Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Bewohner des Karolinenarchipels. 169
daß sie im Laufe der Jahrtausende die Gipfel oder unterseeischen Berg-
züge durch Ansetzen ihrer kalkartigen Stöcke immer mehr erhöhen, bis diese
zuletzt in Folge allgemeiner Erhebung des Meeresbodens sich gleichfalls
als Riffe und' Inseln erheben und ganze Felsenketten oder unermeßlich
große unterseeische Bänke und Massen bilden, deren Ausdehnung durch die
Entstehung neuer Tiere, welche den Bau der alten fortführen, unaufhörlich
zunimmt. So baut eine Kolonie auf der andern fort, die Hülle der ersteren
bleibt unverletzt und dient der zweiten als Grundlage, diese wieder der
Bewohner des Harolmenarchipets. (Nach einer Originalphotographie.)
dritten und so fort. Haben diese Baue endlich die Meeresoberfläche er-
reicht, so können die kleineu Tierchen nicht mehr leben und der durch ihre
Trümmer entstandene Boden hört auf, durch ihre Mitwirkung emporzu-
wachsen, wogegen die durch unterirdische Kräfte hervorgebrachte Erhebung
des Bodens fortdauern oder auch nach Jahrtausenden in eine Senkung
desselben übergehen kann. Für beiderlei Tätigkeiten gibt die Bildung
und Gestaltung dieser Inselwelt Belege, so rätselhaft auch manches noch
bleibt. Findet eine Hebung jener Korallenbaue statt, dann setzt die Atmo-
sphäre das Werk der Polypen fort und wirkt auf den Bau ein, das Meer
füllt den inneren Raum mit Sand und Erde aus, schwemmt Pflanzensamen
TM Hauptwörter (50): [T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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TM Hauptwörter (200): [T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
72 Die Niederländer in Java und auf den übrigen ostindischen Inseln.
nicht so streng wie heute war, und jedes Schiff sowohl dem Handel diente
als auch für das Gefecht bereit sein mußte. Die Bemannung belief sich
auf 1300 Köpfe.
Haben wir bisher die Holländer und besonders die Ostindische
Handelsgesellschaft in ihren kriegerischen Unternehmungen betrachtet, so
wollen wir jetzt einen Blick aus den Fortgang ihrer Handelsunternehmungen
werfen. Es läßt sich denken, daß, je mehr die politische Macht der Nieder-
länder stieg, und je mehr es ihnen gelang, die übrigen Seemächte aus dem
indischen Archipel zu verdrängen, der Gewinn aus dem Handel mit Indien
sich mehrte. Den Gewürzhandel der Molukken rissen sie allmählich ganz
an sich und setzten allein die Preise für die Nelken und Muskatnüsse fest.
Hierbei Versuhren sie freilich aus gewaltsame Weise, nicht nur gegen die
Menschen, sondern auch gegen die zeugende Kraft der Natur. Sie setzen
nämlich fest, daß der Muskatbaum nur auf der Insel Banda, die Nelken
nur auf Amboiua gepflanzt werden dürsten, während auf den übrigen
Molukken sowie in andern Teilen des Archipels alle Nelken- und Muskat-
bäume ausgerottet werden mußten. Im Jahre 1683 war dies streng
angeordnet worden. Aber die Natur hat den Bemühungen der engherzigen
Kaufleute getrotzt, und deren jährliche Züge durch die Inseln, auf denen
sie den Anbau der Gewürze nicht dulden wollten, haben doch nicht ver-
hindern können, daß Vögel die Nüsse verschluckt und in andern Gegenden,
wohin die vertilgenden Holländer nicht gelangen konnten, wieder unverdaut
von sich gegeben und auf diese Weise die Verbreitung befördert haben.
Seit dem Jahre 1830 ist übrigens der Anbau der Gewürze vollständig
freigegeben worden.
Bis zu Ende des 17. Jahrhunderts führte die Ostindische Handels-
kompanie ihre Unternehmungen mit vielem Glücke aus. Den Aktionären
wurden alljährlich bedeutende Dividenden ausbezahlt, welche 15 bis 20
Prozent betrugen, ja bisweilen bis zu 50 Prozent stiegen. Im Jahre
1633 brachten fünf Schiffe eine Ladung aus dem indischen Archipel, welche
auf dem Markte zu Amsterdam für zwei Millionen verkauft wurde,
während der Einkaufspreis sich nur auf 600 000 Gulden belief. Ähnliche
gewinnbringende Ladungen kamen häufig an. Im Jahre 1697 kam eine
Ladung Waren aus Ostindien, deren Einkaufspreis fünf Millionen betrug
und die für nicht weniger als zwanzig Millionen losgeschlagen wurde. —
Mit dem Abschluß des 17. Jahrhunderts hatte aber auch die Ostindische
Handelskompanie ihre höchste Blüte erreicht und ging von jener Zeit an
allmählich dem Verfall entgegen. Um jedoch ihren Kredit aufrecht zu er-
halten, entrichtete sie ihren Aktionären alljährlich noch dieselben Dividenden,
wie zur Zeit ihres finanziellen Glanzes, wodurch ein Ausfall entstand,
der sich von Jahr zu Jahr vergrößerte, so daß derselbe gegen Ende des
18. Jahrhunderts etwa 135 Millionen betrug. Um diese Zeit wurde die
zwei Jahrhunderte alte Gesellschaft aufgelöst.
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TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
Extrahierte Ortsnamen: Indien Banda Amsterdam Ostindien
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die wirtschaftlichen Verhältnisse. 173
Platze für diese Art des Börsengeschäfts emporgeschwungen, eine Tendenz,
ans welcher nicht mit Unrecht eine große Gefahr für den deutschen National-
Wohlstand hergeleitet wird.
1) Der Börsensteuer unterliegen mit 5 vom Tausend (50 Pfennig pro
100 Mark): a) inländische Aktien und Aktienanteilscheine sowie Jnterimsscheine über
Einzahlungen auf diese Wertpapiere, b) ausländische Aktien und Aktienanteilscheine,
wenn sie innerhalb des Bundesgebietes ausgehändigt, veräußert, verpfändet oder
wenn daselbst andre Geschäfte unter Lebenden damit gemacht oder Zahlungen
darauf geleistet werden, unter der gleichen Voraussetzung auch Jnterimsscheine über
Einzahlungen auf diese Wertpapiere.
2) Mit 2 vom Tausend (20 Pfennig pro 100 Mark) sind steuerpflichtig:
a) inländische für den Handelsverkehr bestimmte Renten- und Schuldverschreibungen
(sofern sie nicht unter Nr. 3 fallen) sowie Jnterimsscheine über Einzahlungen auf
diese Wertpapiere, b) Renten und Schuldverschreibungen ausländischer Staaten,
Korporationen, Aktiengesellschaften oder industrieller Unternehmungen und sonstige
für den Handelsverkehr bestimmte ausländische Renten und Schuldverschreibungen
sowie Jnterimsscheine über Einzahlungen aus diese Wertpapiere — unter den Vor-
aussetzungen wie unter 1.
3) Mit 1 vom Tausend (10 Pfennig pro 100 Mark) sind steuerpflichtig in-
ländische auf den Inhaber lautende und auf Grund staatlicher Genehmigung aus-
gegebene Renten- und Schuldverschreibungen der Kommunalverbände und Kommu-
uen, der Korporationen ländlicher oder städtischer Grundbesitzer, der Grundkredit-
und Hypothekenbanken oder der Transportgesellschaften sowie Jnterimsscheine über
Einzahlungen auf Papiere.
4) Mit Vio vom Tausend in Abstufungen von je vollen 2000 Mark, bei Ge-
schästen im Werte von über 10000 Mark, in Abstufungen von je vollen 10000 Mark
werden besteuert 1) Kauf- und Anschaffungsgefchäfte über ausländische Banknoten,
ausländisches Papiergeld, ausländische Geldsortcn, 2) Wertpapiere der unter Nr. 1,
2 und 3 bezeichneten Art. — Mit 2/10 vom Tausend sind steuerpflichtig Kauf- und
sonstige Anschaffungsgeschäfte, welche unter Zugrundelegung von Usancen einer
Börse geschlossen werden (Loko-, Zeit-, Fix-, Termin-, Prämien- ?c. Geschäfte).
5) Mit 5 vom Hundert find steuerpflichtig, Lose öffentlicher Lotterien sowie
Ausweise über Spieleinlagen bei öffentlich veranstalteten Ausspielungen von Geld-
oder andern Gewinnen. — Bei allen fünf Fällen finden sich gewisse Befreiungen.
§ 29. Das Versicherung^, Sparkassen- und Genossenschaftswesen.
Das Streben, der Not dadurch zu begegnen, daß man in günstigen
Zeiten Vorsorge trifft, findet sich nicht bei allen Menschen in gleicher Weise,
daher es eine Aufgabe des Gemeinwohls ist, dasselbe zu fördern und zu unter-
stützen sowie uameutlich auch dafür zu sorgen, daß die Hilse zur gebotenen
Zeit verfügbar sei. Dadurch entstanden schon ziemlich früh, vielleicht zuerst in
Spanien (vor Mitte des 10. Jahrhunderts),
1) die Versicherungsgesellschaften. In einer den Bedürfnissen ent-
sprechenden Ausbreitung gehören dieselben erst der Nenzeit an. Die erste
Lebensversicherung in Deutschland trat 1806 in Hamburg ins Leben; nachdem
dieselbe wegen Ungunst der Zeiten hatte eingehen müssen, begann mit deni
Entstehen der Lebensversicherungsgesellschaft in Gotha (1827) eine Zeit groß-
artiger Eutwickeluug. In ganz Europa gab es bis zum Jahre 1800 nur 20
Asseknranzanstalten; seitdem verbreiteten sich diese wohlthätigen Anstalten in
immer steigendem Verhältnisse über die europäischen Kulturländer. 1883 gab
es in Europa etwa 101 Staatsanstalten, 3308 Lokalversicherungsvereine und
1152 Privatversicherungsgesellschaften. Von den letzteren entfallen auf Deutsch-
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TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
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Extrahierte Ortsnamen: Spanien Deutschland Hamburg Gotha Europa Europa
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
374 Land und Leute im Großherzogtum Posen.
Es ist merkwürdig, daß die ältesten polnischen Städte, die einst in großer
Blüte gestanden haben, im Laufe der Zeit sehr heruntergekommen sind. Das
alte Kruschwitz, welches im Jahre 1816 nur 135 Einwohner hatte, war kaum
noch eine Stadt zu nennen. Dennoch läßt sich diese Thatsache geschichtlich er-
klären. Die ältesten Städte wurden natürlich in Gegenden angelegt, die von
Natur schon einen bedeutenden Schutz gegen nahende Feinde gewährten, in
Sumpfland, an abgelegenen, schwer erreichbaren Orten. Als aber später die
Kriegführung eine andre wurde, als die Stadtbewohner auch Handel und Acker-
bau treiben wollten, wurden neue Städte an gesünder gelegenen Orten gegründet,
die schnell aufblühten, die alten aber erhielten nicht nur keinen Zuzug, sondern
mancher Bürger suchte sich auch eine bessere, neue Heimat. Die Behauptung,
welche von polnischer Seite zuweilen aufgestellt wird, daß durch die Einwirkung,
Einwanderung und Thätigkeit der Deutschen die polnischen Städte zurückgegangen
seien, ist geradezu aus der Luft gegriffen.
Als die Polen in die Geschichte eintraten, herrschte bei ihnen schon eine
starke Unterdrückung des Volkes. In Polen gab es keine feste, öffentliche Ord-
nung; wer Freiheit genießen wollte, mußte Gewalt haben; die Fürsten und
Großen schalteten nach Willkür und drückten die Masse zu Boden; das wachsende
Herrschertum überbürdete die Landleute noch mehr.
Nicht herausgerissen wurde das Volk aus seiner üblen Lage, aber eine
günstige Veränderung wurde doch herbeigeführt, und eine zum Bessern treibende
Kraft kam in das Polenreich durch die Einwanderung der Deutschen.
Vorläufer waren die Geistlichen. Die christlich gewordenen polnischen
Herrscher schenkten, um ihre Frömmigkeit zu beweisen, zu verschiedenen Zeiten
mehr oder minder große Wüsteneien an geistliche Stiftungen. Diese Geschenke
hatten indes, solange sie wüst blieben, für die Empfänger nur einen sehr ge-
ringen Wert; diese mußten daher daran denken, die Ländereien urbar zu machen.
Hierzu waren aber die Polen als Leibeigne überhaupt nicht zu haben. Man
mußte sich daher nach andern Ländern umsehen, und deshalb fiel der Blick vor
allen Dingen auf das dicht bevölkerte Deutschland, aus welchem zahlreiche,
fleißige, zuverlässige und bemittelte Ansiedler leicht zu beschaffen waren, nur
mußte man ihnen Bedingungen stellen, durch welche sie sich bewogen fühlten,
Deutschland zu verlassen und nach Polen auszuwandern.
Die geistlichen Orden also waren es zuerst, welche deutsche Ansiedler nach
Polen zogen. Die Mönche waren ja anfangs selbst meist Deutsche und kannten
deutschen Fleiß. Im Kloster Lubin (Kreis Kosten) wurde zum erstenmal im
Jahre 1190 ein Pole zum Abt gewählt. In die von Gnesen 1234 gestiftete
Cistercienserabtei Obra wurden sogar nur Deutsche aufgenommen. Nach und
uach wurden Kirchen und Klöster in allen wichtigeren Orten gegründet; Eister-
cienfer hatten Klöster in Paradis, Priment, Blefen, Lekno, Dominikaner in
Posen, Wronke, Benediktiner in Lubin, Johanniter in Bromberg. Die Kirchen
und Klöster wurden Ausgangsstätten höherer Bildung.
Zu ihrem eignen Vorteil sorgten die Mönche unausgesetzt für einträgliche
Ackerwirtschaft, brachten Obst- und andre Nutzbäume nach Polen, und so ge-
wann das Land. Geistliche suchten die Bauern von den drückenden Lasten zu
befreien, sie der weltlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen und unter das Gericht
des Klosters und der Kirche zu bringen.
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Autor: Keussen, Hermann, Kaiser, W., Keller, J., Heinzerling, Jakob, Preiser, F., Köppen, Fedor von, Nover, Jakob, Klöden, Gustav Adolf von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Femgericht. 365
Kaiser Friedrichs Hi. Später jedoch erwirkten sich sowol Fürsten wie Städte
Befreiung von der Verantwortlichkeit den Femgerichten gegenüber.
Anfangs besaßen die Freigerichte keine geschriebenen Gesetze. Um diesem
Mißstand abzuhelfen, traten im 15. und 16. Jahrhundert sogenannte General-
kapitel zusammen und erließen Vorschriften (Reformationen). Trotzdem kamen
noch Mißbräuche genug vor, meistens aus Habsucht der Richter und Schöffen,
da Strafsummen und Sporteln sehr hoch angesetzt waren. Durch den all-
gemeinen Landfrieden 1493 und die verbesserte Justizpflege ward die Gerichts-
barkeit der Freigerichte auf ein Minimum beschränkt.
Die Femlinde bei Dortmund.
Dennoch behaupteten sie sich bis in unser Jahrhundert (bis 1811). Noch in
den dreißiger Jahreu existirte wenigstens dem Namen nach ein Freigraf in Werl.
Trotz der späteren Ausschreitungen und Mißbräuche ist nicht zu leugnen, daß die
Femgerichte in ihrem Anfang und in der Blütezeit ein segensreiches Institut ge-
wesen sind, ein Institut unparteiischer Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person, ein
strenger Wächter der alten guten Sitten, ein unerbittlicher Richter über alle Ver-
brechen. Die Ehre war der Grundpfeiler, Gott, König und Recht der Wahlspruch.
Wie im Alterthum die unentrinnbaren Rachegeister, die Erinnyen, so ereilte die
heilige Feme den geheimen Verbrecher. Wie ein Blitzstrahl traf ihn der Fluch,
der Arm des Rächers. Zittern und Angst befiel ihn, erblickte er als Zeichen
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
218 Pommern.
bedeutende Meereseinbrüche stattfanden, das Meer auch bei uns größere Ver-
änderungen verursacht zu haben. Es soll sich in dieser Zeit das Nene Tief
gebildet haben; möglich ist, daß dasselbe mehreren auseinander folgenden Fluten
seine Entstehung oder seine Erweiterung verdankt; aber die Zeitangaben darüber
weichen voneinander ab, und daß auch die Sagenbildung bei solchen Begeben-
heiten nicht müßig gewesen ist, scheint daraus hervorzugehen, daß die Namen
zweier Kirchspiele, die damals untergegangen sein sollen, in gleichzeitigen glaub-
haften Schriftstücken gar nicht vorkommen.
Von dem zwar nicht hohen, aber steilen, von Regenschluchten zerrissenen
Diluvialufer von Barhöft, auf welchem wegen des gefährlichen Fahrwassers
eine Signalstation errichtet ist, erstreckt sich ein brackiges Binnengewässer unter
den Namen Grabow, Barther und Bodstedter Bodden etwa 20 km westlich
und dann als Saaler Bodden 20 km südwestlich. Das nur 3—5 m tiefe
Fahrwasser wird durch niedrige wiesenbedeckte Inseln und Halbinseln, welche
stetig an Ausdehnung zunehmen, sowie durch flache Schare und Haken, über
die man nicht selten waten kann, sehr beschränkt, so daß größere Schiffe von
den Orten Ribnitz, Damgarten und Barth, in denen lebhafter Schiffbau ge-
trieben wird, durch Prähme gehoben und so über die flachen Stellen des Fahr-
Wassers hinweggetragen werden müssen, um sie nach Stralsund zu bringen, wo
dann ihre Ausrüstung vollendet wird. Heute sind diese Binnengewässer von
dem Meere durch eine Halbinsel, den Dars, und eine Insel, Zingst, getrennt,
zwischen denen bis 1874 der Prerowstrom zum Meere führte. Beide bildeten
früher eine einzige Insel, welche bei Wustrow durch eine Straße, den Parnin,
vom Festlande getrennt wurde. Durch eine von Nordost kommende Sturmflut
aber wurde die Straße durch eingespülten Sand uusahrbar gemacht und da-
gegen der Prerowstrom gebildet. Der dem Festlande zunächst liegende Teil
des Dars ist teils Diluvium, teils älteres Alluvialgebilde, welches häufig mehr
oder minder mächtige Schichten von Ortstein, zuweilen auch Raseneisenerz ent-
hält, ist großenteils mit Kieserwaldungen bedeckt. Der nördliche Teil ist da-
gegen eine Neubildung des Meeres. Er wird von Dünenreihen durchzogen,
deren südliche, ältere, eine westliche, die nördlicheren, jüngeren, dagegen eine
nordwestliche Richtung haben. Zwischen ihren niedrigen, ebenfalls mit Kiefern
bestandenen Rücken ziehen sich langgestreckte, moorige, mit Elsbrüchern aus-
gefüllte Längsthäler hin, in deren breiterem westlichen, gegen das Meer durch
Dünen abgeschlossenen Ende Seen liegen, deren ältere auf losem Moor- und
Schlammuntergrnnde 1—3 m tiefes Wasser haben, während die jüngsten im
Sommer zum Teil austrocknen. Bis aus die neueste Zeit hat die Weiter-
bildung der nordwestlichen Spitze des Dars fortgedauert, indem die an der
Westküste stattfindende Dünenbildung sich im Laufe der Zeit immer weiter
nördlich in das Meer hineingeschoben hat. Eine früher vor derselben gelegene
Insel Rutt ist landfest geworden, fo daß von 1694—1840 die Nordspitze um
911m gewachsen ist. Heute hat sich abermals eine nordöstlich von der Spitze
der Dars, dem Darserort, eine kleine Sandinsel gebildet, welche von dem-
selben durch eine selbst für Boote nicht passierbare Straße getrennt ist und sich
allmählich zum Darserortriss verflacht; östlich von diesem liegt die Prerowbank,
so daß zwar kleinere Fahrzeuge zwischen beiden einsegeln und ankern können,
tiefer gehende Schiffe aber der Küste fern bleiben müssen. Zur Sicherung der
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
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Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
454 Königsberg.
Ob außer den angeführten verderblichen geistigen Einflüssen noch körperliche
Gründe für die wenigstens zeitweise wohl unleugbar vorhandene geistige Um-
nachtung des unglücklichen Fürsten, ob namentlich darauf hinzielende Vergiftungs-
versuche vorlagen, wird sich kaum entscheiden lassen. Sehr bestimmte Angaben
von Zeitgenossen weisen darauf hin und wenigstens muß mit aller Entschieden-
heit behauptet werden, daß die herrschsüchtige Clique, in deren Händen er sich
befand, alles mögliche dazu that, ihn in diesem Zustande zu erhalten und eine
mögliche Heilung zu verhindern. Ein geschickter Arzt, Johann Fortunatns, den
Wilhelm Iv. von Kleve, dessen Tochter Marie Eleonore man dem jungen
Fürsten, wie schon die Schatten des Wahnsinns sich über seinen Geist zu senken
begonnen hatten, ein trauriges Opfer politischer Rücksichten, vermählt hatte,
nach Königsberg schickte und der sich mit großer Zuversicht zu seiner Heilung
anheischig machte, wurde sechs Wochen lang, da man sich von seiner Recht-
gläubigkeit doch nicht überzeugt hätte und nicht sicher wäre, ob die versprochene
Heilung auch mit der Hilfe Gottes unternommen werden und nicht ein Werk
des Teufels fein würde, gar nicht zu dem Fürsten gelassen, bis endlich das An-
dringen der Fürstin und der Bürgerschaft von Königsberg seine Zulassung er-
zwang. Der Erfolg der Kur war überraschend günstig, der junge Fürst er-
wachte wieder zur Teilnahme an den Freuden und Interessen des Lebens und
fand Behagen an Lustritten und dem ritterlichen Spiel des Ringstechens. Aber
nur um fo wütender eiferten die auf diesen Erfolg neidischen Königsberger
Ärzte, die Prediger, die Regimentsräte gegen ihn. Erstere bewiesen in einem
gelehrten Klagelibell, daß Fortunatus ein unwissender Landläufer ohne Kenntnis
der Kraft der Medikamente sei, der nur mit Hilse des Teufels den Fürsten ge-
sund machen wolle, die Prediger wiesen ihm ketzerische Meinungen nach, und die
Regimentsräte verfehlten nicht, trotz des Widerspruchs des klevischen Gesandten,
den gefährlichen Mann zu verbannen, natürlich mit dem gewünschten Erfolg;
der Herzog, nicht stark genug, die ihn einschnürenden Bande zu zerreißen und
sie doch aufs schmerzlichste empfindend, sank in den alten Zustand stumpfer
Schwermut zurück, in dem er verblieb, bis ihn der Tod erlöste.
Inzwischen ging die intolerante Pfaffenwirtschaft in Zänkereien und Ver-
ketzerungen ihren Gang und es kann uns bei der Betrachtung dieses uuerquick-
liehen Schauspiels nur in geringem Maße zur Befriedigung gereichen, daß
gerade einer der unduldsamsten und stolzesten dieser sich unfehlbar dünkenden
lutherischen Päpstlein, Heshnsins, der unerbittliche Glaubensrichter, selbst dem
Vorwurf der Irrlehre erlag und, da er nicht widerrufen wollte, gestürzt und
aus dem Lande verbannt wurde. Die Sache ist so charakteristisch für die in
damaliger Zeit in religiöser Beziehung herrschende verkehrte Geistesrichtung,
daß wir etwas dabei verweilen müssen. Heshusius hatte in einem zur Be-
kämpfung der Ealvinisten geschriebenen Buche gesagt: „man dürfe nicht bloß
in concreto sagen, der Mensch Christus sei allmächtig, allwissend und anzu-
beten; sondern auch in abstracto sei es wahr, daß die menschliche Natur Christi
allwissend, allmächtig und anbetenswert sei." Darüber höchste sittliche Entrüstung
unter den übrigen Königsberger Kirchenlichrern, Morgenstern, Hofprediger
Wedemann, Mörlin und andern, die den zweiten Teil der Behauptung für irrig
und ketzerisch erklärten. Nun heftiger Krieg, der nicht bloß in giftigen gelehrten
Streitschriften, sondern von den Kanzeln herab mit um so größerer Erbitterung
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Extrahierte Personennamen: Johann_Fortunatns Johann Wilhelm Marie_Eleonore Heshusius Christus Christi Morgenstern Wedemann
Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Römer und Franken. 303
Thüringerlande und den Thalungen der Sieg und der Lahn. Sie bildeten
später die Grundlage der deutschen Handwerker und des dritten Standes.
Wichtige Innungen waren für den Rhein als Verkehrsader die Verbände
der Schiffer in den Hauptcentren am Strome. Daß ein solch wichtiges Gewerk
wie das der Ferchen und Schiffer selbst in den schlimmsten Perioden der Völker-
Wanderung ausgestorben sein sollte, ist höchst unwahrscheinlich, und nur durch
Annahme der Fortexistenz solchen Gewerbes erklärt sich mit die Erhaltung von
Städten wie Köln und Straßburg während der Vernichtungsseenen des fünften
und sechsten Jahrhunderts. Diese Innungen bildeten den Grundstock für die
Weiterbetreibung des Wasserhandels, nachdem der zu Lande auf den alten Römer-
straßen bei der Unsicherheit der Zustände und den Einfällen räuberischer Horden
längst zu Grunde gegangen war. Die Schifferei trieben auch die Germanen;
drangen die Friesen im Wiedererwachen der Kultur ja vor von der Nordsee
bis nach Speyer und Worms, um den Handel mit Wein und Tüchern zu mono-
polisiren; und benutzten doch einst die Alemannen bei einer Flucht zur lieber-
fahrt über den Rhein ihre freilich etwas großen Schilde. Am Oberrhein
trafen sich die feetüchtigen Chauken (Friesen) von der Nordsee mit den Wasser-
dichten Sueben (Alemannen) des Südens.
Enthielten die rheinischen Städte also eine vielfach mit fremden Elementen
geschwängerte Bevölkerung, so war die Landbevölkerung, wenigstens diebesitzende,
anders zusammengesetzt. Nehmen wir eine Karte der Rheinlande und besehen
uns die Namen der Orte, die in ihrem Banne liegen, so treten uns in den
nördlichen Gebieten meist Ortschaften entgegen, die sich auf heim, Hausen, bach,
dors, feld, scheid, born ?c. endigen. Dazwischen allerdings auch solche mit
römischem Ursprünge. Die ersteren sind im Ganzen die Gründungen der frän-
kischen Stämme, die am Mittelrhein in kompakten Massen bis an die Queich
und an die Mnrg reichen. Dann stoßen wir auf Fluren mit anderen Endungen;
an die Stelle des fränkischen heim tritt das schwäbisch-alemannische ingen, und
ihm schließen sich an weiler, Hofen, ach. bronn, benren, stätten, Wang.
Allerdings werden besonders am Mittelrhein die Grenzen überschritten,
namentlich im Hinterlande an der Saar und an der Mosel, wo die alemannischen
Orte auf Weiler, vilre und ingen bis an die Nahe reichen, während im frncht-
baren Rheinthale die Herren von heim und Haufen nach der Siegesschlacht über
die Alemannen bis an die Lauter und an den Neckar vorrückten und mit ihnen
fränkischer Adel und fränkisches Landvolk, fränkischer Klerus und fränkische Art
ihren Einzug hielten im alten Alemannenlande. Auch die archäologischen Ent-
decknngen am Mittelrhein, die Ansfinduug der fränkischen Reihengräber von
Selzen und Alsheim, von Monsheim und Grünstadt, von Sponsheim und
Osthofen, von Wies-Oppenheim und Oggersheim, von Dürkheim und Knöringen,
von Hochfeldeu und Kolmar beweisen, daß die Rheinebene von einem wesentlich
gleichartigen ackerbautreibenden Stamme okkupirt wurde, unter dem verhältniß-
mäßig wenig fremde Elemente sich befanden. Die fränkifch-alemannifchen Acker-
bankolonien hatten im Rheinthale Ende des fünften Jahrhunderts vom Kultur-
lande Besitz ergriffen und theilteu die Wälder und rodeten den Forst.
Und in den Burgen der Welschen, die übrig geblieben waren, auf den
Einzelhöfen und in den Kastellen der kleineren Ortschaften, da faßen und
herrschten die fränkischen und alemannischen Edelinge und sandten ihre Söhne
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Extrahierte Personennamen: Schiffer Wang Hochfeldeu Kolmar
Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
308 Deutsches Leben im Mittelalter am Rhein.
An Stelle des römischen Mogontiacum war Schutt und Moder getreten.
Doch hier, wo das Rheinbecken endet, wo die Vereinigung des Mains mit
dem Rhein die Schiffahrt stets anlocken mußte, wo ein natürlicher Stapelplatz
sich befand, wo die Mainstraßen sich kreuzten mit der Rheinachse, entstand in
Merovingerzeit, näher am Strome im Schutze der St. Johanneskirche, ein
neuer Ort, das fränkische Mainz. Die Natur der Gegend hat die Ansiedlung
zu einer Festung bestimmt. Bald umschlossen Mauern die königliche Pfalz, die
Kirchen und Kapellen, die Gehöfte des fränkischen Adels, die vielen Hütten der
Leibeigenen. Des Königs Aufenthalt und das Ansehen des zahlreichen Klerus,
in dessen Mitte der Primas von Deutschland die Provincia Mogontiana mit
dem Pallium lenkte, gab der Stadt ein vornehmes Gepräge. Hier im An-
gesichte der Herrschergewalt des Kirchensürsten des heiligen römischen Reiches
deutscher Nation entwickelte sich zwar eine zahlreiche Kanfmannsgilde, die mit
dem Stapelrecht den Mainhandel beherrschte, allein weit später als anderswo
der Hauch kommunaler und sozialer Freiheit.
Erst nach Speyer ward es vom Budtheil befreit, und die Verleihung des
Bischofs Adalbert gab der Bevölkerung, die Mitte des zwölften Jahrhunderts noch
ungemischt aus Stadtadel, Gottesleuten und niederem Volke bestand, nur unvoll-
kommene Freiheit. Häufige Aufstände der Mainzer gegen der Bischöfe Druck,
von denen Arnold die Bürger „Hunde, diezwar bellen, aber nicht beißen konnten",
nannte, zeugen von dem unnatürlichen Verhältnis in dem die Stadt gebannt lag.
Die Folge des Druckes der Priesterherrschast und der starken Besatzungen war die
Schwächung des bürgerlichen Freiheitstriebes. Der Geist der Mainzer Kaufleute
ward minder energisch als der der Frankfurter. Mainz ward Bischofsstadt und Sol-
datenlager, Frankfurt das Emporium des Handels und der Sitz des Bürgerstolzes.
Am Niederrhein hatte, wie schon oben erwähnt, kein Ort die Verheerungen
der Völkerwanderungen so kräftig überdauert, wie die natürliche Metropole des
Niederrheins, „das heilige Köln". Seit den Merovingerzeiten war dieser
Platz eine feste Stadt und eine Königsburg. Die Wittwe Pipin's von Heristal
barg hier ihre Schätze. Nach dem Aufstande gegen den herrschsüchtigen Erz-
bischos Anno und dessen blutigem Siege erschien die volkreichste und nach Mainz
erste Stadt des Reiches zu Ende des 11. Jahrhunderts wie verödet; das Schweigen
des Schreckens hauste dort, wo früher Lebenslust und Genuß herrschten.
Unter den Saliern erhielt sie wieder eine selbständige Stellung und befolgte seit
Anfang des 12. Jahrhunderts eine eigene Politik, die sich gegen Zwingherrschaft
von Seiten der weltlichen und kirchlichen Herren kehrte. Anfang des 14. Jahr-
Hunderts war der Streit zwischen Erzbischof und Stadtgemeinde zu Gunsten der
Autonomie letzterer beigelegt. Kaiser Albrecht entschied den Kampf. >.
Während dieser durch Kampf ausgefüllten Periode und beruhend einerseits
auf der domiuirenden Lage der Stadt, andererseits aus dem Freiheitssinne ihrer
Bürger, hatte sich die Handelsthätigkeit Kölns entfaltet, der an Ausdehnung
bis in das 16. Jahrhundert, bis zur Entdeckung Amerika's, dem Aufblühen
der holländischen und englischen Städte und anderen Umständen kein anderer
Verkehrskreis in Mitteleuropa gewachsen war.
Von der Natur zum Marktplatze für die Waaren des Niederrheines, fürwolle,
Tuch, Metallindustrie und die Produkte des Landes, für Getreide, Fische, Käse
u. s. w. bestimmt, wußte die Stadt bald durch das umfassende und nnnachsichtlich
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Extrahierte Personennamen: Arnold_die_Bürger Albrecht Albrecht
Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
7 2 Der Rheingau.
die Neuzeit durch alle Stürme der Geschichte erhalten. Der Rest der alten
germanischen Bauernschaften! — Dem Gaugenossen im Rheingau fielen die
Ansprüche ans Nutzungen zu, auch wenn er nur so viel Grundeigenthum besaß,
„daß man einen dreibeinigen Stuhl darauf stelleu konnte"; ein anderer, der kein
Markgenosse war, mochte er noch so viele Liegenschaften besitzen, durfte keinen
Schubkarren Streu im Walde sich holen. „Das Volksleben hat sich im Mittel-
alter in: Rheingau auf das Individuellste entfaltet und — ausgebildet." Die Fran-
zösische Revolution, die Vertreibung der Reichsfürsten und der Territorialherren,
die Einführung der neuen Gesetzgebung hat auch mit den sozialen Zuständen hier am
radikalsten aufgeräumt. Die Extreme berühren sich, und nach der kastenartigen,
Jahrhunderte andauernden Abgeschlossenheit des Rheingaues ward dies Land
gerade in unserem Jahrhundert das reine Asyl für gleichmacherifche Gesellen und
fahrendes Gesindel. Unter der Regierung der Nassauer erholte sich das gesegnete
Ländchen von dem Drucke der Feudalzeit und der Zerfahrenheit der Französischen
Revolution. Der Bauer, der vorher zur Kurzeit nicht Bürger und nicht Land-
mann, nicht Fisch und nicht Fleisch war, wurde angewiesen aus die Quelle feines
Wohlstandes — den Weinbau. Der Rheingau wurde zur Wein schule für
ganz Deutschland; nirgends ward die Parzellirnng des Grund und Bodens so
durchgebildet, wie auf diefer Scholle; nirgends aber auch — bis zum Extrem —
der intensive Betrieb der Landwirtschaft so gesteigert, wie hier, wo man beim
Kauf den Boden mit Goldstücken belegen muß. Selbst das Jahr 1848 merkte
man nur daran in diesem Bacchuslande, daß die Weinfässer schneller leerer
wurden als in einem andern Jahrgange. Den sauren 1848er haben z. B. die
Raueuthaler Bürger mit muthigem Munde in der sogenannten „Krawallstube"
vertilgt. Das Jahr 1866, welches den Rheingau dem deutschen Großstaate
einfügte, hat nur wenig an der Sinnesart des Völkchens verändert, bei dem die
Liebe zum „angestammten" Herrscherhause nur aus einem Federstriche der Diplo-
matenwelt beruhte. Als Glied der Provinz Hessen-Nassan bildet der Rheingan
einen eigenen Kreis mit der am westlichen Eck gelegenen Kreisstadt Rüdesheim.
Jenseit der Rheinbiegung reicht der Kreis an das Wisperthal nach Lorch und hinab
nach St. Goarshausen, Caub, Braubach, bis er an der Lahnmündung bei Ober-
lahnstein seine Grenze erreicht. Der Kreis Rheingau umsaßt sonach die West-
seite des Herzogthums Nassau und hat seine alte Grenze am Niederwald künstlich
überschritten. — Und so erglänzen jetzt hier, wo die Rebe süßer blüht und der
Pfirsich röther glüht, unter dem schwarzweißen Banner die hochragenden Villen,
die neugothischeu Paläste, die sauberen Städtchen und Ortschaften, wo der
Krummstab und der Mainzer Rath, die Klerisei und das Jesuitenthum so lange
Zeit geherrscht und gehaust hatten. Das stromfeuchte Gelände aber bewohnen
nicht mehr zinspflichtige Hörige und abgefchloffene Bauernschaften, fondern frische,
fröhliche, weinselige Bürger des Deutschen Reiches. Wohl ihnen und ihrer
blondhaarigen Nachkommenschaft!
Land und Leute. Des Landes eigenartige Bevölkerung, die Rhein-
gauer, die Kinder des Weines und des Stromes, hat wol am besten der rhei-
nische Kulturhistoriker W. H. Riehl, ein geborener Biebricher, gekennzeichnet.
Lassen wir ihn in seiner Schrift „Land und Leute" selbst seine Landsleute schildern.
„Die Rheingauer sind ein Volksfchlag, der zuerst in der Schule des Wohl-
lebens, später aber in der allzu strengen Zucht des Unglücks verdorben worden
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Braubach W._H._Riehl
Extrahierte Ortsnamen: Rheingau Rheingau Rheingau Rheingaues Französischen
Revolution Rheingau Deutschland Rheingau Rheingan Rüdesheim Lorch Goarshausen Ober-
lahnstein Rheingau Niederwald