Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Jsergebirge. 7 3
abgebrannt und vergrößert wieder hergestellt. Wenn auch das Klima des Ortes
rauh ist, so ist doch der Aufenthalt daselbst sehr angenehm, da Flinsberg in
einem schönen Thale liegt, freundliche Anlagen den Badeplatz verschönern und
die Umgegend zu den angenehmsten Spaziergängen einladet. Da liegt jenfeit
des Queiß der Geiersteiu, der iu einer Stunde zu ersteigen ist, von dem aus
man eine herrliche Aussicht in das Queißthal hat. In zwei Stunden gelaugt
man bei dem „Wasserfalle" vorbei nach den Kammhäusern auf dem Jserkamm und
kann mit Leichtigkeit von dort seinen Spaziergang nach den Jserhäusern ausdehnen.
Das Thal von Flinsberg.
Nicht gerade beschwerlich und gewiß lohnend sind Ausflüge nach dem Heufuder
und der Tafelfichte; höchst augenehm ist ein Spaziergang durch das Queißthal
nach dem Hochsteine. Leute, die in Flinsberg Genesung wüuschen, finden Ge-
sährten, wenn sie die Badeorte Schwarzbach und Liebwerda aussuchen.
Schwarzbach liegt nur eine Stunde Weges von Flinsberg entfernt, dicht
an der Nordseite des Heufuders iu einem Thale am Bache Schwarzbach. Der
Ort hat kaum 400 Einwohner und nur einen fahrbaren Zugang. Seine
sieben Quellen liefern ein erdig-falinifches Stahlwasser, welches viel getrunken
wird und besonders gegen Bleichsucht, Blutarmut, Nervenleiden, Kehlkopf- und
Lungenkatarrh Erfolg zu haben pflegt. Wer ruhig und zurückgezogen und fern
von dem Geräusche der Welt in gesunder Luft lebeu und angenehme Spazier-
gänge machen will, der gehe nach Schwarzbach.
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78 Das Jsergebirge mit seiner Umgegend.
Die jetzige evangelische Pfarrkirche in Lauban ist erst im Anfang des
18. Jahrhunderts (1703 hatte man mit dem Bau begonnen) erbaut; 1760
bei dem großen Brande, der ganz Lauban einäscherte, mit abgebrannt, wurde
sie erst nach ihrer Wiederherstellung zur Pfarrkirche gemacht an Stelle der 1760
ebenfalls abgebrannten Trinitatiskirche, die überhaupt nicht wieder erbaut wurde
und bis vor zwei Jahren hier als Ruine bestand; jetzt existiert nur noch der
Turm, der das Geläute der evangelischen.gemeinde trägt. In dieser bis zum
Jahre 1760 bestandenen Pfarrkirche spielte sich der beschriebene Vorfall aus
dem Hussitenkriege ab. Die katholische Kirche ist ein vollständig nener, in den
Jahren 1858—1861 aufgeführter Bau.
An dem Eckhause beim Eingange in die Kirchgasse sieht man in Stein ge-
hauen die Figur eines Mannes, welchem Arme und Beine fehlen. Dies soll das
Bildnis des heldenmütigen Pfarrers sein, welcher am 16. Mai 1427, als die
Hussiten Lauban erstürmten, auf den Kirchturm gestiegen war und von dort
aus die Bürger zum Widerstande ermahnt hatte; er wurde dafür von den
siegreichen Hussiten an vier Pferde gebunden und zerrissen. Andre aber sagen,
das Bild stelle den damaligen Besitzer des Hauses, Konrad von Zeidler, vor,
welcher an diesem unglücklichen Tage die Laubaner führte und im Schldfgruude,
in Stücke gehauen wurde.
Aus dem Dreißigjährigen Kriege fand sich bis vor kurzem als Andenken
an dem hölzernen Giebel eines jetzt abgerissenen Hauses vor dem Nikolaithor
ein halbes Hufeisen angenagelt, welches das Pferd des von den Feinden ver-
folgten schwedischen Königs Karls Xii. verloren haben soll, der auf seinem
berühmten Ritt von Bender nach Schweden so schnell durch Lauban sprengte,
daß das Hufeisen bis dort hinauf geschleudert wurde.
Auch am Queiß gelegen ist Greifenberg und mit der Bahn zu erreichen.
Diese Stadt liegt dem Jsergebirge um 15 km näher. Ein guter Fußgänger
kann von hier aus das Bad Fliusberg in drei Stunden erreichen. Greifenberg
hat noch nicht 3000 Einwohner; unter den Gewerben der Stadt nimmt die
Leinenfabrikation, die seit 400 Jahren getrieben wird, die erste Stelle ein.
Die Weberei erhielt größeren Aufschwung, als sich ihres Glaubens wegen aus
Jauer und Neiße vertriebene Weber hier ansiedelten; noch mehr hob sich die
Stadt nach der Besitznahme Schlesiens durch Preußen infolge der weisen Maß-
regeln Friedrichs des Großen zum Schutze der schleichen Industrie. Im Jahre
1609 gab es sechs Handelshäuser für Leinen, nach 1640 mehrten sich dieselben
auf sechsundzwanzig. Im Jahre 1755 wurde die Kaufmannsfocietät, eine Art
Handelskammer, gebildet. In der Leinwandordnung vom 26. April 1788 er-
scheint Greifenberg als eine der fünf Kommerzialstädte des fchlesischen Gebirges.
Jetzt beschäftigen zehn Fabrikanten die meistens auf dem Lande zerstreut woh-
nenden Weber hauptsächlich in der Erzeugung von leinenen Taschentüchern,
Leinwand und Creas, Damast, Handtüchern, Drell, Inlett- und Züchenleinen.
In zwei Leinendruckereien und Färbereien werden bedruckte Schürzen und
Kleiderstoffe hergestellt. Eine mechanische Weberei arbeitet mit 86 Stühlen;
Bleichanstalten gibt es vier. Greifenberg ist eine alte Stadt, über die wir aus
dem Anfang des elften Jahrhunderts sichere Nachrichten haben. In der katho-
tischen Kirche befindet sich eine 1545 angelegte gräflich Schafsgotschische Familen-
grust. Auf einem 3/4 Stunden von der Stadt entfernt liegenden, 420 in hohen
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Extrahierte Personennamen: Konrad_von_Zeidler Konrad Karls Greifenberg Greifenberg Friedrichs Greifenberg Weber Greifenberg
Extrahierte Ortsnamen: Lauban Karls Schweden Bad_Fliusberg Schlesiens
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Die Burg Kynsberg am Schlesierthale. 187
einem Felsen zerspalten. Die bewunderswerte Treue des Hundes hatte das
Unglück verhütet. Man band den Knaben sorgfältig los, hob ihn auf, und als
er wieder zu sich kam, erzählte er, daß das Pferd unversehens scheu geworden
sei und einen Satz gemacht habe, wobei er aus dem Sattel gestürzt sei. In
demselben Augenblicke ergriff der treue Hund die Zügel des Pferdes und hielt
sie fest, bis endlich Hilfe kam. Zum Andenken an diese wunderbare Rettung ließen
die Eltern den Junker mit Pferd und Hund malen in einem Gemälde, das
noch vorhanden ist. Im 18. Jahrhundert verfiel die Burg immer mehr, so
daß die Herrschaft ihre Wohnung in dem benachbarten Dittmannsdorf nahm.
Ode und verlassen von fast allem Leben, denn nur ein Beamter wohnte im
Thorhause, stürzte im Herbste des Jahres 1789 ein Teil der Seitenmauern
der Burg zusammen. Die Räume, welche mehrere Jahrhunderte hindurch den
Familien von Herzögen, Fürsten und Freiherren freundliches Obdach gewährt,
verfielen derartig, daß die Trümmer nur mit Lebensgefahr zu betreten waren.
Damit die Gläubiger der Herrschaft, die tief in Schulden geraten war,
befriedigt würden, wurden die Besitzungen in einzelne Teile zerteilt und ver-
kauft. Die Burg wurde auf diese Weise im Jahre 1823 durch gerichtlichen
Zuschlag Eigentum einiger Bauern, die schon früher Besitzer des Berges und
Waldes geworden waren. Es ging das Gerücht, die Bauern hätten den Kauf
nur gemacht, um die Burgruine niederzureißen und das Material für sich zu
verwenden, ferner auch, um zu verhindern, daß Fremde in ihr Gebiet kämen.
Ein Freund des Altertums wußte es dahin zu bringen, daß noch Nachgebote
gegeben werden konnten; er wollte die Burg vor dem Niederreißen retten. Da
meldete sich der Professor Büsching mit einem Nachgebot, und mit ihm wollte
jener Freund des Altertums nicht wetteifern, da er dieselbe Absicht wie dieser
hatte. Professor Büsching erstand die Burg, und so wurde die Ruine einem
so liebevollen Pfleger zu teil, wie sich nur je einer finden konnte. Mit einer
rührenden Zärtlichkeit hing er an seiner Kynsburg, ließ die Trümmer auf-
räumen, machte die Ruine wieder gangbar, stellte den Turm wieder her, versah
ihn mit einer Treppe, verwandelte die ehemalige Burgkapelle in ein freundliches
Zimmer, in welchem er sich gern selbst aufhielt, wenn seine amtliche Stellung
in Breslau ihm einen Ausflug gestattete; auch verschönerte er den Burghof durch
anmutige Gartenanlagen und sorgte für die Bequemlichkeit und Unterhaltung
der Burgbesucher. Im Jahre 1840 kam die Burg, nachdem sie siebzehn Jahre
liebevoll gepflegt worden, in die Hände des Grafen von Burghauß, der schon
früher die Herrschaft Kynau an sich gebracht hatte. Was Büsching begonnen hat,
setzt der Graf von Burghauß fort. Alljährlich wird mit den Verschönerungen
der Burg und ihrer Umgebung fortgefahren, so daß wir lebhaft an den alten
Matthias von Logau erinnert werden.
So lohnend der Spaziergang zur Burg ist, so interessant ist eine Wan-
dernng durch die Gemächer derselben. Außerhalb der Thorbrüstung erblicken
wir rechts die halb erhabenen Bilder der Stärke, Geduld, Klugheit und Hoff-
nuug, links die der Barmherzigkeit, Mäßigkeit, Gerechtigkeit und Treue. Die
Bilder tragen die Unterschristen: Portitudo, Patientia, Prudentia, Spes, Caritas
und Fides. Mäßigkeit und Gerechtigkeit sind ohne Unterschriften. Über dem
Eingangsthor sehen wir die Wappen vom Grafen Hohenzollern und von Rochow.
Treten wir in das Schloß ein, so wird uns das Gefängnis gezeigt, in welchem
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206 Die Grafschaft Glatz.
dem Gewerbebetrieb zugewendet haben. Die Uhrenfabrikation, die Woll- und
Twist- (Baumwollengarn-) Spinnerei beschäftigen gegen 200 Personen, die
übrigen Gewerbe sind von geringer Bedeutung. Wenn auch der Ort klein und
unbedeutend ist, so wird er doch oft besucht, besonders weil die Spaziergänge
auf den Höhen sehr angenehm sind. Von den Wällen herab hat man eine
herrliche Aussicht sowohl nach Schlesien als auch nach der Grafschaft hin, und
die wechselvolle und frische Anmut der reizenden Thalschluchten fesselt den Blick
des Wanderers.
Daß die Festung Silberberg gerade an dieser Stelle des Eulengebirges
erbaut wurde, dazu gab die freie und kuppenartige Form einiger Berggipfel
sowie die Lage des Orts Veranlaffung, da hier nämlich von jeher eine Paß-
straße aus einem wichtigen Teile Schlesiens nach der Grafschaft Glatz und nach
Böhmen führte und durch die neue Festung ein wichtiges Mittelglied zwischen
den Festungen Glatz und Schweidnitz gewonnen wurde. Auf der Paßstraße bei
Silberberg vorbei zogen gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges schwedische
Heerhaufen; im Siebenjährigen Kriege nahmen in diesen Gegenden bald preußische,
bald österreichische Heeresteile Stellungen und Lagerstätten ein. An diese Zeit
erinnern noch jetzt Bruchstücke und Schanzen, die zwar gegenwärtig bereits
völlig mit Rasen bedeckt und mit Gesträuch bewachsen, aber in ihrer früheren
Bestimmung noch hinlänglich erkennbar sind. Auch manche noch übliche Namen,
wie Kanonenweg, Husarensteg, Kroatenplan, weisen auf jene Kriegszeiten hin.
Langtnbitlau und pcterswaldau, )wei schleiche Webcrdörfer. Im
Reichenbacher Kreise zieht sich 5 km südwestlich von der Kreisstadt in einer
Länge von 9 km am Fuße des Eulengebirges hinauf das Dorf Langenbielau,
das in Nieder- und Oberlangenbielau zerfällt. Das Klima ist bei der nach
Nordosten* zu offenen Lage des Ortes rauh, aber gesund. Der Boden besteht
meist aus Granit, Kalk und rotem Sandstein. Die das Dorf der Länge nach
durchfließende Viele wird zur Abführung der unreinen Abflüsse der zahlreichen
Fabriken des Ortes benutzt, das für die Haushaltungen erforderliche Wasser
dagegen aus Brunnen bezogen. Das Dorf oder die Dörfer I, Ii, Iii, Iv,
haben 13 400 Einwohner. Bereits seit dem 14. Jahrhundert ist die Weberei
der Haupterwerbszweig der Einwohnerschaft. Es bestehen gegenwärtig sieben
größere Fabrikanlagen für Weberei mit über 2000 Stühlen, vier Bleichereien,
ebensoviel Färbereien, zwei Baumwollspinnereien, eine Kanevasfabrik. Der
größte Teil der Bewohner treibt die Handweberei im eignen Hause, der kleinere
Teil ist in den Fabriken beschäftigt. Außer den Webereien finden wir in dem
Dorfe zwei Mehlmühlen, eine Brettschneiderei, eine Preßhefen-, eine Stärke-
fabrik, sämtlich mit Dampfbetrieb, und eine Zuckersiederei. Der Versand der
fertigen leinenen, wollenen und baumwollenen Zeuge ist außer nach den größeren
Städten der Provinz Schlesien und den Nachbarprovinzen auch nach Dänemark,
Schweden, Amerika und Rußland gerichtet. In dem Dorfe befindet sich ein
Kranken- und ein Waisenhaus; es hat auch Gasbeleuchtung. Natürlich ist die
Gemeindeverwaltung nach Art der städtischen Verwaltungen eingerichtet.
Von der Kreisstadt Reichenbach aus 5 km westlich, am Fuße der Hohen
Eule, liegt das Dorf Peterswaldau, das in Ober-, Mittel-, Nieder- und Königl.-
Peterswaldau zerfällt. Der vorherrschend lehmige, über einen Untergrund aus
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Extrahierte Personennamen: Glatz Silberberg
Extrahierte Ortsnamen: Schweidnitz Kanonenweg Husarensteg Dorf_Langenbielau Nieder- Schweden Amerika Dorf_Peterswaldau
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Fischbach.
141
Im Südosten der Falkensteine erhebt sich der Kittnerberg, in dem nach
alter Sage ein goldener Esel liegt, der so großen Goldeswert hat,'daß von
diesem Schatze Fischbach zu einer Stadt umgewandelt werden kann, wenn er
einstmals aufgefunden wird. Wer den Esel findet, der wird nach dieser Sage
die Stadt gründen und der erste Bürgermeister in derselben sein.
Schloß Fischbach.
Wer den Weg nach dem Kreuze auf dem Falkensteine verfolgt, muß vor-
übergehen bei dem Prinzesfinstühl, einem in den Fels eingehauenen Sitz, von
welchem sich die Leute folgende Sage erzählen: In dem Boberthale weidete
täglich ein junger Hirt feine Herde und blieb im freien Felde von Sonnenauf-
bis Sonnenuntergang. Als er einst seiner weidenden Herde folgte, kam er bis
zu dem Fuße des Berges, auf welchem die Ruinen der alten Burg standen.
Der Fuß war von dichtem Walde umgeben. In das Dickicht führte ein wenig be-
tretener und deshalb kaum bemerkbarer Weg. Der Hirt war neugierig und ging
dem Wege nach bis in die tiefste Waldesnacht, ohne an seine Herde zu denken.
Es wurde so finster, daß er fast nichts mehr sehen konnte und sich mit dem Stabe
forttappeu mußte. Plötzlich wurde es hell, der Wald öffnete sich: er stand vor
einem reizenden, in frischem Frühlingsgrün prangenden Thale. Als er hinauf
schaute zur Höhe des Falkensteins, sah er eine schöne Jungfrau mit blonden
Locken auf einer schroffen Felswand sitzen und von einem silberweißen Rocken
spinnen. Diese sah von der Höhe mit freundlichem Blicke auf den Schäfer
herab; aber als es 12 Uhr im nahen Dörfchen schlug, war sie verschwunden.
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270 Die Oder und ihre Umgegend von der Quelle bis Brieg.
landete, wo ein Chor niedlicher Bauernmädchen die Aussteigenden empfing und
bei Musik und Gesang bewirtete. Viele Fremde fanden in der Bibliothek und
den Kunstsammlungen des Grafen Unterhaltung; andre ergötzten sich bei den
Ausführungen deutscher Komödien, italienischer komischer Opern, französischer
Trauerspiele, von Pantomimen und Balletten.
Friedrich der Große besuchte im Jahre 1770 den Grafen in Roßwalde
und war durch die Großartigkeit der arrangierten Feste, in denen Schlag auf
Schlag Wunder auf Wunder folgte, überrascht. Hoditz hatte alles aufgeboten,
um den Helden würdig zu empfangen, und alles gelang nach Wunsch. Der
König schenkte dem Grafen zum Danke eine prächtige, mit Diamanten und seinem
Bildnisse verzierte Dose, in der eine Anweisung auf 10 000 Thaler lag. Diese
Einlage mußte dem Besitzer von Roßwalde sehr angenehm sein; denn obgleich
er sehr reich war, lebte er doch in einer solchen Sorglosigkeit, daß seine Aus-
gaben größer wurden als seine reichlichen Einnahmen. Seine Güter ließ er
durch Pächter verwalten, die ihm kaum die Hälfte von dem gaben, was er
hätte fordern können. Er geriet in eine immer bedrängtere Lage und sah
endlich keinen andern Ausweg, als das Anerbieten des Königs von Preußen,
in Potsdam zu wohnen, anzunehmen. Friedrich Ii. bot alles aus, um dem
armen Greise den schweren Schritt zu erleichtern; er räumte ihm und den treuen
Dienern ein geräumiges Haus ein, unterhielt ihm eine gute Tafel und setzte
ihn durch ein beträchtliches Jahrgeld in den Stand, eine Kapelle zu besolden
und selbst noch zuweilen kleine Feste zu geben. Die Musik erfreute den Grafen;
bei süßen Tönen vergaß er die düsteren Vorstellungen, die seinen Geist be-
unruhigten. So verlebte er noch einige Jahre, bis er endlich, da seine Kräfte
erschöpft waren, am 18. März 1778 in feinem 72. Jahre aus dem Leben fchied.
Ratibor. Nur einige Meilen unterhalb der Stelle, an welcher die Zinna
in die Odev geht, liegt in einem anmutigen Teile des Oderthales, rings um-
geben von Hügelland, das nach Norden hin den Charakter der Ebene annimmt,
die von fast 13 400 Einwohnern bewohnte Stadt Ratibor. Ursprünglich war
die Bevölkerung der Stadt slawisch; im 13. Jahrhundert wurde der Ort ger-
mauisiert; unter Karl Iv. und Wenzel erhielt das slawische Element wieder den
Vorzug: man schrieb alles mährisch, sprach polnisch und kleidete sich deutsch.
Im Jahre 1741 wurde das österreichische Herzogtum Ratibor von preußischen
Truppen besetzt und 1745 durch den Dresdener Frieden dauernd mit Preußen
vereinigt. In einer Entfernung von 15—20 km von Ratibor werden Stein-
kohlen gefördert.
Der Boden um die Stadt erzeugt alle Arten von Getreide, Zucker-
rübeu, Raps und Holz; Ackerwirtschaft wird von der Stadtbevölkerung wenig
getrieben, dagegen bedeutender Gartenbau und lebhafter Gemüsehandel, welcher
einen großen Teil Oberschlesiens versorgt. Heute wird in der Stadt Vorherr-
schend deutsch gesprochen, aber in der ländlichen Umgebung slawisch, und zwar
auf dem linken Oderufer böhmisch oder mährisch, auf dem rechten ein mit
vielen deutschen Wörtern untermischtes Polnisch.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Hoditz Friedrich_Ii Friedrich Karl_Iv Karl
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420 Stadt und Festung Posen.
einer Provinz. Die Straßen sind breit, prächtige Häuser mit eleganten Läden
und großen Spiegelscheiben reihen sich dort aneinander. Elegante Kutschen
rollen an uns vorüber, schwerfällige Landwagen sehen wir ankommen und zu den
Thoren hiuaussahren, stolze Reiter auf geschniegelten Pferden blicken nach dem
bunten Getriebe der lustwandelnden Spaziergänger, unter denen sich der rastlose
Geschäftsmann seinen Weg sucht. Des Abends finden wir Vergnügen an Kon-
zerteu, Theatervorstellungen, Vorträgen; an Nachmittagen finden sich Gelegen-
heiten zu schönen Ausflügen in die Umgegend mit der Bahn (z. B. nach Moschin)
oder mit Wagen; in den besuchtesten Konditoreien liegen viele Zeitungen aus,
in vielen Weinstuben und Restaurationen wird viel gegessen und getrunken;
Droschken, die seit 1345 eingeführt sind, bringen den müden Wanderer nach
Hanse und erleichtern dem eilenden Arzte und Kausmanne den Verkehr.
Das Rathaus. Auf dem Alten Markte in der Stadt zieht das Rathaus
unsre Aufmerksamkeit auf sich. Vor demselben steht eine steinerne Säule aus
alter Zeit, die wir, obgleich sie stark beschädigt ist, noch als einen Pranger er-
kennen. Oben auf der Säule befindet sich eine Figur, welche den Scharfrichter
mit dem zum Hiebe erhobenen Schwert darstellt. Die Jahreszahl 1535 weist
ans die Errichtung des Prangers hin, die übrigen in die Säule eingetragenen
Zahlen auf das Jahr der betreffenden Todesstrafen.
Das Rathaus wurde wahrscheinlich schon im 13. Jahrhundert, bald nach-
dem die Altstadt Posen gegründet war, angelegt. Im Jahre 1508 wurde es
abgebrochen und ein neues Gebäude aufgeführt, das 1535 abbrannte. Durch
einen italienischen Baumeister aus Lucca wurde das Rathaus wieder hergestellt
und durch einen Turm geschmückt, der 1675, vom Blitze getroffen, niederbrannte;
aber schon 1698 war ein neuer Turm vollendet, der zwei Glocken im Gewicht
von 157 und 100 Zentnern trug. Ein Orkan warf 1725 die Spitze des Turmes
mit den Glocken um; erst unter der Regierung des Stanislaus August erhielt
der Turm die neue Spitze, die er noch heute trägt; am 19. Juni 1793 wurde
der große kupferne Adler mit dem Wappen des Königs und der Republik auf
der Brust auf die äußerste Spitze des Turmes gebracht.
Unter den vielen Zimmern und Sälen des Rathauses befindet sich auch
eins, die frühere Folterkammer, in der noch vor hundert Jahren an verdächtigen
Menschen, die nicht eingestehen wollten, glühende Eisen zur Auwendung kamen.
Heute dient die Folterkammer friedlicheren Zwecken; es ruhen dort viele Tausende
von Wertpapieren der Sparkasse und aller städtischen Fonds hinter Schloß und
Riegel. Alle halbe Jahre erscheinen auch noch jetzt in diesem Räume Männer
mit großen eisernen Instrumenten, sie treiben indes ein weniger grausames
Geschäft — es ist die Kassendeputation, welche die Konpons abschneidet.
Schloß. Das Schloß wurde schon 1253 von den Fürsten Przemyslaw
und Boleslaw auf dem Schloßberge angelegt. In demselben residierten die
Fürsten. Später wohnten daselbst die großpolnischen Generale. Als das Schloß
1536 abgebrannt war, baute es der General Gorka wieder aus; im Jahre 1655
nahm der schwedische Kommandant dort seinen Sitz. Da es durch die Schweden-
kriege sehr gelitten hatte, baute es 1783 der General Raczynski wieder aus.
Hier wohnten die polnischen Könige, wenn sie Posen besuchten; hier fanden die
t
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Stanislaus_August August Boleslaw Gorka Raczynski
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Geschlecht (WdK): koedukativ
470 Im Regierungsbezirk Bromberg.
wendete sich die Wut der Polen gegen wehrlose Einwohner. Vier Männer,
unter ihnen ein 60jähriger Greis, wurden hingeschlachtet, andre schwer verletzt
und mißhandelt oder eingesperrt, ihre Häuser wurden ausgeplündert.
Änowrazlaw. Fahren wir in der Richtung, in der wir von Gnesen ge-
kommen sind, weiter, so kommen wir über die kleine Kreisstadt Mogilno (2464 E.)
nach Jnowrazlaw, einer Stadt in dem weizenreichen Kujawien, die wahrscheinlich
eine bedeutende Zukunft hat. Jnowrazlaw (Inowroclaw = Jungbreslau) wird
schon im 12. Jahrhundert erwähnt. Der Handelsweg zwischen Preußen und
der Lausitz ging über diesen Ort, und das kam ihm sehr zu statten. Nachweis-
lich hatte die Stadt in der Mitte des 13. Jahrhunderts Magdeburger Recht
und durfte fünf Sechstel der Abgaben von Gebäuden, Verkaufsbänken und
Gärten zum Stadtbesten einbehalten und verwenden und zahlte nur den sechsten
Teil an den Herzog; sie war durch Mauern geschützt und hatte ein Schloß, in
welchem ein Starost saß. Im 14. und 15. Jahrhundert hatte sie viel durch die
Kriege mit den preußischen Rittern zu leiden. Als um 1430 (genaue Nach-
richten fehlen) die Stadt durch die Ritter eingeäschert worden war, erwirkte sie
sich die Ausstellung eines neuen Freibriefs von König Kasimir Iv. Zufolge
dieser neuen Urkunde besaß die Stadt ein Bad, dessen Einnahmen sie bezog,
Wiesen und Weiden, sowie die halbe Benutzung einer Strecke der Netze, hielt
am Dienstag einen Wochenmarkt und stand in der Magdeburger Freiheit. Von
den Gefällen der Vogtei fiel ihr ein Drittel zu. Von den Häusern und Grund-
stücken wurde ein Zins an den Herrscher abgeführt. Die Bürger durften Wein
und Met am Rathaus verkaufen. Auswärts gebrautes Bier sollte aber weder
in der Stadt selbst, noch im Umkreise auswärts geschenkt werden. Im 16. Jahr-
hundert kam die Stadt sehr herunter, sie hatte zum Kriege nur einen Fuß-
gänger, einen vierspännigen Wagen und eine Marketenderin zu stellen. Im
Jahre 1772 wurde Jnowrazlaw (es hieß damals auch Jungbreslau) preußisch,
und hier leistete der Netzedistrikt am 22. Mai 1775 die Erblandeshuldigung.
Namens der Stadt that dies ihr Bürgermeister Georg Wolter. Die 190 Wohn-
gebäude, welche die Stadt damals hatte, waren meist schlecht und von Holz
gebaut. Das schlechte Rathaus auf dem Markte hatte neben sich einen alten
Tnrm. Ein Kloster der Franziskaner und fünf Kirchen waren am Orte. Die
Straßen waren so schmutzig, daß man bei üblem Wetter kaum durchkommen
konnte. An gutem Trinkwasser litten die Bewohner Mangel. „Auf dem Markte
ist statt eines Wasserbehälters ein großer Sumpf oder Teich", schreibt 1793
der Bromberger Hosgerichtsrat Holfche. Längst hat sich das Aussehen der Stadt
geändert. Die Stadt hat schöne Gebäude, ein freundliches Aussehen und 11 558 E.
Ein mächtiges Steinsalzlager, das vor wenigen Jahren dort entdeckt ist, gewährt
reiche Ausbeute; die eingerichtete Saline hat einen großartigen Betrieb. Durch
Auslaugung des Salzgesteines mittels eingeleiteten Süßwassers -wird eine Sole
gewonnen, und das hat Veranlassung zur Gründung des Solbades Jnowrazlaw
gegeben, das von Jahr zu Jahr mehr in Aufnahme kommt.
Ende des achten Bandes,
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
176
Das Waldenburger Bergland.
Kersbach und Weckelödorf. Die Umgegend von Waldenburg dürfen wir
nicht verlassen, ohne noch eine kurze Wanderung nach Süden unternommen zu
haben. Dort müssen wir noch Felsen betrachten, welche äußerst interessant sind,
aber vielleicht doch in höherem Rufe stehen, als sie verdienen. Weil sie mit der
Sudetenkette zusammenhängen und von den meisten Besuchern des Riesengebirges
bewundert werden, müssen wir sie hier in nnsre Betrachtung ziehen, obgleich
die Leute, welche dort wohnen, kaiserlich österreichische Untertanen sind. Wir
wandern nach den Felsen von Adersbach und Weckelsdorf. Diese Felsen hätten
wir schon vonlandeshut erreichen können.
Gehen wir nämlich von dieser Stadt nach
Süden, so erreichen wir bald das am
Bober gelegene kleine Liebau; von dort
gehen wir in südlicher Richtung, indem
wir das Überschaargebirge zur rechten
Hand (südlich) haben, nach dem nnbeden-
tenden Städtchen Schömberg, in welches
wir auch auf angenehmem Wege vom
Kloster Grüssau gelangen können. Von
Schömberg führt uns die Straße in der
Richtung, in der wir von Liebau ge-
kommen sind, weiter nach Merkelsdorf.
Dieses Dorf liegt von Waldenburg aus
südwestlich. Kommen wir von dieser
Stadt, so machen wir unterwegs einen
kleinen Abstecher nach dem berühmten
Kurort Görbersdorf, der kein Mine-
ralbad, sondern eine Heilanstalt für ver-
schiedene Krankheitsformen der Schwind-
sucht ist. Der Ort dehnt sich in einem
schönen Thale aus, dessen Seiten von
hohen, mit Nadel- und Laubholz be-
wachsenen Bergen umschlossen sind. Die
Anstalten daselbst sind großartig einge-
richtet; die eine umfaßt 110 Fremden-
zimmer, zwei Wintergärten, Speise- und
Lesesaal und ist von Parkanlagen um-
geben, die sich weit ausdehnen und uu-
mittelbar an den Wald anschließen. Von
Görbersdorf wendet sich die Straße nach Südwesten; wir stoßen auf einen
von den vielen Orten, die Friedland heißen, und verfolgen die Straße bis
Merkelsdorf. Die deutsche Grenze haben wir bereits überschritten, wir befinden
uns im ersten österreichischen Dorfe und treffen es hier, wie an so vielen
schlesisch-böhmischen Grenzübergängen. Daß wir von vielen Bettelkindern an-
gegangen werden, überrascht uns nicht; aber wir bewundern die Größe, das
Aussehen und die Einrichtung des Weinhanses, das uns durchaus nicht dorf-
mäßig, sondern fast großstädtisch erscheint. Der Wirt findet seine Rechnung;
denn hier herrscht nicht nur im Sommer reger Verkehr, sondern auch im Winter
Eingang in die Felsenstadt.
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Der Ring und das Rathaus. 295
einen hölzernen Pflock in die Thür, und solche Pflöcke trug er in der Tasche
stets bei sich. Zur rechten Seite steht ein Gewappneter mit der Überschrift:
„Ich bin des Rats geharnischter Mann,
Wer mich anfaßt, der muß ein Schwert han."
Diese Figur stellt einen Beamten, des Rates reisigen Knecht, dar, der die
Pflicht hatte, in voller Rüstung, besonders zur Nachtzeit, die Nachbarschaft der
Stadt zu durchlaufen und alles Verdächtige zu berichten.
Marktplatz in Breslau.
Im ersten Stock befindet sich der Fürstensaal, der nicht groß, aber schön
gewölbt ist, dessen Gewölbe in der Mitte von einer Säule getragen wird. Auf
der rechten Seite an der Wand führt ein Wappen die Inschrift:
Felix 1 . . s timet,
Infelix f civ"as <luae tempore pacis bella < .
d- H-:
Unglümch } ^ bic Stadt, welche zur Zeit des Friedens Kriege {
Hier in diesem Saale wurden die schlesischen Fürstentage abgehalten, auf
denen das Recht hatten zu erscheinen die Fürsten und Standesherren, die De-
putierten des Adels der Erbfürstentümer und der Stadt Breslau, die Ab-
geordneten von acht Städten mit zusammen einer Stimme. Hier huldigten im
Jahre 1741 die Schlesier feierlich Friedrich Ii. Auf einem drei Stufen hohen
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Extrahierte Personennamen: Felix Felix Friedrich_Ii Friedrich