1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Königreich Preußen. 337
Betrachten wir die Erhebungsverhältnisse der Provinz, so erkennen
wir die letztere als einen Teil des norddentschen Tieflandes. Es lassen sich
in der Oberflächenform drei von einander abweichende Teile unterscheiden:
1) das östliche, fruchtbare Hügelland, welches im Süden mit der mecklen-
burgischen Seenplatte zusammenhängt; 2) ein niedriges, fruchtbares Flachland,
die „Marsch", im Westen und 3) eiue schwachwellige, unfruchtbare Hochebene,
das Heideland, zwischen den beiden ersteren. Die Ostseeinseln gehören der
Hügel-, die Nordfeeinseln der Marsch- oder Geestlandschaft an. Die Wasser-
scheide zwischen der Ost- und Nordsee liegt in dem östlichen Hügellande, an der
Grenze des Heiderückens.
Die mittlere Höhe des Hügellandes beträgt 35—70 in; es tritt oft mit hohen
Uferrändern gegen die See vor. Die höchsten Erhebungen desselben sind der
Bungsberg bei Eutin (159 m), der Pielsberg oder Hessenstein bei Lütjen-
bürg (127 m) und der Scheelsberg bei Eckernförde (109 in). Der Heiderückeu
verflacht sich gegen Westen und geht allmählich in die sogenannte Vorgeest über,
welche wiederum durch die Sandmarsch und Vormarsch zu der eigentlichen Marsch
hinführt. Die letztere besteht aus Alluvium, Niederschlägen des Meeres und der in
dasselbe mündenden Flüsse; die übrigen Teile des Landes gehören dem Diluvium an.
Das Heideland besteht gegen das Hügelland hin aus Geschiebesand, der noch zur
Forstwirtschaft und zum Kornbau ausreicht; weiter westwärts folgt ein weißer Sand,
welcher auf losem, braunem Sandstein ruht und als „Ahlformation" bezeichnet wird.
Die letztere läßt Ackerbau und Banmwnchs kaum zu und stellt daher, besonders in
Holstein, fast gänzlich unwirtbares, nur mit Heidekraut bedecktes Land dar, in welchem
übrigens auch größere Sümpfe und Torfmoore nicht selten sind. In der Nähe der
Marsch finden sich auch Anhäufungen von Flugsand, die sogenannten Binnenlands-
dünen. Feste Gesteinsmassen älterer Formation treten nur selten auf; unter anderm
findet sich bei Segeberg der Kalkberg (Anhydrit und Gips der Zechsteinformation,
unter dem Gips in geringer Tiefe ein großes Steinsalzlager), bei Elmshorn eine
mächtige Rötelschieferablagernng (durchwachsen mit Steinsalz und mit starker Sol-
quelle versehen); an einzelnen Punkten liegen Kreideschichten zu Tage (bei Heiligen-
Hasen und Itzehoe); tertiäre Gebilde sind weit verbreitet, bauwürdige Braunkohlen-
ablagerungen werden indes vermißt. Die Trinkwasserverhältnisse sind im ganzen
nicht günstig. Zwar findet sich in dem östlichen Hügellande meist gutes Wasser in
ausreichender Menge, auf der Geest ist dasselbe indes ziemlich spärlich und bisweilen
durch Eisen- und Moorteile verunreinigt, und noch ungünstiger steht es auf der
Marsch, wo man sich fast, allgemein mit Regenwasser behelsen muß; neuerdings sucht
man dem angedeuteten Übelstande mit mehr oder weniger Erfolg durch artesische
Brunnen abzuhelfen. — Im Jahre 1883 waren von dem Gesamtboden der Provinz
1097428 ha Acker- und Gartenland und Weinberg, 204083 ha Wiesen, 334522 ha
Weide, Hutung, Öd- und Unland, 119690 ha Forsten und Holzungen und 128463 ha
Haus- und Hofräume, Wege und Gewässer. Verhältnismäßig groß sind also die
Weiden :c. (17,. Proz. gegen 2,2 in Schlesien und 4,7 Proz. in der Provinz Sachsen),
sehr gering an Umfang dagegen die Forsten (mit 6,4 Proz. der geringste Stand in
der Monarchie; Brandenburg 32,5, Schlesien 28,g, Hessen-Nassau sogar 40 Proz.).
Hinsichtlich der Bewässerungsverhältnisse ergibt sich zunächst eine
weite Küste, und zwar ist dieselbe noch ausgedehnter an der Ostsee als an der
Nordsee; dort machen sich Ebbe und Flut fast gar nicht, hier stark geltend.
Unbedeutende Gewässer gehen in die Ostsee, entwickeltere in die Nordsee (die
Wasserscheide liegt in der Nähe der Ostsee); Überschwemmungen treten an
beiden Küsten auf. Abgesehen von der Elbe, welche nicht nnr die Provinz im
Südwesten begrenzt, sondern auch mehrere Flüsse aus derfelben aufnimmt, ist
die Eid er der Hanptflnß, welcher schon am Ende des vorigen Jahrhunderts
vermittelst eines Kanals zu eiuer Verbindung der Ost- und Nordsee benutzt
wordeu ist. Landseen finden sich besonders im östlichen Holstein ziemlich zahlreich.
Das Deutsche Reich. 99
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Das Königreich Preußen. 339
der letzten Zahlung auf 18 841,g qkm 1 150 306 Köpfe (Zunahme feit der
vorletzten Zählung 0,41 Proz.).
Die Dithmarschen haben seit lange unter den Niedersachsen eine gesonderte
Stellung eingenommen (vgl. oben den geschichtl. Abschn.), doch verwischen sich jetzt
die Besonderheiten dieses Zweiges mehr und mehr. Die Niedersachsen bewohnen
Holstein, Lauenburg und das südöstliche Schleswig; in Wagrien und Lauenburg
haben sie sich im Mittelalter mit wendischen, in Schwansen und im Dänischen Wohld
(zu beiden Seiten der Eckernförder Bucht) mit Dänen gemischt. Die Angeln sitzen
zwischen der Flensburger Bucht und der Schlei, die Nordfriesen. in dem westlichen
Schleswig und auf den Nordseeinseln. In den nördlichen Distrikten finden sich
Dänen, deren Zahl sich in den letzten Jahrzehnten vor der Befreiung Schleswig-
Holsteins durch Einwanderung vermehrt halte; dänisch gesprochen wird hier nament-
lich auf dem Lande. Allgemeiner kommt das Dänische in den Kreisen Hadersleben,
Apenrade und Sonderburg vor, aber keineswegs ausschließlich; in noch geringerem
Umfange in den Kreisen Flensburg und Tondern. In 100 von 430 lutherischen
Pfarrkirchen ist bisher ausschließlich (in 18 neben Deutsch) in dänischer Sprache ge-
predigt worden. — Im gewöhnlichen Verkehr überwiegt die plattdenische Mundart
(vorwiegend die niedersächsische, in dem westlichen Holstein die dithmarscher); in den
gebildeten Kreisen wird hochdeutsch gesprochen. — Der evangelisch-lutherischen Kirche
gehören etwa 99 Proz. an, der geringe Rest verteilt sich auf Katholiken, christliche
Sekten und Juden (0,38 Proz.).
Die Bevölkerung widmet sich in vorwiegender Weise der Landwirtschaft,
demnächst der Industrie, und in noch geringerer Zahl dem Handel; etwa
20 Proz. fallen auf persönliche Dienstleistung.
Auf die Land- und Forstwirtschaft, Tierzucht und Fischerei kamen am 5. Juni
1882 im ganzen 497526 Personen, wovon 188 641 erwerbsthätige waren; auf die
Industrie, einschließlich Bergbau und Bauwesen, 334419 Personen, worunter 131554
erwerbsthätige, auf den Handel, einschließlich Gast- und Schankwirtschaft, 137419,
worunter 46847 erwerbsthätige.
Die Landwirtschaft legt hier besonders ihren Schwerpunkt auf Vieh-
zncht, besonders auf Rindviehzucht; in keiner andern Provinz ist die letztere so
bedeutend wie hier; auch die Bienenzucht blüht außerordentlich. Die auf dem
Mittelrücken des Landes befindlichen Torfmoore werden ausgebeutet, das öde
Heidelaud nicht ohne Erfolg aufgeforstet.
Schon in ziemlich früher Zeit ist man hier vom Kornbau zur vorherrschenden
Viehzucht übergegangen; nur in Gegenden mit besonders fruchtbaren Bodenverhält-
nissen herrscht der Ackerbau noch vor. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe
war am 5. Juni 1882 im ganzen 137133, wovon 85619 nur eignes Land, 19967
zugleich auch Pachtland und 31547 nur Pachtland in Arbeit hatten. Die landwirt-
schaftlich benutzte Fläche betrug überhaupt 1423699 ha, wovon 232574 ha Pacht-
land waren. Im Jahre 1887 waren 146516 ha dem Roggen (Ertrag: 208155
Tonnen), 43392 ha dem Weizen (Ertrag: 97885 Tonnen), 53664 ha der Gerste
(Ertrag: 77261 Tonnen), 30846 ha der Kartoffel (Ertrag: 255024 Tonnen),
191336 ha dem Hafer (Ertrag: 267023 Tonnen) und 204301 ha dem Wiesenheu
(Ertrag: 422678 Tonnen) gewidmet; 1883 betrugen die Anbauflächen von Garten-
land 12957, von Ölsaat 8994, von Flachs 1585, von Hanf 33, von Zuckerrüben
1638 ha. — Schon ist auf den geringen Forstbestand der Provinz hingewiesen
worden, welcher glücklicherweise gegenwärtig im Wachsen ist. Staats- und Staats-
anteilsforsten gab es (1883) 31150, Gemeindeforsten 9526, Stiftungsforsten 1655,
Genossenschaftsforsten 461 und Privatforsten 76898 ha (64,2 Proz.). — Die Vieh-
zucht ruht hier überwiegend in den Händen kleinerer Landwirte, welche dieselbe um-
sangreich und sorgfältig betreiben; es gilt dies namentlich von der Rindvieh- und
Pferdezucht, wogegen die Schweinezucht mehr auf größere Gutswirtschasteu beschränkt
bleibt. Stammherden und Stammzuchten haben bisher mehr als in andern Pro-
vinzen gemangelt. Die, wie erwähnt, bevorzugte Rinderzucht (38,6 Proz., gegen
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Das Königreich Preußen, 341
Unter allen preußischen Fischereiplätzen steht Eckernförde obenan; als Fisch-
räucherort ist Ellerbeck bei Kiel besonders bekannt. Der Fischvertrieb wird zum
Teil durch Altouaer und Hamburger Firmen besorgt. Für Hebung des Fischerei-
gcwerbes geschieht neuerdings durch die Staatsregierung das Möglichste, durch die
auch neue und reiche Fischgründe aufgesucht worden sind. Die Fifcherflotte der
Provinz ist au der Ostsee nicht unbedeutend, dagegen befanden sich an der Nordsee
1889 nur 98; es fischten an der Nordsee 91 Fahrzeuge der Provinz mit Grund-
schleppuetz. Im Wattenmeer der schleswigschen Westküste befinden sich Austernbänke,
welche seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts durch den Staat an Private ver-
pachtet werden; in den letzten Jahren konnte jedoch keine Ausbeutung derselben statt-
finden; mannigfache Bemühungen, die Austern wieder zu vermehren und in andern
Küstengebieten neu einzubürgern, sind noch von keinem rechten Erfolge gewesen.
Der Schiffahrts- und Handelsbetrieb der Provinz wird durch die
Meereslage derselben außerordentlich begünstigt. Das Land bildet gewisser-
maßen die Brücke für den Handelsverkehr mit Skandinavien. Gegenwärtig ist
Kiel der Handelsmittelpunkt der Provinz, demnächst ragen auch Flensburg
und Altona hervor.
Von großer Bedeutung für die Entwickeluug des Handels waren die Anlegung
des Eiderkanals (1777—84), die Zollordnung von 1838, die Aufhebung des Sund-
zolles (1857) und vollends die Einverleibung der Herzogtümer in Preußen (1866)
und der Eintritt derselben in den Zollverein (1867). Die letzteren Ereignisse haben
naturgemäß dem Handel eine andre Richtung gegeben; an die Stelle des regen
Verkehrs mit Dänemark trat nunmehr ein um so lebhafterer Handel mit dem Zoll-
verein, und diefer wird immer selbständiger. Flensburg war früher Hauptplatz;
dasselbe wurde dann von Altona überflügelt, und neuerdings hat, wie erwähnt,
Kiel den ersten Rang inne. Von alters her ein berühmter Meßplatz („Kieler Um-
schlag"), hat diese Stadt gegenwärtig den zweitgrößten Schiffsverkehr unter allen
preußischen Seeplätzen, und besonders auch unter den deutschen Ostseehäfen.
Während das ganze Deutsche Reich am 1. Januar 1888 3811 Schiffe mit 1240182
Registertonnen Raumgehalt und 37 076 Mann Besatzung besaß, hatte Schleswig-
Holstein im Ostseegebiete 297 Schiffe mit 74092 Registertonnen und 2388 Mann
Besatzung, im Nordseegebiete 373 Schiffe mit 29 923 Registertonnen und 1340 Mauu.
Verhältnismäßig groß war an der Ostsee die Zahl der Dampfer (142 gegen 18 an
der Nordsee). Von den preußischen Häfen nimmt Kiel nach Stettin den ersten Rang
ein (Eingang 1887: 3869 beladene Schiffe mit 481624 Registertonnen; Ausgang:
2295 beladene Schiffe mit 30t 473 Registertonnen). Flensburg brachte es im gleichen
Jahre auf 1132 beladene Schiffe von 125487 Registertonnen (Eingang) und 602 be-
ladeue Schiffe von 41907 Registertonnen (Ausgang), Altona auf 548 beladene Schiffe
mit 111415 Registertonnen (Eingang) und 382 beladene Schiffe mit 3l421 Register-
tonnen (Ausgang). Andre Hafenstädte von Bedeutung sind Neustadt, Burg auf
Fehmarn, Heiligenhafen, Neumühleu bei Kiel, Kappeln, Sonderburg und Tönning.
Eine Anzahl von Schiffen mit einem Raumgehalt von 200—400 Registertonnen liegen
in den japanifchen und chinesischen Gewässern der Küstenschiffahrt ob. Einen hervor-
ragenden Platz unter den Handelsartikeln nehmen die Bodenerzeugnisse und Vieh ein.
Flensburg, Husum, Kiel, Heide und Altona sind für Getreide, Husum und Itzehoe
für Vieh am bedeutendsten. Husum hat sowohl in Magervieh (besonders aus Jüt-
land) als auch in Fettvieh einen höchst bedeutenden Umsatz. In der Einfuhr treten
folgende Gegenstände besonders hervor: Rindvieh, Pferde und Schweine aus Däne-
mark; Roggen aus preußischen, russischen und dänischen Häfen; Leinsamen aus
Rußland; Bauholz aus Rußland, Ost- und Westpreußen, Schweden und Norwegen;
Stz:inkohlen aus England und Westfalen; Salz aus dem deutschen Binnenlande;
Eiren aus Lothringen, Schweden und England; Eisen-, Woll- und Baumwollwaren
mg den deutschen Jndnstriebezirken, Hamburg und England; Lein- und Banmwoll-
waren aus deutschen Jndnstrieplätzen und Hamburg; Kolonialwaren aus Hamburg,
England, Holland und überseeischen Ländern; in der Ausfuhr treten auf: Pferde
nach Hamburg und dem deutschen Binnenlande; Fettvieh, Felle, Häute, Wolle, Speck,
Fleisch und Butter nach England (meist über Tönning) und Hamburg; Fische
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Su Erstes Kapitel.
Inseln Nordstrand, Pellworm und die Halligen, Darin: Husum, Kreisstadt und
Bahnstation an der Husumer Au und am Rande der Marsch, 6268 Einwohner.
Gymnasium mit Realprogymnasium, Eisengießerei, Hafen, Viehhandel (Ausfuhr);
Dampfschiffahrt nach den nordfriesischen Inseln, (Mehrfache Verheerungen durch
Sturmfluten.) In dem benachbarten Wattenmeere die schleswigschen Austernbänke
(jetzt geschont), — Bredstedt, großer Flecken in der Nähe der Marsch (2212 Ein-
tvohner), Viehzucht, Viehhandel; kleiner Hafen. — An der Küste liegen verschiedene
„Köge". — Nvrdstrand, Pelworm und die 13 Halligen sind die Reste der ehe-
maligen großen Insel Nordstrand, welche durch große Fluten zwischen dem 14, und
17. Jahrhundert zu Grunde gegangen ist. Nordstrand und Pellworm haben
fruchtbaren Marschboden und sind jetzt durch große Deiche geschützt; erstere Insel mit
2370 Einwohnern (worunter 300 Katholiken), letztere mit 2061 Einwohnern. Die
Halligen sind kleine uneingedeichte Inseln, die° höheren Stellen der bei der Ebbe
hervortretenden Watten; sie haben gute Viehweiden, sind aber bei Sturmfluten sehr
gefährdet. Tic Wohnungen der Bevölkerung, die aus mutigen Seefahrern besteht,
liegen auf Warfen (erhabenen Punkten); Viehzucht und Sammeln von Muscheln.
Bewohnt sind unter andern Hooge, Nordmarsch, Gröde, Oland,
Nordöstlich vom vorigen der Landkreis Flensburg, zu beideu Seiten des Flens-
burger Busens, besonders aber im Süden desselben; der Boden ist in den östlichen
Teilen meist sehr fruchtbar; in den südwestlichen hingegen finden sich Moore und
Heiden. Darin; Flensburg, selbständige Stadt und Bahnstation im Hintergründe
des schönen Flensburger Busens, hufeisenförmig gebaut, 33313 Eimvohner. Land-
und Schwurgericht, Landraisamt des Landkreises; Hauptsteueramt, Gymnasium mit
Realgymnasium, Seemannshanpt- und Schiffahrtsschule, Landwirtschaftsschule; viele
milde Stiftungen; lebhafte Industrie (Fabrikation von Tuch und Wollwaren, Walte,
Tabak und Zigarren, Papier, Glas; Ölen, anch aus Palmkernen; Seife, Tapeten,
Zündwaren, Preßhefe, Essig, Zement und Thonwaren; zahlreiche Ziegeleien;
Eisengießerei und Maschinenbau; Bierbrauerei und Brennerei; bedeutender Schiff-
bau :e.); vortrefflicher und geschützter Hafen; Reederei (46 Seeschiffe, worunter einige
20 Dampfer); bedeutender Seeverkehr; reger Fischereibetrieb und Pferdemarkt, Reichs-
bankstelle, Kreditverein und Handelskammer. Zu der Stadt gehören jetzt mehrere
benachbarte Dörfer (Duberg, Fischerhof, St. Jürgen je.). Alte Stadt (schon 1284
Stadtrechtej. — Im Landkreise Flensburg; Krusau, in der Nähe des Flensburger
Busens, Messingwerk, — Südlich von der Flensburger Bucht, iu der fruchtbaren
Landschaft Angeln, Översee, an der oberen Treene, Dorf; Sieg über die Dänen
(1864). — Glücksburg, Flecken in schöner Lage, am Flensburger Busen; großes
Schloß (ehemals hier Benediktinerktoster); Seebad, Obst- und Gemüsebau, lange
Residenz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Glücksburg (1662—l778).
Nordöstlich vom vorigen der Kreis Z'onderburg; derselbe besteht aus der Insel
Alfen und der gegenüber liegenden Halbinsel Snndcwitt; die Insel ist sehr fruchtbar
und wohlangebaut, auch im Besitze schöner Laubwälder und Obstpflanzungen; die
Bevölkerung meist dänisch. Auf der Insel; Sonderbnrg, Kreisstadt in prächtiger
Lage am Alsensunde, 5267 Einwohner. Pontonbrücke zum Festlande; Schloß, Real-
Progymnasium, Spinnerei und Weberei, Schiffbau, Eisengießerei, Dampfmühlen;
guter Hafen, Seebad, Dampfschiffahrt (nach Kiel, Flensburg ?e.; l886 gingen 624
beladene Schiffe mit 38077 Tonnen ein und 466 beladene Schiffe mit 30720 Tonnen
aus); siegreicher Übergang der Preußen (am 29. Juni 1864); früher Bollwerk der
Dänen. — Nordöstlich Augustenburg, Flecken an der Bucht gleichen Namens;
Schloß (1770—76 erbaut; ehemals Residenz der Herzöge von Schleswig-Holstein-
Sonderburg-Augustenburg); Lehrerinnenseminar. — Im Norden der Insel der Flecken
Norbnrg; ehemals sehr feste Burg (Ruine). — Auf der Halbinsel Sundewitt: In
der Mitte das Dorf Broacker (Viehmärkte). An dem schmalen Eckensund (Ab-
zweigung des Flensburger Busens) das Dorf gleichen Namens (Ziegeleien). Sonder-
bürg gegenüber das Dorf Düppel. Dabei ehemals die starken „Düppeler Schanzen",
viel umkämpft (Treffen am 28. Mai 1848; von Bayern und Sachsen erstürmt am
13. April 1849, von den Preußen am 18. April 1864). — Sandberg am Alsen-
sunde ist Hauptort der Grafschaft Reventlow-Sandberg.
Nördlich vom Kreise Flensburg der Kreis Äpenrade; an dem Apenrader Busen
und von diesem südwärts bis zu dem Busen von Flensburg; im Westen reich an
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Das Königreich Preußen. 345
Mooren, im Osten fruchtbar; Bevölkerung auf dem Lande größtenteils dänisch.
Darin: Apenrade, Kreisstadt und Bahnstation in prächtiger Lage an dem Apenrader
Busen, 6126 Einwohner (meist deutsch). Navigationsschute; Wollspinnerei, Schiff-
bau und Schiffahrt; Reederei (45 Schiffe); guter Hafen, Seebad. Schloß Brunlund
(von der Königin Margareta 1411 erbaut; jetzt Gerichtsgebäude), — In der Nähe
der Hügel Uruehöved, in alter Zeit Wahlort der Könige und Versammlungsort des
Schleswigschen Landthings. — In der Nähe der Halbinsel Sundewitt der Flecken
Gravenstein, mit Schloß und bedeutendem Obstbau („Gravensteiner Apfel").
Westlich vom vorigen der Kreis Tondern; derselbe breitet sich von dem Land-
rücken zur Westküste hin aus und enthält auch die nordfriesischen Inseln. An der
Westküste finden sich viele Moore, aber auch gute Marschen; auf den Inseln treten
Marsch- und Geestland hinter Dünen und Sandflächen zurück. Darin: Tondern,
Kreisstadt und Bahnstation an der schiffbaren Widau, 3550 Einwohner. Haupt-
steneramt, Schullehrerseminar; ehemaliges Dominikanerkloster (jetzt Hospital); Eisen-
gießerei; bedeutende Viehzucht (auf den benachbarten Fettviehweiden), lebhafte Vieh-
markte; in der Umgegend viel Spitzenklöppelei. — Nordöstlich Lügumkloster,
Flecken an der Lohbek, ehemaliges Cistereienserkloster (1173—1548; schöne Kirche).—
In der Nähe der Mündung der Widau und am Wattenmeere der Flecken Hoyer;
Viehzucht, Dampfschiffahrt nach Sylt. — Im Süden von Tondern meist Marsch-
land; hier das große Dorf Niebüll. — An dem Wattenmeere Dagebüll, Über-
fahrtshafen nach Wyk auf Föhr. Auf der Insel Föhr findet sich zum Teil sehr
fruchtbarer Boden und schöne, kräftige Bevölkerung friesischen Stammes (Seeleute und
Fischer, 4300 Einwohner). Hauptort Wyk, Flecken an der Ostseite; Hafen, Seebad.
In drei sogenannten „Vogelkojen" werden jährlich 60000 Enten gefangen. — Süd-
westlich von Föhr die Insel Amrum, meist aus Dünen bestehend (550 Einwohner).
— Weiter nördlich die langgestreckte und verzweigte Insel Sylt, welche nur in ihrem
mittleren Teile Marsch- und Geestland enthält (2900 Einwohner). Hier liegt auch
(au der Ostküste) der Hauptort Keitum (Fischerei und Schiffahrt) und in der Nähe
der Westküste Westerland, stark besuchtes Seebad, jetzt durch einen Schienenweg
mit dem Landungsplatz Munkmarsch verbunden (starker Wellenschlag). In der Nähe
das kleinere Seebad Wenningstedt. — Die weiter nördlich gelegene Insel Röm
(Romö) enthält im Westen Sandhügel, im Osten Geestland und hat 1130 Einwohner.
Hauptort ist Kirkeby.
Ganz im Norden der Kreis Hadersleben; derselbe reicht von der Ost- bis zur
Westküste, hat viel Moor- und Heideboden und meist dänische Einwohner. Darin:
Hadersleben, Kreisstadt und Bahnstation, auf der Nordseite des laugen und schmalen
Busens gleichen Namens, 7635 Einwohner (die gebildeten Bürger deutsch). Haupt-
zollamt, Marienkirche, Gymnasium mit Nealprogymnafinm, Predigerseminar; Eisen-
gießerei und Maschinenfabrikation, Gerberei und Handschuhfabrikation, Fabrikation
von Knochenmehl und Tabak, Schiffahrt (der Hafen ist versandet). Ackerbau auf
fruchtbarem Boden. In einiger Entfernung am Belt das „Viktoriabad". — Nörd-
lich vom Busen von Hadersleben die fruchtbare kleine Insel Aaroe (240 Einwohner).
Nördlich von Hadersleben der Flecken Christiansfeld (1773 von Herrenhutern an-
gelegt), in anmutiger Gegend, gewerbfleißig. — Ganz im Norden, nach der Grenze
zu, Schott bürg, großes Dorf.
Kiel, stark befestigter Kriegshafen, selbständige Stadt und Elsenbahnkreuzungs-
Punkt am westlichen Ufer des gleichnamigen Busens, 51706 Einwohner. Herrliche
Lage; Station der Ostseeflotte; Oberlandes-, Land- und Schwurgericht, Oberpost-
direktion, Hauptsteueramt; evangelische Nikolaikirche (1240); Universität, von Herzog
Christian Albrecht gestiftet (Bibliothek mit 150000 Bänden, Sammlungen); Gym-
nafium, Oberrealschule, Marineakademie und Marineschule, Maschinisten- und Steuer-
manns- sowie Handelsschule, Blindenanstalt und Waisenhaus; Stadtkloster (bedeu-
tende Verpflegungsanstalt); große Krankenhäuser, Idioten- und Privatirrenanstalt
(Hornheim), viele Stiftungen; Sternwarte, Theater; zahlreiche wissenschaftliche und
gemeinnützige Vereine. Altstadt und Neustadt (mit Brunswiek und Düsternbrook).
In der Nähe ein prachtvoller Buchenwald, das Seebad, das Lustschloß Bellevue und
allenthalben prächtige Landhäuser und Gärten. In der Stadt das große königliche
Schloß.(prächtig erneuert; Residenz des Prinzen Heinrich von Preußen und teil-
weise für Seine Majestät den Kaiser reserviert). Die gewaltigen Marineetablissements
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348 Erstes Kapitel.
große Viehmärkte; Gerberei. An der Mielemündung kleiner Hafen. Im Osten
Geestland, auch Moore. — Südwestlich von Heide der Flecken Wöhrden, kleiner
Hasen (Sieg der Dithmarschen über den Grafen Gerhard den Großen von Holstein,
1309). — Bei dem nahen Hemmingstedt Sieg der Dithmarschen über Johann I.
von Dänemark (1500). — Nordöstlich von Meldorf, an der Gieselau und Miele,
große Moore, auch die Glasfabrik Christianshütte (an der Gieselau). — Bruns-
büttel, Flecken an der Elbe, Elbfähre und bedeutende Schiffahrt; demnächst Ein-
mündung des „Nordostseekanals." Der Flecken Marne ist ganz von Marschland
umgeben. Westlich und nordwestlich von Marne der Friedrichskog, sich weit in
die See erstreckend (erst 1857 eingedeicht).
Nördlich vom vorigen der Kreis Norderdithmarscheu, sich bis zur unteren
Eider erstreckend, ebenfalls zur Hälfte Marschland, doch in den westlichen und nord-
westlichen Teilen Heide. Darin: Heide, Kreisstadt und Bahnkreuzungspunkt an der
Grenze zwischen der Marsch und Moorgrund, 7355 Einwohner. Hauptsteueramt;
Hauptort von Dithmarschen; Fabrikation von Seife, Pappe, Zigarren und Zünd-
hölzern, Lohgerberei; Dampföl- und mahlmühlen; bedeutende Viehmärkte (großer
Marktplatz); Volksbank; Freiheitskampf der Dithmarschen (1559). Im Nordosten,
in der Gegend der Eider, Ziegeleien (in Heniistedt ?e.).— Der Flecken Luudeu, im
Süden von Friedrichstadt, in der Marsch; Ackerbau und bedeutender Viehhandel. —
Westlich von Heide der bedeutende Flecken Wesselburen, in der Marsch; Zucker-
sabrikation, Vieh- und Getreidehandel.— Südwestlich von Heide der Flecken Büsum,
auf einem Landvorsprung an der See; Bahnstation, Hafen und Seebad.
Ostlich vom vorigen der Kreis Rendsburg; derselbe hat nur in seinen nordöst-
lichen Teileu fruchtbaren Boden, enthält sonst aber viele Heiden und Moore. Darin:
Rendsburg, Kreisstadt und Bahnstation in flacher, sandiger Gegend, an der Eider,
12154 Einwohner. Hauptsteueramt, Gymnasium und Realgymnasium, evaugelifche
Marien- und Christuskirche; Fabrikation von Baumwollgeweben, Pianofortes, Hüten,
Bürsten, Düngstoffen; Gerberei; lebhafter Schiffsverkehr; Kreditverein. Früher starke
Festung der Dänen, jetzt als solche aufgegeben. Schon in alter Zeit wichtiger Übergangs-
Punkt über den Fluß. — Nortorf, großer Flecken in sandiger Gegend; Prolestver-
sammlnng der Schleswig - Holsteiner 1846 gegen den offenen Brief Christiaus Viii.
Südöstlich vou Rendsburg, bei dem Orte Bockelholm, das „Wilde Moor". —
Hohenwestedt, großes Dorf und Bahnstation im Süden von Rendsburg, mit laud-
wirtschaftlicher Schule und Pferdezucht. Beini Dorfe Jahrsdorf wurde in alter Zeit
das „Göding" für Holstein abgehalten, Bei Vaale ein großes Moor (Torfstich).
Südöstlich vom Kreife Steinburg der Kreis pinneöerg; am rechten Elbufer
eine anmutige Gegend, aber auch Marschland, weiter nördlich Moor- und Heide-
gebiet. Darin: pinneberg, Hauptort und Bahnstation an der Pinnau, 3074 Ein-
wohner. Eisengießerei, Fabrikation von Tabak und Zigarren, Posamenten, Möbeln ?e.
Früher Hauptort der selbständigen Herrschaft Schaueuburg-Pinneberg (bis 1641).
In den nahen Sümpfen Torfstiche und Raseneisensteinfunde; ebenso weiter nördlich
bei Quickborn. — Unterhalb Altona in reizender Lage, an der Elbe, der Flecken
Blankenese, etwa 4000 Einwohner. Schiffbau, Reederei, Schiffahrt; zahlreiche
schöne Villen und Gärten. In der Nähe der Süllberg (76 m) und der Kösterberg
(100 m). — Noch näher nach Altona zu Flottbeck, ebenfalls mit Landhäusern
und Parkanlagen.
Altona, selbständige Stadt und Eisenbahnkreuzuugspuukt in freundlicher Gegend,
westlich vou Hamburg, 104717 Einwohner. Kommando des Ix. Armeekorps, Land-
gericht nebst Kammer für Handelssachen und Schwurgericht, Provinzialstenerdirektion,
Eisenbahndirektion, Kommerzkollegium, die lutherische Dreisaltigkeits- und Johannis-
kirche (außer fünf lutherischen eine reformierte, eine mennonitische und eine katho-
lische Kirche), Gymnasium, Realgymnasium mit Realschule, Navigationsschule, Ret-
tnngshans für Knaben, Theater; Kriegerdenkmal (in der Straße Palmaille). Wichtige
Industrie (Wollgarnspinnerei, Fabrikation von Posamenten, Hüten, Chemikalien,
Tabak und Zigarren, Leder, Tauen, Öl, Wagen, Essig; Gerberei, Maschinenwerkstätten
und Schiffbau, Dampfmahl- und Sägewerke); Hafen; Reederei (einige 30 Schiffe);
Reichsbankstelle, Handelskammer, Feuerassekuranzverein. Verhältnismäßig junge
Stadt (nach 1500 gegründet). Zu dem Stadtkreise Altona gehört auch die wenig
westlich gelegene Stadt Ottensen, 18635 Einwohner. Hauptzollamt, Realschule.
1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Königreich Preußen. 401
Schiffe gezählt worden. Für den Verkehr von der Mainmündung bis Frankfurt a./M.
war bisher der Umstand hinderlich, daß die Güter in Mainz umgeladen werden
mußten; nachdem die Strecke bis Frankfurt a./M. kanalisiert worden ist, hat sich der
Frachtenverkehr dahin auf dem Main bedeutend gehoben (statistische Angaben sind
noch nicht möglich). Die Schiffahrt auf der Fulda ist nach Eröffnung der Nord-
bahn im wesentlichen auf den Verkehr von Baumaterial beschränkt. — Die gut ge-
haltenen Kunststraßen hatten bereits zu Ende der siebziger Jahre im Bezirke Kassel
etwa 7000, im Bezirke Wiesbaden gegen 1400 km Länge. — Von den Eisenbahnen
ist vor allem die von Hannover kommende Linie zu erwähnen, welche über Göt-
tingen, Bebra, Fulda und Frankfurt a./M. zum Rheine (bei Kastell) führt; sodann
eine zweite, welche von Karlshafen über Kaffel, Marburg. Gießen, Weilburg, Lim-
bürg nach Oberlahnstein leitet und, den Rhein aufwärts gehend, sich mit der ersteren
Linie vereinigt. Beide Hauptstrecken sind miteinander verbunden: von der Halle-
Kasseler Bahn her durch die Strecke Eichenberg-Münden-Kassel; von der Thüringer
Bahn her durch die Strecke Bebra-Guntershausen, von der Leineselde-Gothaer Bahn
her durch die Linie Dingelstedt-Niederhohne-Kassel und Waldcappel-Treysa; außerdem
durch die Strecken Fulda-Gießen. Gelnhausen-Gießen, Frankfurt-Gießen, Höchst-
Limburg. Außerdem zweigen sich noch seitwärts mehrfache Bahnlinien ab (Elm-
Gmnnden, Hanau-Aschaffenburg, Hanau-Offenbach-Frankfurt a./M., Frankfurt a./M.-
Darmstadt-Heidelberg, Frankfurt a./M.-Mainz am linken Flußufer, Frankfurt a./M.-
Homburg, Höchst-Soden, Kastell-Wiesbaden , Kastell - Biebrich, Wetzlar-Betzdorf,
Hümme-Warburg-Altenbeken :c. Die gesamten Eisenbahnlinien hatten 1888/89 eine
Länge von 1422 km, wovon 1254 km unter Staatsverwaltung, 168 km unter
Privatverwaltung standen. — Das Postwesen entstand im Kurhessischen 1615—1618;
etwa 10 Jahre später trat die Thurn- und Taxissche Verwaltung ein, welche feit
1816 jährlich eine Abgabe von 42000 Thalern zahlte. Auch in Nassau war diese
Verwaltung, anfangs unentgeltlich, seit 1806 gegen eine Abgabe von 6000 Gulden.
In Frankfurt a./M. bestand seit 1722 neben städtischer Botenpost auch Thurn- und
Taxissche Verwaltung; seit 1811 war hier die Generaldirektion der Thurn- und
Taxisschen Verwaltung. Im Jahre 1867 wurde die Verwaltung überall preußisch.
Es bestehen jetzt Oberpostdirektionen in Kassel und in Frankfurt a./M.
In der Provinzialhanptstadt Kassel haben das Oberpräsidium, die Pro-
vinzialsteuerdirektion und das Generalkommando des Xi. Armeekorps ihren Sitz.
Für die Verwaltung der evangelischen Kirche bestehen Konsistorien zu Kassel
und Wiesbaden, für die der katholischen Kirche Bistümer zu Fulda und Lim-
bürg; eine Universität befindet sich zu Marburg. Jeder der beiden Bezirke
bildet auch einen kommunalständischen Verband, zu welchem gesonderte Pro-
vinzialstände gehören (Versammlung zu Kassel und Wiesbaden). Der kom-
munalständischen Verwaltung sind unterstellt: das Chansseebanwesen, die
Leih- und Pfandhäuser, die Landeshospitaler, Landkrankenhäuser, Taub-
stummeninstitnte, die Jrrenheil-, Korrektions- und Landarmenhäuser, sowie
die Schatzkommission und die Landeskreditkasse (in Kassel) und die Landesbank
(in Wiesbaden).
Regierungsbezirk Kassel.
Kassel, Hauptstadt der Provinz und des Regierungsbezirks, Stadtkreis und
Eisenbahnknotenpunkt in einem weiten Thalbecken, an der unteren Fulda, 64083
Einwohner (bis auf ca. 5000 Katholiken und 1800 Juden evangelisch). Oberpräsi-
dium, Oberlandes-, Land- und Schwurgericht, Oberpostdirektion, Provinzial-Steuer-
direktion, drei Eisenbahnbetriebsämter, Landratsamt für den Landkreis, Hauptsteuer-
amt, Bergrevier, Generalkommission zur Ablösung von Servituten. Unter den sechs
reformierten Kirchen ist die Martinskirche (Grabmal Philipps des Großmütigen);
Gymnasium, Realgymnasium, Realschule, Gewerbe- und Kriegsschule; Akademie der
bildenden Künste; Zeichenschule; bedeutende Sammlungen (Gewerbemuseum, Gemälde-
galerie?c.); Landesbibliothek (140000 Bände); Theater, Strafanstalt, Waisenhäuser).
Das Deutsche Reich. o«
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Das Königreich Preußen. 417
in diesen Gegenden das politische Leben der Nation (Rense, Aachen). Selbst die
traurigen Zeiten des Faustrechts, des Dreißigjährigen Krieges, der französischen
Raub- und Revolutionskriege konnten die Bedeutung und den Wohlstand der Rhein-
lande nicht tilgen; dieselben haben sich indes erst zu einer wahren Blüte entwickeln
können, seitdem sie zur preußischen Rheinprovinz vereinigt worden sind. Im Jahre
1867 ist der Provinz noch das Hessen-Homburgische Oberamt Meisenheim hinzugefügt
worden (Bezirk Koblenz). — Hohenzollern, wo zu Anfang der Regierung Kaiser
Heinrichs Iv. zuerst Grafen von Zollern auftraten, war seit 1576 in die Linien
Hechingen und Sigmaringen geteilt; denselben wurde 1623, bez. 1638 die Reichs-
fürstenwürde verliehen. Vergrößerungen traten 1803 (Reichsdeputationshauptschluß)
und 1806 (Rheinbundsakle) ein; 1849 gingen beide Fürstentümer durch Staats-
vertrag an Preußen über.
Die Rheinprovinz ist bis auf ihren nördlichen Teil gebirgig, und zwar
gehören ihre Erhebungen zu dem rheinisch-westfälischen Gebirgssystem. Das
Gebiet des Niederrheins besteht aus Tiefland, von welchem sich eine Seiten-
bucht den Strom aufwärts bis in die Nähe von Bonn erstreckt. Hohenzollern
ist auch ein Gebirgsland.
Auf dem linken Ufer des Rheinstromes' breitet sich zwischen Rhein, Nahe, Saar
und Mosel der Huusrück aus, eine Hochebene, welche aus Grauwacke- und Schiefer-
massen besteht und nach den Thälern zu ziemlich steil abfällt. Auf der Hochebene
streichen mehrere Bergkämme, welche- in der Richtung von Südwesten nach Nord-
osten hin die Namen Hochwald (mit dem Erbeskopf, 814 m), Jdarwald (mit dem
Jdarkopf, 714 m) und Soonwald führen. Ganz im Südwesten dieses Gebirgslandes
liegt ein Steinkohlengebirge mit reichhaltigen Flözen (Saarbecken). Nordwärts von
dem Hnnsrück breitet sich zwischen den Flüssen Mosel, Our, Ahr und Rhein das
rauhe, unfruchtbare Hochland der Eifel aus, welches in die Hobe Eifel (mit der
Hohen Acht, 760 ml, die Vordereifel und die Schneeeifel (Schneifel, im Nordwesten)
zerfällt. Das Gebirge besteht vorherrschend aus devonischen Schichten, die aber viel-
fach, besonders in der Hohen Eisel, von vulkanischen Gesteinen (Basalt, Phonolith,
Trachyt und Lavamassen) durchbrochen werden. Hier ist das Gebirge reich an schön
gebildeten Bulkauen, Kraterseen (Maare genannt) und Mineralquellen. Zwischen
Mosel, Elz und Nette senkt sich die Hochebene zu dem fruchtbaren und milden Mai-
felde. Durch den Zitterwald (mit dem Weißenstein, 686 m hoch) ist die Eifel gegen
Nordwesten hin mit dem Hohen Venn verbunden. Das letztere reicht nordwärts bis
in die Gegend von Montjoie und Eupen, geht westwärts nach Belgien hinüber und
besteht aus einer unwegsamen, rauhen, an tiefen Torflagern reichen Hochebene (bis
672 m hoch), deren vorherrschendes Gestein versteinerungsloser kristallinischer Schiefer
(„Ardennenschiefer") ist. — Von dem östlichen Flügel des rheinisch-westfälischen Systems
erstreckt sich zunächst der nördliche Teil des Westerwedes in die Provinz hinein
(vgl. die Provinz Hessen-Nassau). Hier befindet sich im Osten ein Stück des Wester-
Waldes (bis zu dem Siegzufluffe Nister) und im Westen das durch seine schönen
vulkanischen Berge ausgezeichnete Siebeugebirge mit der Löwenburg (440), dem Öl-
berge (460) und dem Drachenfels (325 m). Nördlich von der Sieg folgt das Sauer-
land, ein Bergland, welches nach der breiten Rheinebene abfällt und zu dessen nörd-
lichsten Teilen der Haarstrang und das Ruhrkohlengebirge gehören. Das letztere reicht
anch in die Rheinprovinz hinein. — Im Bezirke Sigmaringen befinden sich Teile der
Rauhen Alp (durchschnittlich 555 m hoch), welcher unter andern Bergen auch der
Hohenzollern (7öl m) vorgelagert ist, und des Schwarzwaldes (mit Triasgestein).
Hinsichtlich der Bewässerung gehört die Provinz in einem schmalen
nordwestlichen Streifen zum Gebiete der Maas, weit überwiegeud jedoch zu
demjenigen des Rheins. — Durch den südlichen Teil des Bezirks Sigmaringen
fließt die Donan (noch nicht schiffbar).
Der Rhein bildet von der Nahemündnng bei Bingen an zunächst bis Hoch-
heim bei Koblenz die Grenze zwischen den Provinzen Heffen-Nafsan und Rheinland,
durchströmt dann die Bezirke Koblenz, Köln und Düsseldorf in nordwestlicher Rich-
tnng und verläßt die Provinz und zugleich Deutschland wenig unterhalb Emmerich.
Das Deutsche Reich. 07
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Das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. 481
1816 erhielt es (als erstes deutsches Land) eine Verfassung. Die glänzendste Zeit des
Landes ist die des Großherzogs Karl August (1775—1828) durch die großen Dichter
(Goethe, Schiller, Herder, Wieland ?e.), auch Karl Friedrich (1828—53) und Karl
Alexander (seit 1853) haben die Kunst und Wissenschaft, sowie die sonstige Wohlfahrt
des Landes gepflegt.
Das Gebiet des Großherzogtums ist überwiegend gebirgig. Der Eise-
nacher Kreis wird vom Thüringer Walde und der Rhön durchzogen, der
Weimarsche Kreis gehört meist dem thüringischen Hochlande an, der Neustädter
Kreis ist hügelig.
In dem weimarischen Anteil der Rhön sind Erhebungen bis über 800 m (der
hohe Rain und die Sachsenburg 700, der Bayer 710 und der Ellenbogen etwas
über 800 m hoch); ans dem Thüringer Walde erhebt sich im Weimarischen der
Glöckner (700 m) und der Kickelhahn (bei Ilmenau, 862 m hoch). Als Erhebung
des thüringer Hochlandes ist nördlich von Weimar der Ettersberg zu nennen (410 m);
einige Pnnkle des Neustädter Kreises steigen etwas höher (565 m). — In geognostischer
Hinsicht gehört die weimarische Rhön der Triasgruppe (besonders dem Muschelkalk
und Buntsandstein) an, mehrere der bedeutenderen Erhebungen (z. B. der Bayer)
bestehen aus Basalt; der betreffende Teil des Thüringer Waldes enthält Rotliegendes,
das stellenweise von Porphyr durchbrochen wird. In der thüringischen Hochebene
herrschen Schichten der Triasgruppe vor, im Kreise Neustadt Rotliegendes und pri-
märes Schiesergestein. Ein Steinsalzlager findet sich in dem weimarischen Hauptteile
(bei Stotterheim), außerdem werden Eisenerze, Manganerze, Steinkohlen (nur wenig
bei Ilmenau), Braunkohlen (bei Kaltennordheim) und Braunstein gewonnen.
Der Boden ist am fruchtbarsten im weimarischen, am wenigsten frucht-
bar im Eisenacher Gebiete; der Neustädter Kreis hat eine mittlere Güte; der
Thüringer Wald, das Rhöngebiet und die höhereu Teile des Neustädter Kreises
sind gnt bewaldet, im thüringischen Hochlande tritt der Wald zurück.
Im Jahre 1883 waren vorhanden: Acker-, Garten- und Weinland 203155,
Wiesen 31762, Weiden Hutnngen, Öd- und Unland 18235, Forsten und Holzungen
93188, Haus- und Hofräume 14655 ha; also von dem ersterwähnten Boden 56,z,
vom Forstboden 25,8 Proz. der Gesamtfläche.
Von den Gewässern sind die Werra und Saale die bedeutendsten und
zum Flußgebiete derselben gehören die kleineren Gewässer fast ausnahmslos.
Die Werra kommt für das Eisenacher Gebiet in Betracht, von ihren Zuflüssen
die Neffe und Hörsel; die Saale durchfließt den östlichen Teil des weimarischen
Kreises in einem romantischen und fruchtbaren Thale und ihr Zufluß Ilm gehört
bis zu ihrer Mündung hin größerenteils demselben Gebiete an. Im Neustädter
Kreise finden sich die Weiße Elster mir der Weida und der Saaleflnß Orla; für
kleinere Gebiete kommen noch andre Flüsse in Betracht (z. B. die Unstrut für All-
stedt und Oldisleben). Im Süden des Neustädter Gebietes sind viele Teiche vorhanden.
Das Klima des Landes ist im Saalthale ziemlich mild, in den Gebirgs-
gegenden, besonders auf der Rhön. rauh.
Die mittlere Jahreswärme ist für Weimar über 9, Eisenach gegen 9, Jena 8,g,
Ilmenau 8" C. Die meisten Niederschläge hat der Thüringer Wald (gegen 1000 mm),
i" der Hochebene betragen dieselben 600—700 mm. Die reine, gesunde Luft des
Thüringer Waldes und des thüringischen Hochlandes hat zahlreiche klimatische Kur-
orte entstehen lassen, besonders Berka a. d. Ilm, Frauensee, Ilmenau, Rastenberg,
Ruhla, Stadtsulza, Stotternheim; mehrere derselben haben auch Mineralquelleu.
Die Bewohner gehören besonders dem thüringischen und obersächsischen
(Kreis Neustadt), im südlichen Teile des Kreises Eisenach auch dem fränkischen
Stamme an; es überwiegt der evangelische Glaube bei weitem. Die Ein-
wohner beschäftigen sich am meisten mit Landwirtschast, demnächst mit Industrie,
einschließlich Bergbau und Bauwesen, am wenigsten mit Handel.
Das Deutsche Reich.
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454 Zweites Kapitel.
französischen Zeit furchtbar, zumal die Hauptschlachten des Freiheitskrieges in Sachsen
geschlagen wurden. Nach Napoleons Sturz erlangte Preußen von Sachsen 367%
Quadratmeilen und 864400 Einwohner, während die Mark Meißen (mit Ausnahme
des nördlichsten Striches), der größte Teil der Oberlansitz und das Gebiet zwischen
Mulde und Elster (das Pleißnerland und der südliche Teil des Osterlandes), im ganzen
27172 Quadratmeilen mit 1182744 Einwohnern dem Könige Friedrich August I.
verblieben. Derselbe that fortan viel für die Hebung des Landes. König Anton
(1827—36) gab dem Lande (1831) eine Verfassung. Unter König Johann (1854—73)
trat Sachsen dem Norddeutschen Bunde bei, welcher 1871 sich zu dem Deutschen
Reiche erweiterte. Im Jahre 1866 Bundesgenosse Österreichs gegen-Preußen, trug
König Johann im französischen Kriege thatkräftig zur Niederwerfung des Erbfeindes
und zur Neugestaltung nnsres Vaterlandes bei; der jetzige König, Albert, aber war
als Kronprinz einer der ruhmreichsten Heerführer gegen Frankreich.
Betrachten wir die Erhebungsverhältnisse des Landes, so finden wir, daß
die südliche Hälfte desselben Gebirgsland ist, woran sich nordwärts Hügel-
land (^/z) und erst an dieses wiederum Flachland (V6) schließt. In dem Ge-
birgslande treten von Osten nach Westen zu das Lausitzer, Elbsandstein-, Erz-
und Elstergebirge hervor; das Erzgebirge ist das Hauptgebirge.
Das Lausitzer Gebirge reicht bis zur Südostgrenze Sachsens und besteht aus
zahlreichen Berggruppen; die höchsten Punkte (die Lausche und der Oybin, der Hoch-
wald, der Czorneboh bei Bautzen ?e.) übersteigen nicht eine Höhe von 830 in; es
besteht vorherrschend aus Granit, daneben ans Sandstein und Basalt. Das West-
wärts folgende Elbfandsteingebirge (die „Sächsische Schweiz"), zu beiden Seiten der
Elbe, besteht aus Quadersandstein, welcher an einzelnen Stellen durch Basaltmassen
durchbrochen wird. Gegen Südwesten folgt dann das Erzgebirge, ein ausgevräates
Kammgebirge, welches gegen Süden steil abfällt, dagegen nach Norden hin sich alt-
mählich abstuft. Es ist in seinem südwestlichen Teile am höchsten (sein Kamm bis
zu 1000 m und seine höchsten Kuppen, Fichtelberg, Keilberg, Auersberg, über 1200 m
hoch). Dem Erzgebirge ist das sächsische Mittelgebirge vorgelagert, welches von
Glauchau au 60 km weit östlich zieht und am Ostende mit dem Erzgebirge zu-
sammenhängt; noch weiter nördlich folgt das sächsische Bergland bis an die Linie
Meißen-Ofchatz-Grimma-Altenburg hin. Der östliche Teil des Erzgebirges besteht
bis zur Zschopau hin hauptsächlich aus Gneis, stellenweise auch aus Granit, der
südwestliche aus Glimmer- und Thonschiefer sowie gleichfalls aus Granit. Die Ur-
gesteine werden vielfach von Basalt, Phonolith, Porphyr und Melaphyr durchsetzt
(besonders an der unteren Zschopau und in der Nähe des Zwickauer Beckens). An
dem Nordrande der Urgebirgsschichten tritt Steinkohlengebirge mit stellenweise sehr
reichhaltigen Flözen auf; das nördliche Bergland enthält Brannkohlenlager (bei
Grimma, Oschatz, Bautzen). Das Erzgebirge ist reich an Erzen, besonders an Blei,
Silber, Zinn und Eisen.
^ Die Bewässerung des Königreichs Sachsen ist sehr günstig. Zahlreiche
Flüsse und Bäche entspringen den im Südeu des Landes liegenden Gebirgen,
nm sich größtenteils in den Elbstrom zu ergießeu, welcher den Hanptstrom
Sachsens bildet. __
Nur die Lausitzer Neiße, welche, nachdem sie in Böhmen ihren Ursprung ge-
funden hat, nach Sachsen übertritt, gehört der Oder an. Die Elbe tritt als 130 m
breiter, schiffbarer Strom in das Königreich, durchbricht zunächst das Elbsandstein-
gebirge, fließt dann durch den Thalkessel von Dresden, wird bis Meißen von Höhen-
zügen begleitet und verläßt Sachsen oberhalb Mühlberg (bei Strehla); sie hat in
diesem Lande eine schiffbare Strecke von 117 km. Von den linken Nebenflüssen der
Elbe find links die Mulde, welche sich aus der Zwickauer und Freiberger Mulde
(Zufluß Zschopau) bei Kolditz bildet, und die zur Saale gehende Weiße Elster mit
der Pleiße und Parthe, von den rechten Nebenflüssen die Spree und die Schwarze
Elster mit der Röder zu nennen. Außerdem sind viele kleinere Flüßchen, Flöß-
graben, Bergbaugräben, an stehenden Gewässern indes nur größere deiche (bei
Moritzburg, Wermsdors ?e.), aber keine eigentlichen Landseen vorhanden. An Mineral-