten Fläche des klaren Meeres dahinzieht, will
zuweilen tief unten auf dem Boden die alten Straßen und Häuser noch sehen.
Ullnormannische Familie.
Mit dem Pflug und dem Schwerte hatten die Deutschen unterdessen
einen großen Teil der ihnen entfremdeten Ostmarken bis zur Oder wieder
zurückerobert und dem weiteren Vordringen der Slawen ein Ziel gesetzt.
Nach langem und hartem Kampfe war in den städtischen Niederlassungen,
die sie gründeten, Sicherheit und Ruhe eingetreten, und allmählich und un-
vermerkt vollzog sich eine Verschmelzung der slawischen Bevölkerung mit
den germanischen Einwanderern. An der Nord- und Ostsee (an letzterer
die „wendischen Städte") entfaltete die deutsche Hansa ihre Blüte und
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
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TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Bewohner des Karolinenarchipels. 169
daß sie im Laufe der Jahrtausende die Gipfel oder unterseeischen Berg-
züge durch Ansetzen ihrer kalkartigen Stöcke immer mehr erhöhen, bis diese
zuletzt in Folge allgemeiner Erhebung des Meeresbodens sich gleichfalls
als Riffe und' Inseln erheben und ganze Felsenketten oder unermeßlich
große unterseeische Bänke und Massen bilden, deren Ausdehnung durch die
Entstehung neuer Tiere, welche den Bau der alten fortführen, unaufhörlich
zunimmt. So baut eine Kolonie auf der andern fort, die Hülle der ersteren
bleibt unverletzt und dient der zweiten als Grundlage, diese wieder der
Bewohner des Harolmenarchipets. (Nach einer Originalphotographie.)
dritten und so fort. Haben diese Baue endlich die Meeresoberfläche er-
reicht, so können die kleineu Tierchen nicht mehr leben und der durch ihre
Trümmer entstandene Boden hört auf, durch ihre Mitwirkung emporzu-
wachsen, wogegen die durch unterirdische Kräfte hervorgebrachte Erhebung
des Bodens fortdauern oder auch nach Jahrtausenden in eine Senkung
desselben übergehen kann. Für beiderlei Tätigkeiten gibt die Bildung
und Gestaltung dieser Inselwelt Belege, so rätselhaft auch manches noch
bleibt. Findet eine Hebung jener Korallenbaue statt, dann setzt die Atmo-
sphäre das Werk der Polypen fort und wirkt auf den Bau ein, das Meer
füllt den inneren Raum mit Sand und Erde aus, schwemmt Pflanzensamen
TM Hauptwörter (50): [T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
72 Die Niederländer in Java und auf den übrigen ostindischen Inseln.
nicht so streng wie heute war, und jedes Schiff sowohl dem Handel diente
als auch für das Gefecht bereit sein mußte. Die Bemannung belief sich
auf 1300 Köpfe.
Haben wir bisher die Holländer und besonders die Ostindische
Handelsgesellschaft in ihren kriegerischen Unternehmungen betrachtet, so
wollen wir jetzt einen Blick aus den Fortgang ihrer Handelsunternehmungen
werfen. Es läßt sich denken, daß, je mehr die politische Macht der Nieder-
länder stieg, und je mehr es ihnen gelang, die übrigen Seemächte aus dem
indischen Archipel zu verdrängen, der Gewinn aus dem Handel mit Indien
sich mehrte. Den Gewürzhandel der Molukken rissen sie allmählich ganz
an sich und setzten allein die Preise für die Nelken und Muskatnüsse fest.
Hierbei Versuhren sie freilich aus gewaltsame Weise, nicht nur gegen die
Menschen, sondern auch gegen die zeugende Kraft der Natur. Sie setzen
nämlich fest, daß der Muskatbaum nur auf der Insel Banda, die Nelken
nur auf Amboiua gepflanzt werden dürsten, während auf den übrigen
Molukken sowie in andern Teilen des Archipels alle Nelken- und Muskat-
bäume ausgerottet werden mußten. Im Jahre 1683 war dies streng
angeordnet worden. Aber die Natur hat den Bemühungen der engherzigen
Kaufleute getrotzt, und deren jährliche Züge durch die Inseln, auf denen
sie den Anbau der Gewürze nicht dulden wollten, haben doch nicht ver-
hindern können, daß Vögel die Nüsse verschluckt und in andern Gegenden,
wohin die vertilgenden Holländer nicht gelangen konnten, wieder unverdaut
von sich gegeben und auf diese Weise die Verbreitung befördert haben.
Seit dem Jahre 1830 ist übrigens der Anbau der Gewürze vollständig
freigegeben worden.
Bis zu Ende des 17. Jahrhunderts führte die Ostindische Handels-
kompanie ihre Unternehmungen mit vielem Glücke aus. Den Aktionären
wurden alljährlich bedeutende Dividenden ausbezahlt, welche 15 bis 20
Prozent betrugen, ja bisweilen bis zu 50 Prozent stiegen. Im Jahre
1633 brachten fünf Schiffe eine Ladung aus dem indischen Archipel, welche
auf dem Markte zu Amsterdam für zwei Millionen verkauft wurde,
während der Einkaufspreis sich nur auf 600 000 Gulden belief. Ähnliche
gewinnbringende Ladungen kamen häufig an. Im Jahre 1697 kam eine
Ladung Waren aus Ostindien, deren Einkaufspreis fünf Millionen betrug
und die für nicht weniger als zwanzig Millionen losgeschlagen wurde. —
Mit dem Abschluß des 17. Jahrhunderts hatte aber auch die Ostindische
Handelskompanie ihre höchste Blüte erreicht und ging von jener Zeit an
allmählich dem Verfall entgegen. Um jedoch ihren Kredit aufrecht zu er-
halten, entrichtete sie ihren Aktionären alljährlich noch dieselben Dividenden,
wie zur Zeit ihres finanziellen Glanzes, wodurch ein Ausfall entstand,
der sich von Jahr zu Jahr vergrößerte, so daß derselbe gegen Ende des
18. Jahrhunderts etwa 135 Millionen betrug. Um diese Zeit wurde die
zwei Jahrhunderte alte Gesellschaft aufgelöst.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
Extrahierte Ortsnamen: Indien Banda Amsterdam Ostindien
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die wirtschaftlichen Verhältnisse. 173
Platze für diese Art des Börsengeschäfts emporgeschwungen, eine Tendenz,
ans welcher nicht mit Unrecht eine große Gefahr für den deutschen National-
Wohlstand hergeleitet wird.
1) Der Börsensteuer unterliegen mit 5 vom Tausend (50 Pfennig pro
100 Mark): a) inländische Aktien und Aktienanteilscheine sowie Jnterimsscheine über
Einzahlungen auf diese Wertpapiere, b) ausländische Aktien und Aktienanteilscheine,
wenn sie innerhalb des Bundesgebietes ausgehändigt, veräußert, verpfändet oder
wenn daselbst andre Geschäfte unter Lebenden damit gemacht oder Zahlungen
darauf geleistet werden, unter der gleichen Voraussetzung auch Jnterimsscheine über
Einzahlungen auf diese Wertpapiere.
2) Mit 2 vom Tausend (20 Pfennig pro 100 Mark) sind steuerpflichtig:
a) inländische für den Handelsverkehr bestimmte Renten- und Schuldverschreibungen
(sofern sie nicht unter Nr. 3 fallen) sowie Jnterimsscheine über Einzahlungen auf
diese Wertpapiere, b) Renten und Schuldverschreibungen ausländischer Staaten,
Korporationen, Aktiengesellschaften oder industrieller Unternehmungen und sonstige
für den Handelsverkehr bestimmte ausländische Renten und Schuldverschreibungen
sowie Jnterimsscheine über Einzahlungen aus diese Wertpapiere — unter den Vor-
aussetzungen wie unter 1.
3) Mit 1 vom Tausend (10 Pfennig pro 100 Mark) sind steuerpflichtig in-
ländische auf den Inhaber lautende und auf Grund staatlicher Genehmigung aus-
gegebene Renten- und Schuldverschreibungen der Kommunalverbände und Kommu-
uen, der Korporationen ländlicher oder städtischer Grundbesitzer, der Grundkredit-
und Hypothekenbanken oder der Transportgesellschaften sowie Jnterimsscheine über
Einzahlungen auf Papiere.
4) Mit Vio vom Tausend in Abstufungen von je vollen 2000 Mark, bei Ge-
schästen im Werte von über 10000 Mark, in Abstufungen von je vollen 10000 Mark
werden besteuert 1) Kauf- und Anschaffungsgefchäfte über ausländische Banknoten,
ausländisches Papiergeld, ausländische Geldsortcn, 2) Wertpapiere der unter Nr. 1,
2 und 3 bezeichneten Art. — Mit 2/10 vom Tausend sind steuerpflichtig Kauf- und
sonstige Anschaffungsgeschäfte, welche unter Zugrundelegung von Usancen einer
Börse geschlossen werden (Loko-, Zeit-, Fix-, Termin-, Prämien- ?c. Geschäfte).
5) Mit 5 vom Hundert find steuerpflichtig, Lose öffentlicher Lotterien sowie
Ausweise über Spieleinlagen bei öffentlich veranstalteten Ausspielungen von Geld-
oder andern Gewinnen. — Bei allen fünf Fällen finden sich gewisse Befreiungen.
§ 29. Das Versicherung^, Sparkassen- und Genossenschaftswesen.
Das Streben, der Not dadurch zu begegnen, daß man in günstigen
Zeiten Vorsorge trifft, findet sich nicht bei allen Menschen in gleicher Weise,
daher es eine Aufgabe des Gemeinwohls ist, dasselbe zu fördern und zu unter-
stützen sowie uameutlich auch dafür zu sorgen, daß die Hilse zur gebotenen
Zeit verfügbar sei. Dadurch entstanden schon ziemlich früh, vielleicht zuerst in
Spanien (vor Mitte des 10. Jahrhunderts),
1) die Versicherungsgesellschaften. In einer den Bedürfnissen ent-
sprechenden Ausbreitung gehören dieselben erst der Nenzeit an. Die erste
Lebensversicherung in Deutschland trat 1806 in Hamburg ins Leben; nachdem
dieselbe wegen Ungunst der Zeiten hatte eingehen müssen, begann mit deni
Entstehen der Lebensversicherungsgesellschaft in Gotha (1827) eine Zeit groß-
artiger Eutwickeluug. In ganz Europa gab es bis zum Jahre 1800 nur 20
Asseknranzanstalten; seitdem verbreiteten sich diese wohlthätigen Anstalten in
immer steigendem Verhältnisse über die europäischen Kulturländer. 1883 gab
es in Europa etwa 101 Staatsanstalten, 3308 Lokalversicherungsvereine und
1152 Privatversicherungsgesellschaften. Von den letzteren entfallen auf Deutsch-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Deutschland Hamburg Gotha Europa Europa
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
4 Aus Schlesiens Vergangenheit.
und genötigt, weiter nach Westen zu ziehen. Nur in den gebirgigen Gegenden
blieben noch Germanen zurück, welche den angestammten Sitten treu blieben, bis
Deutsche, wiederum rückwärts nach Osten wandernd, in den Slawenreichen wieder
festen Fuß faßten. Drei große Slawenreiche bildeten sich damals, nämlich das
polnische, böhmische und großmährische. Als dieses letztere aber um das Jahr
900 unterging, war Schlesien noch ohne Namen und keineswegs eine in sich
abgeschlossene Provinz, sondern in der von der Oder aus östlich gelegenen
Hälfte den polnischen, in der westlichen aber den böhmischen Slawen unter-
worfen. Erst im 10. Jahrhundert rissen die Polen das ganze Land an sich,
und so ist Schlesien am Anfange seiner Geschichte ein Teil Polens.
Die Slawen waren bei ihrer Einwanderung ein nomadisches Volk, das
erst nach und nach sich dem Ackerbau zuzuwenden begann. Ferner ist es nach-
gewiesen, daß die Slawen damals noch in Hütten wohnten, welche sie leicht ab-
brechen und mitnehmen konnten, wenn sie nach einem andern Weideplatze zogen.
Sie hatten eine patriarchalische Verfassung und lebten nur unter Familienober-
Häuptern, die bei allgemeinen Angelegenheiten sich miteinander berieten. Sie
waren gastfrei, treu und redlich, liebten die Freiheit und zeigten Mut und Tapfer-
feit; gegen ihre Beleidiger waren sie grausam, und man erzählt sich, daß sie im
Kriege sich vergifteter Pfeile bedienten. Bei der durch die großen Völkerzüge
zunehmenden Schwäche der germanischen Stämme drangen die Slawen immer
weiter nach Westen vor bis über die Elbe, und sie würden sich noch weiter
ausgedehnt haben, wenn sie nicht in den Franken, in Karl dem Großen und
seinen Nachfolgern, kräftige Feinde gefunden hätten.
Schlesien gehörte bald ganz zu dem großen polnischen Slawenreiche und
teilte mit letzterem Verfassung, Sitten und Schicksale; aber es litt sehr durch die
beständigen Kriege mit den Böhmen, die sich gern den westlichen Teil des Landes
zurückerobert hätten. Diese westliche Hälfte bestand damals aus verschiedenen
Gauen, deren größter Zlasane hieß und das Land der Slenza, d. h. der kleinen
Lohe, welche bei Nimptsch entspringt und bei Masfelwitz in die Oder fällt, um-
faßte; zu ihm gehörten etwa die heutigen Fürstentümer Breslau, Brieg bis an
die Oder und ein Teil des Fürstentums Schweidnitz.
Obgleich die Polen und Böhmen sich einander vielfach befehdeten, so wurde
doch von Böhmen her den Polen das Christentum gebracht. Der polnische
Fürst Miesko nahm im Jahre 966 das Christentum an, nachdem er ein Jahr
zuvor die als Christin getaufte Dubrawka, die Schwester des Herzogs Boleslaw
des Frommen von Böhmen, geheiratet hatte. Er stiftete ein Bistum in Posen,
das dem Erzbistum Magdeburg unterstellt wurde, und wußte auch die zu seinem
Reiche gehörenden Bewohner Schlesiens zur Annahme des Christentums zu
bewegen; aber auf die Sitten hatte die neue Religion keinen Einfluß, das Volk
blieb noch lange Zeit roh unter seinen gewaltthätigen Herrschern. Der Bischof
Dithmar von Merseburg schildert uns die Polen damaliger Zeit ganz anders,
als wir sie früher kennen gelernt haben; er sagt, das Volk müsse man wie
Ochsen und faule Esel züchtigen, ohne schwere Strafen könne es nicht beherrscht,
könne das Wohl des Fürsten nicht erhalten werden. Die Einführung des
Christentums machte deshalb große Schwierigkeiten und ging nicht ohne Gewalt
vor sich; ja diejenigen, welche dem heidnischen Glauben treu blieben, wurden
sogar mit Einziehung ihrer Güter oder mit dem Tode bestraft. Denjenigen.
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
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Autor: Keussen, Hermann, Kaiser, W., Keller, J., Heinzerling, Jakob, Preiser, F., Köppen, Fedor von, Nover, Jakob, Klöden, Gustav Adolf von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Femgericht. 365
Kaiser Friedrichs Hi. Später jedoch erwirkten sich sowol Fürsten wie Städte
Befreiung von der Verantwortlichkeit den Femgerichten gegenüber.
Anfangs besaßen die Freigerichte keine geschriebenen Gesetze. Um diesem
Mißstand abzuhelfen, traten im 15. und 16. Jahrhundert sogenannte General-
kapitel zusammen und erließen Vorschriften (Reformationen). Trotzdem kamen
noch Mißbräuche genug vor, meistens aus Habsucht der Richter und Schöffen,
da Strafsummen und Sporteln sehr hoch angesetzt waren. Durch den all-
gemeinen Landfrieden 1493 und die verbesserte Justizpflege ward die Gerichts-
barkeit der Freigerichte auf ein Minimum beschränkt.
Die Femlinde bei Dortmund.
Dennoch behaupteten sie sich bis in unser Jahrhundert (bis 1811). Noch in
den dreißiger Jahreu existirte wenigstens dem Namen nach ein Freigraf in Werl.
Trotz der späteren Ausschreitungen und Mißbräuche ist nicht zu leugnen, daß die
Femgerichte in ihrem Anfang und in der Blütezeit ein segensreiches Institut ge-
wesen sind, ein Institut unparteiischer Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person, ein
strenger Wächter der alten guten Sitten, ein unerbittlicher Richter über alle Ver-
brechen. Die Ehre war der Grundpfeiler, Gott, König und Recht der Wahlspruch.
Wie im Alterthum die unentrinnbaren Rachegeister, die Erinnyen, so ereilte die
heilige Feme den geheimen Verbrecher. Wie ein Blitzstrahl traf ihn der Fluch,
der Arm des Rächers. Zittern und Angst befiel ihn, erblickte er als Zeichen
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]
Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
218 Pommern.
bedeutende Meereseinbrüche stattfanden, das Meer auch bei uns größere Ver-
änderungen verursacht zu haben. Es soll sich in dieser Zeit das Nene Tief
gebildet haben; möglich ist, daß dasselbe mehreren auseinander folgenden Fluten
seine Entstehung oder seine Erweiterung verdankt; aber die Zeitangaben darüber
weichen voneinander ab, und daß auch die Sagenbildung bei solchen Begeben-
heiten nicht müßig gewesen ist, scheint daraus hervorzugehen, daß die Namen
zweier Kirchspiele, die damals untergegangen sein sollen, in gleichzeitigen glaub-
haften Schriftstücken gar nicht vorkommen.
Von dem zwar nicht hohen, aber steilen, von Regenschluchten zerrissenen
Diluvialufer von Barhöft, auf welchem wegen des gefährlichen Fahrwassers
eine Signalstation errichtet ist, erstreckt sich ein brackiges Binnengewässer unter
den Namen Grabow, Barther und Bodstedter Bodden etwa 20 km westlich
und dann als Saaler Bodden 20 km südwestlich. Das nur 3—5 m tiefe
Fahrwasser wird durch niedrige wiesenbedeckte Inseln und Halbinseln, welche
stetig an Ausdehnung zunehmen, sowie durch flache Schare und Haken, über
die man nicht selten waten kann, sehr beschränkt, so daß größere Schiffe von
den Orten Ribnitz, Damgarten und Barth, in denen lebhafter Schiffbau ge-
trieben wird, durch Prähme gehoben und so über die flachen Stellen des Fahr-
Wassers hinweggetragen werden müssen, um sie nach Stralsund zu bringen, wo
dann ihre Ausrüstung vollendet wird. Heute sind diese Binnengewässer von
dem Meere durch eine Halbinsel, den Dars, und eine Insel, Zingst, getrennt,
zwischen denen bis 1874 der Prerowstrom zum Meere führte. Beide bildeten
früher eine einzige Insel, welche bei Wustrow durch eine Straße, den Parnin,
vom Festlande getrennt wurde. Durch eine von Nordost kommende Sturmflut
aber wurde die Straße durch eingespülten Sand uusahrbar gemacht und da-
gegen der Prerowstrom gebildet. Der dem Festlande zunächst liegende Teil
des Dars ist teils Diluvium, teils älteres Alluvialgebilde, welches häufig mehr
oder minder mächtige Schichten von Ortstein, zuweilen auch Raseneisenerz ent-
hält, ist großenteils mit Kieserwaldungen bedeckt. Der nördliche Teil ist da-
gegen eine Neubildung des Meeres. Er wird von Dünenreihen durchzogen,
deren südliche, ältere, eine westliche, die nördlicheren, jüngeren, dagegen eine
nordwestliche Richtung haben. Zwischen ihren niedrigen, ebenfalls mit Kiefern
bestandenen Rücken ziehen sich langgestreckte, moorige, mit Elsbrüchern aus-
gefüllte Längsthäler hin, in deren breiterem westlichen, gegen das Meer durch
Dünen abgeschlossenen Ende Seen liegen, deren ältere auf losem Moor- und
Schlammuntergrnnde 1—3 m tiefes Wasser haben, während die jüngsten im
Sommer zum Teil austrocknen. Bis aus die neueste Zeit hat die Weiter-
bildung der nordwestlichen Spitze des Dars fortgedauert, indem die an der
Westküste stattfindende Dünenbildung sich im Laufe der Zeit immer weiter
nördlich in das Meer hineingeschoben hat. Eine früher vor derselben gelegene
Insel Rutt ist landfest geworden, fo daß von 1694—1840 die Nordspitze um
911m gewachsen ist. Heute hat sich abermals eine nordöstlich von der Spitze
der Dars, dem Darserort, eine kleine Sandinsel gebildet, welche von dem-
selben durch eine selbst für Boote nicht passierbare Straße getrennt ist und sich
allmählich zum Darserortriss verflacht; östlich von diesem liegt die Prerowbank,
so daß zwar kleinere Fahrzeuge zwischen beiden einsegeln und ankern können,
tiefer gehende Schiffe aber der Küste fern bleiben müssen. Zur Sicherung der
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer]]
Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
454 Königsberg.
Ob außer den angeführten verderblichen geistigen Einflüssen noch körperliche
Gründe für die wenigstens zeitweise wohl unleugbar vorhandene geistige Um-
nachtung des unglücklichen Fürsten, ob namentlich darauf hinzielende Vergiftungs-
versuche vorlagen, wird sich kaum entscheiden lassen. Sehr bestimmte Angaben
von Zeitgenossen weisen darauf hin und wenigstens muß mit aller Entschieden-
heit behauptet werden, daß die herrschsüchtige Clique, in deren Händen er sich
befand, alles mögliche dazu that, ihn in diesem Zustande zu erhalten und eine
mögliche Heilung zu verhindern. Ein geschickter Arzt, Johann Fortunatns, den
Wilhelm Iv. von Kleve, dessen Tochter Marie Eleonore man dem jungen
Fürsten, wie schon die Schatten des Wahnsinns sich über seinen Geist zu senken
begonnen hatten, ein trauriges Opfer politischer Rücksichten, vermählt hatte,
nach Königsberg schickte und der sich mit großer Zuversicht zu seiner Heilung
anheischig machte, wurde sechs Wochen lang, da man sich von seiner Recht-
gläubigkeit doch nicht überzeugt hätte und nicht sicher wäre, ob die versprochene
Heilung auch mit der Hilfe Gottes unternommen werden und nicht ein Werk
des Teufels fein würde, gar nicht zu dem Fürsten gelassen, bis endlich das An-
dringen der Fürstin und der Bürgerschaft von Königsberg seine Zulassung er-
zwang. Der Erfolg der Kur war überraschend günstig, der junge Fürst er-
wachte wieder zur Teilnahme an den Freuden und Interessen des Lebens und
fand Behagen an Lustritten und dem ritterlichen Spiel des Ringstechens. Aber
nur um fo wütender eiferten die auf diesen Erfolg neidischen Königsberger
Ärzte, die Prediger, die Regimentsräte gegen ihn. Erstere bewiesen in einem
gelehrten Klagelibell, daß Fortunatus ein unwissender Landläufer ohne Kenntnis
der Kraft der Medikamente sei, der nur mit Hilse des Teufels den Fürsten ge-
sund machen wolle, die Prediger wiesen ihm ketzerische Meinungen nach, und die
Regimentsräte verfehlten nicht, trotz des Widerspruchs des klevischen Gesandten,
den gefährlichen Mann zu verbannen, natürlich mit dem gewünschten Erfolg;
der Herzog, nicht stark genug, die ihn einschnürenden Bande zu zerreißen und
sie doch aufs schmerzlichste empfindend, sank in den alten Zustand stumpfer
Schwermut zurück, in dem er verblieb, bis ihn der Tod erlöste.
Inzwischen ging die intolerante Pfaffenwirtschaft in Zänkereien und Ver-
ketzerungen ihren Gang und es kann uns bei der Betrachtung dieses uuerquick-
liehen Schauspiels nur in geringem Maße zur Befriedigung gereichen, daß
gerade einer der unduldsamsten und stolzesten dieser sich unfehlbar dünkenden
lutherischen Päpstlein, Heshnsins, der unerbittliche Glaubensrichter, selbst dem
Vorwurf der Irrlehre erlag und, da er nicht widerrufen wollte, gestürzt und
aus dem Lande verbannt wurde. Die Sache ist so charakteristisch für die in
damaliger Zeit in religiöser Beziehung herrschende verkehrte Geistesrichtung,
daß wir etwas dabei verweilen müssen. Heshusius hatte in einem zur Be-
kämpfung der Ealvinisten geschriebenen Buche gesagt: „man dürfe nicht bloß
in concreto sagen, der Mensch Christus sei allmächtig, allwissend und anzu-
beten; sondern auch in abstracto sei es wahr, daß die menschliche Natur Christi
allwissend, allmächtig und anbetenswert sei." Darüber höchste sittliche Entrüstung
unter den übrigen Königsberger Kirchenlichrern, Morgenstern, Hofprediger
Wedemann, Mörlin und andern, die den zweiten Teil der Behauptung für irrig
und ketzerisch erklärten. Nun heftiger Krieg, der nicht bloß in giftigen gelehrten
Streitschriften, sondern von den Kanzeln herab mit um so größerer Erbitterung
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Extrahierte Personennamen: Johann_Fortunatns Johann Wilhelm Marie_Eleonore Heshusius Christus Christi Morgenstern Wedemann
Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Hansa und das Rheinland. 311
Mark, von Mörs, von Dhaun, von Wied, und die später aus den ersten herr^
schend'en Familien des Deutschen Reiches, der Reihe der Erzherzöge von Oester-
reich und der Herzöge von Bayern entnommen wurden, unterstützt von den
reichen Kaufherren, die in Kleidung und Mode, in Sitte und Luxus die ton-
angebenden Herren weithin in den deutschen Landen waren, auch eine hohe
Bedeutung als Sitz der vornehmsten Schulen, der Wissenschaften, der Künste
und der Künstler gewinnen. Auch in dieser Beziehung, als herrschende Kultur-
macht am Niederrhein, dehnte die Stadt Köln ihren Einfluß so weit aus, als
der Stab ihrer Bischöfe reichte, als ihre Frachtwagen und Schiffe gingen.
Die 1388 gestiftete Hochschule wurde bald die vornehmste in ganz Nieder-
deutschland, und erreichte als Vertreterin des Katholizismus denselben Einfluß, wie
im Rheinbecken Heidelberg als Leuchte des Humanismus. Die Werke der Kölner
Malerschule dienten bis hinab zu den Niederlanden als Muster, schmückten weit
hinauf am Rheine die Altäre der Kirchen und die Fenster. Noch größeren Einfluß
gewann die Kölner Bauhütte mit ihren Denkmälern, die am ganzen Niederrhein
für Stadt und Dorf die willkommenen Vorbilder lieferten. Die Kirchen St. Severin
und Maria auf dem Kapitol aus dem 11. Jahrhundert bilden auf dem Gebiete
des romanischen Stiles so gut die Muster, wie später im Reiche der Gothik seit
Mitte des 13. Jahrhunderts das Wunder des herrlichen Domes bahnbrechend wird.
So führt am Niederrhein in jeder Beziehung das Mittelalter hindurch Köln die
Herrschaft, und für die gebildete Welt Mitteleuropa s brachte dies Centrum Jahr-
hunderte lang die regste Vermittlung, bis sie seit der Entdeckung Amerikas diese
Rolle theilweise abgeben mußte an die holländischen und englischen Städte.
Der wichtigen Rolle im Völkerverkehr Mitteleuropas, welche die rheinischen
Städte spielten, entspricht die politische Bedeutung des Rheinlandes, seine
Stellung als Hauptsitz der deutschen Könige und der römischen Kaiser,
sein Verhältniß zu den weltbewegenden Ereignissen des Mittelalters, dem
Kirchenstreite und den Krenzzügen anzugeben.
Die Merovinger liebten es, wie alle fränkische und germanische Großen,
nicht in ummauerten Städten, sondern aus Höfen, den fogenannten Pfalzen, zu
wohnen. Hier, umgeben vom frischen Eichwald, inmitten ihres Gesindes,
lebten sie ihrer Lieblingsneigung, der Jagd. Solche Königshöfe lagen überall
am Rhein, besonders aber dort, wo der fränkischen Macht Hauptsitz war —
am Niederrhein. Zu Dispargum, wahrscheinlich dem heutigen Duisburg, saß
Klodio, der erste Meroviuger, und seinen Nachkommen war dieser Ort stets die
vornehmste Königspfalz. Auch die Karolinger, die gleichfalls vom Rheinland
abstammten, bevorzugten als ständige Sitze diese Gegenden, und die kaiserliche
Residenz des großen Karl war bekanntlich das Heilbad Aachen. Allein jetzt
bei der Verbindung Alemanniens mit dem Reiche, bei der hervortretenden Be-
dentuug von erwachsenden Centren für Krieg und Frieden, wie Mainz und
Worms, Frankfurt und Straßburg, war das Reichsoberhaupt genöthigt, auf die
bedeutsame Stellung des mittleren Rheinbeckens Rücksicht zunehmen; und so sehen
wir den gebietenden Karolinger öfters in den Mauern von Worms, des alten
Burgundensitzes, die hohen Feste feiern, sehen in Lorsch und Michelstadt drüben im
Odenwalds seine Vertrauten geistliche und weltliche Reichsgeschäfte betreiben,
sehen ihn endlich feinen Lieblingssitz in der Nähe des Metropolitana von Mainz zu
Ingelheim nehmen und selbst drüben zu Frankfurt die energischen Vorbereitungen
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Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
76 Der Rheingau.
„Allein obgleich fast alle die früheren sozialen Charakterzüge des rhein-
gauischen Volkes erloschen sind, so war doch ein einziger nicht zu vertilgen: der
Rheingauer ist der Marin des deutschen Weinlandes, des Weinbaues und des
Weintrinkens als solcher. Das ist die wunderbare natürliche Wahlverwandtschaft
zwischen Land und Leuten, die durch keine politische Umwälzung zerstört werden
kann. — Der oberste Kanon der alten rheinganischen Landesrechte hieß: „Im
Rheingau macht die Luft frei!" Dieses große Privileg des salischeu freien
Landstriches hat längst seinen politischen Sinn verloren. Aber ein tiefer poetischer
Sinn ist dem wunderlich klingenden mittelalterlichen Rechtsgrundsatze geblieben.
Die Luft ist es in der That, die das moderne, in den Banden einer eben so
unreifen als überreifen (Zivilisation gefangene rheinganische Volksleben einzig
noch frei macht, die milde, hefperische Luft in ganz Deutschland sonder Gleichen,
welche die Traube des Steiubergs und Johannisbergs reist, damit der Wein
wenigstens das arme Volk im reichsten Gau mit einem Strahl der Poesie ver-
kläre, und ihm das Köstlichste nicht ganz verloren sein lasse, was den einzelnen
Menschen wie Volksgruppen und Nationen auszeichnet: eigenartige Persönlichkeit."
So weit Riehl in seiner Beurtheilung der Rheingauer und ihres Charakters;
noch einige Bemerkungen über das Aeußere, deu Typus derselben. Was die
Abstammung der Bevölkerung betrifft, so mögen einzelne Elemente auf die vor-
römische und die römische Periode zurückgehen. Die Hauptmasse aber der Rhein-
gauer entstammt, wie schon die meist deutscheu Wurzeln entlehnten Ortsnamen
beweisen, der germanischen Rasse. Die vielen Ortsnamen auf heim, hausen,
bach sprechen hier für die Herkunft der Einwanderung vor ca. 1500 Jahren
aus dem Kattenlande, dem heutigen Heffen. Aus dem Gebiete der oberen Lahn
und der Wetterau hinab zog sich der Strom der von Arnold „obersränkisch"
genannten Wanderung hinab in die Mittelrheinlande, um hier im Civilisatious-
werke zuerst friedlich, dann feindlich mit dem Stamme der Alemannen zusammen-
zustoßen. An die Namensgebung der Letzteren erinnert nur das Dörfchen Eibingen
hinter Rüdesheim. Der Typus des Volkes, zumal an kleineren Orten, wo er
sich besser und reiner erhalten hat als in den südlichen Ansiedelungen mit
wechselnder und gemischter Bevölkerung, zeigt ganz die Art der fränkischen Leibes-
bildnng. Hohe, schlanke, etwas vorgebeugte Gestalten, ein ziemlich langes Ge-
ficht mit starkem Nasenbein, etwas spitzem Kinn und gewölbtem, hinten aus-
gebeugtem Schädeldache. Dabei meist helle und braune Augen und Haare; bei den
Frauen öfters etwas vorstehende Kinnbacken und schiefstehende Zahnreihen. Die
Muskeln, gewohnt an Hitze und Kälte, weniger an Durst und Wasser. Die geistigen
Anlagen vortrefflich, mit besonders entwickeltem Erwerbssinn. Dabei, wie alle
Rheinländer, fröhlich, heiter, guter Dinge und nicht selten voll süßen Weines.
Land und Leute vertreten den echten Typus des deutschen Rheinlandes und
des franken, freien, rheinischen Bauerugeschlechtes. In den Städtchen da sitzen
auf palastähnlichen Höfen und Villen, die manchmal noch Wappen und Jahres-
zahlen aus der Mainzer Kurzeit tragen, die reichen, wohlsituirten Weinhändler
und Weingutsbesitzer. Bei ihnen herrscht in vollem Maße die edle, altgermanische
Sitte, die Gastfreundschaft, und stets ist bei ihnen zu finden eine offene Flasche,
ein spundfreies Faß. Dabei find sie auch die geborenen Vertreter des politischen
Liberalismus, nicht nur des gesellschaftlichem Die Luft macht ja schon frei im
Rheingau. Vom alteu Mainzer und rheingauer Adel bemerkt man nur noch
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