1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
582 Drittes Kapitel.
Dementsprechend ist auch die Mundart der Bevölkerung ziemlich verschieden. — Nach
der Zählung vom 5. Juni 1882 kamen in ganz Bayern auf Land- und Forstwirt-
schaft, Tierzucht k. 2681265 Zugehörige, darunter 1506012 Erwerbsthätige; es ist
dies also nahezu die Hälfte der ganzen Bevölkerung. Auf die Industrie, ein-
schließlich Bergbau und Bauwesen kamen 1492491 Zugehörige, darunter 629419
Erwerbsthätige; Handel und Verkehr, einschließlich Gast- und Schankwirtschast wurden
durch 435701 Zugehörige vertreten, darunter 172008 Erwerbsthätige. — Der Acker-
bau gedeiht natürlich am besten in den früher erwähnten fruchtbaren Gegenden.
Besonders für Weizenbau geeiguet sind die Landstriche von Straubing in Nieder-
bayern, der Ries, das Hügelland, welches den Übergang von den Alpen zu den
Hochebenen bildet, die Main- und die Rheinebene. Gartenbau findet sich in Bam-
berg, Nürnberg k., Hopfenbau in der Gegend von Schwabach (Spalt), Nürnberg
(Altdorf), Hersbruck und Neustadt a. A. sowie zwischen Bamberg und Schweinfurt;
Tabaksbau in der Rheinpfalz sowie bei Nürnberg-Fürth; Obst und Wein werden
im Mainthale, besonders von Schweinfurt abwärts, und in dem Hügellande der
Rheinpfalz gebaut. — Im Jahre 1888 betrug iu ganz Bayern die Erntefläche für
Roggen 543615 (wovon 317469 in den drei südlichen Bezirken), für Weizen 322453
(wovon in den drei südlichen Bezirken 199007), für Spelz 92 623 (vornehmlich in
den südlichen Bezirken), für Gerste 351267 (besonders im Hauptlande), für Kar-
tosfeln 300094, für Hafer 450648 und für Wiesenheu 1275537 (wovon 944027 in
den drei südlichen Bezirken) ha. In demselben Jahre ergab sich eine Ernte von
592054, bez. 398458, 97681, 491358, 2567802, 602011 und 5015096 Tonnen.
Im Hopfenbau steht Bayern obenan. Von den 45 937 ha, welche 1885 demselben
im ganzen Reiche gewidmet waren, kanien 26816 ha (also 56,6 Proz.) auf dieses
Land; die Erntemenge betrug zur gleichen Zeit für Bayern 15163 Tonnen (33201
Tonnen im ganzen Reiche). Der ausgedehnteste Hopfenbau ist, wie erwähnt, in
Mittelfranken. — Der Tabaksbau fand 1888/89 auf 3454 ha (1884: 4889 ha), be-
sonders in der Rheinpfalz, statt (im ganzen Reiche auf 18 032 ha). Die Zahl der
Tabakpflanzer betrug 1888/89 in Bayern 14195, der Ernteertrag 4640 Tonnen. —
An Wein wurden in Durchschnitte der Jahre 1878/79 bis 1884/85 605 787 hl (etwa
7a der Ernte des Reiches) gewonnen; wie schon erwähnt besonders in Franken und
der Rheinpfalz. Weinberge gab es 1883 im ganzen 23847 ha. Der Zuckerrübenbau
und die mit derselben verbundene Zuckerindustrie ist ganz unbedeutend. Im Jahre
1888/89 wurden von zwei Fabriken in Bayern und Baden nur 42154 Tonnen Rüben
zu 5158 Tonnen Rohzucker und 1158 Tonnen Melasse verarbeitet. Im Jahre 1883
kamen ferner auf den Anbau von Ölsaat 3547, von Flachs 14076, von Hanf 1367,
von Zichorien 183 ha; Gartenland waren 71364 ha vorhanden. — Daß Bayern
außerordentlich wiesenreich ist, haben wir bereits erwähnt; daher ist auch der Ertrag
an Wiesenheu (vgl. oben) so groß. Hieraus ergibt sich aber auch die hohe Bedeutung
der Viehzucht, besonders der Rindviehzucht, für das Königreich. In letzterer Be-
ziehnng steht Bayern im Reiche ganz besonders hoch. Die Rindviehzucht hat eine
hohe Entwickelung in den Alpengegenden, besonders in dem Algän, wo auch große
Mengen trefflicher Fettkäse erzeugt werden, ferner in der Oberpfalz, im Fichtelgebirge,
im Ansbachfchen (Mittelfranken), in Unterfranken und in der Rheinpfalz. Die Pferde-
zucht ist im ganzen wenig entwickelt und der Bestand an Pferden erreicht nicht die
Höhe des Reichsdurchschnittes. Ter Bestand an Schweinen entspricht in Franken etwa
dem Reichsdurchschnitt, bleibt aber in den andern Landesteilen erheblich hinter dem-
selben zurück. Ziegen sind in dem südlichen Bayern sehr wenig vorhanden, während
der Bestand derselben, in den übrigen Gegenden, besonders in der Pfalz, den Reichs-
durchschnitt übersteigt. Ani niedrigsten steht die Schafzucht, namentlich in der Rhein-
Pfalz (6,z gegen 35,^ Proz. im Reichsdurchschnitt), verhältnismäßig am meisten
Schafe sind in Franken vorhanden (19„ Proz.). Am 10. Januar 1883 wurden in
Bayern gezählt: 356316 Pferde, 3037 098 Rinder (davon in Franken 855836 oder
37,z auf 100 ha, in den drei südlichen Bezirken 1 962287 oder 41,„ auf 100 ha, in
der Rheinpfalz 218975 oder 36,g auf 100 ha; im ganzen 40 auf 100 ha gegen
29,2 un Reichsdurchschnitt), ferner 1 178270 -Schafe (15,5 auf 100 ha), 1038344
Schweine (13,7 gegen 17 im Reichsdurchschnitt auf 100 ha) und 220818 Ziegen (2,g
in der Rheinpfalz, 1„ in den füblichen Bezirken gegen 4,9 im Reichsdurchschnitt auf
100 ha). Die Viehzucht ist in Bayern nicht nur mit landwirtschaftlichen Betrieben
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584 Drittes Kapitel.
Deutschlands (Faber). Aus den bisherigen Angaben läßt sich schließen, daß der aus-
wärtige Handel Bayerns sich auf gewisse landwirtschaftliche Gegenstände (Hopfen, Obst,
Wein, demnächst auf Vieh, besonders Rinder, und Käse), namentlich aber auf eine
Reihe von Jndustrieerzeuguissen (Bier von München ic.; Metallwaren, Bleistifte und
Spiegelglas zc. von Nürnberg-Fürth, Baumwollengewebe von Augsburg, und ähn-
liche Produkte), die Einfuhr dagegen außer auf Rohprodukte für die Industrie auf
Kolonialwaren erstreckt. Als Handelsstädte haben Nürnberg und Augsburg sich seit
dem Mittelalter eine hervorragende Bedeutung bewahrt, zu ihnen treten neuerdings
besonders München und Würzburg' auch Regensburg und Bamberg verdienen er-
wähnt zu werden. — Das Bank- und Kreditwesen ist in Bayern noch nicht in gleichem
Maße entwickelt, wie in andern deutschen Staaten, was sich daraus ergibt, daß im
März 1887 im ganzen Lande nur 13 Bank- und Kreditinstitute mit einem Gesamt-
kapitale von 124 Mill. Mark, dagegen in dem viel kleineren Königreiche Sachsen in
der nämlichen Zeit 15 solche Institute mit einem Aktienkapitale von über 156 Mill.
Mark vorhanden waren. Unter den erwähnten bayrischen Bankinstituten befanden
sich eine Zettel- und zwei Staatsbanken.
Das Verkehrswesen befindet sich in nicht gerade ungünstigem Zustande.
Abgesehen von den früher erwähnten Wasserstraßen ist einigermaßen für Land-
straßen, wenn auch nicht überall in gleichem Maße wie in andern deutschen
Staaten, gesorgt; auch ist das Eisenbahnnetz zu großen Verbindnngsstraßen
ausgebaut, die namentlich Punkte wie München, Nürnberg, Augsburg, Regens-
bürg, Würzburg in deu Weltverkehr zieheu.
Posteu und Telegraphen haben in Bayern eine von dem Reiche unabhängige
Landesverwaltung. Die Länge der Eisenbahnen betrug 1888/89 5344,B km, wovou
etwa nur 1/9 tu Privatverwaltung stand. Hervorragend sind besonders folgende Bahn-
linien: Müncheu-Jugolstadt-Bamberg-Hos, Treuchtliugen-Würzbnrg, Pleinfeld-Angs-
bnrg-Bnchloe, Bamberg-Würzburg, Schweinsurt-Meiningen, Schweinfnrt-Gemünden,
Donauwörth-Jngolstadt-Regensburg, Augsburg - Ingolstadt, München - Regensburg
Hos, Weiden-Neueumarkt, Hos-Eger, Krailsheim-Nürnberg-Würzburg, Würzburg-
Aschaffenburg, Nürnberg-Eger, Ülm-München-Simbach, München-Bnchloe-Lindan,
Ulm-Kempten, München-Rosenheim-Salzburg, Rosenheim-Pilsting, Landshut-Pilsting-
Eisenstein, Rosenheim-Kusstein, München-Töltz, München - Peißenberg; — die Lud-
wigsbahu (Nürnberg-Fürth) und das System der pfälzischen Eisenbahnen (Neunkirchen-
Worms, Germersheim-Saarbrückeu, Neustadt-Weißenburg :c.). _
Alt der Spitze des Staatswesens stehen uuter dem Könige sechs königliche
Staatsministerien: 1) königliches Haus und Äußeres, 2) Justiz, 3) Inneres,
4) Kirchen - und Schulaugelegeuheiteu, 5) Finanzen, 6) Krieg; neben den
Ministerien besteht noch ein Staatsrat. Im Ministerialdepartement des Äußeren
befinden sich: die Geueraldirektion der Königlichen Verkehrsanstalteu (mit Ab-
teilungen für Eisenbahnbau, Eisenbahnbetrieb, sowie Post und Telegraphen);
im Departement des Inneren: die Abteilung für Landwirtschaft, Gewerbe und
Handel, der Verwaltungsgerichtshof, der Obermedizinalausschuß, das Ober-
bergamt, die oberste Baubehörde, die Statistische Zentralkommission, die Landes-
Gestütsverwaltuug, das Reichsarchiv, die Normaleichungskommission, das Landes-
versichernngsamt:c.; im Departement für Kirchen- und Schulaugelegenheiteu:
der oberste Schulrat, die katholischen Bistümer und das protestantische Ober-
konsistorinm; im Finanzdepartement: der oberste Rechnuugshos, die General-
Bergwerks- und Salinenadministration, die Generaldirektion der Zölle und
indirekten Stenern, die Staatsschuldentilgnngskommission und die Königliche
Bank; im Kriegsdepartement: das Generalauditoriat k.
Der Staat bildet eine konstitutionelle Monarchie, daher steht dem Könige
ein Landtag mit zwei Kammern zur Seite. Die Erste Kammer („Kammer der
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Das Königreich Württemberg. 623
Rohzucker und 2049 Tonnen Melasse verarbeitet. — Der Entwickelung der Industrie
steht der Mangel an Kohlen sehr im Wege. Im Bergbau wurden 1884/85; 10 491
Tonnen Roheisen, ferner 1888/89 auf drei Salzwerken und vier Salinen 186329
Tonnen Salz aller Art gewonnen. Gute Bausteine werden besonders am Schwarz-
walde gebrochen (Sandsteine, Granit k.). Wichtig ist in der Metallbearbeitung die
Herstellung von Messerschmiedewaren (besonders in Heilbronn, Stuttgart und Tutt-
lingen), von Sensen und Blechwaren, von Gold- und Silberwaren (Gmünd, Heil-
bronn), von Messing-, Bronze-, Neusilber- und Britanniawaren (Gmünd, Ulm); der
Maschinenbau, die Fabrikation von Wagen und Eisenbahnmaterial (Stuttgart), von
Pianosorten (Stuttgart), von Harmoniums (Ulm), von Uhren (im Schwarzwalde).
Bedeutend sind ferner die Holzindustrie, namentlich die Möbelfabrikation (in dem
Neckarkreise, besonders in Stuttgart und Umgegend), die Strohflechterei (im Schwarz-
walde), die Lederfabrikation (in Calw, Stuttgart und Reutlingen), die Handschuh-
und feinere Lederwarenfabrikation (in Stuttgart). In der Textilindustrie beschäftigte
Württemberg gleichfalls eine erhebliche Anzahl von Personen, und zwar in der Ber-
arbeitung von Seide 1520, von Schafwolle 3793, von Baumwolle 9773, von Flachs,
Hanf und Inte 6641, von gemischten Geweben 1981 Personen; hervorragend sind
besonders der Ncckarkreis (Eßlingen ?e.), der Donaukreis (in Jute). Spitzenklöppelei
wird im Schwarzwalde, Färberei und Stoffdruckerei in Heidenheim betrieben; auch die
Anfertigung von Posamentierwaren ist nicht unbedeutend. Kleider, Wäsche und Putz-
waren werden in Stuttgart und Rottweil in bedeutenderem Umfange hergestellt, für
Schokoladefabrikation ist Stuttgart ein Hauptplatz. Sehr erheblich ist ferner die
Bierbrauerei; hergestellt wurden 1888/89: 3153500 hl und auf den Kopf der Be-
völkerung kamen 156 1 jährlich (gegen 77 1 im Reiche). — Der Handel Württem-
bergs beschäftigt sich mit Vertrieb von landwirtschaftlichen Produkten (Getreide, Wein,
Obst, Rindern) und einzelnen Jndustrieartikelu. Es stehen ihm zwar keine erheb-
lichen Wasserstraßen (der Neckar hat nur einen flachen Wasserweg), aber gute Laud-
straßeu und ein ziemlich entwickeltes Eisenbahnnetz zur Verfügung. Trotzdem hindert
die Binnenlage des Landes in hohem Maße einen erfolgreichen Eintritt in den
Welthandel. Im Jahre 1888 gingen von Heilbronn 525 Schiffe mit 34500 Tonnen
Güter und 144500 Tonnen Floßholz zu Thal, dagegen kamen 1256 beladene Schiffe
mit 72500 Tonnen Güter zu Berg an. Im Jahre 1888/89 waren im ganzen
1461 hin Eisenbahnen vorhanden, welche fast ganz unter Staatsverwaltung standen.
Zentralpunkt des Bahnverkehres sind Stuttgart und Ulm, welche auch eine hervor-
ragende Stellung im Handel einnehmen. — An Bank- und Kreditanstalten für den
landwirtschaftlichen, hypothekarischen, geschäftlichen und industriellen Betrieb sind
fünf vorhanden, unter denen sich eine Zettelbank und ein Staatsinstitnt befindet.
Das Post- und Telegraphenwesen wird vom Staate selbständig verwaltet.
Württemberg ist eine konstitutionelle Monarchie. An der Spitze der
Staatsverwaltung stehen die sechs königlichen Ministerien, nämlich: 1) der
Justiz; 2) der auswärtigen Angelegenheiten (mit den beiden Generaldirektionen
der Staatseisenbahnen, der Posten und Telegraphen); 3) des Innern (um-
fassend das Bauweseu, die Ablösungskommission, das Oberbergamt, das Medi-
zinalkollegium, die Zentralstelle für Gewerbe und Handel sowie für die
Landwirtschaft); 4) des Kirchen- und Schulwesens (welchem das evangelische
Konsistorium, der katholische Kirchenrat und die israelitische Oberkircheubehörde
unterstellt sind); 5) des Krieges (mit dem Oberkriegsgericht) und 6) der
Finanzen (mit der Oberfinanzkammer, welche in die Domänen-, die Forst-
direktion und den Bergrat zerfällt und auch die Oberrechnungskammer, die
Staatskasfenverwaltung, das Steuerkollegium und das statistische Landesamt ein-
schließt). Der Abteilung für die Verkehrsanstalten ist ein „Beirat der Verkehrs-
anstalten" (mit Vertretern des Handels, der Gewerbe und der Landwirtschaft)
zur Seite gestellt. — Nach der Verfassung bestehen die Landstände Württem-
bergs aus zwei Kammern, nämlich der „Kammer der Standesherren" (aus
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Das Königreich Württemberg. 621
Von dem Schwäbischen Jura kommt besonders der mittlere Teil, die Rauhe Alp in
Betracht, welche von der Donau bis zu dem von Brenz und Kocher gebildeten Quer-
thale reicht. Ihr südwestlicher Teil ist durch Donauzuflüsse mannigfach gegliedert;
erst von der Lauchart (in Hohenzollern) an beginnt die eigentliche Rauhe Alp mit
ihrem zusammenhängenden, wasserarmen Rücken; ihr höchster Punkt ist der Lemberg
(1012 m) bei Gosheim. Nach der Nordwestseite hin stürzt die Alp sehr steil ab
(etwa 300 m tief), und hier finden sich auch die höchsten Erhebungen derselben; auf
beiden Abhängen sind Höhlen häufig. Das Härtfeld schließt sich nordöstlich an die
Rauhe Alp an und erstreckt sich bis in die Gegend von Nördlingen (Ries) als letztes
Glied des Schwäbischen Juras. Die Platte desselben ist auch wasserarm und ein-
förmig, aber waldreicher als die Alp; sie fällt auch zur Donau ziemlich steil ab.
— Das nördliche Terrassenland gehört dem großen Triasgebiete an; der zu Württem-
berg gehörige Teil desselben bildet im ganzen eine von tiefen Thälern durchschnittene
Hochebene, die sich von Süden nach Norden senkt und in ihren südlichen Teilen
große Waldungen enthält. Zwischen Heilbronn und Hall erheben sich die Löwen-
steiner Berge und an diese schließt sich südostwärts der Welzheimer Wald. Zwischen
Stuttgart und Tübingen breitet sich der waldreiche Schönbuch aus (584 m), in dessen
Nordosten die fruchtbare Hochebene Filder liegt (in der Neckarkrümmung bei Pochingen).
— Von dem Schwarzwalde kommen nur die östlichsten und verhältnismäßig niedrigen
Teile in Betracht; die höheren liegen im Großherzogtum Baden. Seine westlichen
Teile bestehen aus Buntsandstein, ooch reicht das württembergische Gebiet auch ^be-
sonders an der badenschen Grenze) in die Region älterer Gesteinmassen (besonders
des Granits) hinein; in dem Katzenkopf der Hornisgrinde wird hier eine Höhe von
1151 m erreicht. Weiter nordwärts folgt das Neckarbergland, größtenteils dem
Buntsandstein angehörig; hier erheben sich noch die Höhenzüge des Stromberges und
Heuchelberges (gegen 500 m hoch).
Für den südöstlichen Teil des Landes bildet die Donau, für den übrigen
der Rhein das Hauptstromgebiet; eine herrschende Stellung im Lande nimmt
der Rheinfluß Neckar mit seinen Zuflüssen ein.
Die Donau tritt oberhalb Tuttlingen in das Land, verläßt dasselbe aber bald
wieder, um die hoheuzolleruschen Lande zu durchströmen, dann durchfließt sie einen
größeren Teil des Landes von Scheer bis Ulm und nimmt hier von rechts Ries,
Roth und Jller, von links Lauter und Brenz auf. Zum Rheingebiete gehen Argen
und Schüssen (auf dem württembergischen Bodenseeufer), ferner wird das Land von der
oberen Murg berührt; wichtiger ist der Neckar. Derselbe gehört von seiner Quelle (ober-
halb Rottweil bis in die Gegend von Wimpfen und Jagstfeld fast immer Württem-
berg an, nur auf eine kurze Strecke zwischen Sulz und Horb berührt er die hohen-
zollernschen Lande. Er nimmt in Württemberg auch links die Enz mit Nagold und
Würm und rechts Fils, Rems, Kocher und Jagst auf. Im Osten greift noch der
Mainfluß Tauber iu das Land ein. Von diesen Gewässern ist hauptsächlich der
Neckar schiffbar; die Schiffbarkeit der Donau für größere Fahrzeuge beginnt erst an
der Grenze des Landes, bei Ulm.
Die fruchtbarste Gegend des Landes bildet der Neckarkreis, eine auch
durch Anmut der Natur allsgezeichnete Gegend, und zwar steht hier wiederum
das eigentliche Neckarthal obenan. In dem Schwarzwaldgebiete findet sich ver-
hältnismäßig das meiste Waldland, die Höhen der Rauhen Alp sind wegen
Wassermangels und dürren Bodens überwiegend unfruchtbar; die schwäbische
Terrasse hat iu ihren südlichen Teilen bedeutende Waldungen, während in den
nördlichen der Ackerbau vorherrscht. In dem Donaukreise, der sich südwärts
bis zum Bodensee erstreckt, sind Acker- und Waldslächen ziemlich gleich verteilt,
die Fruchtbarkeit ist verschieden.
Im Jahre 1883 waren vorhanden: Acker-, Garten- und Weinland 902466,
Wiesen 28j)927, Weiden, Hutungen, Öd- und Unland 91064, Forsten und Holzungen
599976, Haus- und Hofräume, Wege und Gewässer 69045 ha. Hiernach erreichten
Ackerland :e. nicht ganz den Reichsdurchschnitt; derselbe wurde dagegen in Wiesen (14,7
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678 Drittes Kapitel.
Saulcy); Toten- und Diedenhofener Brücke (über den Hauptarm der Mosel).
Fabrikation von Leder und Lederwaren, Schuhwaren, Flanell und andern Wollen-
waren, Hüteu und künstlichen Blumen, Wagen ic.; große Mahl- und Ölmühlen und
Sägewerke, Bierbrauereien; Handel (Holz, Leder, Kohlen, Getreide, Öl, Gemüse,
Liköre, Kolonial- und Kurzwaren, Geflügel und namentlich Wein; für letzteren über
40 Großhandlungen): Vieh- und Pferdemärkte sowie die „Metzer Messe" (großer
Krammarkt im Mai); Handelskammer, Reichsbankstelle; lebhafte Schiffahrt. Im
fruchtbaren Moselthale starker Ackerbau und Gärtnereibetrieb, an den Berglehnen
(namentlich der westlichen Höhenzüge) vortrefflicher Wein- und Obstbau. Das Klima
ist in der Stadt selbst sehr mild, doch findet ein schroffer Temperaturwechsel statt.
— Schon in sehr früher Zeit starke Festung; seit 1550 Wallbefestigung (statt der
früheren Mauern); nach 1674 baute Vauban die Werke um; der Bau der Außen-
forts trat 1867 ein; seit 1871 ist die Zahl derselben noch vermehrt und überhaupt
die Festung weiter verstärkt worden. Französisch war Metz von 1552—1870. Die
Schlachten um Metz im Jahre 1870: bei Colombey-Nouilly (14. August), Vionville
(16. August), Gravelotte (18. August); bei Noisseville (31. August und I.september).
Der Landkreis Metz enthält ein Hügelland au der Mosel; Acker- und Garten-
land 75, Weinpflanzuugen 3,.2, Wiesen 8, Waldungen etwas über 17 Proz.; kaum
V10 der Bevölkerung evangelisch. Darin: Montigny, großes Dorf bei Metz (über
3000 Einwohner), katholisches Priesterseminar, Obst- und Gemüsebau, botanischer
Garten; Eisenbahnwerkstätte. — Plantieres, Dorf bei Metz (2300 Einwohner);
Handelsgärtnereien; großer Kirchhhof; Fort Goeben. Bei dem Dorfe Monlins
(Bahnstation. Weinbau, Champagnerfabrikation) das Schloß Frescaty (Kapitulation
von Metz, 27. Oktober 1870). Beim Dorfe Scy auf dem Mont St. Quentin die
Feste Prinz Friedrich Karl. — Woippy, Dorf im Moselthale; Wein- und Erd-
beerenbau; Schlacht am 7. Oktober 1870 (Laudwehr-Division Kummer). — St. Pri-
vat, Dorf (Hauptstützpunkt der Franzosen am 18. August 1870). — Maizieres,
Dorf und Bahnstation im Norden von Metz. Eisenhütte. — Gorze, anmutig ge-
legene Stadt in einem Thale im Südwesten von Metz, 1469 Einwohner. Ehe-
malige Benediktinerabtei (745 gestiftet). — Noveant, Dorf und Bahnstation; Eisen-
Hütte, Weinbau. — Corny, Dorf rechts an der Mosel; Schloß (Hauptquartier des
Prinzen Friedrich Karl bei der Belagerung von Metz), Hopfen-, Obst- und Wein-
bau. — Ars an der Mosel, Stadt und Bahnstation^ 4615 Einwohner. Zwei große
Eisenwerke, Papierfabrikation; Gemüse-, Obst- und Weinbau. — Grav elotte, Dorf
im Westen von Metz; Schlacht am 18. August 1870. — Rezonville, Dorf, Stütz-
punkt der Franzosen am 16. August 1870. — Vionville, Dorf; Schlacht am
16. August 1870. — Coureelles, Dorf und Bahnstation an der Nied, südöstlich
von Metz; Schlacht am 27. September 1870. — Schloß Colombey und Dorf
Nouilly; Schlacht am 14. August 1870. — Noisseville, Dorf im Osten von
Metz; Schlachten am 31. August und 1. September 1870. — Obst- und Weinbau
findet sich namentlich bei den Dörfern St. Julien (auch Gemüsebau; Fort Man-
teuffei), Ban - St. Martin , Lorry, Saulny, Pierrevillers , Rombas,
Vaux, Iussy, ©Heitel St. Germain, Pange, Remilly, Solgue,
Der Kreis Viedenhoftn liegt an der Mosel und Orne; Acker- und Garten-
land 60, Weingärten wenig über 1, Wiesen 7, Wälder 26 Proz.; am linken Mosel-
user bedeutende Eisenerzlager, an welche sich eine große Eisenindustrie anschließt;
die Bevölkerung ist fast ganz katholisch, 73 derselben französisch. Darin: Meden-
hofen (Thionville), Kreisstadt und Bahnkreuzungspunkt an der Mosel, 8777 Ein-
wohner (1890). Kreisdirektion, Hauptzollamt, Realschule; Gemüse-, Obst-und Wein-
bau; Messerfabrikation. Im Dorfe Beauregard (zur Stadtgemeinde gehörig) ein
Lehrerinnenseminar. Seit 1683 französisch, am 24. November 1870 den deutschen
Truppen übergeben. — Dorf Volkringen mit Burgruine. — Flörchingen,
Dorf an der Fentfch; dazu Schloß Bettingen. — Hayingen, Flecken und Bahn-
station im Fentfchthale (ca. 5000 Einwohner); Schloß; bedeutendes Eisenhüttenwerk
(3000 Arbeiter) und wichtige Eisensteingruben (Besitz der Familie von Wendel). —
Ückingen, Dorf, mit Glashütte. — Groß-Moyeuvre, großes Dorf und Bahn-
station (3800 Einwohner), großartiges Eisenhüttenwerk; in der Nähe ergiebige Eisen-
steingruben (Besitz der Familie von Wendel). — Deutsch-Oth (Audiyi le Tiche),
Dorf und Bahnstation; Fabrikation von Fayenceöfen und Eisenerzgruben. —
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644 Drittes Kapitel
Heerstraßen, Grabmäler, Badeeinrichtungen k., die Urbarmachung weiter Gebiete,
die Einführung des Weinbaus u. dgl. Bei Beginn der Völkerwanderung wurden
die Römer völlig verdrängt. Die Gebiete der nun hier angesiedelten Germanen
(Alemannen und Franken) erstreckten sich über die Grenzen des Großherzogtums,
namentlich gegen Osten hinaus. — Von dem Herzog Gottfried von Alemannien
stammt Berthold I. (der Bärtige) ab, welcher als Graf im Breisgau erscheint und
den Titel Herzog von Zähringen annimmt. Sein ältester Sohn Berthold Ii. wurde
sein Nachfolger, während sein jüngerer Sohn Hermann der Heilige Hochberg erbte
und durch Heirat die Stadt Baden erhielt. Der Zuwachs zu diesen noch geringen
Besitzungen war besonders 1227 erheblich, indem zu dieser Zeit die Städte Psorz-
heim, Durlach und Ettlingen erworben wurden. Schon am Ende des 13. Jahr-
Hunderts aber zerfiel das Gebiet des Hauses in eine obere Markgrasschaft mit der
Hauptstadt Baden und in eine untere Markgrafschaft mit Pforzheim. Nachdem 1391
die Wiedervereinigung erfolgt war, teilte Christoph I. das Land 1515 wieder unter
seine drei Söhne. Von diesen starb Philipp kinderlos, während Bernhard eine Linie
Baden-Baden (Residenzen Baden und Rastatt) und Ernst eine Linie Baden-Durlach
(Residenzen Pforzheim, später Durlach und zuletzt Karlsruhe) stiftete. Beide nahmen
die Reformation an, doch trat Baden-Baden später wieder zur katholischen Kirche über.
Die letztere Linie starb 1771 aus und Baden-Durlach (die Eruestinische Linie) trat
in den Gesamtbesitz. Im Lüneviller Frieden erhielt die Markgrasschaft Baden Stücke
der Pfalz (Gegend von Heidelberg), die Stiftsgebiete von Konstanz, Basel, Straß-
bnrg und Speier auf dem rechten Rheinufer, sowie mehrere sonstige reichsunmittel-
bare Gebiete und freie Reichsstädte; der Fürst aber nahm den Titel Kurfürst an.
Neuen Zuwachs brachte der Frieden von Preßburg, in welchem das Land durch den
Breisgau, die Ortenau, Baar, sowie durch die Gebiete der Fürsten von Fürstenberg
und von Leiningen 2c. vergrößert wurde; zugleich erhielt der Fürst den Titel eines
Großherzogs. Nach der Schlacht bei Leipzig verließ Baden die Sache Napoleons
und wurde dann 1815 Mitglied des Deutschen Bundes. Eine ständische Versassuug
wurde 1818 eingeführt, darauf bildete sich (1821) die Union der lutherischen und
reformierten Kirchen des Landes, zugleich wurde auch der erzbischöfliche Stuhl in
Freiburg für die katholischen Unterthanen geschaffen. 1835 schloß sich Baden dem
deutschen Zollverein an. Nach den Erschütterungen der Jahre 1848 und 1849
(Maiaufstand 1849) gewann das Land unter dem jetzigen Großherzoge Friedrich
(von 1852 an als Prinz-Regent, von 1856 an als Großherzog) eine friedliche und
glückliche Entwickeluug.
Den Erhebungsverhältnissen nach gehört Baden zu dem Gebiete des
oberrheinischen Gebirgssystems. Sein vornehmstes Gebirge ist der Schwarz-
Wald; weiter nördlich kommen das Neckarbergland, und nur zu kleinem Teile
auch der Odenwald und das schwäbische Terrassenland in Betracht. West-
wärts dehnt sich, nach dem Rhein zu, der östliche Flügel der oberrheinischen
Ebene aus.
Von dem Schwarzwalde fällt der bei weitem größte Teil auf Baden, nämlich
7270 von 9480 qkm, in demselben befinden sich auch die bedeutendsten Erhebungen
des Gebirges, nämlich der Feldberg (1494 m), der Belchen (1415 m), der Kandel
(1243 m), der Blauen (1167 m) 2c. Die Hauptmasse des Schwarzwaldes besteht
aus Granit, dazu treten Gneis (am Fuße) und Sandstein (auf höheren Punkten).
Während die Hauptmasse des Gebirges mit Tannen bedeckt ist, tragen die Vorberge
der Rheinseite auf ihren Gipfeln meist Laubwälder und auf ihren Hängen Reben-
und Obstpslauzungen. Nördlich von der Enz geht das Gebirge in ein Hügelland, das
Neckarbergland, über, welches sich am Neckar wieder höher erhebt (in dem 567 m
hohen Königsstuhl); es gehört der Triasformation an, doch treten am Neckar auch
vulkanische Gesteine auf. Der rechts vom unteren Neckar folgende Odenwald besteht
seinem Kern nach aus Granit, welcher jedoch meist von Buntsandstein überlagert
wird. Die Rheinebene ist von Schwemmland gebildet; dasselbe ist zwischen Rastatt,
Karlsruhe und Philippsburg sehr sandig, jedoch auch gut angebaut; mehr nach dem
Gebirge zu ist größere Fruchtbarkeit zu finden, besonders auch in den Seitenthälern
des l^chwarzwaldes und auf den Höhen des Odenwaldes; die größte Fruchtbarkeit
1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die wirtschaftlichen Verhältnisse. 129
Mark angeführt; desgleichen an Herrenhüten aus Filz 349 Tonnen im Werte
von 6 287 000 Mark.
In den zuletzt erwähnten Artikeln hat namentlich Berlin eine stets wachsende
Bedeutung gewonnen und die englische Konkurrenz stark erschüttert. Auch Nürn-
berg, Leipzig, Hamburg, München, Stuttgart ?c. verdienen hier genannt zu werden.
Für Korsetts und Blusen ist das Königreich Württemberg, für Wäsche Bielefeld,
für Wachstuch Leipzig und Berlin besonders wichtig.
Als Hilfsindustrien für die verschiedenen Webereigewerbe kommen Für-
berei und Zeugdruckerei in Betracht. Dieselben werden besonders in
Rheinland, in den Textilindnstrieorten Sachsens sowie in einzelnen Gegenden
Süddeutschlands betrieben.
Die Seidenfärbereien Krefelds, die Türkischrotfärbereien von Elberfeld-Barmen,
die Färbereien verschiedener Art zu Chemnitz, Mittweida, Glauchau, Meerane :e. in
Sachsen, zu Augsburg und Ingolstadt in Bayern, zu Heidenheim in Württemberg,
die Kattundruckereien in Berlin, ferner in den süddeutschen Orten Säckingen, Lörrach
und Konstanz, sowie in Mülhausen i. E. und Augsburg in Bayern behaupten eine
angesehene Stellung.
§ 14. Die Metallverarbeitung.
Edelmetalle. Die industrielle Verwendung der Edelmetalle hat sich
in letzter Zeit außerordentlich vermehrt; dieselbe betrug nach zehnjährigem
Durchschnitt 1871/80 im ganzen bei Gold ungefähr die Hälfte der gesamten
Produktion, nämlich 84 000 von 171500 kg, bei Silber etwa 1/6 derselben,
nämlich 471000 von 2 522 000 kg. In Deutschland beträgt gegenwärtig der
industrielle Goldverbrauch 14700 kg fein und der industrielle Silberverbrauch
100 000 kg fein pro Jahr; von dem letzteren Betrage stammt jedoch etwa der
vierte Teil aus der Einfchmelzung alten Bruchsilbers :c. Aus diesen Angaben
kann man sich leicht einen Schluß aus die Ausdehnung der deutschen Edel-
Metallverarbeitung machen; dieselbe wird nämlich in der That nur von wenigen
Ländern in der Welt übertroffen. In Gold steht Deutschland nur Groß-
britannien, Frankreich, den Vereinigten Staaten nach und wird von der
Schweiz nicht vollständig erreicht; in Silber aber wird es nur vou den Ver-
einigten Staaten übertroffen, steht Frankreich gleich und übertrifft noch Groß-
britannien. Bon großer Bedeutung sind besonders die Silberwarenfabriken in
Berlin, die Gold- und Silberwaren von Pforzheim in Baden, Stuttgart,
Gmünd und Heilbronn in Württemberg, die Bijouterien von Hanau in Heffen-
Nassau; Nürnberg und Fürth behaupten einen Weltruf in Gold- und Silber-
fchlägerblättchen, Gold- und Silberdraht. Die in Edelmetall, namentlich Gold,
zu fassenden Edel- und Halbedelsteine (vgl. oben) werden hauptsächlich im
Waldkircher Thale in Baden geschliffen.
Welche bedeutende Stellung namentlich Hanau und Pforzheim in dieser Industrie
einnehmen, ergibt sich unter anderm daraus, daß in den letzten Jahren der Gold-
verbrauch dort durchschnittlich 3200, hier 4000 kg betragen hat. Berlin hat neuer-
dings besonders auch in kunstreichen Tafelaufsätzen und Kunstaeqenständen von Silber
Ausgezeichnetes geleistet.
An die Verarbeitung vou Edelmetallen schließt sich vielfach eine solche
von andern Metallen zu Schmuck- und Kuustgegeustäudeu aller Art an, z. B.
werden derartige Gegenstände von Neusilber, Britannia :c angefertigt.
Das Deutsche Reich, g
1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
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- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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172 Das Waldenburger Bergland.
Räubereien in Schlesien, ohne einen Feind zu haben, fortsetzte. Die Stadt
Namslan hatte er zu seiner Feste gemacht, von der ans er die Umgegend bis
nach Öls hin brandschatzte, weil es der Herzog von Öls mit den Polen gehalten
hatte. Nun rief dieser die Polen nach Schlesien zurück; mit den Breslauern ver-
feindete sich Affenheim, weil diese sein Treiben mißbilligten. Dafür aber fand er
Raubgesellen in den Besitzern der Bonenburg und in Hermann Czettritz auf
Fürstenstein. Jetzt wurde von Namslau, der Bolkenburg und dem Fürstenstein aus
Schlesien verwüstet. Die Raubzüge brachten bedeutende Beute ein, welche die
Räuber in ihre festen Burgen schleppten. Geistliche und Lehrer griffen zu den
Waffen, um das Land zu schützen; der Bischof schlenderte den Bannstrahl auf
die rohen Ritter: aber alles war vergeblich. Drei Jahre, bis zum Jahre 1445,
wüteten die grausamen Menschen. Durch die Bemühungen der Herzogin Elisabeth
zu Liegnitz kam endlich ein Friede zustande. Aber Assenheim hielt nicht, was
er versprochen hatte; er zog plündernd nach Neumarkt, wurde aber dort ergriffen
und zur Strafe seines Rechtsbruches enthauptet.
Über dieses Urteil waren die Freunde des Assenheim empört, und sie be-
gannen wieder ihre Raubzüge gegen die Städter; erst im Jahre 1449 werden
endlich die Fehden beigelegt. Allein nach Verlauf von nicht mehr als zwölf
Jahren loderte durch Podiebrad fchon wieder die Kriegsfackel auf durch ganz
Schlesien, Mähren und Böhmen, und die Schloßherren fanden abermals ihre
volle Beschäftigung. Podiebrad kam nach Schlesien, belagerte und bekam —
ob mit Gewalt oder durch Unterhandlungen ist ungewiß — den Fürstenstein
im Jahre 1463 und gab ihn seinen Getreuen. So wurde die Burg wiederum
eine Geißel für Schlesien. Zur Freude der Breslauer kam im Jahre 1474
Matthias von Ungarn mit 1500 Reitern und 3000 Trabanten, um endlich die
Frevler auf dem Fürstenstein zu züchtigen. Zwar erschütterten die Büchsen mit
Macht die Wehre und Türme der Feste, aber die Festung blieb uuerobert, die
Gewandtheit und Tapferkeit der Besatzung unbesiegt, und Matthias mußte die
Belagerung ausgeben, weil ihn ein Einfall der Türken nach Ungarn zurückrief.
Der Raubritter vom Fürstenstein konnte, wie früher, die Straßen unsicher machen.
Im Jahre 1509 kaufte den Fürstenstein Kunz von Hochberg, dessen Familie
ihn noch heute im Besitz hat. Im Dreißigjährigen Kriege mußte die Burg Haus
Heinrich von Hochberg verlassen, und sie wurde einmal von den Kaiserlichen,
zweimal von den Schweden erobert. Nach dem Frieden ließ dann der Besitzer
die Festungswerke abtragen und machte aus dem Hause des Krieges eine Stätte
des Friedens. Es würde zu weit führen, wenn wir uns bekannt machen wollten
mit der ganzen Kette von Sorgen und Mühen, welche die Familie Hochberg um
den Besitz des Fürstensteins durchzukämpfen gehabt hat, wieviel Leiden sie ge-
tragen, wieviel Geld sie dabei verausgabt hat; wie sie aber immer in der
Not Rettung gefunden, wie sie selbst vom ärmsten Bauer, wenn er nur noch
etwas hergeben konnte, unterstützt worden ist, weil sie überall Liebe gesäet und
Liebe geerntet hat. Wenn nach den Zeiten des Druckes und der Not friedlichere
Zeiten zurückkehrten, traten auch bald geordnetere Verhältnisse wieder ein. Ein
mühevolles Leben führte besonders Hans Heinrich I. von Hochberg, dessen
Verdienste Ferdinand Iii. dadurch auerkauute, daß er ihn 1650 zum Reichsfreiherrn
ernannte. Auf den Fürstentagen zeichnete sich der Besitzer von Fürstenstein sehr
aus, und Kaiser Leopold erhob ihn 1666 in den Reichsgrafenstand. Die Hochbergs
1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
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Die Burg Kynsberg am Schlesierthale. 187
einem Felsen zerspalten. Die bewunderswerte Treue des Hundes hatte das
Unglück verhütet. Man band den Knaben sorgfältig los, hob ihn auf, und als
er wieder zu sich kam, erzählte er, daß das Pferd unversehens scheu geworden
sei und einen Satz gemacht habe, wobei er aus dem Sattel gestürzt sei. In
demselben Augenblicke ergriff der treue Hund die Zügel des Pferdes und hielt
sie fest, bis endlich Hilfe kam. Zum Andenken an diese wunderbare Rettung ließen
die Eltern den Junker mit Pferd und Hund malen in einem Gemälde, das
noch vorhanden ist. Im 18. Jahrhundert verfiel die Burg immer mehr, so
daß die Herrschaft ihre Wohnung in dem benachbarten Dittmannsdorf nahm.
Ode und verlassen von fast allem Leben, denn nur ein Beamter wohnte im
Thorhause, stürzte im Herbste des Jahres 1789 ein Teil der Seitenmauern
der Burg zusammen. Die Räume, welche mehrere Jahrhunderte hindurch den
Familien von Herzögen, Fürsten und Freiherren freundliches Obdach gewährt,
verfielen derartig, daß die Trümmer nur mit Lebensgefahr zu betreten waren.
Damit die Gläubiger der Herrschaft, die tief in Schulden geraten war,
befriedigt würden, wurden die Besitzungen in einzelne Teile zerteilt und ver-
kauft. Die Burg wurde auf diese Weise im Jahre 1823 durch gerichtlichen
Zuschlag Eigentum einiger Bauern, die schon früher Besitzer des Berges und
Waldes geworden waren. Es ging das Gerücht, die Bauern hätten den Kauf
nur gemacht, um die Burgruine niederzureißen und das Material für sich zu
verwenden, ferner auch, um zu verhindern, daß Fremde in ihr Gebiet kämen.
Ein Freund des Altertums wußte es dahin zu bringen, daß noch Nachgebote
gegeben werden konnten; er wollte die Burg vor dem Niederreißen retten. Da
meldete sich der Professor Büsching mit einem Nachgebot, und mit ihm wollte
jener Freund des Altertums nicht wetteifern, da er dieselbe Absicht wie dieser
hatte. Professor Büsching erstand die Burg, und so wurde die Ruine einem
so liebevollen Pfleger zu teil, wie sich nur je einer finden konnte. Mit einer
rührenden Zärtlichkeit hing er an seiner Kynsburg, ließ die Trümmer auf-
räumen, machte die Ruine wieder gangbar, stellte den Turm wieder her, versah
ihn mit einer Treppe, verwandelte die ehemalige Burgkapelle in ein freundliches
Zimmer, in welchem er sich gern selbst aufhielt, wenn seine amtliche Stellung
in Breslau ihm einen Ausflug gestattete; auch verschönerte er den Burghof durch
anmutige Gartenanlagen und sorgte für die Bequemlichkeit und Unterhaltung
der Burgbesucher. Im Jahre 1840 kam die Burg, nachdem sie siebzehn Jahre
liebevoll gepflegt worden, in die Hände des Grafen von Burghauß, der schon
früher die Herrschaft Kynau an sich gebracht hatte. Was Büsching begonnen hat,
setzt der Graf von Burghauß fort. Alljährlich wird mit den Verschönerungen
der Burg und ihrer Umgebung fortgefahren, so daß wir lebhaft an den alten
Matthias von Logau erinnert werden.
So lohnend der Spaziergang zur Burg ist, so interessant ist eine Wan-
dernng durch die Gemächer derselben. Außerhalb der Thorbrüstung erblicken
wir rechts die halb erhabenen Bilder der Stärke, Geduld, Klugheit und Hoff-
nuug, links die der Barmherzigkeit, Mäßigkeit, Gerechtigkeit und Treue. Die
Bilder tragen die Unterschristen: Portitudo, Patientia, Prudentia, Spes, Caritas
und Fides. Mäßigkeit und Gerechtigkeit sind ohne Unterschriften. Über dem
Eingangsthor sehen wir die Wappen vom Grafen Hohenzollern und von Rochow.
Treten wir in das Schloß ein, so wird uns das Gefängnis gezeigt, in welchem
1882 -
Leipzig
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- Autor: Keussen, Hermann, Kaiser, W., Keller, J., Heinzerling, Jakob, Preiser, F., Köppen, Fedor von, Nover, Jakob, Klöden, Gustav Adolf von
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Erzbischof Hanno. 125
waren aus Köln entflohen und riefen Heinrich, der sich damals zu einem Zuge
nach Ungarn rüstete, um Hülfe an. Dieser eilte aus Regensburg herbei, und
nachdem er in Mainz das Pfingstfest gefeiert, kam er nach Köln und lud Hanno
vor, um über sein Verhalten in jener Fehde Gericht zu halten. Doch konnte
er dem Erzbischof nichts anhaben, da jene 690 selbst zu viel gefrevelt hatteu.
Ja, als der König verlangte. Hanno solle ihnen die Rückkehr in die Stadt er-
lauben, weigerte sich dieser entschieden, und Heinrich gab auf den Rath seiner
Freunde nach, da seine augenblickliche Lage es ihm unmöglich machte, seinen
Willen durchzusetzen.
So schieden diese beiden Männer, um sich von da ab nicht mehr zu be-
gegnen. Denn mit Hanno's Kraft war es seit jenem Aufstand vorbei, es ging
mit ihm zu Ende. Sein geliebtes Köln hatte sich in Feindschaft von ihm ab-
gewendet; darum sollte es auch seine Gebeine nicht haben. Nicht, wie er früher
verordnet, in der Kirche Maria ad gradus wollte er beigesetzt sein, sondern in
der von ihm gegründeten Abtei Siegburg. Vor seinem Tode aber verzieh er
den Empörern, wie es heißt, infolge eines Traumes, in dem er sich in einer
Versammlung der übrigen Bischöfe erblickte, angethan mit einem glänzend weißen
Kleide. Auf der Brust aber hatte er einen großen, häßlichen Fleck, und der
Bischof Arnulf von Worms bedeutete ihn, er möge diesen tilgen, denn er
werde bald abberufen werden. Kurz darauf starb er und ward seinem Willen
gemäß in Siegburg beigesetzt.
Hanno's kirchliche Wirksamkeit zeigte sich nicht nur in der Bekämpfung der
damals herrschenden Simonie und der Verbesserung der klösterlichen Zucht,
sondern auch in der Verschönerung und Bereicherung der Kölner Kirchen, be-
sonders des Domes St. Peter und der Kirche Maria ad gradus. Noch
größere Wichtigkeit für die ganze Rheingegend hatte die Gründung nener Klöster.
Von diesen Stiftungen ist die Abtei Siegburg die wichtigste. An die Er-
Werbung von Siegburg knüpft sich eine gar traurige Geschichte. Der mächtige
Pfalzgraf Heinrich verwüstete Hanno's Gebiet mit Feuer und Schwert, wes-
halb dieser den Bann über ihn aussprach. Da ging Heinrich in sich, schenkte
die Siegburg der Kirche St. Peter in Köln und ging in ein Kloster. Lange
hielt er es aber darin nicht aus, da brach er wieder los, und die Verwüstung
und Plünderung ging von Neuem au. Endlich scharten sich die Kölner und
ihre Nachbarn zusammen. Vor ihnen zog sich der Pfalzgraf auf sein festes
Schloß bei Kochem an der Mosel zurück. In einem Anfall von Tobsucht,
woran er oft gelitten haben soll, erschlug er dort seine Gemahlin Adelheid
und zeigte den schaudernden Feinden ihr abgeschlagenes Haupt. Damit war
der Krieg zu Ende; denn das Licht des Geistes kehrte dem Unglücklichen nie
wieder. Hanno verwandelte die Burg in ein Kloster, in das er zuerst Mönche
aus der Gegend von Trier und später, als diese sich seiner strengen Ordnung
nicht fügten, solche aus Oberitalien kommen ließ. Heinrich Iv. sowol wie
Hanno und seine Nachfolger statteten die Abtei reichlich mit Gütern und Ge-
rechtsamen aus, so daß sie in der Folge sehr mächtig wurde. Erst im Jahre
1803 ward sie aufgehoben, und später gründete der edle König Friedrich Wil-
Helm Hi. auf ihr eine Irrenanstalt, die noch heute segensreich wirkt. —
Doch kehren wir uach dieser geschichtlichen Episode zu den weiteren Schick-
salen der Stadt Kaiserswerth zurück.