Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Bewohner des Karolinenarchipels. 171
welches auf Aap, einer der Karolinen, im Kurs ist. Es besteht dies
nämlich aus runden Steinen von der Gestalt und Größe eines Schweizer-
käses bis zu der eines Mühlsteins. Durch ein in der Mitte befindliches
rundes Loch kann ein Stab gesteckt werden, an welchem diese seltsame
Münze getragen wird. Diese großen Geldstücke sind vor den Häusern zur
Schau ausgestellt. Als Scheidemünze hat man Stücke von der Größe
eines Thalers oder Perlmutterschalen.
Setzt man bei Verfolgung der langen Reihe der Karolineninseln
seine Reise noch weiter nach Osten fort, so gelangt man in den Lord
Mulgrawe-Archipel, welcher wieder in eine nördliche Gruppe, die
Marshalls-, und in eine südliche, die Gilberts- (Kingsmill-) Inseln,
zerfällt. Die erste Entdeckung geschah schon 1529 durch den Spanier
Saavedra, und zwar durch Zufall, bis die englischen Seefahrer Gilbert
und Mars hall sie wieder auffanden. Vorzüglich bekannt sind sie uns
durch den russischen Kapitän Kotzebue und seinen Begleiter, den Dichter
Chamisso, geworden, welche beide eine äußerst anziehende Schilderung
von den liebenswürdigen Bewohnern, besonders denen von Ratack, machten.
Das Volk zeigte sich den Seefahrern freundlich und harmlos, munter, für
Frohsinn und Geselligkeit gestimmt, gescheit und sinnreich. Man kam den
Russen nach Überwindung der ersten Besorgnis vor ihrer Überlegenheit
freundschaftlich entgegen, war nie zudringlich und überlästig; das Eigentum
war geehrt, von Diebstahl keine Spur. Als Kotzebue 1817 mehrere
Wochen auf den Ralickinseln, namentlich Otdia, verweilte, schlössen sich
der Häuptling Rarick und ein andrer Einwohner, Lagediak, ihm be-
sonders an. Letzterer, welcher den Namen Kadu führte, hatte Kotzebue so
lieb gewonnen, daß er sich von ihm nicht wieder trennen wollte. Er führte
seinen Entschluß wirklich aus, betrug sich auf dem russischen Schiffe so ge-
sittet und bescheiden, als ob er mit gebildeten Menschen schon lange Um-
gang gehabt hätte und gewann die Liebe aller. Kadu machte mit Kotzebue
die Fahrt bis Unalaschka und bis an die Beringsstraße; als aber die
Schiffe wieder südlich fuhren, die Sandwichinseln berührten und der
Tropenbewohner nach der Kälte des Nordens und seinen verkrüppelten
Bäumen hier die heimatliche Palme aufs neue erblickte, da war er über
ihren Anblick so erfreut, daß das Heimweh mit seiner ganzen Gewalt er-
wachte und er gegen Ende des Jahres 1817 wieder nach Otdia zurück-
kehrte. Er ward von Kotzebue noch reichlich beschenkt, allein beim Ab^
schiede schien Kadu erst recht zu fühlen, wie schwer ihm die Trennung von
seinen russischen Freunden werde. Er weinte wie ein Kind und bat sie
flehentlich, wiederzukommen. Mit Innigkeit schloß er sich an Kotzebue an
und fragte oft, ob er denn auch wirklich wiederkäme; Männer, Weiber und
Kinder begleiteten die Abreisenden bis zur Schaluppe, und nachdem sie
vom Lande abgestoßen waren, setzten sich die Insulaner ans User und
stimmten ein Lied an, in welchem die Namen der Freunde oft vorkamen.
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Extrahierte Personennamen: Gilbert Chamisso Kadu
Extrahierte Ortsnamen: Lord
Mulgrawe-Archipel Spanier
Saavedra Otdia
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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
158 Die ozeanische Inselwelt.
seine erste Leidenschaft und bildet den Hauptzug des Charakters. Die
kleinste Beleidigung — er kann sie nicht vergessen; vergilt er sie nicht, so
geschieht's durch Kinder und Kindeskinder. Von Geschlecht zu Geschlecht
erbt das Andenken daran fort und wird noch in späteren Zeiten als Vor-
wand zu einem feindlichen Angriffe benutzt. Dem Tode trotzt er mit
Kaltblütigkeit und Mut, doch ist er iu seinen Kämpfen weniger tapfer,
namentlich den europäischen Waffen gegenüber, als verschlagen und gewandt.
Menschenfleisch ist seine Lieblingsspeise. Ein Missionär sah einst nach
einem hitzigen Tressen 60 Lsen errichten, und in allen lagen Menschen-
leichname zum Schmause. Es gibt Beispiele, daß sich Krieger in der Wut
des Kampfes über deu gefallenen Feind stürzten und das aus der klaffenden
Wunde herausströmende Blut mit der Gier eines Raubtieres aufschlürften.
Gefangene band man nicht selten an einen Baum, um das von den Gliedern
abgeschnittene, noch zuckende, warme Fleisch zu essen und das in Bechern
aufgefangene Blut dabei zu trinken. Die Köpfe erschlagener Feinde steckte
man auf Stangen und trug sie als Siegeszeichen herum, der Hände be-
diente man sich als Haken in den Hütten. Schon die Kinder werden gegen
den Anblick menschlicher Glieder abgestumpft, und mau sah dieselben mit
abgeschnittenen Gliedern spielen oder den Kopf eines Sklaven sich als Ball
zuwerfen. So werden sie gefühllos gegen die eignen Freunde. Stirbt
ein Mann, fo beraubt man die Weiber alles ihres Eigentums; daher
nehmen sich viele das Leben oder sitzen an seinem Grabe und stoßen oder
schneiden sich tiese Wunden in den Leib. Neugeborene Kinder, besonders
Mädchen, werden häufig getötet, und vielleicht ist unter drei Weibern Neu-
feelands stets eines, welches ein oder mehrere Kinder getötet hat. Der
Mann hat das Recht über das Leben seiner Frau. Dasselbe Recht besitzt
eine jede Herrschaft über das Leben der Sklaven, deren Los im übrigen
leidlich ist. Aber wehe den unglücklichen Geschöpfen, wenn sie den Versuch
macheu, sich durch Flucht zu befreien. Ein englischer Kaufmann war Zeuge
eiuer solchen Szene. Ein löjähriges Sklavenmädchen war drei Tage ohne
Erlaubnis weggeblieben. Da trat sie wieder in die Hütte, die Frau aber
rief einen Knecht und befahl ihm, sie zu töten. Ein Keulenschlag auf die
Stiru streckte sie nieder, ihr Leichnam aber ward an demselben Abende
zur Mahlzeit gebraten.
Alles menschliche Gefühl empört sich in uns, wenn wir derartige
Vorfälle, welche zu den gewöhnlichen gehören, von den zuverlässigsten
Personen erfahren. Leidenschaft. Haß, Verachtung von Menschenleben und
Aberglaube fordern unzählige Opfer.
Da ist der Sohn eines Häuptlings krank, kein Mittel fruchtet, die
Krankheit will nicht weichen. Man rät zartes Menfchensleisch. Der Vater
tötet einen 14jährigen Knaben und setzt das Fleisch dem kranken Sohne vor,
und da es nicht hilft, so gedenkt man eben es noch mit Mädchenfleifch zu
versuchen, als ein christlicher Missionär dazwischen tritt und das arme
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Trotzendorf. 89
Dorfe dieses Namens, eine Meile von Görlitz (jetzt Troitschendorf), wo er 1490
geboren wurde, gehört in die Reihe der großen Schulmänner des 16. Jahr-
Hunderts, wie Sturm in Straßbnrg. Neander in Jlefeld, H. Wolf in Augsburg,
Mylins in Görlitz, Fabricius in Meißen, welche alle aus der Schule Melauchthons
hervorgegangen sind. Trotzendorf war der Sohn eines ehrbaren Landmannes,
der mit Bettelmönchen in Verbindung stand. Als diese die Lernbegierde und Fähig-
keit des Knaben wahrnahmen, veranlagten sie den Vater, den kleinen Valentin
nach Görlitz auf die Schule zu schicken. Bald aber wurde es dem Vater leid, den
Sohn fortgeschickt zu haben; er ließ ihn wieder zurückkommen und verwendete
ihn in der Landwirtschaft.
Goldberg.
Aber die Mutter gefiel sich in dem Gedanken, ihr Söhnchen könne
einmal ein Priester werden, und sie wußte es durchzusetzen, daß Valentin in
seinem Geburtsorte weiter im Lesen und Schreiben unterrichtet wurde. Als
Schreibmaterial dienten dem Knaben Birkenrinde (interior betulae cortex),
Gänsekiele und Kaminruß (fuligo infumibuli atramentum suppeditavit).
Zwei Jahre dauerte dieser Unterricht Auf unablässiges Betreiben seiner
Mutter wurde der Jüugling im Jahre 1508 wieder in die Stadt gebracht,
um sich ganz dem Studium zu widmen. Trotzendorf überholte bald alle seine
Mitschüler, und als 1513 sein Vater starb (seine Mutter war schon früher
an der Pest gestorben), verkaufte er sein Erbgut und begab sich nach Leipzig,
wo er sich zwei Jahre lang lateinischen und griechischen Studien widmete.
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Pan Twardowski. 463
fehlte es dem reichen Manne nicht. Auf seinem Tische dampften die ausgesnch-
testen Speisen, die Becher schäumten vom edelsten Wein, Geld besorgte der
Teufel in gewünschter Menge.
Der Diener Matthias aber beneidete seinen Herrn um den Reichtum, und
das mochte Twardowski nicht leiden. Deshalb verwandelte er ihn in eine Spinne,
die in einer Ecke des Fensters ihre Netze spann und auf Mücken Jagd machte.
Alles hatte der Meister im Überfluß, aber es fehlte ihm das Weib. Auch
das Weib sollte er jetzt finden. Ein adliges Fräulein, eine Waise, die schöne
Agnes, gewann Twardowski lieb; sie war 25 Jahre alt und in der Blüte ihrer
Schönheit, hochmütig aus ihre Geburt und stolz auf ihr ungewöhnliches Wissen;
dem Twardowski gegenüber war sie heiter, freundlich und gefühlvoll, sie schätzte
in ihm den berühmten Gelehrten und Arzt. Er ahnte nicht, daß sie in ihm
nicht den jungen, hübschen Freier verehrte, daß sie ein kaltes und berechnendes
Weib war, dem die Äußerlichkeiten des Glückes und die Bewunderung der Menge
über alles ging. Von dem Zauber ihrer Schönheit war er so berauscht, daß
seinem durchdringenden Verstand das wahre Wesen des Weibes, an das er seine
Zukunft zu fesseln entschlossen war, entging.
Die Liebe Twardowskis zu Agnes wuchs von Tag zu Tag. Wo es ihm
nur möglich war, suchte er sie zu sehen; er verfolgte sie bis in die Kirche, be-
gleitete sie auf Spaziergängen und widmete seine ganze Zeit ihrem Dienste.
Leider wußte er, daß der Pflegevater des Mädchens ihm die Hand der Agnes
nicht geben würde, weil sie einen reichen Kaufmann heiraten sollte; daß sie ent-
erbt werden würde, wenn sie sich den Zauberer zum Manne wählen sollte.
Der Teufel riet deshalb zur Entführung. Twardowski sollte dem jungen
Mädchen durch einen Brief seine Liebe erklären, ihr eine Zeit zur Entführung
bestimmen und ihr sagen, er wolle sie in eine entlegene Waldkapelle führen, in
die er einen Geistlichen bestellt habe zur Vollziehung der Trauung. Der Geist-
liche aber wollte der Teufel sein. Agnes ging auf den Vorschlag Twardowskis
ein. An einem Sonntage nach beendigtem Nachmittagsgottesdienste stieg sie in
einen Wagen des Zauberers, der für sie vor der Kirchthür bereit stand.
Twardowski ritt zu Pferde der Kutsche nach. Endlich kam man in einen
dunklen, dichten Wald, der Kutscher hielt die Zügel an, und man stand plötzlich
vor einer Kapelle, deren Thür offen war.
Das Brautpaar trat in die Kapelle ein, vor deren Altar mit der Stola
geziert ein Mönch stand, der des Brautpaares harrte. Die Kapelle war alt,
düster und verfallen, Feuchtigkeit floß von den Wänden herab, die Fenster
hatten Wind und Sturm zerschlagen, auf dem Boden lagen Trümmer, an den
Wänden hingen zersetzte Gemälde. Den Altar bedeckte ein beflecktes Tischtuch,
zwei tief herabgebrannte Kerzen brannten in zwei elenden Holzleuchtern, ein
weißes Kreuz fand sich an den Stufen des Altars. Die Trauung wurde aufs
eiligste vollzogen. Das junge Paar stieg in die Kutsche, und im Fluge ging es
zurück nach Krakau. Gäste waren geladen zu einem großartigen Mahle, aber
sie wußten nicht, wem zu Ehren das Fest sein sollte. Alle waren erstaunt, als
sich die Neuvermählten zeigten; am meisten überrascht von den Geladenen waren
der Pflegevater der Agnes und der junge Mann, den sie heiraten sollte. Doch
bald beruhigten sich die Gäste, sie ließen sich die Speisen und den Wein gut
schmecken und tanzten munter.
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
464 Im Regierungsbezirk Bromberg.
Em Jahr lang dauerte Twardowskis Glück. Dann änderte sich die Ge-
sinnung der Agnes; Stolz und Herrschsucht machten sich immer mehr bei ihr
bemerklich; auch gab sie sich keine Mühe, ihre Gleichgültigkeit gegen Twardowski,
der sie noch immer leidenschaftlich liebte, zu verbergen. Ja der Meister mußte
sich sogar überzeugen, daß seine Frau ihm untreu war: er überraschte sie mit
ihrem Geliebten, als sie den Gatten fern glaubte, und hörte, wie sie ihrem
Liebhaber sagte, daß sie Twardowski nie geliebt, daß sie ihn nur der Stellung
halber geheiratet und bisher ihre Rolle gut gespielt und sich einen Vogel ge-
fangen habe, der nun sicher und ruhig im Käfig sitze. Bei solchen Gesprächen
überraschte Twardowski das Paar. Den Liebhaber des untreuen Weibes ver-
wandelte er in die Gestalt eines räudigen Hundes und sagte ihm, alle Welt
werde ihn mit Steinwürfen und Stockschlägen jagen. Agnes wurde deshalb von
ihm verstoßen mit den Worten: „Hebe dich aus meinem Hause hinweg! Auf den
Straßen magst du dein Brot erbetteln; gehe, versuche das Elend und koste die
Not!" Die Diener eilten herbei und schafften die Jammernde zum Hause hinaus.
Jahre vergingen, Twardowski ergab sich dem wüsten Leben und verachtete
das weibliche Geschlecht, von dem er glaubte, daß es wahre Liebe nicht kenne.
Einst fuhr er in seinem Wagen durch die Straßen von Krakau und über einen
Platz fort. Da bemerkte er auf dem Platze die Bude einer Töpferin, und
plötzlich erkannte er in dem bleichen, abgehärmten Gesichte seine verstoßene
Gattin. Ein schmutziges, zersetztes Kleid schlotterte um den verfallenen Leib;
ihre einst so schönen Augen waren in den Höhlen zurückgetreten, ihr Haar
flatterte wild um die Stirn, die Lippen waren farblos und dünn. Zu ihren
Füßen lag der häßliche, graue Hund — einst ihr Geliebter, jetzt ihr treuer
Wächter, den sie aus Erbarmen vor dem Verhungern schützte.
Der Meister erglühte in seinem Zorn und sein Rachegefühl erwachte. Er
fuhr mit seinem Wagen durch die Töpfe, daß sie in Scherben gingen, und der
Jammer des Weibes und des Hundes Geheul waren Musik für seine Ohren.
So oft er an der Bude der Händlerin vorbeifuhr, wiederholte er diesen Akt
der Rache, bis das Weib sich eine andre Stätte suchte, um ihr Leben kümmer-
lich zu fristen.
Der Rest von Twardowskis Leben war voll von Bitterkeit und Trauer.
Zum zweitenmal war er alt geworden, ihn erfreute weder die Welt noch die
Wissenschaft. Trübsinnig, schweigsam, gesenkten Hauptes, mit eingefallenem
Antlitz ging er einher und war die Zielscheibe des Volkswitzes. Er verzichtete
aus die Freuden des Lebens, und seine Frennde und Anhänger zogen sich von
ihm zurück. Nur sein Diener Matthias war ihm in der Gestalt einer Spinne
treu geblieben. Dennoch wollte der Greis noch leben und mied deshalb die
Alpen, um nicht nach Rom zu gelangen; denn nur in Rom konnte ihn der
Teufel holen, Twardowski aber hatte sich vorgenommen, die List der Hölle zu
überlisten. Endlich wurde der Teufel unmutig und aller der Dienste über-
drüssig, die er fast stündlich seinem Gebieter leisten mußte und die sich in alle
Ewigkeit schienen fortsetzen zu wollen. Er greift zu einer List, nimmt die Ge-
stalt eines Dieners an und bittet den Herrn Twardowski als berühmten Arzt,
seinem todkranken Gebieter zu Hilfe zu eilen. Dieser, gutmütig, arglos und
gern zu Helsen bereit, wirft sich sogleich in seinen Wagen und jagt nach dem
bezeichneten Orte. Der Teufel aber wußte es einzurichten, daß plötzlich eine
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
134 Das Riesengebirgc.
demselben sei des Morgens kaum zu atmen und unbedingt nachteilig. So hörte
die Arbeit des Komitees nicht ans; denn man mußte den gerechten Klagen vieler
Leute nachgeben und noch neue Wohnungen schaffen.
Noch bedenklicher als die Wohnungsnot war der Gesundheitszustand. Das
Jahr 1837 war ein Cholerajahr; die tückische Krankheit verbreitete sich in der
Umgegend. Da die Tiroler auf der Reise viel Beschwerden durchgemacht, oft in
Nässe und im Freien gelegen hatten, so war zu erwarten, daß sie für die
Krankheit besonders empfänglich sein würden; aber infolge der umfassenden
Vorsichtsmaßregeln forderte die Cholera nur fünf Opfer. Es gereichte den
Hinterbliebenen Zillerthalern zum besonderen Tröste, daß den Sterbenden ein
evangelischer Geistlicher das Abendmahl darreichen konnte. Die Toten wurden
unter allgemeiner Teilnahme der ganzen Bevölkerung bestattet.
Die Vermögensverhältnisse der Eingewanderten waren ziemlich gut bestellt.
Es gab 37 Bauernsamilien mit 201 Gliedern, die allein ein Vermögen von
ungefähr 100 000 Gulden hatten und mit 34 Pferden ankamen. Von kleinen
Hausbesitzern wurden 11 Familien und 55 Personen gezählt, die über 20 000
Gulden besaßen; fünf Familien und 30 Personen waren Acker- und Viehpächter;
die „leeren Inwohner", von denen die meisten unverheiratet waren, zählten
84 Köpfe, die einen Sparpfennig von über 18 000 Gulden mit sich führten.
Durch Vermittlung des Komitees wurde das Geld in Breslau umgewechselt
und dort zinsbar angelegt, wenn die Besitzer es wünschten; manche freilich
waren mißtrauisch und behielten ihr Geld zurück. Die Ärmeren erhielten aus
Kollekten, die zu ihrem Besten veranstaltet waren, Unterstützungen in Strümpfen,
Tüchern, Handschuhen; alle wurden verpflegt, bis sie in ihre Häuser einziehen
konnten. Der Prinz Wilhelm sandte damals auch eine Summe zur Unterstützung
der Zillerthaler nach Schmiedeberg und bezahlte die Apothekerrechnung während
der Cholera-Epidemie.
Anstrengend, ja aufreibend war die Thätigkeit des Bürgermeisters von
Schmiedeberg, denn er sollte allen Klagen abhelfen, die Wohnungen und Ställe
kontrollieren, die Polizeipflicht üben; er mußte sich mit den Wirten plagen und
die Tiroler beschwichtigen. Die größte Mannigfaltigkeit der Geschäfte, die Haupt-
sorge für die Einwanderer, die unermüdlichste Thätigkeit siel der Präsidentin
des Komitees, der Gräfin von Reden, zu; sie hatte die Leitung der kirchlichen,
Medizinal- und Schulangelegenheiten; sie bestimmte den Lehrer und sein Gehalt;
sie besprach sich mit dem Geistlichen; sie ließ nähen, stricken und stopfen für die
Bedürftigen, sie kochte für die Unverheirateten, sie schrieb unzählige Briefe in
Angelegenheiten der Zillerthaler und ließ sich keine Mühe verdrießen.
Eine tüchtige Stütze fand die Gräsin an dem aus vier Vertrauensmännern
bestehenden selbstgewählten Vorstande der kleinen Tiroler Gemeinde. Dieser Vor-
stand hatte keine geringe Aufgabe, denn er war Sprecher der Gemeinde, hatte
für Ruhe und Ordnung zu sorgen und mußte alles zum besten kehren. Der
bibelfeste Fleidl that auch hier im Vorstande das meiste; er traf stets das rechte
Wort zur rechten Zeit; als Junggeselle war er aus seiner Heimat ausgezogen,
in Schmiedeberg verlobte er sich mit einer Zillerthalerin und bezog sein neues
Heim mit seinem jungen Weibe.
Was den Zillerthalern ganz besondere Freude bereitete und eine gewaltige
Anziehungskrast auf sie alle ausübte, das waren die Abendandachten in dem
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Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
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368 Der polnische Landrücken und die Nordseite Schlesiens.
lohnende Bergbau von da ab aufhörte; dagegen kam die Töpferei in Aufnahme,
die jetzt einen Haupterwerbszweig der Einwohnerschaft bildet. Die sehr an-
sehnliche Anzahl von Thonwarenfabriken erhält ihr Material aus den umfang-
reichen Thonschichten der Umgegend der Stadt und liefert das weithin bekannte
Bunzlauer Töpsergeschirr.
Das Waisenhaus zu Buuzlau entstand ohne landesherrliche Beihilfe. Ein
Maurermeister der Stadt, Gottfried Zahn, der erst in seinem 24. Lebensjahre
das Schreiben und Lesen erlernt hatte, wurde durch die Bekanntschaft mit den
Frankeschen Stiftungen in Halle bewogen und durch das Mitleid mit armen,
verwaisten Kindern getrieben, auf die Gründung eines Waisenhauses für feine
Gegend zu denken. Er hatte kein Vermögen, aber ein festes Vertrauen auf
Gott. Zuerst nahm er 1744 einen Lehrer in sein Haus und ließ durch den-
selben Kinder, meistens unentgeltlich, unterrichten; sein Haus richtete er zu
einer Schule ein und hatte einmal 24 arme Kinder in demselben beisammen.
Allein diese Schule wurde als ein Eingriff in die Stadtschulenrechte untersagt. Zahn
gab jedoch seinen Gedanken nicht auf; nach eingezogener königlicher Bewilligung
erhielt er von dem Magistrate die Erlaubnis, eine Schulaustalt zu gründen,
wenn er sich verpflichten wolle, einen Lehrer und zwei Waisenkinder in der-
selben unentgeltlich zu versorgen. Diese Bedingung ging er 1753 ein und sing
am 14. März 1754 seine Schule in seinem Hause wieder an. Sehr bald fanden
sich nun auch Wohlthäter, welche durch Geldbeiträge Zahns Unternehmen unter-
stützten oder Kleidungsstücke und Bücher für die armen Kinder schenkten. Zahn
vergrößerte dnrch Ankauf eines benachbarten Hauses seine Anstalt und legte
1755 den Grundstein zu einem größeren Waisenhause. Die Anstalt wurde
einem Gymnasium ähnlich ausgebildet, auch wurden Kinder für Geld als Pen-
sionäre in derselben ausgenommen; städtische Kinder durften die Schulstunden
besuchen. Zahn starb am 22. September 1758 und hatte die gegründete Hoff-
nung zum ferneren Gedeihen seines Waisenhauses noch erlebt. Nach seinem
Tode übernahm der zweite Pastor zu Bunzlan, Woltersdorf, die Direktion, und
unter ihm gedieh die Anstalt immer mehr. Im Jahre 1764 gingen zum ersten-
mal Zöglinge des Hauses auf die Universität ab. Eine mit der Anstalt ver-
bnndene Buchdruckerei vermehrte die Einkünfte.
In Bunzlan ist dem Fürsten Kntusow ein Denkmal errichtet worden. Die
Stadt hatte durch die Gewaltherrschaft der Franzosen zu Anfang nnsres Jahr-
Hunderts erheblich gelitten; sie nahm lebhaft teil an der allgemeinen Erhebung
gegen die Unterdrücker. Am 13. April 1813 zog der russische Kaiser Alexander
in Bunzlan ein. In seiner Begleitung befand sich Kntosow, der, im Jahre
1745 geboren, im Jahre 1805 das erste russische Armeekorps gegen die Fran-
zosen und unter Kaiser Alexander das verbündete Heer am 2. Dezember in der
Schlacht bei Austerlitz befehligte. Für seinen Sieg bei Smolensk erhielt er den
Beinamen Smolenskij. Er erkrankte in Bnnzlau am Nervenfieber. Als der
König von Preußen, Friedrich Wilhelm Iii., am 22. April 1813 auf kurze Zeit
in die Stadt kam, ging er fofort, ohne die Gefahr der Ansteckung zu scheuen,
zu dem kranken Fürsten, der am 28. desselben Monats starb. Am 9. Mai
wurde die Leiche in feierlicher Prozession nach Petersburg geführt. Ten Zug
eröffneten die Schulkinder der beiden christlichen Konfessionen, ihnen folgte die
evangelische und katholische Geistlichkeit, in deren Mitte sich der Pope befand,
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_Zahn Woltersdorf Alexander Alexander Kntosow Alexander Alexander Friedrich_Wilhelm_Iii Friedrich Wilhelm
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Pan Twardowski^ 457
Die neue Entwickelung seit 1772 war entschieden deutsch, und während
der Stürme, welche die Polen in unsern Tagen erregten, stand Bromberg als
ein Hort der Deutschen fest. Als im März 1343 einige polnische Edelleute
dem Bürgermeister seine Amtsgewalt abnehmen und einen Polenausschuß ein-
richten wollten, erhob sich rasch und gewaltig die Kraft der Deutschen. „Wir
sind Deutsche und wollen Deutsche bleiben. Es ist notwendig, daß wir als
Männer auftreten, des deutschen Namens würdig, uns fest aneinander schließen,
Mann an Mann, Ort an Ort. Lassen wir das Banner eines tausendjährigen
Ruhmes von unsern Türmen wehen, ein sichtbares Zeichen nnsres ernsten Willens."
So erscholl es damals in Bromberg tausendstimmig; es bildete sich ein Bürger-
ansschuß zur Wahrung der preußischen Interessen im Großherzogtum Posen.
Zur Belebung der Deutschen erschien seit Anfang April die Bromberger deutsche
Zeitung. Hier in Bromberg wurde damals als Ziel, das erstrebt werden müsse,
aufgestellt, das ganze Posen bei Deutschland zu erhalten, einer teilweisen pol-
nischen Reorganisation entgegenzuwirken. Brombergs Verhalten im Jahre 1848
ist der Glanzpunkt in der Geschichte der Stadt und des Landes. Jetzt hat die
Stadt 34 044 Einwohner; in derselben sind zwei katholische, zwei evangelische,
eine lutherische Kirche, ein stattliches Regierungsgebäude, Gymnasium, Real-
schule, evangelisches Lehrerseminar, Blinden- und Taubstummenanstalt.
Pan Twardowski. Ein Teil einer unter den Polen weitverbreiteten
Sage spielt in Bromberg, nämlich ein Abschnitt der Lebensgeschichte des Pan
Twardowski. Dieser Twardowski ist nämlich für die Polen das, was für die
Deutschen der Doktor Faust ist. Gar vieles weiß die Sage von ihm zu er-
zählen; aber alles, was berichtet wird, läßt sich nicht in den Rahmen einer
Lebensbeschreibung zusammenbringen; hier mögen einige Abschnitte genügen.
Twardowskis Seele war durch seinen Vater an den Teufel verkauft worden.
Als nämlich ein polnischer Edelmann mit Namen Twardowski aus der Gegend
von Podgörze gegenüber von Krakau einmal eine Reise machen mußte und zur
Nachtzeit durch Felder und Wälder auf elendem Klepper ritt, wurde er von einem
starken Gewitter überrascht. Während der Donner brüllte und die Blitze kreuz
und quer durch die Lüste zuckten, um die nächtliche Finsternis auf Augenblicke
in die Helle des Tages zu verwandeln, verlor der Edelmann den Weg und
geriet in eine Gegend, die durch Bäche aufgeweicht und durchrissen war. In
seiner Not wußte er sich nicht mehr zu helfen und schwebte in großer Angst.
Da nahen sich ihm Räuber, um ihn auszuplündern. „Helfe mir, wer will",
sagte der Bedrängte, „und wenn's der Teufel ist!" Alsbald erschien eine Schar
Reiter, welche den Edelmann aus der Gewalt der Räuber befreiten. Der Anführer
derselben, der kein andrer als der zur Hilfe herbeigerufene Fürst der Hölle war,
erbat sich von Twardowski als sein Eigentum das aus, was er bei seiner Heimkehr
zu Hause treffen würde, doch ohne daß er jetzt wisse, was es wohl sei. Twardowski
war zufrieden. Der Teufel setzte unter einem breitästigen Eichbaume auf einer
Pergamentrolle den Kontrakt auf, den dann der Edelmann mit seinem eignen
Blute unterschrieb. Als er zu Hause ankam, hatte ihm seine Gattin ein Söhnchen
geschenkt. Groß, ja unermeßlich war seine Betrübnis, daß er die Seele des
Kindes dem Teufel verschrieben hatte, besonders da ihm die teure Gattin bald
nach der Geburt des Kleinen starb und er mit feinem Sohne allein zurückblieb.
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Autor: Keussen, Hermann, Kaiser, W., Keller, J., Heinzerling, Jakob, Preiser, F., Köppen, Fedor von, Nover, Jakob, Klöden, Gustav Adolf von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
128 Die alte Rheininsel bei Kaiserswerth.
sein Brot mit den hungerigen Negern auf dem Sklavenmarkte theilte. Wie
schlug aber sein Herz, als er das heilige Land betrat! Mit Thränen und
Segenswünschen nahm er dann Abschied von den theuren Schwestern, die er
im Orient zurückließ. Nach ungefähr fünfmonatlicher Abwesenheit erreichte er
wieder seine heimatliche Diakonifsenanstalt. Auch erlebte er die Freude, daß
der Same, den er im Orient gestreut, ausging zu segensreicher Frucht. Ja,
seine dortigen Anstalten rangen sogar den Mohammedanern Achtung ab; beson-
deren Ruf erlaugte auch die deutsche Apotheke unter den Arabern; gegen 7000
lassen sich dort jährlich unterweisen.
Nach der blutigen Niedermetzeluug der Marouiten, d. i. der christlichen
Bewohner des Libanon, durch die Drusen im Jahre 1860 sprangen auch zuerst
die Diakonissen den unglücklichen Flüchtlingen bei; es wurden für sie Hospitäler
und Waisenhäuser in Beirut gegründet.
Fliedner's Korrespondenz wuchs ins Ungeheure, und trotzdem faud er noch
Muße zu schriftstellerischen Arbeiten.
Von besonderem Segen für die Bildung von Mägden, namentlich in der Resi-
denz Berlin, war der auf Fliedner's Betreiben ins Leben gerufene „Marthashof".
Vor Allem sorgte er aber für seine lieben Diakonissen: für die Geschwächten
stiftete er den Erholungsort Salem, für die Gealterten ein sogenanntes Feier-
abendhaus.
So aufreibende Amtsgeschäfte konnten nicht verfehlen, die Gesundheit des
rüstigen Mannes zu untergraben. Auch gönnte er sich keine Erholung, selbst
nicht im Bade. Zuletzt riethen ihm die Aerzte ein wärmeres Klima an. So-
fort dachte der unermüdliche Mann an eine Visitationsreise in Jerusalem. An-
fangs schien ihn die milde Luft zu kräftigen, aber bald verursachte ihm der
Samum heftiges Blutspeien. Er konnte das Ziel nicht mehr erreichen und
kehrte gebrochen in die Heimat zurück.
Die in Italien 1860 gewährtereligionsfreiheit benutzte er, um in Florenz ein
Diakoniffen-Lehrhaus zu eröffnen. Im dänischen Kriege 1864 sandte er 20 Diako-
nissen auf die eisigen Schlachtfelder Schleswigs, um die Verwundeten zu pflegen.
Am 16. Sept. 1861 war es ihm noch vergönnt, das 25jährige Bestehen
der Diakonissenanstalt zu feiern. Bereits gab es 30 Mutterhäuser; 1600 Dia-
kouisseu wirkten auf mehr als 400 Stationen; in Kaiferswerth arbeiteten 425
Schwestern im Mutterhause.
Noch einmal, zum letzten Male, wohnte der Todtkranke der 28jährigen
Gedenkfeier seiner Anstalten im Jahre 1864 bei, noch einmal erhob sich sein
Organ zu wunderbarem Wohllaut, doch erschöpft sank er auf seinem Sitze zu-
sammen. Endlich verschied er am 4. Oktober 1864.
Die Trauer und Theilnahme bei diesem Todesfall war eine allgemeine: aus
Hütten und Palästen, aus Nah und Fern strömten Leidtragende herbei, kamen
Beweise der Liebe und Verehrung. Ein einfacher Grabstein mit einer Trauer-
esche, die er selbst dazu bezeichnet, deckt seine irdische Hülle; doch Tausende von
gefallenen und gesunkenen Seelen, armen Kranken und Gefangenen, Taufende von
verwaisten Kindern benetzen mit Thränen des Dankes und der Liebe das Grab
ihres Wohlthäters. Er war ein Retter und Erlöser der bedrängten Mensch-
heit, er war ein würdiger Nachfolger unseres Heilands, gesegnet sei sein An-
denken für und für! —
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Extrahierte Ortsnamen: Rheininsel Kaiserswerth Beirut Berlin Salem Jerusalem Italien Florenz Schleswigs Kaiferswerth
Autor: Köppen, Fedor von, Lehmann, F. W. Otto, Klöden, Gustav Adolf von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Altland. 85
ihnen. Abgesehen von der herkömmlichen Üppigkeit bei Hochzeiten, zumal in
Hinsicht der Frauentracht und Aussteuer, ist er durchgehend in seiner ganzen
Lebensweise höchst einfach. Modernen Luxus duldet er in seinem Hause uicht:
mit zähester Hartnäckigkeit haftet er an Sitte und Herkommen. Nie zieht er
in andre Marschen, nie heiratet er eine Fremde; die Heimat geht ihm über
alles. Trotzdem ist er auswärts niemals großthuerisch, wie viele seiner Nach-
barn. und manchem Altländer Bauer, der in Stade oder Hamburg im ab-
geschabten altmodischen Rocke oder gar in Jacke und Manchesterhose durch die
Straßen schreitet, sieht man seine 100 000 Mark nicht an.
Besonders altertümlich geht es bei den Hochzeiten her. Sie werden in
üppigster Weise gefeiert; mit weniger als 500 Hochzeitsgästen darf so ein
Ehrentag nicht begangen werden, wozu die fettesten Ochsen geopfert werden
müssen. Die Feier, die stets in dem Hause des Bräutigams begangen wird,
währt eigentlich drei Tage. Der erste derselben ist dem Ochsenschlachten ge-
widmet; eine Menge Freunde und Nachbarn werden zum Wurstmachen geladen,
deren Arbeit jedoch nur im Probieren der Wurst, im Schmausen und Zechen
besteht. Der zweite Tag heißt das „Brotbacken", wo man von allen Seiten
Milch und Butter spendet und das rosinenschwarze Hochzeitsgebäck kostet; auch
dieser Tag vergeht iu lebendigster Fröhlichkeit.
Am Abend kommt, hoch auf Wagen getürmt und von vier geschmückten
Pferden gezogen, unter Peitschenknall, Musik, Schießen und Hallo, die Aus-
steuer der Braut angefahren. Die bunten, schweren Leinentruhen, der mächtige,
blanke und geschnitzte Kleiderschrank, die ungeheuren Berge von Bettzeug, die
altertümlichen roten Tische und gedrechselten Stühle, alles dies macht einen
großen Eindruck. Hoch oben endlich prangen bekränzt und bebändert die Sym-
bole häuslicher Arbeit und Reinlichkeit: Spinnrad und Besen. Der Bräutigam
beginnt nun — ebenfalls streng herkömmlich — scherzweise mit dem Knecht
um die Aussteuer zu handeln und erhält sie endlich, nachdem er versprochen
hat, sein künftiges Weibchen hoch in Ehren zu halten, für ein Trinkgeld und
einen Schnaps.
Am nächsten Morgen wird im festlichen Zuge die Braut heimgeführt.
Sie ist nach Landessitte schwarz gekleidet und trägt die mächtige Brautkrone.
Diese mit unzähligen künstlichen Blumen. Früchten, Zitternadeln, Gold- und
Silberkugeln geschmückte Kopfbedeckung geht oft tief in die Augen. Oben hat
sie noch ein paar mächtige Flügel von Goldbrokat, die dem Ganzen ein eigen-
tümliches Aussehen geben. Diese Krone muß der Prediger des Ortes halten
und die Miete dafür, meistens 6—15 Mark betragend, gehört zu den Aceidenzien.
Nach der Trauung geht's zu Tisch, aus dem Hühnersuppe mit Rosinen
und das „Fattstück",' ein mächtiges Stück Rindfleisch, die stehenden Gerichte
sind. Den ganzen Tag bis tief in die Nacht wird geschmaust, gezecht, getanzt
und gejubelt in lärmender Fröhlichkeit; da auf einmal erscheint die Braut als
junge Frau in der farbenleuchtenden, silberblitzenden Landestracht. Die un-
förmliche Brautkrone hat einem kleinen Mützchen von Goldbrokat Platz gemacht,
um welches das dunkle Kopftuch mit lang herabflatternden Bändern geschlungen
ist. Den Hals ziert eine sechsfache Schnur Silberperlen, die meistens aus
Filigranarbeit bestehen , während ein Jäckchen von feinem schwarzen Tuch, mit
echten Goldtressen besetzt, den Oberkörper umhüllt. Es hat weite Ärmel, jeder
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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TM Hauptwörter (200): [T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]