Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
158 Die ozeanische Inselwelt.
seine erste Leidenschaft und bildet den Hauptzug des Charakters. Die
kleinste Beleidigung — er kann sie nicht vergessen; vergilt er sie nicht, so
geschieht's durch Kinder und Kindeskinder. Von Geschlecht zu Geschlecht
erbt das Andenken daran fort und wird noch in späteren Zeiten als Vor-
wand zu einem feindlichen Angriffe benutzt. Dem Tode trotzt er mit
Kaltblütigkeit und Mut, doch ist er iu seinen Kämpfen weniger tapfer,
namentlich den europäischen Waffen gegenüber, als verschlagen und gewandt.
Menschenfleisch ist seine Lieblingsspeise. Ein Missionär sah einst nach
einem hitzigen Tressen 60 Lsen errichten, und in allen lagen Menschen-
leichname zum Schmause. Es gibt Beispiele, daß sich Krieger in der Wut
des Kampfes über deu gefallenen Feind stürzten und das aus der klaffenden
Wunde herausströmende Blut mit der Gier eines Raubtieres aufschlürften.
Gefangene band man nicht selten an einen Baum, um das von den Gliedern
abgeschnittene, noch zuckende, warme Fleisch zu essen und das in Bechern
aufgefangene Blut dabei zu trinken. Die Köpfe erschlagener Feinde steckte
man auf Stangen und trug sie als Siegeszeichen herum, der Hände be-
diente man sich als Haken in den Hütten. Schon die Kinder werden gegen
den Anblick menschlicher Glieder abgestumpft, und mau sah dieselben mit
abgeschnittenen Gliedern spielen oder den Kopf eines Sklaven sich als Ball
zuwerfen. So werden sie gefühllos gegen die eignen Freunde. Stirbt
ein Mann, fo beraubt man die Weiber alles ihres Eigentums; daher
nehmen sich viele das Leben oder sitzen an seinem Grabe und stoßen oder
schneiden sich tiese Wunden in den Leib. Neugeborene Kinder, besonders
Mädchen, werden häufig getötet, und vielleicht ist unter drei Weibern Neu-
feelands stets eines, welches ein oder mehrere Kinder getötet hat. Der
Mann hat das Recht über das Leben seiner Frau. Dasselbe Recht besitzt
eine jede Herrschaft über das Leben der Sklaven, deren Los im übrigen
leidlich ist. Aber wehe den unglücklichen Geschöpfen, wenn sie den Versuch
macheu, sich durch Flucht zu befreien. Ein englischer Kaufmann war Zeuge
eiuer solchen Szene. Ein löjähriges Sklavenmädchen war drei Tage ohne
Erlaubnis weggeblieben. Da trat sie wieder in die Hütte, die Frau aber
rief einen Knecht und befahl ihm, sie zu töten. Ein Keulenschlag auf die
Stiru streckte sie nieder, ihr Leichnam aber ward an demselben Abende
zur Mahlzeit gebraten.
Alles menschliche Gefühl empört sich in uns, wenn wir derartige
Vorfälle, welche zu den gewöhnlichen gehören, von den zuverlässigsten
Personen erfahren. Leidenschaft. Haß, Verachtung von Menschenleben und
Aberglaube fordern unzählige Opfer.
Da ist der Sohn eines Häuptlings krank, kein Mittel fruchtet, die
Krankheit will nicht weichen. Man rät zartes Menfchensleisch. Der Vater
tötet einen 14jährigen Knaben und setzt das Fleisch dem kranken Sohne vor,
und da es nicht hilft, so gedenkt man eben es noch mit Mädchenfleifch zu
versuchen, als ein christlicher Missionär dazwischen tritt und das arme
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Eingeborene von Neuseeland. 159
Opfer vom sicheren Tode rettet. Man glaubt, daß die Gesundheit des
Getöteten auf den Kranken übergehe, und zwar besonders, wenn man Ge-
Hirn und Augen desselben verzehre, in welchem Falle man auch von seinem
Geiste in der andern Welt nicht gemartert werden kann.
Der Handel mit tättowierten und geräucherten Menschenköpfen war
bis vor etwa 30 Jahren gar nicht unbedeutend. Im Museum für Völker-
künde zu Leipzig ist ein solcher geräucherter Kopf aufbewahrt. Die Gesichts-
züge sind höchst wohl erhalten, Haare und Bart ganz unversehrt, nur die
eingesetzten Glasaugen geben dem Ganzen das Ansehen einer Leiche.
Eiiigeöorene von Neuseeland (2iuori), Aliim« und Frau.
Ehemals beschränkte man sich eben daraus, die Köpfe, verstorbener Freunde
auszuheben; als man aber merkte, daß Europäer danach als Merkwürdig-
keiten begierig waren und man diese Familienheiligtümer nicht weggeben
wollte, so bereitete man die Köpfe der Feinde oder der andern Erschlagenen
aus ähnliche Weise und brachte sie öffentlich auf die von Europäern be-
suchten Märkte, selbst nach Sydney. Die Köpfe der Häuptlinge hebt man
besonders auf. Kommt ein Freund oder naher Verwandter des Toten in
das Dorf, so holt man sie hervor, stellt sie hoch auf, z. B. auf Dachgiebel,
über die Hausthür, auf Stangen und führt nun die Fremden an diese
Stelle; diese weinen über den Toten, liebkosen den Kopf und brechen beim
Gedanken an die ehemaligen Feinde und Beleidiger desselben in die furcht-
barste Wut aus. Alle Sklaven suchen sich jetzt vor dem Fremdlinge zu
verbergen; erblickte er einen, so könnte es leicht geschehen, daß er dem
Haupte des erschlagenen Freundes einen oder den andern zum Sühnopfer
brächte.
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Extrahierte Ortsnamen: Neuseeland Neuseeland Sydney
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Schlefische Gewerbe- und Industrieausstellung. 63
ist ein Gartenpavillon, der zeltartig in Rundeisen ausgeführt ist; noch leichter
gehalten ist das Gartenzelt aus der Malchowschen Fabrik in Breslau, das aus
schlanken, mit Bambusrohrstangen bemalten Eisenstäben ruht, im Garten leicht
transportabel ist und hier eine große Anzahl von Gestellen und Etageren für
Blumentöpfe, Goldfischgläser u. dgl. in farbiger Ausstattung enthält. Hier liegen
aus Oppeln Hacken, Spaten, Sensen, Schaufeln, dort aus Bunzlau Schirm-
ständer, Ofenvorsetzer, Kaminthüren; hier aus Breslau Taschen-, Jagd- und
Tafelmesser und Dolche, dort Gewehre und andre Waffen. Zu der Sammlung
der Pferdebeschläge gehört auch folgendes Gedicht, das, von einem Reimschmiede
verfaßt, dort zu lesen ist:
„Wird ein Pferd vom Schuh gedrückt, Und gib ihm bei guter Pfleg'
Statt zum Schuster geht zum Schmied; Ein naturgemäß Beschlag'.
Nur zur rechten Schmied' geschickt, Bedenke wohl, ein lahmes Pferd
Daß der Sach' Genüg' geschieht. Hat sür niemand einen Wert
Stets erhalte so den Huf, Und wird als unnützer Gast
Wie der Schöpfer ihn erschuf, Seinem Herrn oft nur zur Last."
Der Vogelliebhaber findet hier eine Voliere für Wald- und Zimmervögel:
die Hausfrau schöne Kücheneinrichtungen, in denen kaum ein denkbarer Gegen-
stand von den vielen in der Küche unumgänglich nötigen fehlt; denn es finden
sich auch Krauthobelmaschinen. Fleischwiegemaschinen u. s. w. Mannigfaltig sind
die aus Bronze verfertigten ausgestellten Artikel, interessant die Klempnerarbeiten.
Doch wir können hier nicht länger bleiben, soviel Unterhaltung uns auch dieser
Teil der Ausstellung gewährt. Wir wenden uns zur vierten Gruppe, welche die
Kurzwaren enthält. Auch auf diesem Gebiete der Industrie ist Schlesien hinter
andern Provinzen nicht zurückgeblieben; denn Schlesien hat mehrere Kurzwaren-
fabriken, deren Fabrikate Ruf haben. Dieser Industriezweig kann in allen seinen
Schöpfungen seinen Ursprung aus der Gebirgsindustrie nicht leugnen und hat
sich dadurch eine urwüchsige Frische erhalten, die auch in der heute verfeinerten
Form noch vorteilhaft zu bemerken ist. Deshalb stehen auch Holzwaren hier
im Vordergrund, wie Handschuhkasten, Uhrständer, Manschettenknöpfe, Spiel-
waren (Pferde. Hunde, Wagen, Trommeln), Schachspiele in prächtiger Schnitz-
arbeit. Am meisten wird das auf den Bergen wachsende Knieholz in diesen
Fabriken verarbeitet.
Die fünfte Gruppe umfaßt die chemische Industrie. Hier schenken wir
unsre Aufmerksamkeit zunächst einem kleinen, aber für Reiche und Arme gleich
wichtigen Gegenstande, dem Streichholze. Wieviel Arbeit und Sorgfalt erfordert
jedes einzelne Zündholz, wenn dieser „Schwede" seinen Beruf nicht verfehlt
haben soll. Phosphorfreie Sicherheitshölzer hat die Zündwarenfabrik von Po-
korny in Oberglogau ausgestellt. Da ist jedes Hölzchen sorgfältig gehobelt, in
der richtigen Länge genau geschnitten, dann in Rahmen gelegt, mit Paraffin ge-
tränkt und schließlich in die aus zehn verschiedenen 'Chemikalien sorgfältig zu-
bereitete Zündmasse getaucht worden. Nur die mit der Zeit sich entwickelnde
Massenfabrikation dieses Artikels ermöglicht diesen außerordentlich billigen Preis.
„Der Verbrauch der Seife ist ein Gradmesser für den Kulturstand eines
Volkes." Je höher Schlesien in der Kultur stieg, desto mehr Seifenfabriken
entstanden in allen größeren Städten der Provinz. Mehrere Fabriken haben
treffliche Muster ihrer verschiedenen Seifen ausgestellt und diesen außerdem noch
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
80 Das Jsergebirge mit seiner Umgegend.
Feld zu treiben, noch auch ihre Äcker zu bestellen, weil sie sich nicht retten
konnten, wenn der gewaltige Vogel daherranschte, sie mit seinen Krallen ergriff
und fortschleppte. Nicht lange dauerte es, so herrschte im Lande eine entsetzliche
Hungersnot, und der Herzog Bolko auf Neuburg wußte sich nicht anders zu
helfen, als daß er demjenigen, der den Greif töten würde, weite Ländereien
und eine große Summe Geldes versprach. So weit und laut aber auch der
Herzog durch seine Herolde sein Angebot bekannt machen ließ, es fand sich doch
niemand, der es unternommen hätte, sich in Lebensgefahr zu stürzen und den
Kampf mit dem Greifen zu unternehmen. Das Elend in den sonst so lachenden
Auen wurde immer größer. Da ließ der Herzog durch das Land bekannt
machen, wer den Greifen töte, der solle nicht nur die bisher ausgesetzte Be-
lohnung, sondern auch die Hand seiner einzigen Tochter Agnes erhalten.
Nun wohnte aber in der Nähe der Burg ein Schäfer mit Namen Gottfche
Schaf, ein stattlicher und mutiger Jüngling, der sonst täglich seine Herde ins
Gebirge trieb: er hatte einst die schöne Herzogstochter auf dem Schloß gesehen,
sich sterblich in sie verliebt und beschloß jetzt, den Kampf mit dem Greifen um
sie zu wagen. Er begab sich also eines Tages, nachdem er sich Lebensmittel
auf einige Tage eingesteckt hatte, mit einer langen Stange und einer scharfen
Axt bewaffnet, ins Gebirge, um zunächst das Nest des Ungetüms zu suchen.
Schon hatte er mehrere Tage den Wald durchsucht, schon ging sein Vorrat auf
die Neige, schon war er matt und müde und dachte daran, in sein Elternhaus
zurückzukehren: da vernahm er über sich das Rauschen von mächtigen Flügeln
und sah den Greif, der in seinen Klauen ein starkes Rind hatte und durch die
Luft davontrug. Der kluge Schäfer verfolgte den Vogel mit seinen Blicken und
entdeckte so das Nest desselben; denn er vermutete, daß der Greif Junge habe
und die Beute denselben zum Fraß bringe. Als sich der Greif einer in der
ganzen Gegend bekannten ungeheuren Eiche näherte, hörte Gottfche Schaf das
gierige Geschrei der kleinen Greifen, war mit seiner Entdeckung zufrieden und
versteckte sich, um nicht von des Ungeheuers weitblickenden Augen entdeckt zu werden.
Am andern Morgen flog der alte Greif natürlich wieder auf Raub aus.
Kaum war er ausgeflogen, da eilte der Schäfer zum Baume, sammelte viel
Reisig, machte aus demselben ein großes Bündel, steckte es auf seine lange
Stange, kletterte ein gutes Stück den Baum hinan, zündete das Bündel an und
hielt das brennende Reisig mit der Stange in die Höhe von unten gegen das
Greifennest, in dem sich drei Junge, die noch nicht flügge waren, befanden.
Bald entzündeten sich die Hölzer, aus denen das Nest zusammengebaut war;
lichterloh brannte die Behausung der Raubvögel. Die jungen Greife erhoben
ein jämmerliches Geschrei und kamen elend in den Flammen um. Durch das
Jammern der Jungen wurde der alte Vogel herbeigelockt; er kam mit unglanb-
licher Schnelligkeit und suchte mit seinen Schwingen das Nest und seine Jungen
zu retten, indem er sich abmühte, das Feuer auszuschlagen. Bei dieser Sorge
um das Leben seiner Kinder verbrannte er sich die Fittiche, so daß er jählings
auf die Erde stürzte. Gottfche Schaf stieg vom Baume, schlug mit seiner Stange
derb gegen den Kopf des Greifen, bis das Tier matt wurde, und trennte ihm
mit einem tüchtigen Axthiebe den Kopf vom Rumpfe.
Der Schäfer kehrte freudig in die Hütte seines Vaters zurück und erzählte,
was er gethan hatte. Die Nachbarn sammelten sich glückwünschend um den
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Löwenberg mit dem Gröditzberge. 85
Als die beiden Bösewichter ihre schändliche That vollführen und die betende
Rosilde in der Kapelle erstechen wollten, schlug ihnen das Gewissen, und sie
wagten das Verbrechen nicht. Kaum bemerkte dies Elsride, so ergriff sie selbst
den Dolch und erstach ihre Schwester an den Stufen des Altars und übergab
nun die Entseelte den Knappen, damit sie den Leichnam verscharrten. Die Mit-
wisser der Unthat gruben ein Grab, bemerkten aber, daß noch Leben in dem
Körper war und übergaben Rosilde ihrer alten Amme, die sie sorgsam pflegte,
wieder zur Gesundheit führte und versteckt hielt; ihrer Herrin aber sagten sie,
Rosildens Leichnam sei verscharrt,
Die Ruine auf dem Gröditzberge bei Löwenberg.
Elsride verstand es, ihrem Schwager einzureden, Rosilde sei entflohen
und bereits gestorben, und Erich von Blumen war so leichtsinnig, zu glauben,
was ihm die Unmenschliche sagte. Kaum war die übliche Trauerzeit vorüber,
als sie dem Ritter ihre Hand reichte und mit ihm zum Traualtar gehen
wollte. Als die Hochzeit vorbereitet wurde, fehlte es an einer Schlepp-
trägerin; denn die Erzieherin Petrina, welche auch Rosilde erzogen hatte, war
nicht zu bewegen gewesen, der Schändlichen die Schleppe zu tragen, und um
dieser Weigerung willen aus dem Wege geräumt worden. Die pflichtver-
gessene Tochter riet nun ihrem Vater, die Edelsrau aus dem Kerker zu holen
und sie die Brautschleppe tragen zu heißen. Der Ritter von Waldeichen
ging auf diesen Vorschlag ein. Seine Gemahlin, von niemand mehr gekannt,
erschien in kostbaren Gewändern als Schleppträgerin im Brautzuge. Doch das
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
94 Das Jsergebirge mit seiner Umgegend.
könne in der Rabendocke große Schätze heben, wenn man in der zwölften Stunde
der Christnacht hineingehe und ein unschuldiges Kmd mitnehme; sie sei eine arme
Frau mit sechs Kindern, habe kein Brot, ihr Mann sei gestorben. Da habe sie ihr
jüngstes Kind, einen Knaben von einem Jahre, auf ihren Arm genommen, sei in
den Felsen geeilt, habe ihr Kind aus einen Tisch in der Mitte des Gewölbes gesetzt
und so viel Gold- und Silberstücke als möglich zusammengerafft, sei darauf schnell,
als es begann ein Viertel zu schlagen, hinausgesprungen und habe ihr Kind ver-
gessen. Nun hatte sich die Pforte geschlossen und ihr Kind war verloren; denn
der Stein war nicht zu öffnen. Die Frau schrie laut auf, denn auch der Sack,
den sie mit Schätzen aus der Höhle gebracht hatte, war spurlos verschwunden.
Entsetzt kehrte der Ritter nach Goldberg zurück mit dem festen Vorsatze, im
nächsten Jahre sein Glück wieder zu versuchen. Noch ehe das Jahr vergangen
war, fand er sich mit einem Knappen in der Herberge zu Goldberg ein, begab
sich, um nicht zu spät zu kommen, lange vor Mitternacht in der Christnacht in
das von Geistern bewohnte Thal und fand alles so, wie er es verlassen hatte.
Sein Knappe trug eine Axt und einen Spaten. Um Mitternacht standen die
beiden Abenteurer vor der Pforte der Rabeudocke; geisterhafte Gestalten um-
schwebten sie, so daß sie von heftigem Grausen erfaßt wurden. Um 12 Uhr
rollte ein hohltönender Donner, welcher immer näher kam und heftiger wurde,
bis die Thür krachend aufsprang. Der mutige Ritter schritt in die Höhle
hinein. Er sah die steinernen Ritter, und ein Kind spielte munter lächelnd auf
einem Tische mit einigen Goldstücken. Schnell nahm er es vom Tische herab
und reichte es seinem Knappen zur Höhle hinaus, damit er es in seinen Mantel
wickeln und vor Kälte schützen sollte. Dann ging er auf die beiden steinernen
Gestalten zu, die ihm doch zu atmen schienen, und sprach zu ihnen mit starker
Stimme: „Seid ihr die Ritter Kuno und Veit, von deren Schandthaten so
viel erzählt wird?" Zwei hohle Stimmen antworteten: „Wir sind es." „Ihr
verdient also kein Erbarmen; aber ich will euch helfen, wenn es möglich ist.
Ist es möglich?" „Ja." „Aber wie? Seid ihr wirklich nur in diese steinernen
Hüllen eingeschlossen, und könnt ihr, wenn ich sie zertrümmere, zur Ruhe ein-
gehen?" „Ja, aber eile." Da schlug der Ritter mit den Worten „Im Namen
Gottes" dreimal gegen die Felsgebilde mit der Axt; beim dritten Schlage
sprangen die Hüllen auseinander, und zwei nebelhafte Gestalten standen vor ihm.
Sie sprachen: „Habe Dank für das, was du an uns gethan hast; wir haben durch
dich die Ruhe gefunden, nach welcher wir uns lange Jahre vergeblich gesehnt hatten.
Nimm eilig, denn bald ist die Viertelstunde verflossen, so viel du von uusern
Schätzen fortbringen kannst; aber lebe fromm und thue mit ihnen den Armen
wohl, damit durch dich das Andenken an nnfre Räubereien vernichtet werde."
Nachdem sie also gesprochen hatten, verschwanden sie. Der Ritter raffte
in größter Eile möglichst viel Gold und Edelsteine, die in großer Menge vor
ihm lagen, zusammen und sprang, als es ein Viertel schlug, hurtig zur Thür
hinaus, die sich krachend hinter ihm schloß.
Ritter und Knappe eilten nach Goldberg und gaben sofort der armen
Frau ihr Kind wieder; dann kehrten sie mit ihren Schätzen in ihre Heimat
zurück, bauten Armenhäuser und verteilten, was sie von den Schätzen nicht zu
den kirchlichen und anderweitigen Bauten, die sie geplant, verwenden konnten,
unter die Armen und Hilfsbedürftigen der Heimat.
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
186 Das Waldenburg er Bergland.
sehr, daß ihn die Ungarn und Böhmen zum Statthalter verlangten, er sogar
nahe daran war, in Polen zum Wahlkönige erhoben zu werden. Dieser große
Logau starb 1593 zu Jauer; er ließ die Kynsburg verbessern und zeitgemäß
herstellen; deshalb wird das Wappen der Logauer mit der Jahreszahl 1551
und dem Zeichen M. v. L. noch zu seinem Andenken an der Abendseite der
Burgmauer aufbewahrt.
Ein Sohn dieses Matthias von Logau — er hieß Georg — war bereits
1577 Besitzer der Burg; er starb schon 1596, und jetzt geriet die Burg, da
Georg viel Schulden gemacht hatte, in die Hände der Gläubiger, aus denen
sie 1598 in kaiserlichen Besitz kam. Nun aber wechselten die Besitzer der
Kynsburg schnell, da der Kaiser Rudolf Ii., der in viele Händel verwickelt
war, sie nicht für sich verwalten lassen konnte. Als dann im Anfange des
17. Jahrhunderts die zerstörende Kriegsflamme über die Sudeten in das ge-
segnete Schlesien und in die stille Kynsburg, die an einem Verbindungswege
zwischen Böhmen und Schlesien liegt, einschlug, da wurde sie der Tummelplatz
erregter Leidenschaften und im Dreißigjährigen Kriege abwechselnd von den
Österreichern und Schweden besetzt. Der schwedische Oberst Devour ließ im
Jahre 1633 die Mauern der Burg allenthalben durchwühlen, um einem großen
Schatze auf die Spur zu kommen, der nach einer alten Sage aus den Zeiten
der Hussitenkriege irgendwo in der Burg versteckt lag. Man erzählt sich auch, daß
des Schweden Bemühungen nicht vergeblich gewesen seien, daß er ein goldenes
oder mit Gold gefülltes Eselsfüllen, welches man in einem Pfeiler angebracht,
gefunden habe. Als Umschrift, so erzählt man sich, hat das Eselsfüllen die
Worte getragen: „Gold ist mein Futter, nicht weit hiervon steht meine Mutter."
Dnrch diese Worte wurde Devour verlockt, noch weiter suchen zu lassen, um
auch den noch größeren Schatz im Esel zu haben; aber soviel er auch von den
Mauern hat zertrümmern lassen, einen Schatz hat er nicht mehr gesunden.
Unter den Besitzern der Burg im 17. Jahrhundert wird im Jahre 1607 Johann
Georg, Reichsgraf von Hohenzollern, genannt, dessen Familie jedoch die Burg
nicht lange gehabt hat; denn noch in demselben Jahrhundert gehört sie einem
Freiherrn von Rochow und später einem Freiherrn Gottfried von Eben, von
dessen einzigem Sohne folgendes erzählt wird: Der kleine Junker ritt täglich
in Begleitung eines großen Hundes nach Schweidnitz ^in die Schule. Gewöhn-
lich kehrte er zu einer bestimmten Stunde durch das Schlesierthal und über den
sogenannten Karretenweg, einen in Felsen gehauenen, schmalen Fahrweg,
zurück, der auf das Schloß führte und zur Bequemlichkeit der Bewohner des-
selben angelegt war. An diesen Weg stößt ein tiefes Thal mit schroffen Felsen-
wänden; wer strauchelt, stürzt in die jähe Tiefe und ist unrettbar verloren.
Eines Tages kam der kleine Junker nicht zur rechten Zeit nach Haufe. Nach-
dem die Eltern kurze Zeit über die Stunde der Rückkehr gewartet hatten, eilten
sie mit einigen Boten hinab und fanden bald das Pferd am steilen Abgrunde
stehen, aber ohne Reiter. Vorn neben dem Pferde stand der treue Hund, der
des Pferdes Zügel fest im Maule hielt. Als die besorgten Leute näher kamen,
fanden sie, daß der eine Fuß des Knaben fest im Steigbügel hing, der ganze
Körper aber, so daß der Kopf unten war, in das grauenvolle Thal hineinreichte.
Nur wenige Schritte noch hätte das Pferd zu machen gehabt, dann hätte sich
der Körper losgerissen und wäre in den Abgrund gestürzt oder er wäre von
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser]]
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Extrahierte Personennamen: Matthias_von_Logau Georg_— Georg Rudolf_Ii Rudolf Johann
Georg Johann Reichsgraf_von_Hohenzollern Rochow Gottfried_von_Eben
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Hörnerschlittenfahrt. 139
eine ober zwei Personen fassen, in gewaltige, gebogene Hörner auslausen, an
denen der Führer die Niedersahrt leitet. Es wird also kein Pferd- vor den
Schlitten gespannt, sondern der Führer setzt sich auf den Schlitten zwischen die
beiden nach oben gebogenen Kufenenden, ergreift dieselben und lenkt so zugleich
mit seinen Füßen das Gefährt, das sich erst langsam in Bewegung setzt, dann
sanft hinabgleitet, schneller geht, eilt, schießt, ja fast fliegt. In 15—20 Minuten
ist man wieder in dem stundenweit entfernten Schmiedeberg angelangt.
Hörncrschlittenfahrt.
„Das ist ein Gleiten, lustig Schweden,
Das ist fürwahr die wilde Jagd,
Wobei erhöht die Nerven beben?
Hinab, hinab! Mit tollem Sausen
Die schwarze Kette thalwärts fegt:
Verbanne jedes leise Grausen,
Der kleine Schlitten sicher trägt."
Ein sehr beliebter Spaziergang von Schmiedeberg aus ist der nach den-
Friesensteinen, drei Granitmassen, die wie aufgemauert auf dem Bergrücken
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
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Rübezahlsagen. 163
vorwerfen, daß sie die Unterthanen drücke und falsch und lieblos sei. Mit immer
wachsendem Zorne liest darauf die Edelfrau das Blatt; ohnmächtig, vor Wut
läßt sie den erbärmlichen Wicht von ihren Hunden ans dem Schlosse jagen, der
nicht schnell genug das Weite erreichen kann.
Rübezahl verwandelt sich in einen Oberst. Eine alte Gräfin, die
von der Gicht geplagt ist, reist mit ihren Töchtern und Zofen nach Karlsbad,
um dort Heilung zu finden. Der Wagen, der mit Sachen schwer beladen ist,
geht nur langsam über die gebirgigen Wege, die vom Regen durchweicht sind.
Endlich kommt der Mond hervor und wirft sein mattes Licht auf den Weg, so ,
daß unheimliche Schatten hin und her wanken. Plötzlich.fragt Johann, der
Diener, der schon lange mit ängstlichem Gesicht in das Gebüsch gestarrt hat,
den Postillion: „Siehst du dort den Mann, der seinen Kopf unter dem Arme
trägt?" „Still", antwortet der Postillion, „schon lange sehe und beobachte ich
ihn mit Entsetzen." Immer näher und näher kommt das Ungetüm; schon ist
es dicht am Wagen, da schwingt es seinen eignen Kopf, wirft mit diesem den
Diener, so daß dieser herunterfällt und im Fallen den Kutscher mitzieht. Der
Fremde schwingt sich in den Sattel und fährt wie toll mit dem Wagen davon.
Die Damen schreien entsetzt um Hilfe; da naht sich dem kopflosen Manne plötzlich
ein zweiter, der in flüsterndem Tone den ersten zornig fragt, was er hier
beginne? Zitternd antwortet dieser: „Ach, Herr vom Berge, habt Erbarmen
mit mir, quält mich nicht zu grausam und verschont mich." „Deine Strafe
wirst du später bekommen", antwortet der zweite, „jetzt bestimme ich über die
Fahrt." — Sich tief verneigend tritt er an den Wagen, reicht den Damen
wohlriechende Essenzen, stellt sich als Oberst Riesenthal vor, ladet sie ein, in
sein Schloß zu kommen, und erzählt, daß dieser Schurke sich als Berggeist
Rübezahl vermummt habe, um sie irre zu führen. Bald hält der Wagen vor
dem Schloß, Diener gehen geschäftig hin und her; in den reich geschmückten
Zimmern ist Tageshelle und ein gemütliches Feuer prasselt im Kamin. Ein
Arzt ist zur Hand, der den Damen kleine Mittel gibt, den letzten Schreck zu
vertreiben, und endlich sind diese so weit hergestellt, daß sie sich zur Gesellschaft,
die im Schloß versammelt ist, begeben können. Mit silbernem Geschirr ist der
Tisch gedeckt, köstliche Speisen stehen darauf, bald ist Schreck und Reise ver-
gessen, und bei Tanz und Spiel, unter Scherzen und Lachen vergeht die Zeit.
Inzwischen stellen auch die Diener sich ein, die von Dornen arg geschunden sind
und beschämt gestehen, daß der Kopf, der so viel Unheil anrichtete, ein großer
Kürbis war. Die Helden werden weidlich ausgelacht und witzige und heitere
Gespräche wollen kein Ende nehmen. Der Koch bringt das Konfekt, und zum
Erstaunen aller hat er mit kunstvoller Hand den Überfall im Walde in den
Süßigkeiten dargestellt. Natürlich gab dies neuen Stoff zum Lachen; die Gräfin
scherzt am meisten und erklärt, daß sie an keinen Rübezahl glaube, sonst hätte
er gewiß nicht geduldet, daß sie so arg in Schrecken versetzt wurden. Schon
graut im Osten der Tag, und jeder der Gäste sehnt sich nach Ruhe. Nachdem
sie auf kostbaren Betten ausgeruht haben, rüsten sie sich zur Weiterreise, danken
dem Oberst Riesenthal mit warmen Worten für die Bewirtung und fahren ab.
Nach langer, mühseliger Fahrt kommen sie an ihren Bestimmungsort, und die
Gräsin eilt, im warmen Bade ihre matten Glieder zu stärken. Wer beschreibt
jedoch ihr Erstaunen, als sie am Kurhause den Arzt erblickt, der sie im Schloß
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Extrahierte Personennamen: Johann Riesenthal Rübezahl Riesenthal
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Posen feit dem Jahre 1793. 417
Die Verschworen beschlossen, ihre Führer aus den Gefängnissen zu be-
freien. In der Nacht vom 3. zum 4. März sollten sich die Polen, zunächst in
der Wallischei, dem polnischen Stadtteile, erheben, und während des Tumultes
sollten die Gefängnisse gesprengt werden. Aber auch von diesem Vorhaben
waren die Behörden am 3. März in Kenntnis gesetzt worden, so daß die Auf-
rührer auf bewaffneten und wohlorganisierten Widerstand stießen und auseinander
gehen mußten, nachdem zwei ihrer Anführer beim Einfahren in die Stadt ver-
wundet, einer getötet worden war.
Am 7. März wurde über Posen der Belagerungszustand verhängt. Etwa
250 von den 700 Ergriffenen wurden in Berlin vor den Staatsgerichtshof
gestellt und gegen acht auf Todesstrafe, gegen fünfzig auf Gefängnisstrafe erkannt.
Der 20. August 1848 brachte diesen Verurteilten Befreiung und Amnestie.
Schon infolge der Pariser Februarrevolution regten sich die Polen in
Posen und dachten wieder an eine Wiederherstellung des Königreichs; die Auf-
regung war unerhört. Die ankommenden Zeitungen, die nur durch einen Kampf
zu erringen waren, wurden als Gemeingut betrachtet; niemand durste sie be-
halten, der sich nicht zum lauten Vorlesen bequemte. Schnell sonderten sich
bestimmte Kreise ab. Bald sah man die Polen nur in denjenigen Restaura-
tionen, von denen sich die Deutschen immer mehr zurückzogen.
Da nun die Polen glaubten, daß ihr Aufstand 1846 entschieden gelungen
wäre, wenn sie einen politisch richtigeren Zeitpunkt abgewartet hätten, so war
es natürlich, daß sie jetzt, als das französische Königtum gestürzt war, sich in
fast sämtlichen deutschen Staaten die Unzufriedenen erhoben hatten, der Kampf
des Volkes in Berlin begonnen hatte, den Augenblick für ihre große Schild-
erhebung gekommen glaubten. Am 20. März verbreitete sich mit Blitzesschnelle
das Gerücht von einem Aufstande durch die Stadt. Wie aus der Erde gerufen,
standen die preußischen Soldaten auf den Straßen, das Schloß, in welchem der
Oberpräsident der Provinz wohnt, wurde stark besetzt und auf dem Kanonen-
und Wilhelmsplatze konzentrierten sich bedeutende Truppenmassen, die Läden
wurden geschlossen, aber es kam zu keinem bedenklichen Auftritte. Die Ver-
anlassung zur Unruhe war eine aus Polen bestehende Deputation, die sich zum
Oberpräsidenten mit dem Gesuche begab, eine Petition durch Bevollmächtigte
an den König nach Berlin senden zu dürfen. Die Genehmigung wurde erteilt.
Nach der Rückkunft der Deputation vom Oberpräsidenten steckte sich hier und
da ein Pole eine Schleife von weißen und roten Bändchen an. Es bildete sich
das polnische Nationalkomitee. So war der Nachmittag gekommen, die Unruhe
war geschwunden, und das schöne Wetter lockte die Bevölkerung auf die Straßen,
in denen meistenteils von Damenhänden aus den geöffneten Fenstern die roten
und weißen Bändchen, Schleifen und Kokarden wie ein Schwärm bunter
Schmetterlinge herabschwebten; bald zeigte sich auch hier und da eine polnische
Fahne, und ehe der Abend kam, trug alles, was sich Polen nannte, bis auf den
zerlumpten Bettler, die nationalen Abzeichen.
^ Leider blieb es nicht bei dieser friedlichen Begeisterung; es wurde ein
Geist heraufbeschworen, der schwer zu bändigen war und einer nach Freiheit
strebenden Nation ebenso unwürdig ist wie eines jeden einzelnen Edelmannes.
Der Vorsitzende des polnischen Komitees, Buchhändler Stefanski, verbreitete
eine gedruckte Ansprache an die Deutschen, welche unter vielen Schmähungen
Deutsches Land und Volk. Viii. 27
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T57: [Orden Polen Preußen Land Hochmeister Ritter Marienburg Stadt deutsch Jahr], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
Extrahierte Personennamen: August Buchhändler_Stefanski
Extrahierte Ortsnamen: Polen Berlin Posen Polen Berlin Polen Berlin